Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

30.6.11

Bundestag ignoriert jetzt auch die verbindlichen Vorgaben des Verfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht hat § 7 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 6 Abs. 4 und 5 des Bundeswahlgesetzes für verfassungswidrig erklärt, soweit hierdurch ermöglicht wird, dass ein Zuwachs an Zweitstimmen zu einem Verlust an Sitzen der Landeslisten oder ein Verlust an Zweitstimmen zu einem Zuwachs an Sitzen der Landeslisten führen kann.

Das Gericht hat den Gesetzgeber deshalb mit Urteil vom 3. Juli 2008 (Az.: 2 BvC 1/07, 2 BvC 7/07) dazu verpflichtet, spätestens bis zum 30. Juni 2011 – also dem heutigen Tag – eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen.

Nachdem es noch nicht einmal einen entsprechenden Gesetzesentwurf gibt, verstößt der deutsche Bundestag durch seine Untätigkeit ab dem morgigen Tag gegen die verbindliche Vorgabe des BVerfG.

An der formellen Rechtslage ändert sich dadurch aber nichts, da das Gesetz nicht für nichtig erklärt wurde und deshalb weiterhin in Kraft bleibt.

Update:
Es gibt offenbar doch bereits einen Gesetzesentwurf der Koalition vom 28.06.2011, der in den Bundestag eingebracht wurde.

Update vom 01.07.2001:
Der Gesetzesentwurf der Koalition scheint auf den ersten Blick den Vorgaben des BVerfG zu genügen, weil er § 7 BWG streicht und damit die dort normierte Listenverbindung beseitigt. Das Gericht hatte dies ausdrücklich als eine von mehreren Lösungsmöglichkeiten angesehen. Dieses Konzept begünstigt allerdings (weiterhin) die größten Parteien – und damit wohl vor allem die Union – weil es voraussichtlich auch in Zukunft für zahlreiche Überhangmandate sorgen wird.

Es könnte allerdings sein, dass der geplante neue § 6 Abs. 2a BWG wiederum zu dem vom BVerfG beschriebenen Effekt des negativen Stimmgewichts führt, zumindest wird dies befürchtet.

Der Gesetzesentwurf der Koalition ist jedenfalls nicht von dem Bestreben getragen, eine für den Bürger nachvollziehbare und klare Regelung zu schaffen. Die Neuregelung bleibt vielmehr kompliziert und intransparent und soll am Ende eben wiederum der Union nützen.

Selbst wenn die geplante Neuregelung als verfassungsgemäß zu betrachten ist, kann man sie politisch, von einem demokratischen Standpunkt aus betrachtet, nicht begrüßen.

posted by Stadler at 16:06  

29.6.11

Übermäßig hohe Mobilfunkgebühren, die durch Roaming entstanden sind, müssen u.U. nicht bezahlt werden

Das Landgericht Kleve hat mit Urteil vom 15.06.2011 (Az.: 2 O 9/11) entschieden, dass übermäßig hohe Handy-Kosten – im konkreten Fall ca. 6.000 EUR – die durch die Nutzung eines ausländischen Netzes entstanden sind, dann nicht bezahlt werden müssen, wenn der Kunde durch Abschluss eines Flatrate-Tarifs zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Kosten niedrig halten möchte. In einem solchen Fall müsse der Mobilfunkanbieter den Kunden nämlich zügig per SMS oder E-Mail darüber informieren, dass durch die Inanspruchnahme des ausländischen Netzes exorbitante Kosten entstehen und sich vergewissern, dass der Kunde diesen teueren Zugriff auf das ausländische Netz auch wünscht.

Der Beklagte hatte offenbar auch dahingehend argumentiert, dass er überhaupt nicht im Ausland war, sondern sich lediglich im grenznahen Bereich aufgehalten hat, weshalb es dort immer wieder zu einer Einwahl in ein ausländischen Netz gekommen sei. Hierauf hat das Gericht aber gar nicht abgestellt, sondern dies vielmehr als unerheblich betrachtet.

posted by Stadler at 13:49  

28.6.11

Unwirksame Aufrechungsklausel

Eine Klausel, die man in vielen Verträgen und AGB findet, ist in einer neuen Entscheidung des BGH (Urteil vom 7. April 2011, Az.: VII ZR 209/07) zum Architektenrecht für unwirksam erklärt worden.

