Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

13.5.13

Piraten wollen Verordnung zur Netzneutralität

Über den Bundesparteitag der Piraten am vergangenen Wochenende wurde viel geredet und geschrieben. Vor allem über das Thema SMV (Ständige Mitgliederversammlung), deren Einführung die erforderliche Zweidrittelmehrheit knapp verfehlte.

Die Piraten haben sich überraschender Weise aber auch mit inhaltlichen Fragen befasst, u.a. mit dem gerade im Netz in letzter Zeit vor dem Hintergrund der Drosselpläne der Telekom wieder vieldiskutierten Thema Netzneutralität.

Die Piraten fordern die Verordnungsermächtigung des § 41a TKG zu nutzen, um die Netzneutralität bis zur Schaffung einer gesetzlichen Regelung rechtlich abzusichern. Dazu hat man einen Entwurfstext einer solchen Verordnung vorgestellt, auch zum Zwecke der Weiterentwicklung im Netz.

Gegen die Verordnungsermächtigung des § 41a TKG bestehen aus meiner Sicht wegen der Wesentlichkeitsrechtsprechung des BVerfG erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Danach muss das Wesentliche vom Gesetzgeber selbst geregelt werden und kann nicht per Verordnungsermächtigung der Verwaltung, in diesem Fall der Bundesregierung, überlassen werden. Eine konkrete Regelung der Netzneutralität, die weitreichende Folgen nicht nur für TK-Anbieter sondern auch für die Nutzer hätte, allein auf Bassis einer Rechtsverordnung dürfte deshalb problematisch sein, zumal der Gesetzgeber insoweit keinerlei Eckpunkte vorgegeben hat. Dass die Bundesregierung ermächtigt wird, die Grundsätze zur Netzneutralität (erstmals) durch Rechtsverordnung festzulegen, sprengt die Grenzen einer zulässigen Verordnungsermächtigung.

Die Regelung des § 41a TKG ist ein typischer Fall einer mit heißer Nadel gestrickten gesetzlichen Regelung.

Eine rechtswirksame Regelung der Netzneutralität erfordert ein Gesetz und selbst dann stellen sich noch europarechtliche und verfassungsrechtliche Fragen.

posted by Stadler at 12:34  

3 Comments

  1. Es ist die strategische Linie dieser neoliberalen Bundesregierung, alle „heißen“ Themen möglichst zu umgehen, um sie dann in ihrem Sinne „auf die Kalte“, was auch bedeuten kann – garnicht – zu regeln.
    Eine solche Verordnungsermächtigung ins Gesetz mit aufzunehmen ist ein cleverer Schachzug. Erscheint es doch bei positiver Lesart, als wäre ersteinmal der Markt gefragt, eine Problemlösung zu schaffen und für den Notfall (der eigentlich schon von vorhinein als „Normalfall“ zu erahnen war) scheint es dann einen Regelungsmechanismus zu geben, der Hilfe verspricht.
    Allerdings nur bei flüchtigem drüberschauen. Denn wie im Blog gerade festgestellt, greift er nicht bzw. ins Leere.
    Ich unterstelle mal, das dies keine „Versehen“ des Gesetzgebers war, sondern Kalkül. Denn der Entwurf dieses Gesetzes kam aus dem zuständigen Fachministerium, so dass man unterstellen darf, „Die wissen dort, was sie tun“.
    Und mit einem neoliberalen Wirtschaftsminister und einer BNetzA-Vize der selben Couleur, brauchts schon seeeehr viel Phantasie, hier ein „Büroversehen“ zu unterstellen.

    Comment by Andreas Kaßbohm — 13.05, 2013 @ 14:31

  2. Es ist sicherlich korrekt wie (fast) immer, dass eine rechtswirksame Regelung der Netzneutralität ein Gesetz erfordert. Doch das kann dauern und der Ausgang ist ungewiss. Zudem sollte die EU mit ihrem Parlament eine Rolle spielen.

    Mir scheint es sinnvoll, den Status Quo der wertneutralen Datenübertragung solange festzuschreiben, bis eine Regelung gefunden ist. Bisher konnten wir uns mehr oder weniger auf diesen Status Quo verlassen.

    Entweder tut die Verordnungsermächtigung niemandem weh, schafft aber eine gewisse Sicherheit – die immerhin bisher gut funktionierte. Zudem haben andere Länder ähnliche Dinge in ein Gesetz gegossen (NL z.B).

    Es gibt also starke Hinweise darauf, dass eine solche Verordnungsermächtigung in ihren Auswirkungen verfassungsrechtlich unbedenklich und sogar sinnvoll sein wird.

    Ist sie das trotzdem nicht, so wird Druck aufgebaut sich endlich konkret politisch damit zu auseinander zusetzen. Möglicherweise ist das Verhalten der Telekom auf die Dauer verfassungsrechtlich bedenklich. Niemand, obwohl es uns alle angeht, stellt das ohne Diskussion und Auseinandersetzung auch außerhalb des Netzes fest.

    Die blauäugige Aufgabe der Netzneutralität durch Untätigkeit ist die einzige Garantie dass alle – auch die vom Netz lebende Telekom und ganz sicher deren Konkurenz wie auch die Inhaltsanbieter und letztlich auch die Demokratie – verlieren.

    Comment by Joachim — 13.05, 2013 @ 14:49

  3. Die meisten unserer Bürgerrechte (Menschenrechte, Persönlichkeitsrechte) sind kommerzialisiert. Auch die Meinungsfreiheit/Pressefreiheit ist kommerzialisiert.

    Bei der Nutzung der Netze wird es nicht anders werden. Es sei denn, der Kommerzialisierung unseres Lebens werden Grenzen gesetzt. Die gegenwärtigen Tendenzen sehen anders aus. Eine Netzneutralität wird es in absehbarer Zeit nicht geben, kann es bei unseren heutigen Premissen und Lebensansprüchen nicht geben.

    Comment by Rolf Schälike — 13.05, 2013 @ 18:47

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