Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

30.10.13

Drosselklauseln der Telekom bei Flatrates unwirksam

Das Landgericht Köln (Urteil vom 30.10.2013, Az.: 26 O 211/13) hat laut einer Pressemitteilung der Verbraucherzentrale NRW AGB-Klauseln der Telekom für unwirksam erklärt, die eine Drosselung des Surftempos bei Internet-Flatrates im Festnetz vorsehen.

Diese Entscheidung ist nicht überraschend, ähnliche Entscheidungen auf wettbewerbsrechtlicher Grundlage gab es bereits für den Mobilfunkbereich.

Man darf hieraus aber keinesfalls die Schlussfolgerung ziehen, dass den Providern damit eine Drosselung generell untersagt wäre. Die unangmessene Benachteiligung, die das Landgericht Köln offenbar angenommen hat, dürfte vor allen Dingen daraus resultieren, dass die Telekom den Tarif als Flatrate vermarktet hat und der Kunde bei Flatrates, die ja auch gerne entsprechend vollmundig beworben werden, nicht mit einer Volumenbeschränkung rechnen muss.

Tarifmodelle, die nach dem Verbrauch eines bestimmten Datenvolumens gedrosselt werden, müssen dann eben anders bezeichnet und beworben werden und mit einem deutlichen Hinweis auf die Drosselung versehen sein. Sie sind aber sicherlich nicht per se unzulässig.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es ist damit zu rechnen, dass die Telekom Berufung einlegen wird.

Update:
Nachdem das Urteil bereits im Volltext vorliegt, lässt sich die rechtliche Einschätzung nunmehr noch ergänzen. Das Gericht geht davon aus, dass es sich um eine überraschende AGB-Klausel (§ 305c Abs. 1 BGB) handelt und diese zudem nach §§ 307 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam ist. Das Landgericht ist der Ansicht, dass durch die Drosselklausel das Hauptleistungsversprechen (Flatrate) erheblich eingeschränkt und der Kunde dadurch unangmessen benachteiligt wird. Maßgbelich hierfür ist die Verwendung des Begriffs der „Flatrate“, durch den die Telekom zu erkennen gibt, dass sie einen Internetzugang ohne Einschränkung und versteckte Kosten gewährt.

Vor diesem Hintergrund liegt nach Ansicht des LG Köln zudem eine ungewöhnliche Klausel vor, der ein Überrumpelungseffekt innewohnt, so dass auch die Voraussetzungen einer Unwirksmkeit nach § 305c BGB vorliegen. Der Kunde muss nicht damit rechnen, dass die Flatrate durch die AGB eingeschränkt wird.

posted by Stadler at 11:56  

18.9.13

Die Verwirklichung des vernetzten Kontinents

Letzte Woche hat die EU-Kommission einen Verordnungsvorschlag mit der hochtrabenden Bezeichnung

VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES über Maßnahmen zum europäischen Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation und zur Verwirklichung des vernetzten Kontinents und zur Änderung der Richtlinien 2002/20/EG, 2002/21/EG und 2002/22/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1211/2009

veröffentlicht, der mittlerweile auch in deutscher Sprache vorliegt. Den äußerst umfangreichen Vorschlag will ich hier nicht im Detail besprechen. Eine Zusammenfassung findet sich beim Kollegen Lehofer.

Vielmehr möchte ich mich auf zwei Aspekte beschränken, die zum Teil bereits im Vorfeld zu Diskussionen geführt haben. Die Regelung zur Netzneutralität lässt selbst einen Mindeststandard vermissen. Art. 23 lautet (auszugsweise) wie folgt:

Artikel 23 – Freiheit der Bereitstellung und Inanspruchnahme eines offenen Internetzugangs und angemessenes Verkehrsmanagement

(1) Endnutzern steht es frei, über ihren Internetzugangsdienst Informationen und Inhalte abzurufen und zu verbreiten und Anwendungen und Dienste ihrer Wahl zu nutzen.

Endnutzern steht es frei, mit Anbietern von Internetzugangsdiensten Vereinbarungen über Datenvolumina und -geschwindigkeiten zu schließen und entsprechend solchen Datenvolumenvereinbarungen beliebige Angebote von Anbietern von Internetinhalten,-anwendungen und -diensten in Anspruch zu nehmen.

(2) Endnutzern steht es ferner frei, mit Anbietern öffentlicher elektronischer Kommunikation oder mit Anbietern von Inhalten, Anwendungen und Diensten die Erbringung von Spezialdiensten mit einer höheren Dienstqualität zu vereinbaren.