Danach ist die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Architektenvertrages verwandte Klausel

„Eine Aufrechnung gegen den Honoraranspruch ist nur mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung zulässig“

unwirksam.

Der BGH sieht in der Klausel eine unangemessene Benachteiligung, weil der der Besteller durch das Verbot der Aufrechnung dazu gezwungen werden kann, eine mangelhafte oder unfertige Leistung in vollem Umfang zu vergüten, obwohl ihm Gegenansprüche in Höhe der Mängelbeseitigungs- oder Fertigstellungskosten zustehen.

Diese Rechtsprechung dürfte auch auf andere Werkverträge und eine Vielzahl von IT-Verträgen übertragbar sein.

posted by Stadler at 21:41  

27.6.11

LG Köln: Kein Rechtsverstoß durch Einbindung von Bild in Personensuchmaschine

Nach Ansicht des Landgerichts Köln (Urteil vom 22.06.2011, Az.: 28 O 819/10) verstößt der Betreiber einer sog. Personensuchmaschine nicht gegen das KUG bzw. das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, wenn er ein Dossier zu einer bestimmten Person erstellt und dazu im Wege eines „embedded links“ ein Foto der betroffenen Person einbindet, das der Betroffene an einem anderen Ort selbst online gestellt hat.

Das Landgericht Köln zieht zur Begründung eine durchaus gewagte Parallele zur Entscheidung Google-Bildersuche des BGH und meint, dass der Betroffene durch das Einstellen des Fotos an anderer Stelle damit auch sein Einverständnis mit einer Nutzung durch eine Personensuchmaschine erklärt hat. Das Gericht geht dann sogar noch einen Schritt weiter und meint, dass auch die Erklärung des Betroffenen, er wünsche die Veröffentlichung nicht, unbeachtlich sei, solange er nicht für die Entfernung des Bildes an der Quelle sorge.

Ich halte die Entscheidung des Landgerichts Köln für falsch. Das Gericht lässt sich offenbar zu sehr von dem Begriff der Suchmaschine leiten, ohne genauer zu hinterfragen, was eine Personensuchmaschine tatsächlich macht, obwohl im Tatbestand bereits anklingt, dass der Betreiber ein Dossier aus im Internet auffindbaren Informationen anfertigt.

Personensuchmaschinen erstellen – ohne den Betroffenen darüber zu informieren – Persönlichkeitsprofile, indem sie Informationen und Fotos, die im Netz verfügbar sind, sammeln und unter dem Namen der Person verknüpfen. Das geht über die Tätigkeit der Bildersuche von Google weit hinaus.

Die Erstellung eines solchen Persönlichkeitsprofils wäre zunächst unter datenschutzrechtlichen Aspekten zu würdigen gewesen. Selbst wenn man insoweit der Ansicht ist, dass hierfür eine Gestattung nach § 29 BDSG in Frage kommt, müsste doch der Widerspruch des Betroffenen dazu führen, dass das gesamte Profil und nicht nur die Einbindung des Bildes zu löschen ist.

Aber auch die Gleichsetzung der urheberrechtlichen und der persönlichkeitsrechtlichen Betrachtung erscheint fragwürdig. Denn es geht vorliegend nicht lediglich um Vorschaubilder im Rahmen einer Bildersuche, sondern um die Erstellung eines kompletten Profils einer Person. Sinn und Zweck des Rechts am eigenen Bild ist es aber gerade, dass das Erscheinungsbild einer bestimmten Person in einer bestimmten Situation erhalten bleibt. Der Wechsel des Kontexts ist gerade das, was das Persönlichkeitsrecht verhindern will. Während es in dem vom BGH entschiedenen Fall nur um Thumbnails geht, also eine Vorschaufunktion, binden Personensuchmaschinen die Fotos von Personen in das von ihnen zusammengestellte Persönlichkeitsprofil ein. Das ist qualitativ nicht vergleichbar.

