Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

9.3.22

Twitter erneut zur Unterlassung einer Account-Sperrung verurteilt

Das Landgericht Dortmund hat Twitter mit Urteil vom 25.02.2022 (17 O 7/21) einmal mehr zur Unterlassung der Sperrung eines Accounts verurteilt.

Hier das Urteil:

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren 

der Frau (…)

Verfügungsklägerin, 

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte SSB Söder Berlinger Rechtsanwälte PartGmbB, Arabellastr. 17, 81925 München, 

gegen 

die Twitter International Company, vertreten durch Laurence O’Brien, Robert O’Shea,, One Cumberland Place, Fenian Street, 0207 Dublin 2, Irland, 

Verfügungsbeklagte, 

Prozessbevollmächtigte (…)

hat die 17. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2022 durch den Richter am Landgericht Dr. Wiethoff als Einzelrichter 

beschlossen: 

Die Verfügungsbeklagte hat es zu unterlassen, den Account der Antragstellerin (…) auf twitter.com weg der nachfolgenden Äußerung zu sperren: 2 

„@Cidhappens Ich bin 2x geimpft. Sollen die doch ihren Beamtmungsschlauch kriegen. Bitte ohne Betäubung.“ 

Der Verfügungsbeklagten wird im Fall der Zuwiderhandlung angedroht: 

die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 EUR ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, die Anordnung von Ordnungshaft 

oder 

die Anordnung unmittelbarer Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, bei mehreren oder wiederholten Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren. 

Die Kosten des Verfahrens werden der Verfügungsbeklagten auferlegt. 

Der Verfahrenswert wird auf 6.000,00 EUR festgesetzt. 

Gründe 

I. 

Der Sachverhalt ergibt sich aus der Antragsschrift, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. 

Die Verfügungsklägerin begehrt die Wiederherstellung ihres Twitter-Accountes, nachdem dieser wegen der aus dem Tenor ersichtlichen Tweets gelöscht worden war. In der Mitteilung der Beklagten von 26.06.2021 (vgl. Blatt 11 der Akte) heißt es: 

„ Hallo (…)

dein Account (…) wurde wegen eines Verstoßes gegen die Twitter Regeln gesperrt….“ 

Sodann nimmt die Verfügungsbeklagte Bezug auf den streitbefangenen Tweet der Beklagten. Auf die weiteren Einzelheiten der Mitteilung wird verwiesen.

Die Verfügungsklägerin beantragt, 

wie erkannt. 

Die Verfügungsbeklagte beantragt, 

den Antrag zurückzuweisen. 

Die Verfügungsbeklagte vertritt unter anderem die Rechtsauffassung, die erfolgte Sperrung sei aufgrund strafrechtlich relevanter Inhalte und auch wegen weiterer zurückliegender Verstöße der Verfügungsklägerin gerechtfertigt. 

II. 

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat in der Sache Erfolg. 

1. Der zulässige Antrag ist begründet, weil die Verfügungsklägerin einen Verfügungsanspruch hat und auch die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Dringlichkeit vorliegt. 

a) Die Verfügungsklägerin hat gegen die Beklagte gem. § 280 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB einen Anspruch darauf, den am 26.06.2021 gesperrten Account wieder freizuschalten. 

aa) Zwischen den Parteien besteht ein Nutzungsvertrag, in dessen Rahmen die Verfügungsbeklagte die Pflicht hat, der Klägerin die Möglichkeit zu geben, mit anderen Nutzern in Kontakt zu treten und sich mit ihnen auszutauschen. Daraus folgt, dass die Beklagte Beiträge, die die Klägerin in ihr Netzwerk eingestellt hat, nicht grundlos löschen und den Account nicht grundlos sperren darf.

bb) Gegen diese vertragliche Verpflichtung hat die Beklagte durch die Sperrung des Accounts der Verfügungsklägerin schon deshalb verstoßen, weil sie sich nicht an die vom Bundesgerichtshof entwickelten formalen Vorgaben für die Sperrung eines Accounts gehalten hat. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 29.07.2021 der über die zivilrechtlichen Generalklauseln ins Privatrecht ausstrahlenden mittelbaren Werteordnung der Grundrechte im Rahmen einer praktischen Konkordanz insoweit Rechnung getragen, dass vor einer Sperrung die Anhörung des betroffenen Nutzers erforderlich ist (BGH, Urteil vom 29.7.2021 – III ZR 179/20). 