Um die Erbringung von Spezialdiensten für Endnutzer zu ermöglichen, steht es Anbietern von Inhalten, Anwendungen und Diensten sowie Anbietern öffentlicher elektronischer Kommunikation frei, miteinander Vereinbarungen über die Übertragung des diesbezüglichen Datenvolumens oder -verkehrs als Spezialdienste mit bestimmter Dienstqualität oder eigener Kapazität zu schließen. Durch die Bereitstellung von Spezialdiensten darf die allgemeine Qualität von Internetzugangsdiensten nicht in wiederholter oder ständiger Weise beeinträchtigt werden.

Die Formulierung, die sprachlich den Nutzer in den Vordergrund stellt, beinhaltet einen eher durchsichtigen Taschenspielertrick. Sie suggeriert nämlich eine Wahlfreiheit des Nutzers, die nicht existiert. Der Nutzer kann immer nur die Angebote in Anspruch nehmen, die ihm die (großen) Provider vorsetzen. Dem Nutzer steht allenfalls frei, diese Angebote anzunehmen oder es sein zu lassen. Die Regelung ermöglicht letztlich genau das, was die großen Anbieter wie die Telekom gefordert haben, nämlich eine Differenzierung nach sog. Diensteklassen und das Angebot von höherpreisigen Premiumdiensten. Von der Forderung nach Netzneutralität ist nur die Formulierung übrig geblieben, dass derartige Premiumdienste („Spezialdienste“) die allgemeine Qualität des Internetzugangs nicht wiederholt bzw. nicht ständig beeinträchtigen dürfen. Was das genau bedeutet, bleibt unklar.

Mit dieser Regelung dürften die Wünsche der TK-Lobbyisten weitgehend erfüllt worden sein. Von der Forderung nach einer gesetzlichen Festschreibung der Netzneutralität ist allenfalls noch eine leere Hülle übrig geblieben.

Außerdem hat die Kommission offenbar wieder einmal Warnhinweisemodelle nach den Vorbildern „Three-Strikes-Out“ oder „Hadopi“ im Sinn. Nach Art. 25 Abs. 4 müssen Provider auf Anforderung der zuständigen Behörden kostenlos Informationen an ihre Kunden weiterleiten, die sich auf

unrechtmäßige Handlungen oder die Verbreitung schädlicher Inhalte, insbesondere wenn dadurch die Achtung der Rechte und Freiheiten anderer Personen beeinträchtigt werden kann, einschließlich Verstößen gegen Datenschutzrechte, das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte und ihre rechtlichen Folgen

beziehen. Es gibt einige Untote der Netzpolitik die offenbar immer mal wiederkehren.

posted by Stadler at 12:57  

19.6.13

Verordnungsentwurf zur Netzneutralität

Jan Mönikes hat in seinem Blog den ersten Entwurf für die geplante Verordnung zur Regelung der Netzneutralität (NNVO) veröffentlicht. Dass gegen das Verordnungskonzept als solches erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, habe ich bereits an anderer Stelle erläutert. Ein Gesetz ist daher unumgänglich, wenn man verhindern will, dass jedes beliebige Gericht darüber entscheidet, ob die Verordnung wegen Verstoß gegen höherrangiges Recht angewendet wird oder nicht.

Der konkrete Entwurf erscheint mir inhaltlich noch nicht durchgehend überzeugend, andererseits aber auch nicht wirklich verfehlt. Klar ist, dass die Bundesregierung sog. Diensteklassen – die im Entwurf Qualitätsdiensteklassen heißen – erlauben will. Eine exakte Definition dessen, was eine solche Diensteklasse ist, fehlt allerdings. In dem Entwurf heißt es:

Eine inhaltsneutrale an technischen Erfordernissen orientierte Transportklassifizierung (Qualitätsdienstklassen) ist keine willkürliche Verschlechterung von Diensten, solange dem Endnutzer Wahlmöglichkeiten erhalten bleiben. Eine Differenzierung von Entgelten nach Qualitätsdienstklassen ist keine ungerechtfertigte Behinderung oder Verlangsamung des Datenverkehrs.