Update:
Die 28. Zivilkammer des LG Köln hat einen ähnlichen Sachverhalt vor zwei Jahren noch anders entschieden. Offenbar war man tatsächlich der Meinung, wegen der Entscheidung zur Google-Bildersuche seine Rechtsprechung ändern zu müssen.

posted by Stadler at 19:43  

27.6.11

Datenschutz: IP-Adressen als personenbezogene Daten

Die Diskussion um die Frage, ob IP-Adressen personenbezogene Daten sind, wird mittlerweile nicht mehr ausschließlich von Juristen geführt, was man angesichts ihrer Bedeutung für den Datenschutz im Netz nur begrüßen kann.

Ich möchte dies zum Anlass nehmen, die rechtliche Streitfrage ausführlicher zu erläutern und die unterschiedlichen Positionen darzustellen. Ausgangspunkt soll die gesetzliche Regelung sein, die wir in § 3 Abs. 1 BDSG

Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener)

und in Art. 2 a) der EU-Datenschutzrichtlinie

alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person („betroffene Person“); als bestimmbar wird eine Person angesehen, die direkt oder indirekt identifiziert werden kann, insbesondere durch Zuordnung zu einer Kennummer oder zu einem oder mehreren spezifischen Elementen, die Ausdruck ihrer physischen, physiologischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität sind

finden.

Ein personenbezogenes Datum liegt also dann vor, wenn eine Person bestimmbar ist, wofür es nach der Richtlinie ausreicht, dass die Person indirekt identifiziert werden kann.

Was folgt hieraus für IP-Adressen? Bei dynamischen IP-Adressen kann zumindest mithilfe des Zugangsproviders ermittelt werden, welche Person Anschlussinhaber bzw. Kunde des Providers ist. Dass es sich hierbei nicht um ein theoretisches Szenario handelt, zeigen die Fälle des Filesharing, in denen in jedem Jahr mehrere hunderttausend Anschlussinhaber identifiziert und anschließend abgemahnt werden. Genügt das also, um von einem personenbezogenen Datum auszugehen?

In der juristischen Literatur und auch der bislang eher spärlichen Rechtsprechung besteht seit längerer Zeit Streit darüber, wann eine Person in diesem Sinne bestimmbar ist.

Die Theorie vom absoluten Personenbezug, die insbesondere von den Datenschutzbehörden von Bund und Ländern vertreten wird, geht davon aus, dass es ausreichend ist, wenn irgendein Dritter in der Lage ist, einen Personenbezug herzustellen. Dieser Ansicht zufolge sind IP-Adressen stets personenbezogene Daten, weil zumindest der Access-Provider diese Zuordnung vornehmen kann.

Die Theorie vom relativen Personenbezug nimmt demgegenüber an, dass es maßgeblich darauf ankommt, ob die Stelle, die die IP-Adresse speichert, in der Lage ist, eine (natürliche) Person zu ermitteln und zwar mithilfe der ihr selbst zur Verfügung stehenden Mittel. Das würde bedeuten, dass IP-Adressen nicht per se als personenbezogen zu betrachten sind. Der Betreiber einer Website, der IP-Adressen loggt, kann nämlich regelmäßig mit eigenen Mitteln keinen Personenbezug herstellen.

Aber selbst das ist nicht immer so eindeutig. Nehmen wir das Beispiel Google. Man wird auf den ersten Blick der Ansicht sein, dass ein Anbieter wie Google grundsätzlich nicht in der Lage ist, mithilfe der IP-Adresse eine konkrete Person zu identfizieren. Das sieht aber bereits dann anders aus, wenn ein Nutzer einen Google-Account unterhält, weil er einen der zahlreichen Google-Dienste (Mail, blogger.com, Analytics, AdWords) nutzt und zudem dort gerade eingeloggt ist. In diesem Fall kann Google den Personenbezug selbst herstellen.