cc) An dieser vorherigen Anhörung fehlt es hier bereits. Eine nachträgliche Überprüfung der Entscheidung mit Neubescheidung nach Anhörung der Verfügungsklägerin liegt ebensowenig vor. 

b) Die Verfügungsbeklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Beklagte in der Vergangenheit andere Verstöße begangen hat, weil sie die Sperrung ausweislich ihrer Mitteilung vom 26.06.2021 „wegen eines Verstoßes“ ausgesprochen hat. Dass der Verfügungsbeklagte in der Mitteilung nur „insbesondere“ auf den streitbefangenen Verstoß Bezug nimmt, ändert an der Bewertung der Kammer nichts, weil diese – selbst verursachten – Unklarheiten zu Lasten der Beklagten gehen. 

c) Soweit die Beklagte einwendet, die Sperrung des Accounts sei rechtmäßig, weil der Inhalt des Tweets strafrechtliche Relevanz habe, ändert auch dieser Einwand an der Einschätzung der Kammer nichts. Denn hier geht es nicht um die Frage der Lösung eines Tweet mit – etwaig – strafrechtlich relevantem Inhalt, sondern um die Sperrung des Accounts, so dass – auch – aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine vorherige Anhörung sachgerecht und erforderlich gewesen wäre.

2. Auch der Verfügungsgrund liegt vor. Mit Blick auf die mit der Sperrung einhergehenden Einschränkung der Meinungsfreiheit ist ein Zuwarten bis zum Abschluss eines Hauptsachverfahrens mit dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes gem. Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar. Dies gilt im hiesigen Verfahren jedenfalls deshalb, weil allein durch die Notwendigkeit mehrerer Zustellversuche bei der Beklagte mehr als 4 Monate verstrichen sind. Vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG stellt die begehrte Leistungsverfügung auch keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache dar (OLG München, Beschluss vom 24.8.2018 – 18 W 1294/18). 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. 

Die Wertfestsetzung hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 53 Abs. 1 GKG, 3 ZPO. 

(Hinweis: Das Urteil stammt aus meiner eigenen Sachbearbeitung. Unsere Kanzlei hat die Antragstellerin vertreten.)

posted by Thomas Stadler at 14:47  

4.2.22

Ist Hass keine Meinung? Eine Anmerkung zum Künast-Beschluss des BVerfG

Der Fall hatte große mediale Aufmerksamkeit erregt. Die Grünen-Politikerin Renate Künast ist via Facebook massiv beschimpft worden, die 22 Einzeläußerungen, die die Politikerin beanstandet, sind im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Dezember 2021 (Az.: 1 BvR 1073/20) unter Randziffer 7 – unter Auslassung der derbsten Beleidigungen – wörtlich wiedergegeben. Renate Künast hat im Anschluss versucht, gestützt auf § 14 Abs. 3 TMG (alte Fassung), beim Landgericht Berlin zu erwirken, dass Facebook Auskunft über die Verfasser der Postings erteilen muss. Das Landgericht Berlin hat den Antrag zunächst vollständig zurückgewiesen, weil es bei sämtlichen 22 Äußerungen der Ansicht war, dass die Meinungsfreiheit überwiegt. Auf die Beschwerde Künasts hin, hat das Landgericht seine Entscheidung selbst abgeändert und eine Auskunft im Hinblick auf sechs Postings verfügt. Diese Entscheidung hat das Kammergericht teilweise aufgehoben und eine Beauskunftung im Bezug auf weitere fünf Äußerungen angeordnet. Aber auch das Kammergericht hielt noch insgesamt elf Postings für äußerungsrechtlich zulässig.

Auf die Verfassungsbeschwerde von Künast hat das BVerfG jetzt die Entscheidung des Kammgerichts vollständig aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das KG zurückverwiesen.