In der Diskussion waren bisher u.a. Diensteklassen für Audio- und Videoangebote. Für bestimmte trafficintensive Inhalte könnte danach also ein Aufpreis verlangt werden oder eine Drosselung stattfinden. Verboten ist insoweit nur, einzelne Angebote zu bevorzugen bzw. zu benachteiligen. Es wäre also nur unzulässig einzelne Streamingportale unterschiedlich zu behandeln, nicht hingegen das Streaming ganz allgemein zu verteuern.

Wer solche Diensteklassen verhindern will und sich eine einheitliche Flatrate für alle ohne Diensteklassen wünscht, muss zusätzlich eine Diskussion über eine staatliche Garantie für eine Internetgrundversorgung führen und nicht nur eine über Netzneutralität.

posted by Stadler at 21:04  

7.6.13

Prism ist kein originär amerikanisches Phänomen

Die Meldung, dass US-Behörden im Rahmen des Programms Prism das Internet in großem Stil überwachen und angeblich direkt auf Server von Google, Facebook, Apple oder Microsoft zugreifen können, hat weltweit für mediale Aufmerksamkeit gesorgt.

Wer weiß, was bereits deutsche Geheimdienste nach dem Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G 10) dürfen und was sie tatsächlich praktizieren, dem muss klar sein, dass Geheimdienste weltweit die Telefon- und Internetkommunikation massiv und großflächig überwachen und aufzeichnen. In den USA möglicherweise umfassender und intensiver als in Europa.

Dass dies einer breiten Öffentlichkeit nicht bekannt ist, obwohl wesentliche Rahmenbedingungen nicht wirklich geheim sind, liegt auch an einer unzureichenden Berichterstattung.

Wer nun meint oder behauptet, die EU könne US-Programmen wie Prism etwa durch die geplante Datenschutzgrundverordnung Einhalt gebieten, hat nicht verstanden, auf welcher Grundlage und nach welcher Logik Geheimdienste agieren.

Die Legitimation jedweder Geheimdiensttätigkeit ergibt sich immer aus dem jeweiligen nationalen Recht. Weil es gerade auch darum geht, fremde Staaten und deren Bürger auszuspionieren, ist es zwangsläufig notwendig, sich über die rechtlichen Beschränkungen fremden Staaten hinwegzusetzen. Für die Tätigkeit von US-Diensten ist es also völlig irrelevant, was die EU oder ein europäischer Staat gesetzlich regelt. Das gilt freilich umgekehrt ebenso.

Gegen diese Form der Geheimdienstlogik hilft nur Transparenz, Information und Berichterstattung. Nötig ist vor allen Dingen aber auch ein sicherheitspolitischer Bewusstseinswandel und zwar sowohl in den Köpfen der Bürger als auch in denen der Politiker. Diese Welt wird letztendlich nur dann irgendwann wirklich demokratisch und freiheitlich werden, wenn wir es weltweit schaffen, Phänomene wie (nationale) Geheimdienste zu überwinden. Die Pönalisierung von Whistleblowern wie Bradley Manning ist hier übrigens nur die Kehrseite derselben Medaille. Solange Nationalstaaten Geheimdienste unterhalten, die mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet werden, im Verborgenen agieren dürfen und keiner effektiven Kontrolle unterliegen, solange wird man auch diejenigen hart bestrafen, die sich dieser Logik widersetzen, indem sie solche Informationen und Vorgänge öffentlich machen, die dieser merkwürdigen Geheimhaltungslogik unterliegen.

Es wird sich also nur dann etwas ändern, wenn Öffentlichkeit erzeugt wird und es gelingt, die finsteren Hinterzimmer auszuleuchten. Die Medien könnten damit anfangen, die Menschen einfach erst einmal über das Ausmaß der Überwachung zu informieren, das prinzipiell bereits bekannt ist. Ich lese leider wenig über den „elektronischen Staubsauger“ und das, was der BND auf Grundlage des G10 tatsächlich so treibt und frage mich warum. Ist es für Journalisten gefährlich in diesem Umfeld zu recherchieren und Dinge öffentlich zu machen?

Update vom 10.06.2013:
In einem Blogbeitrag für CR-Online stellt der Kollege Härting – lediglich in Bezug auf die kürzlich verabschiedete Bestandsdatenauskunft – die Frage, welche Beschränkungen für den Bundesnachrichtendienst (BND) gelten. Und der Blick ins Gesetz macht deutlich, dass es im Grunde keine nennenswerten Hürden gibt. Denn der BND kann nach der Neuregelung von Providern Daten anfordern, sobald er der Ansicht ist, dass Bestandsdaten zu Erkenntnissen über das Ausland führen können, die ”von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung” sind. Da das niemand effektiv überprüfen kann, hat der BND hier relativ freie Hand.