In der juristischen Literatur gibt es für beide Ansichten eine Reihe von Vertretern, ein eindeutiges Übergewicht einer der beiden Meinungen ist nicht festzustellen. Je nachdem, was man liest, wird mal die eine und dann wieder die andere Auffassung als herrschend bezeichnet. In der Rechtsprechung sieht es ähnlich aus, wobei dort in der Tendenz eher die Ansicht vom relativen Personenbezug vorherrscht. In diesem Sinne haben sich z.B. das OLG Hamburg, das Landgericht Frankenthal (MMR 2008, 687), das Verwaltungsgericht Düsseldorf und das Amtsgericht München geäußert.

Welche Ansicht ist also richtig? Wenn man sich am Wortlaut der Richtlinie orientiert, dürfte mehr für die Annahme eines absoluten Personenbezugs sprechen. Denn nach Art. 2a) der Datenschutzrichtlinie ist eine Person schon dann als bestimmbar anzusehen, wenn sie indirekt identifiziert werden kann, insbesondere durch Zuordnung zu einer Kennnummer. Wenn man die IP-Adresse also als eine Art Kennnummer betrachtet, dann ermöglicht sie über den Umweg des Providers indirekt eine Identifizierung einer natürlichen Person. Diese Ansicht wird noch verstärkt durch Erwägungsgrund 26 der Datenschutzrichtlinie, der u.a. besagt:

Bei der Entscheidung, ob eine Person bestimmbar ist, sollten alle Mittel berücksichtigt werden, die vernünftigerweise entweder von dem Verantwortlichen für die Verarbeitung oder von einem Dritten eingesetzt werden könnten, um die betreffende Person zu bestimmen. Die Schutzprinzipien finden keine Anwendung auf Daten, die derart anonymisiert sind, daß die betroffene Person nicht mehr identifizierbar ist.

Damit ist europarechtlich relativ deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass es nicht nur auf die Möglichkeiten der speichernden Stelle ankommt, sondern es genügt, wenn ein Dritter (Provider) den Personenbezug herstellen kann.

In einem der aktuellen juristischen Aufsätze zum Thema (Sachs, CR 2010, 547) wird die Rechtslage so zusammengefasst, dass sich die Frage anhand der Kriterien der juristischen Methodenlehre nicht eindeutig beantworten lässt, es aber zweifelhaft erscheint, ob die in Deutschland bislang vorherrschende Ansicht vom relativen Personenbezug aufgrund der Regelungen der Datenschutzrichtlinie und der Haltung der Aufsichtsbehörden aufrecht erhalten werden kann.

De lege ferenda halte ich das Ergebnis, dass eine IP-Adresse immer personenbezogen sein soll, aber nicht für sinnvoll, weil damit nach geltendem Recht streng genommen Serverlogs ganz generell und insgesamt unzulässig wären. Die notwendige Lösung besteht darin, internetspezifische Erlaubnistatbestände zu schaffen. Das wäre auch vor dem Hintergrund der Einführung von IPv6 wünschenswert, weil sich dadurch die Personenbeziehbarkeit noch erhöhen wird.

Neue Erlaubnistatbestände würden allerdings im Ergebnis zu einer Aufweichung des aber ohnehin nicht mehr praxistauglichen Datenschutzrechts führen. Bestrebungen in diese Richtung dürften deshalb auf erheblichen Widerstand insbesondere der Datenschutzbehörden stoßen. Aus diesem Grund werden wir wohl weiterhin mit einem Datenschutzrecht leben müssen, das die Onlinewirklichkeit nicht ausreichend abbildet.

posted by Stadler at 11:51  

26.6.11

Bayern-Trojaner kam fünfmal zum Einsatz

Unter Berufung auf die morgen erscheinende Print-Ausgabe des Spiegel berichtet Heise-Online, dass der sog. Bayern-Trojaner insgesamt fünfmal zum Einsatz gekommen sei, um Straftaten aufzuklären.

Dieses Vorgehen ist im Bereich der Strafverfolgung, anders als der insoweit missverständlich Heise-Artikel nahelegt, keineswegs rechtlich umstritten, sondern evident rechtswidrig. In der StPO existiert noch nicht einmal eine rechtliche Grundlage für eine derartige Onlinedurchsuchung.