Im Kern beanstandet das Bundesverfassungsgericht, dass sich das Kammgericht auf die Frage beschränkt, ob eine sog. Schmähkritik vorliegt und anschließend, nachdem die Schmähkritik verneint wurde, keinerlei Abwägung zwischen Meinungsfreiheit einerseits und Persönlichkeitsrecht andererseits mehr vornimmt.

Das BVerfG führt dazu u.a. aus:

Im Ausgangspunkt zutreffend erkennt das Kammergericht, dass es sich bei den noch verfahrensgegenständlichen Bezeichnungen der Beschwerdeführerin um erheblich ehrenrührige Herabsetzungen handelt. Der von ihm formulierte Obersatz, es liege kein Fall der abwägungsfreien Diffamierung (Angriff auf die Menschenwürde, Formalbeleidigung bzw. Schmähkritik) vor und die Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Beschwerdeführerin erreiche nicht ein solches Gewicht, dass die Äußerungen unter Einbeziehung des konkret zu berücksichtigenden Kontextes lediglich als persönliche Herabsetzung und Schmähung der Antragstellerin erscheinen, belegt indes, dass das Kammergericht unter Verkennung von Bedeutung und Tragweite des Persönlichkeitsrechts davon ausgeht, eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB liege aus verfassungsrechtlichen Gründen nur dann vor, wenn die streitgegenständliche Äußerung „lediglich als persönliche Herabsetzung und Schmähung“ zu verstehen sei. 4

aa) Dieses Fehlverständnis hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen des Beleidigungstatbestands setzt sich bei den Ausführungen des Fachgerichts zur Äußerung „Pädophilen-Trulla“ fort. 4

(1) Zwar deutet das Kammergericht die Notwendigkeit einer Abwägung an, wenn es feststellt, dass wegen der widerstreitenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen die persönlichkeitsrechtlichen Belange der Nutzer gegeneinander abzuwägen seien. Verfassungsrechtlich fehlerhaft knüpft es die Voraussetzungen der Beleidigung sodann aber an die Sonderform der Schmähkritik an. Es stellt entscheidend darauf ab, die strengen Voraussetzungen, die nach dem oben Gesagten an eine Schmähkritik und einen Wertungsexzess zu stellen seien, lägen nicht vor, weil die auf die Einstellung und geistige Verfassung der Beschwerdeführerin bezogenen Kommentare noch einen hinreichenden Bezug zur Sachdebatte aufwiesen, im Rahmen derer die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer damaligen Äußerung in den Fokus geraten sei. Die angekündigte Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin nimmt das Kammergericht in der Folge aber nicht vor.


Der Beschluss des BVerfG bedeutet allerdings nicht, dass damit die Entscheidung des Kammergerichts zwingend vorgezeichnet ist.

Denn im Ausgangspunkt muss man sehen, dass die jetzt noch in Rede stehenden Äußerungen allesamt in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen und das Kammergericht nun etwas sauberer für jede einzelne Äußerung abwägen muss, ob das Persönlichkeitsrecht von Künast in jedem einzelnen Fall überwiegt.

In diese Abwägung wird einzustellen sein, dass es sich bei Frau Künast um eine Politikerin handelt und sich Politiker nach der Rechtsprechung von EGMR und BVerfG im öffentlichen Meinungskampf verbal mehr als andere auch sehr scharfe Äußerungen gefallen lassen müssen. Diesen Punkt erörtert das BVerfG in seinem Beschluss unter dem Schlagwort „Machtkritik“. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Frau Künast letztlich nur in ihrer Sozialsphäre betroffen ist. Denn Hintergrund war die wiederaufkommende Debatte über die Haltung der Grünen zu Pädophile in den 80’er Jahren und ein Zwischenruf von Renate Künast im Berliner Abgeordnetenhaus und damit ihre politische Tätigkeit und ihr öffentliches Wirken. Allerdings wird dennoch zu fragen sein, inwieweit für die Äußerungen ein konkreter und nachvollziehbarer Anlass bestand. Auch die Eingriffsintensität der einzelnen Äußerungen, die maßgeblich von der konkreten Wortwahl abhängt und die hier durchaus unterschiedlich hoch ist, ist von Bedeutung.