Das passt ganz gut zur aktuellen Diskussion um das US-Programm prism, in der man auch mal der Frage nachgehen sollte, was der BND und die Verfassungsschutzbehörden in puncto TK- und Internetüberwachung eigentlich dürfen und was sie tatsächlich praktizieren. Der BND darf nach geltemdem Recht (G10, BND-G) schon bedenklich viel und es steht zu befürchten, dass die Praxis noch darüber hinausgeht, nachdem es an einer effektiven Kontrolle der Geheimdiensttätigkeit fehlt.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich der BND nach § 1 Abs. 2 S. 2 BND-G nur dann an einschränkende Vorgaben des deutschen Rechts halten muss, wenn die Informationen im Inland erhoben werden. Für die Daten- und Informationsbeschaffung im Ausland sieht das deutsche Recht keine gesetzlichen Beschränkungen vor. Und exakt nach derselben Logik arbeiten alle Geheimdienste weltweit.

Man sollte in diesem Zusammenhang außerdem auch berücksichtigen, dass die internationale Zusammenarbeit der Geheimdienste offenbar besser funktioniert als beispielsweise der Informationsaustausch unter den deutschen Verfassungsschutzbehörden. Die Informationen die die USA im Zuge ihrer weitreichenden Überwachungsmaßnahmen erlangen, landen bei Bedarf dann nämlich auch in Pullach.

Vielleicht bietet der aktuelle Fall ja die Gelegenheit dazu, öffentlich und vor einem großen Publikum die Praktiken der Geheimdienste weltweit zu hinterfragen.

posted by Stadler at 23:04  

3.6.13

Wer ist für die Medien- und Netzpolitik eigentlich zuständig?

Malte Spitz, Mitglied im Bundesvorstand der Grünen, schreibt heute bei SPON einen Meinungsbeitrag mit dem Titel „Medienstaatsvertrag: Netzpolitik darf nicht Ländersache werden„.  Er bezieht sich dabei auf eine Rede von Olaf Scholz in der u.a. von einem Medienstaatsvertrag (der Bundesländer) die Rede ist und davon, dass die Rundfunkkommission zu einer Medienkommission weiterentwickeln sollte. 

Die Rede von Olaf Scholz ist freilich wenig konkret und lässt kaum Konturen erkennen. Was er genau in einem Medienstaatsvertrag regeln möchte, bleibt unklar. Die Frage wäre dann auch die, was die Länder in einem Staatsvertrag überhaupt regeln dürften. Telekommunikations- und Urheberrecht unterfällt der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenez des Bundes (Art. 73 GG), Landesgesetze sind in diesen Bereichen überhaupt nicht möglich. Das gesamte bürgerliche Recht sowie das Strafrecht unterliegt der sog. konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz. Die Länder dürfen in diesen Bereichen Gesetze nur erlassen, wenn und solange der Bund nichts geregelt hat. Da das Zivilrecht und das Strafrecht umfassend geregelt sind, bleibt in diesem Bereich für die Länder kaum Gestaltungsspielraum. Der Bund hat außerdem über den Kompetenztitel Recht der Wirtschaft (Art. 74 Nr. 11 GG) die Möglichkeit den gesamten Bereich des E-Commerce zu regeln, wovon er  auch Gebrauch gemacht, insbesondere durch das Telemediengesetz.

Klassische Regelungsbereiche der Länder, für die der Bund nicht zuständig ist, sind demgegenüber das Presse- und das Rundfunkrecht. Die Länder haben speziell in den 90’er Jahren, als der längst nicht mehr in Kraft befindliche Mediendienstestaatsvertrag geschaffen wurde, gerne die Auffassung vertreten, dass das Internet ja auch nichts anderes sei als so eine Art Rundfunk und insoweit eine umfassende Regelungskompetenz für sich beansprucht. Mittlerweile hat sich allerdings die Ansicht eingependelt, dass die Länder nur für solche Inhalte eine Gesetzgebungskompetenz haben, die man im engeren Sinne als presse- und rundfunkähnlich ansehen kann.