In einem lesenswerten Aufsatz führt Albrecht hierzu ergänzend aus, dass sich die Beamten, die die Online-Durchsuchung durchführen bzw. veranlassen, regelmäßig auch nach § 202a Abs. 1 StGB strafbar machen. Straftaten, die freilich von bayerischen Staatsanwaltschaften nicht verfolgt werden.

Der nach Art. 34d BayPAG – allerdings unter sehr engen Voraussetzungen – zulässige,  verdeckte Zugriff auf informationstechnische Systeme (Onlinedurchsuchung), der im Bericht von Heise ebenfalls erwähnt wird, bietet für den Bereich der Strafverfolgung ohnehin keine einschlägige Rechtsgrundlage, sondern betrifft vielmehr nur den (präventiven) Bereich der Gefahrenabwehr.

posted by Stadler at 21:03  

24.6.11

CSU ohne Argumente pro Vorratsdatenspeicherung

Es ist schon beeindruckend, vielleicht sogar beängstigend, wie die Union mit den immergleichen Aussagen die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung fordert. Geboten wird hierbei der ewiggleiche Mix aus unrichtigen Tatsachenbehauptungen, Phrasen und Panikmache. An sachlichen Argumenten mangelt es zumeist.

Keine Ausnahme macht hier auch der Freisinger Anwaltskollege und CSU-Politiker Florian Herrmann der ins das bekannte Horn bläst. Behauptet wird wie üblich, das Ende der Vorratsdatenspeicherung hätte in Deutschland zu einer gefährlichen Sicherheitslücke geführt. Diese Aussage ist schon deshalb unsinnig, weil es die uneingeschränkte Vorratsdatenspeicherung keine drei Monate lang gegeben hat, bis das BVerfG die Begfugnisse durch eine erste Eilentscheidungen bereits deutlich eingeschränkt hat.

Dass die Vorratsdatenspeicherung zur Bekämpfung schwerster Kriminalität notwendig sei, ist auch ein der üblichen Behauptungen, die bislang allerdings noch niemand erhärten konnte. Fakt ist eher, dass die Polizeibeamten mit denen man spricht, der Meinung sind, dass mehr Fälle von Massenkriminalität, insbesondere Betrugsdelikte mit Internetbezug, mithilfe einer Vorratsdatenspeicherung aufgeklärt werden könnten. Den Bürgern erzählt man stattdessen gerne die Mär von der Bekämpfung des Terrorismus und der organisierten Kriminalität.

Die Politik, die eine Vorratsdatenspeicherung fordert und damit unsere Grundrechte massiv einschränken möchte, schuldet eine stichhaltige und auf belastbare Zahlen gestützte Begründung, warum die Vorratsdatenspeicherung tatsächlich notwendig sein soll. Auf diese Begründung warte nicht nur ich bislang vergeblich. Die Diskussionsführung, gerade der Union, ist leider nicht von nachvollziehbaren Sachargumenten geprägt. Wer ständig behauptet, dass seit dem Wegfall der Vorratsdatenspeicherung viele Straftaten nicht mehr verfolgt werden könnten, die vorher aufgeklärt worden sind, muss dies belegen können.

Warum die Vorratsdatenspeicherung für den einzelnen Bürger so bedenklich ist, kann man an dem Beispiel von Malte Spitz sehr anschaulich nachvollziehen. Weshalb die Vorratsdatenspeicherung aus Sicht der Bürgerrechte ganz generell abzulehnen ist, habe ich bereits mehrfach dargelegt.

posted by Stadler at 17:47  

24.6.11

Einstweilige Verfügung gegen Google wegen Blogbeitrag auf blogger.com

Das Landgericht Berlin hat gegen Google (Inc.) am 21.06.2011 (Az.: 27 O 335/11) eine einstweilige Verfügung erlassen, die es Google verbietet, über den Antragsteller bestimmte beleidigende und ehrverletzende Aussagen zu verbreiten oder verbreiten zu lassen.

Der Beschluss des Landgerichts Berlin betrifft aber, ausweislich der Begründung, offenbar nicht die Suchmaschine, sondern die ebenfalls zu Google gehörende Plattform blogger.com.