Das Problem der Entscheidung des Kammergerichts ist vor allem die fehlende Differenzierung. Die Berliner Richter haben überhaupt nur zwei Aussagen konkret bewertet, ohne die vom BVerfG geforderte Abwägung vorzunehmen und in Bezug auf die restlichen Äußerungen nur ergänzt, dass für sie dasselbe gelten soll.

Es ist also nicht auszuschließen, dass einige der Aussagen vom Kammgericht auch weiterhin nicht als strafrechtliche Beleidigung bewertet werden. Dies dürfte insbesondere die Aussagen betreffen, die aufgrund ihrer Wortwahl schon eine eher geringe Eingriffsintensität aufweisen, wie beispielsweise „Die sind alle so krank im Kopf“

„Hass ist keine Meinung“ schrieb Renate Künast als Reaktion auf ihre erfolgreiche Verfassungsbeschwerde auf Twitter. Das klingt griffig, ist es aber in rechtlicher Hinsicht nicht. Alle Einzeläußerungen, die Gegenstand der Verfassungsbeschwerde waren, fallen in den Schutzbereich von Art. 5 GG und müssen gegen das Persönlichkeitsrecht von Frau Künast abgewogen werden. Das Ergebnis dieser Abwägung hat das BVerfG aber nicht vorgegeben, eine klare „Segelanweisung“, wie das Kammergericht im Ergebnis zu entscheiden hat, enthält der Beschluss nicht.

Man darf also durchaus gespannt sein, wie das KG mit der Vorgabe aus Karlsruhe umgehen wird.

posted by Thomas Stadler at 16:57  

7.1.20

Kann man noch datenschutzkonform twittern?

Der baden-württembergische Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink hat unlängst mitgeteilt, seinen Twitteraccount zu löschen, nachdem das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, dass Aufsichtsbehörden ermessensfehlerfrei direkt gegen Betreiber von Facebook-Fanpages vorgehen und von diesen verlangen können, die Fanpage abzuschalten. Das Verhalten von Brink ist auch deshalb bemerkenswert, weil er selbst zu seinem Twitterauftritt eine Datenschutzfolgenabschätzung vorgenommen und sich die datenschutzrechtliche Unbedenklichkeit seiner Twitter-Aktivitäten darin selbst bescheinigt hatte.

Die Frage bleibt aber, ob die Fanpage-Entscheidungen des EuGH und des BVerwG auf Twitter übertragbar sind und was das grundsätzlich bedeuten würde. Wäre damit jeder Twitter-Account, für den die DSGVO gilt, unzulässig, weil nicht datenschutzkonform?

Im Urteil des BVerwG heißt es:

Der EuGH stützt sich maßgeblich auf die Erwägung, dass der Betreiber einer auf Facebook unterhaltenen Fanpage mit der Einrichtung einer solchen Seite Facebook die Möglichkeit gibt, auf dem Computer oder jedem anderen Gerät der Person, die seine Fanpage besucht hat, Cookies zu platzieren, unabhängig davon, ob diese Person über ein Facebook-Konto verfügt (EuGH, Urteil vom 5. Juni 2018 a.a.O. Rn. 35). Damit leistet der Betreiber einen maßgeblichen Beitrag zur Verarbeitung personenbezogener Daten der Besucher der Fanpage (EuGH, Urteil vom 5. Juni 2018 a.a.O. Rn. 36).

Auf Twitter besucht man aber keine Profile, sondern man sieht die Tweets derjenigen Nutzer in seiner Timeline, denen man folgt. Der einzelne Twitternutzer leistet damit keinen kausalen und relevanten Beitrag dazu, dass Twitter die Aktivitäten der Nutzer, und zwar die aller Nutzer, trackt. Das Tracking bei Twitter knüpft, anders als bei der Fanpage, nicht daran an, dass jemand ein fremdes Profil besucht. Nach der Logik von Brink wäre jeder Nutzer von Twitter (auf den die DSGVO anwendbar ist), stets auch zusammen mit Twitter gemeinsamer Verantwortlicher. Das widerspricht aber der Rechtsprechung des EuGH, der in seiner Fanpage-Entscheidung ausdrücklich betont hat, dass die bloße Nutzung eines sozialen Netzwerks noch keine gemeinsame Verantwortlichkeit begründet.