Für die Schaffung einer umfassenden Medienordnung, von der Olaf Scholz träumt, haben die Länder also gar keine ausreichenden Kompetenzen. Unabhängig von der Kompetenzordnung dürfte es aber auch wenig sinnvoll sein, alte und verkrustete Strukturen des Rundfunkrechts auf das Internet zu übertragen. Im Ergebnis hat Malte Spitz also recht. Die Rede von Olaf Scholz weist nicht in die Zukunft.

posted by Stadler at 21:47  

13.5.13

Piraten wollen Verordnung zur Netzneutralität

Über den Bundesparteitag der Piraten am vergangenen Wochenende wurde viel geredet und geschrieben. Vor allem über das Thema SMV (Ständige Mitgliederversammlung), deren Einführung die erforderliche Zweidrittelmehrheit knapp verfehlte.

Die Piraten haben sich überraschender Weise aber auch mit inhaltlichen Fragen befasst, u.a. mit dem gerade im Netz in letzter Zeit vor dem Hintergrund der Drosselpläne der Telekom wieder vieldiskutierten Thema Netzneutralität.

Die Piraten fordern die Verordnungsermächtigung des § 41a TKG zu nutzen, um die Netzneutralität bis zur Schaffung einer gesetzlichen Regelung rechtlich abzusichern. Dazu hat man einen Entwurfstext einer solchen Verordnung vorgestellt, auch zum Zwecke der Weiterentwicklung im Netz.

Gegen die Verordnungsermächtigung des § 41a TKG bestehen aus meiner Sicht wegen der Wesentlichkeitsrechtsprechung des BVerfG erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Danach muss das Wesentliche vom Gesetzgeber selbst geregelt werden und kann nicht per Verordnungsermächtigung der Verwaltung, in diesem Fall der Bundesregierung, überlassen werden. Eine konkrete Regelung der Netzneutralität, die weitreichende Folgen nicht nur für TK-Anbieter sondern auch für die Nutzer hätte, allein auf Bassis einer Rechtsverordnung dürfte deshalb problematisch sein, zumal der Gesetzgeber insoweit keinerlei Eckpunkte vorgegeben hat. Dass die Bundesregierung ermächtigt wird, die Grundsätze zur Netzneutralität (erstmals) durch Rechtsverordnung festzulegen, sprengt die Grenzen einer zulässigen Verordnungsermächtigung.

Die Regelung des § 41a TKG ist ein typischer Fall einer mit heißer Nadel gestrickten gesetzlichen Regelung.

Eine rechtswirksame Regelung der Netzneutralität erfordert ein Gesetz und selbst dann stellen sich noch europarechtliche und verfassungsrechtliche Fragen.

posted by Stadler at 12:34  

2.5.13

Verstoßen die Drosselpläne der Telekom gegen das Fernmeldegeheimnis des TKG?

Die Telekom hat vor gut einer Woche angekündigt, auch für Festnetzinternetzugänge Volumenbeschränkungen („integrierte Highspeed-Volumina“) einzuführen, mit der Folge, dass der Internetanschluss nach dem Verbrauch eines bestimmten Datenvolumens erheblich gedrosselt werden soll.

Nach aktuellen Pressemeldungen hat Niek Jan van Damme, Vorstandsmitglied der Telekom AG und Sprecher der Geschäftsführung der Telekom Deutschland GmbH, erklärt, man sei offen für Gespräche mit Marktgrößen wie YouTube. Wenn diese Anbieter direkt an die Telekom bezahlen, sei es denkbar, dass die Nutzung solcher Dienste das Datenvolumen der Nutzer/Kunden nicht aufbrauchen. Praktiziert wird dieses System von der Telekom bereits aktuell im Mobilfunkbereich für den Musikstreamingdienst Spotify.

Diese Aussage und Ankündigung wirft rechtliche Fragen auf, die über das hinausgehen, was aktuell rechtspolitisch unter dem Stichwort Netzneutralität diskutiert wird.

§ 88 TKG regelt das (einfachgesetzliche) Fernmeldegeheimnis, das Absatz 1 der Vorschrift wie folgt definiert:

Dem Fernmeldegeheimnis unterliegen der Inhalt der Telekommunikation und ihre näheren Umstände, insbesondere die Tatsache, ob jemand an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war. Das Fernmeldegeheimnis erstreckt sich auch auf die näheren Umstände erfolgloser Verbindungsversuche.