Die Entscheidung kann auch nur unter dem Aspekt des Hostings sachlich gerechtfertigt sein, wobei auch in diesem Fall der Tenor fragwürdig erscheint, weil er die konkrete Verletzungshandlung nicht ausreichend konkret umschreibt.

posted by Stadler at 14:14  

24.6.11

EU normiert keine Pflicht zur (Wieder-)Einführung von Netzsperren

Art. 21 des Entwurfs einer Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie, sieht entgegen bisheriger Entwürfe nunmehr offenbar keine Verpflichtung der Mitgliedsstaaten mehr vor, Access-Sperren, die in Deutschland durch Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes gerade wieder beseitigt wurden, einzuführen. Das berichten netzpolitik.org und EDRi.

Wie der Brüssel-Insider Ralf Bendrath – der selbst an diesem Ergebnis nicht ganz unbeteiligt sein dürfte – für netzpolitik.org schreibt, hat Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger sehr aktiv und erfolgreich in diese Richtung verhandeln lassen.

Zu wenig beachtet wird bei solchen Erfolgen auch, dass sich die Organisation European Digital Rights (EDRi) mit Joe McNamee in Brüssel sehr engagiert und wirkungsvoll für unsere Bürgerrechte einsetzt und dort auch als offizieller Interessenvertreter akkreditiert ist. Weil die Öffentlichkeitsarbeit von EDRi nicht so spektakulär ist, wie die anderer Gruppen, wird das aber hierzulande wenig wahrgenommen. An dieser Stelle ist auch die passende Gelegenheit auf das EDRi-gram, den zweiwöchentlichen Newsletter über Bürgerrechte in Europa, den es auch in einer deutscher Fassung gibt, hinzuweisen.

Und im konkreten Fall darf man auch Christian Bahls (MOGIS), einen der engagiertesten deutschen Netzsperren-Gegner nicht unerwähnt lassen. Bahls hat sich auf eigene Kosten in Brüssel dafür eingesetzt, dass die verbindliche Sperrverpflichtung nicht über den Umweg der EU nach Deutschland zurückkehrt.

posted by Stadler at 11:18  

24.6.11

Klage gegen Tagesschau-App: Meine Antwort auf Christoph Keese

Christoph Keese, Konzerngeschäftsführers „Public Affairs“ des Axel Springer Verlags, verteidigt in einem langen Blogbeitrag die Klage der Presseverlage gegen die Tagesschau-App und greift hierbei zahlreiche Kritikpunkte auf, die in Blogs und über Twitter in den letzten Tagen vorgebracht worden sind. Die Tatsache, dass jemand wie Keese bloggend zu der Thematik Stellung nimmt, muss man unbedingt begrüßen, wenngleich mich seine inhaltlichen Ausführungen nicht überzeugen.

Keese bezieht sich in seinem Blogtext auch auf Tweets von mir, während er meinen Blogbeitrag zum Thema vermutlich nicht gelesen hat.

Seine Antwort auf meine via Twitter gestellte Frage „Warum klagen Sie nicht auch gegen Tagesschau.de, sondern nur gegen die App? Das ist doch inkonsequent“

Diese Frage hat gestern übrigens Rechtsanwalt Thomas Stadler (@rastadler) getwittert, zusammen mit der Ferndiagnose, dass die Verlage vor Gericht unterliegen würden. Woher Stadler das wissen kann, ohne den Schriftsatz zu kennen, bleibt sein Geheimnis. Geklagt wird nur gegen die App, weil ihr Erscheinungsdatum innerhalb der sechsmonatigen Klagefrist lag, die das Wettbewerbsrecht vorsieht. Stadler hätte sich das denken können. Allen Nichtjuristen sei gesagt, dass Tagesschau.de genauso gegen den Staatsvertrag verstößt wie die Tagesschau-App, aber älter und aus rechtlichen Gründen damit schwerer zu verklagen ist.

hat mich doch irgendwie verblüfft. Keese bringt damit zum Ausdruck, dass die Verlage tagesschau.de eigentlich in gleicher Weise für wettbewerbswidrig halten, man es aber versäumt hat, die kurze, sechsmonatige Verjährungsfrist des UWG zu wahren, weshalb man nunmehr nur noch gegen die App klagen könne und nicht mehr gegen das Angebot von tagesschau.de.