Dass also jeder einzelne Twitternutzer einen maßgeblichen Beitrag zu einer Datenverarbeitung im Sinne der EuGH-Rechtsprechung leistet, erscheint eher fernliegend.

Ungeklärt ist letztlich auch die zentrale Frage, welche Datenverarbeitung überhaupt stattfindet und ob diese rechtswidrig ist. Das BVerwG betont, dass das Oberverwaltungsgericht zunächst Feststellungen zur Datenverarbeitung treffen und anschließend danach differenzieren muss, ob jemand Facebook-Mitglied ist oder ein nicht bei Facebook registrierter Internetnutzer. Im ersten Fall kommt eine Einwilligung in Betracht, im zweiten Fall eine gesetzliche Gestattung nach der DSGVO.

Im Fall von Twitter werden m.W. nur (registrierte) Nutzer getrackt. Die Frage wäre dann also, ob das von der Einwilligung, die Twitter bei den Nutzern einholt, gedeckt ist.

Hinzu kommt ein weiterer, wenig diskutierter Umstand. Bei der Facebook-Fanpage steht die werbliche Präsentation im Vordergrund, während bei Twitter der Schwerpunkt auf Kommunikation und Information liegt. Mit Blick auf Twitteraccounts von Privaten muss hier also auch die Bedeutung der Meinungs- und Informationsfreiheit berücksichtigt und stärker gewichtet werden als bei Fanpages. Hier stellt sich letztlich sogar die Frage, ob sich der Inhaber des Twitter-Accounts wegen der Bedeutung der Meinungsfreiheit auf ein Medienprivileg berufen kann. Würden Aufsichtsbehörden Twitteraccounts untersagen können, würde dies einen empfindlichen Eingriff in die Meinungs- und Informationsfreiheit bewirken.

Bei Twitteraccounts von juristischen Personen des öffentlichen Rechts ist die Frage zu stellen, inwieweit der Twitter-Account der Aufgabe dient, die Allgemeinheit, also den Bürger, zu informieren.

Die Entscheidungen zu Facebook-Fanpages sind also nicht ohne weiteres auf Twitter übertragbar, auch wenn das vielfach behauptet wird.

posted by Thomas Stadler at 21:09  

10.9.18

OLG München: Facebook muss gewährleisten, dass zulässige Meinungsäußerungen nicht gelöscht werden

In einer vieldiskutierten aktuellen Entscheidung hat das Oberlandesgericht München Facebook untersagt, einen Nutzerkommentar zu löschen und die Äußernde wegen der erneuten Einstellung des Kommentars zu sperren (OLG München, Beschluss vom 24.08.2018, Az.: 18 W 1294/18).

Äußerungsrechtlich lag dieser Entscheidung eine Meinungsäußerung zugrunde, die nach den gefestigten Kritieren der höchstrichterlichen deutschen Rechtsprechung und des EGMR evident zulässig war.

Die Frage war also letztlich die, ob Facebook – gestützt auf seine Nutzungsbedingungen – auch solche Äußerungen löschen kann, die äußerungsrechtlich zulässig und vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt sind.

Hierzu führt das OLG zunächst aus, dass zwischen Facebook und dem Nutzer ein Vertragsverhältnis besteht und die Nutzungsbedingungen von Facebook als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zu qualifizieren sind.