TK-Diensteanbietern wie der Telekom ist es nach § 88 Abs. 3 TKG ausdrücklich

untersagt, sich oder anderen über das für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste einschließlich des Schutzes ihrer technischen Systeme erforderliche Maß hinaus Kenntnis vom Inhalt oder den näheren Umständen der Telekommunikation zu verschaffen. Sie dürfen Kenntnisse über Tatsachen, die dem Fernmeldegeheimnis unterliegen, nur für den in Satz 1 genannten Zweck verwenden.

Wenn die Telekom allerdings die Nutzung bestimmter Dienste / Inhaltsangebote wie YouTube oder Spotify von dieser Volumenbegrenzung ausnimmt, dann setzt das voraus, dass die Telekom das Internetnutzungsverhalten jedes einzelnen Kunden genau aufzeichnet und auch ermittelt, welche Websites und Inhaltsangebote der Kunde im einzelnen aufruft und welches Datenvolumen hierbei anfällt. Anders lässt sich nämlich nicht bestimmen, ob und in welchem Umfang der Telekomkunde priviligierte Dienste wie Spotify nutzt.

Damit verschafft sich die Telekom Kenntnis vom Inhalt und den näheren Umständen der Telekommunikation. Die Telekom wird nun damit argumentieren, dies sei für die geschäftsmäßige Erbringungen ihrer TK-Dienste erforderlich. Aber lässt sich diese Ansicht wirklich vertreten? § 88 Abs. 3 TKG normiert grundsätzlich ein sog. Kenntnisnahmeverbot des TK-Dienstleisters. Würde man sich nun auf die Argumentation der Telekom einlassen, dann hätte es der TK-Anbieter beliebig in der Hand, dieses gesetzliche Kenntnisnahmeverbot zu umgehen. § 88 Abs. 3 TKG wäre weitgehend ausgehöhlt. Das entspricht aber gerade nicht dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung.

Und hier sind wir dann auch beim Aspekt der Netzneutralität angelangt. Man wird es der Telekom grundsätzlich nach geltendem Recht nicht verbieten können, Flatrates durch Volumentarife zu ersetzen, bzw. ab einem gewissen Volumen zu drosseln. Was § 88 TKG allerdings verbietet, ist die vollständige inhaltliche Analyse des Internetnutzungsverhalten der Kunden, mit dem Ziel einzelne Internetdienste zu priviligieren. Für die Erbringung der TK-Dienstleistung ist es nicht erforderlich zu analysieren, ob der Kunde YouTube oder Spotify nutzt.

Nach meiner Einschätzung verstößt damit bereits das, was die Telekom im Mobilfunk aktuell im Hinblick auf Spotify macht, gegen § 88 TKG.

 

Update vom 04.05.2013:
Die Kritik hier in den Kommentaren und ein Artikel bei Golem veranlassen mich zu einem Update, um meine Position nochmals zu verdeutlichen.

Ein Telekom-Sprecher wird bei Golem folgendermaßen zitiert:

Der Vorwurf ist Unsinn. Um Managed Services zu realisieren, müssen Sie nicht die Inhalte des jeweiligen Datenpaketes kennen. Managed Services können beispielsweise über einen separaten Datenstrom – wie bei Entertain – realisiert oder indem die Datenpakete markiert werden.

Diese Reaktion offenbart ein grundlegendes Missverständnis von Inhalt und Umfang des Fernmeldegeheimnisses. Für eine Verletzung des Fernmeldegeheimnisses ist es nicht erforderlich, vom Inhalt der Kommunikation Kenntnis zu nehmen. Es genügt vielmehr, wenn von den näheren Umständen der Kommunikation Kenntnis genommen wird. Zu diesen näheren Umständen gehört auch die Erfassung der Zieladresse einer Internetkommunikation oder die Markierung von Datenpaketen, die der Kunde angefordert hat. Weil Provider das natürlich öfters machen und es in gewissem Umfang auch notwendig ist, von den näheren Umständen eines Kommunikationsvorgangs Kenntnis zu nehmen, erlaubt § 88 Abs. 3 TKG dies unter der Voraussetzung, dass das für die geschäftsmäßige Erbringung der Telekommunikationsdienste einschließlich des Schutzes der technischen Systeme erforderlich ist.