Die Argumentation ist insofern erstaunlich, als die Tagesschau-App letztlich nichts anderes ist, als eine Umsetzung von tageschau.de für Mobiltelefone. Die vermeintliche Verletzungshandlungen kann sich aber nur aus den Inhalten von tagesschau.de ergeben und nicht aus der Darstellung auf einem bestimmten Endgerät. Oder um es anders zu formulieren: Das maßgebliche Inhaltsangebot ist tagesschau.de und nicht die App.

Wenn man bei den Verlagen also der Meinung ist, dass wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche gegen die Inhalte von tagesschau.de bereits verjährt sind, dann müsste das auch auf die Darstellung mittels einer Mobilfunk-App zutreffen. Die Klage – die ich im Detail in der Tat nicht kenne – dürfte sich auch nicht gegen die App an sich richten, sondern gegen diejenigen Inhalte, die die Verlage als „elektronische Presse“ betrachten. Wäre die Argumentation von Christoph Keese also zutreffend, dann müsste konsequenterweise auch die jetzige Klage an einer Verjährung scheitern.

In sachlicher Hinsicht kann ich Herrn Keese gerne erläutern, weshalb ich der Klage der Verlage nur geringe Erfolgsaussichten beimesse, auch wenn nicht auszuschließen ist, dass man beim Landgericht Köln zunächst Erfolg hat.

Als entscheidend betrachtet Keese, dass der Runfunkstaatsvertrag presseähnliche, nichtsendungsbezogene Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender verbietet.

Diese Begriffe können allerdings nicht eng im Sinne der Presseverlage ausgelegt werden, sondern müssen vielmehr verfassungskonform im Lichte der Bedeutung der Rundfunkfreiheit interpretiert werden. Insoweit ist entscheidend, dass das BVerfG von einer Bestandsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausgeht, der die Sender dazu berechtigt, sich der neuen technischen Mittel zur Erfüllung seines Funktionsauftrags zu bedienen. Dabei ist es grundsätzlich Sache der Sender im Rahmen ihrer Programmautonomie zu entscheiden, welche Inhalte und Formen hierzu notwendig sind.

Das hat der Gesetzgeber insoweit umgesetzt, als er es nach § 11f RStV den Sendern im Wege einer eigenen Satzungskompetenz – die der Rechtsaufsicht unterliegt – selbst zu regeln, wie die Vorgaben von § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 RStV konkret umzusetzen sind. An dieser Stelle drängt sich auch die Frage auf, ob der Staat – und damit auch die ordentlichen Gerichte – hier überhaupt mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts in dieses System eingreifen kann, oder ob dies bereits einen Eingriff in die Programmautonomie der ARD darstellt.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Programmautonomie folgerndermaßen definiert:

Es ist Sache der Rundfunkanstalten, aufgrund ihrer professionellen Maßstäbe zu bestimmen, was der Rundfunkauftrag in publizistischer Hinsicht verlangt.

Das gilt m.E. auch für tagesschau.de und die Entscheidung diese Onlineinhalte im Wege einer App auch für Mobiltelefone aufzubereiten.

Mir erscheint die Haltung der Verlage auch in einem größeren Kontext betrachtet, höchst inkonsequent zu sein. Denn derzeit fordert man seitens der Verlage ganz vehement die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseerzeugnisse, das, wenn es nach den Vorstellungen der Verlage geht, nichts anderes sein soll, als eine Form der gebührenfinanzierten Presse. Und das ist genau das, was man der ARD vorwirft.

Die Diskussion müsste meines Erachtens anders und zwar auf breiter gesellschaftlicher Ebene geführt werden. Die Frage, die es zu diskutieren gilt, lautet, ob wir angesichts des vielfältigen Angebots, das über das Netz erreichbar ist, weiterhin einen gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk benötigen. Eine Abkehr von dem bisherigen Modell würde aber nicht nur eine vorhergehende breite gesellschaftliche Diskussion erfordern, sondern auch einen Paradigmenwechsel in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

posted by Stadler at 10:00  
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