Die Klausel vonm Facebook:

2. Wir können sämtliche Inhalte und Informationen, die du auf F. postest, entfernen, wenn wir der Ansicht sind, dass diese gegen die Erklärung oder unsere Richtlinien verstoßen. (…).“

ist nach Ansicht des OLG München AGB-rechtlich unwirksam, weil sie den Nutzer unangemessen benachteiligt. Hierzu führt das Gericht aus:

Nach dem Wortlaut der Klausel – dem zugleich die bei der gebotenen Auslegung zu Lasten des Verwenders (§ 305c Abs. 2 BGB) zugrunde zu legende kundenunfreundlichste Auslegung entspricht – kommt es für die Beurteilung der Frage, ob ein geposteter Beitrag gegen die Richtlinien der Antragsgegnerin verstößt und deshalb gelöscht werden darf, allein auf das Urteil der Antragsgegnerin an. Dieses einseitige Bestimmungsrecht der Antragsgegnerin steht im Widerspruch dazu, dass der Vertrag zwischen Nutzer und Plattformbetreiber gemäß § 241 Abs. 2 BGB seinem Inhalt nach beide Vertragsparteien zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichtet (ebenso LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.05.2018 – 2-03 O 182/18, S. 4).

Für den Inhalt und die Reichweite der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme ist im vorliegenden Fall von entscheidender Bedeutung, dass die von der Antragsgegnerin bereitgestellte Social-Media-Plattform www.f…com dem Zweck dient, den Nutzern einen „öffentlichen Marktplatz“ für Informationen und Meinungsaustausch zu verschaffen (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 10.08.2017 – 16 U 255/16, Rn. 28, zit. nach juris). Im Hinblick auf die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, insbesondere des Grundrechts des Nutzers auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), muss deshalb gewährleistet sein, dass eine zulässige Meinungsäußerung nicht von der Plattform entfernt werden darf (ebenso LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14.05.2018 – 2-03 O 182/18, S. 4 f. m.w.N.).

Diese Begründung des OLG München fußt auf der gefestigten Rechtsprechung des BVerfG zur sog. Drittwirkung von Grundrechten, nach der die Wirkung der Grundrechte im Zivilrecht über die sog. Generalklauseln (hier: § 241 Abs. 2 BGB) zu berücksichtigen sind.

Das OLG München lässt es im weiteren ausdrücklich offen, ob man anhand der Regelung in den Nutzungsbedingungen von Facebook zu sog. Hassbotschaften zu einem anderen Ergebnis gelangen könnte, nachdem die hier beanstandete Äußerung evident keine Hassbotschaft darstellt. Spannend wäre es also nur dann geworden, wenn Facebook eine Äußerung gelöscht hätte, die man als Inhalt hätte bewerten können, der Personen aufgrund ihrer Rasse, Ethnizität, nationalen Herkunft, religiösen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, geschlechtlichen Identität oder aufgrund von Behinderungen oder Krankheiten direkt angreift.

Es bleibt damit festzuhalten, dass Facebook jedenfalls nicht berechtigt ist, Äußerungen die erkennbar von der Meinungsfreiheit gedeckt sind zu löschen. Ob das auch dann noch gilt, wenn eine Äußerung diskriminierend ist, aber dennoch von der Meinungsfreiheit gedeckt bleibt, lässt das OLG München offen. Die Entscheidung ist weniger spektakulär als sie scheint.

Die Entscheidung zeigt allerdings, dass Facebook nach wie vor massive Probleme damit hat, bei der Löschung von beanstandeten Inhalten in zutreffender Art und Weise zu differenzieren. Vielmehr löscht das soziale Netzwerk weiterhin auch Beiträge, die offensichtlich nicht zu beanstanden sind, auch nicht nach den eigenen Nutzungsbedingungen.

posted by Stadler at 20:01  

10.1.18

Die Debatte um das NetzDG ist unsachlich

Die aktuelle Debatte um das Für und Wider des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) ist hysterisch, eine ruhige und sachliche Auseinandersetzung ist selten erkennbar, auch nicht bei den zahlreich diskutierenden Juristen. Dies passt zum Zeitgeist und ist Ausdruck einer Debattenkultur, die nahezu zwanghaft auf Polarisierung setzt, nur noch schwarz und weiß kennt und in der die differenzierte Betrachtung nicht mehr viel gilt.