Und genau damit ist die entscheidende Frage formuliert. Ist die Bevorzugung einzelner Dienste und die damit einhergehende Notwendigkeit der Kenntnisnahme von den näheren Umständen von Kommunikationsvorgängen tatsächlich erforderlich?

posted by Stadler at 10:18  

20.3.12

Netzneutralität und Providerpraxis in der EU

Die durch EU-Verordnung geschaffene Behörde BEREC (Body of European Regulators for Electronic Communications) hat der Kommission einen ersten Bericht über Providerpraktiken zum „Traffic Management“ vorgelegt. Der Bericht gelangt zu dem Ergebnis, dass die Blockade von VoIP- und P2P-Traffic üblich ist, wobei die Internettelefonie (VoIP) primär im Mobilfunkbereich blockiert wird, zumeist entsprechend vertraglich vorgesehener Einschränkungen, während der Zugriff auf Peer-To-Peer-Netzwerke vorwiegend im Festnetzbereich beschränkt wird. Sofern ein solcher Blockademechanismus implementiert ist, wird er nach den Erkenntnissen von BEREC zumeist im Wege der Deep-Packet-Inspection (DPI) umgesetzt.

Darüber hinaus hat BEREC eine große Bandbreite weiterer Maßnahmen festgestellt, die unterschiedlich weit verbreitet sind. Hierzu gehört die Drosselung des Streamings ebenso wie die bevorzugte Behandlung bestimmter Services.  Die hierzulande vieldiskutierte Idee der Einführung von Diensteklassen scheint also bereits der Praxis einer ganzen Reihe von Providern zu entsprechen.

Der Bericht der BEREC – bislang ist nur eine Pressemitteilung veröffentlicht – wird die Netzneutralitätsdiskussion vermutlich wieder befeuern. Axel Spieß berichtet im Beck-Blog ergänzend von einem Konsultationsverfahren von BEREC zur Nicht-Diskriminierung.

posted by Stadler at 11:09  

10.7.11

Das Problem mit der Netzneutralität

Der Provider 1&1 betreibt gerade eine durchaus interessante PR-Kampagne, in der er sich für Netzneutralität ausspricht. In einem Bericht von Heise heißt es hierzu, dass sich 1&1 zum Prinzip eines freien Internets bekennt, wozu gehöre, dass jeder Nutzer Zugang zu jedem über das Netz verfügbaren Inhalt haben müsse. Netzbetreibern dürfe es daher nicht gestattet werden, „den Zugang zu bestimmten Diensten oder Inhalten zu blockieren oder zu behindern“.

Das klingt zunächst sehr gut. Weiter unten im Text liest man dann allerdings, dass 1&1 die Unterscheidung nach Qualitätsklassen dennoch nicht gänzlich ablehnt. Unterscheidet sich diese Position also wirklich von der anderer Internet-Provider?

Die aktuelle deutsche Diskussion über Netzneutralität müsste sich insgesamt stärker mit der Frage befassen, ob eine gesetzliche Regelung so trennscharf formuliert werden kann, dass eine Beeinträchtigung der legitimen wirtschaftlichen Interessen der Provider verhindert werden kann. Genau das muss man bezweifeln.

Denn bereits der Umstand, dass schnellere Zugänge teuerer angeboten werden als langsamere, stellt eine Form der Priorisierung dar. Wenn wir das verbieten wollen, dann verbieten wird den Providern für unterschiedliche Leistungen auch unterschiedlich hohe Entgelte zu verlangen. Der Gesetzgeber, der durch eine Festschreibung einer so verstandenen Netzneutralität eine Form der Ungleichbehandlung verbieten will, kommt dadurch möglicherweise selbst in Konflikt mit dem Gleichheitssatz.

Auf die Frage, wie man die Netzneutralität denn gesetzlich definieren könnte, bekommt man von den Befürwortern einer Regelung häufig Antworten wie: Gleiche Konnektivität für alle. Auf den Einwand, dass die Telekom dann VDSL nicht mehr teuerer anbieten dürfte als ADSL wird entgegnet, dass gleiche Konnektivität nicht gleiche Geschwindigkeit bedeute, sondern nur den Ausschluss von Diensteklassenaufpreis.

Ist diese Art der Differenzierung tatsächlich trennscharf und als gesetzlicher Differenzierungsansatz geeignet? Was die Internet Service Provider wollen, ist es von denjenigen Kunden, die besonders viel Traffic verursachen, mehr Geld zu verlangen. Das war vor 10 Jahren, als die volumenabhängige Abrechnung noch verbreitet war, vollkommen normal, ohne, dass jemand darin einen Verstoß gegen das Gebot der Netzneutralität gesehen hätte. Heute spricht man halt von Qualitäts- oder Diensteklassen, für die unterschiedliche Entgelte verlangt werden können. Man will also jetzt etwas verbieten, was schon immer praktiziert wurde und in gewissem Umfang auch legitim ist.