Das Gesetz geht zunächst ein tatsächlich vorhandenes Problem an. Soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter löschen nur einen Bruchteil derjenigen Inhalte, die strafbar oder rechtswidrig sind. Gleichzeitig, und das geht in der aktuellen Debatte stark unter, entfernen soziale Netzwerke häufiger Postings und Inhalte, die erkennbar rechtmäßig sind. Die Kriterien, nach denen Facebook & Co. ihre Löschentscheidungen treffen, waren bislang weder transparent noch nachvollziehbar. Zum Teil sind falsche Löschentscheidungen einfach auch dem Umstand geschuldet, dass die Anbieter nicht genügend und vor allem kein ausreichend geschultes Personal vorhalten. Wenn wir also wollen, dass rechtswidrige Inhalte in größerem Umfang als bislang gelöscht werden, dann ist es unumgänglich den Betreibern sozialer Netze entsprechende Pflichten aufzuerlegen und Verstöße auch zu sanktionieren.

Man kann das NetzDG mit guten Gründen wegen Verstoß gegen das Herkunftslandprinzip und die Haftungsprivilegierungstatbestände der E-Commerce-Richtlinie für europarechtswidrig halten. Wer die Rechtsprechung des EuGH zur Provider- und Linkhaftung verfolgt, weiß aber auch, dass wir es allzu oft mit einer Wundertüte zu tun haben. Man sollte also nicht darauf wetten, dass der EuGH das deutsche Gesetz tatsächlich am Ende auch für europarechtswidrig halten wird, sollte es ihm vorgelegt werden. In diesem Zusammenhang muss man auch berücksichtigen, dass die Kommission bereits Überlegungen anstellt, die in eine ganz ähnliche Richtung gehen und eher noch weiter reichen werden. Es spricht also einiges dafür, dass die künftige europäische Marschroute ähnlich verlaufen wird.

Ein ebenfalls oft gehörtes Argument ist das von der Privatisierung der Rechtsdurchsetzung, das mir allerdings wenig stichhaltig erscheint. Facebook und Twitter werden ja nicht dazu angehalten, Aufgaben der Strafverfolgung zu übernehmen, sondern nur dazu, strafbare Inhalte zu löschen. Wer sich das Gesetz genau ansieht, wird außerdem erkennen, dass das NetzDG gar keine neuen Löschpflichten begründet, sondern wie schon bisher das TMG von bereits bestehenden Löschpflichten ausgeht. Was manche offenbar zu irritieren scheint, ist der Umstand, dass Facebook & Co. in zunehmendem Maße wie Medienanbieter betrachtet werden und nicht mehr so sehr wie Provider. Würde man einem Fernsehsender oder einer Zeitung gestatten, rechtswidrige Inhalte zu verbreiten? Und wer anders als der Plattformbetreiber sollte rechtswidrige/strafbare Inhalte denn löschen? Der Vorwurf der Privatisierung der Rechtsdurchsetzung greift letztlich nicht. Die Strafjustiz wird außerdem niemals in der Lage sein, Millionen strafbarer Einzelinhalte zu verfolgen und schon gar nicht zeitnah. Wer also rechtswidrige Inhalte aus dem Netz bekommen will, muss den Plattformbetreibern entsprechende Pflichten auferlegen. Hierzu gibt es keine praktikable Alternative.

Auch der immer wieder erhobene Zensurvorwurf ist nicht durchgreifend. Abgesehen davon, dass die Zensur im Sinne des Grundgesetzes jedenfalls nach überwiegender Ansicht nur die Vorzensur meint, ist nicht wirklich erkennbar, warum die Ausgestaltung eines Verfahrens zur Löschung strafbarer Inhalte in sozialen Netzen als Zensur zu betrachten sein sollte. Dieser Logik folgend wäre der Straftatbestand, der die Verbreitung bestimmter Inhalte untersagt oder eine richterliche Unterlassungsentscheidung ebenfalls Zensur.

In sachlicher Hinsicht macht das NetzDG nichts anderes, als den Betreibern sozialer Netzwerke Verfahrensregeln aufzuerlegen, die sicherstellen sollen, dass bestimmte strafbare Inhalte kurzfristig entfernt werden. Zumindest die gesetzgeberische Intention kann man m.E. im Grundsatz nicht ernsthaft kritisieren.