Beinhaltet die aktuelle nationale Forderung nach Netzneutralität in Wahrheit nicht eher die Forderung nach einer einheitlichen Flatrate für alle? Dann sollte man an dieser Stelle aber vielleicht eine Diskussion über eine staatliche Garantie für eine Grundversorgung führen und nicht eine über Netzneutralität.

Die  derzeit primär wirtschaftlich geprägte Debatte greift aber in jedem Fall deutlich zu kurz, denn eine Verankerung der Netzneutralität im TKG klammert die staatliche Manipulation von Netzstandards völlig aus.

Die Netzneutralität, wie sie Grüne und Teile der SPD derzeit fordern, kann man für entbehrlich halten. Sie wird im ungünstigsten Fall berechtigte wirtschaftliche Interessen der Provider beeinträchtigen. Der Gesetzgeber sollte sich deshalb raushalten.

Update vom 11.07.2011:
Nachdem mein Artikel auf deutlichen Widerspruch gestoßen ist, möchte ich noch auf einen zusätzlichen Aspekte hinweisen.

Die Befürworter einer gesetzlichen Regelung der Netzneutralität gehen offenbar von der Vorstellung aus, man könne damit die Netzneutralität wahren und nur so die von einigen Providern geforderten Diensteklassen verhindern.

Die erste Frage muss daher sein, ob derartige Diensteklassen bereits nach geltendem Recht drohen. Meine Antwort lautet nein. Denn die Einführung solcher Diensteklassen steht in Konflikt mit dem Fernmeldegeheimnis (§ 88 TKG), weil sie eine inhaltliche Erfassung des Nutzungsverhaltens voraussetzt. Gerade aus diesem Grund hätten die Provider ja gerne eine gesetzliche Regelung für derartige Diensteklassen.

Wenn man jetzt also Netzneutralität gesetzlich festschreibt und als Ausnahme die Möglichkeit sog. Diensteklassen einführt – und die Lobbyisten werden hart für dieses Ergebnis arbeiten – dann hätten die Provider einen klaren gesetzlichen Gestattungstatbestand und die gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität wäre zugleich ihre Einschränkung.

posted by Stadler at 21:15  

4.7.11

Unverständliche Berichterstattung zur Sitzung der Internet-Enquete

Die heutige Sitzung der Internet-Enquete endete bekanntlich mit einem Eklat. Der Abschluss des eigentlich abzustimmenden Zwischenberichts wurde auf nach die Sommerpause vertragt, weil – so die Mutmaßung – die Vertreter der Koalition beim Thema Netzneutralität eine Niederlage fürchteten.

Beschlossen wurde allerdings der Teil zum Urheberrecht. Insoweit ist die Berichterstattung, speziell die der taz und von Heise, gelinde gesagt, erstaunlich.

Der Antrag zur Kulturflatrate wurde – anders als der Bericht der taz suggeriert – nämlich abgelehnt.

Dass die Regierungsparteien einige Male überstimmt wurden, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Union und FDP dennoch in entscheidenden Punkten durchgesetzt haben.

Speziell der Bericht der taz erweckt den Eindruck, man hätte sich auf eine Neuausrichtung des Urheberrechts verständigt. Das Gegenteil ist allerdings zutreffend.

Die Handlungsempfehlung (Zeile: 655)

Die Enquête-Kommission empfiehlt daher, bei der Ausgestaltung des Urheberrechts den Interessenausgleich zwischen Urhebern, Nutzern und Verwertern als Zielformulierung in den Mittelpunkt zu stellen Sie empfiehlt zu prüfen, ob und wie, den Urheberinnen und Urhebern ein Recht auf wirtschaftliche Beteiligung unabhängig von den Urheberpersönlichkeitsrechten einzuräumen und eine Entkoppelung von Urheberpersönlichkeits- und Verwertungsrechten zu ermöglichen ist. Sie regt an, zu prüfen, welche Spielräume die Vorgaben der internationalen Verträge im Urheberrecht bieten.

die hierfür maßgeblich gewesen wäre wurde nämlich mit den Stimmen der Koalitionsvertreter abgelehnt.

Manchmal ist die Berichterstattung auch bei so etablierten Medien wie Heise und taz, denen man geneigt ist zu vertrauen, leider irreführend.

posted by Stadler at 21:40  
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