Das bedeutet freilich noch nicht, dass dem Gesetzgeber eine sinnvolle Umsetzung gelungen ist. Denn das Gesetz schafft einen einseitigen Löschanreiz. Vor diesem Hintergrund hätte das NetzDG von vornherein Maßnahmen gegen die Gefahr des Overblockings ergreifen müssen. Denn der Gesetzgeber darf nicht allzu leichtfertig die fälschliche Löschung von rechtmäßigen Inhalten in Kauf nehmen, weil dies in der Tat sowohl die Meinungs- als auch die Informationsfreiheit beeinträchtigt. Vor diesem Hintergrund wäre zumindest eine Art Rechtsbehelf des von der Löschung Betroffenen in das Verfahren zu implementieren gewesen. Möglicherweise müsste man an dieser Stelle sogar noch einen Schritt weiter gehen und hätte dem Betroffenen unmittelbar ein effektives behördliches oder gerichtliches Verfahren an die Hand geben müssen, das es ihm gestattet, vor einem inländischen Gericht oder einer Behörde gegen die Löschentscheidung des Netzwerkbetreibers vorzugehen, wenn der Betreiber auf die Beschwerde des Nutzers hin nicht abhilft.

Um die Gefahr des Verstoßes gegen europarechtliche Vorgaben zu reduzieren, wäre es zudem sinnvoll, den Wortlaut von § 3 Abs. 2 an den von § 10 TMG bzw. Art. 14 ECRL anzupassen. Zumal die jetzige Differenzierung zwischen rechtswidrigen und offensichtlich rechtswidrigen Inhalten wenig sinnvoll erscheint und den Betreiber nur vor ein zusätzliches Abgrenzungsproblem stellt.

posted by Stadler at 21:35  

10.11.17

Kammergericht: Für Facebook gilt deutsches Datenschutzrecht

Das Kammergericht hat ein Urteil des Landgerichts Berlin bestätigt, das es Facebook (Irland) untersagt, Spiele so zu präsentieren, dass der Nutzer mit dem Betätigen des Buttons „Spiel spielen“ die Erklärung abgibt, einer Übermittlung personenbezogener Daten an den (externen) Betreiber des Spiels zuzustimmen. Unwirksam ist nach Auffassung des Gerichts zudem eine Klausel, die es dem Betreiber des Spiels gestattet, im Namen des Nutzers auf Facebook zu posten. (Urteil des KG vom 22.09.2017, Az.: 5 U 155/14). Das Gericht geht davon aus, dass eine hinreichende Einwilligung des Nutzers in die Datenverarbeitung nicht erteilt wird.

Das Interessante an dem Urteil ist vor allem, dass das Kammergericht die Anwendung deutschen Datenschutzrechts bejaht, weil es Facebook Deutschland als eine Niederlassung von Facebook Ireland betrachtet. Das genügt, um die Datenverarbeitung als im Rahmen der Tätigkeit der Zweigniederlassung anzusehen, selbst dann, wenn die Daten nicht von der deutschen Niederlassung verarbeitet werden.

posted by Stadler at 08:29  

5.6.17

Warum das Netzwerkdurchsetzungsgesetz den falschen Ansatz wählt

Das geplante Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzG) wird seit Monaten kontrovers diskutiert. Auch wenn man durchaus politischen und gesetzgeberischen Handlungsbedarf sehen kann, ist der Gesetzesentwurf inkonsistent.

Das was man auf der Website des BMJ dazu lesen kann,

Um die sozialen Netzwerke zu einer zügigeren und umfassenderen Bearbeitung von Beschwerden insbesondere von Nutzerinnen und Nutzer über Hasskriminalität und andere strafbare Inhalte anzuhalten, werden durch den Entwurf gesetzliche Compliance-Regeln für soziale Netzwerke eingeführt.

verdeutlicht unmittelbar, warum das Gesetz falsch konstruiert ist.

Erklärtes Ziel ist es nach den Worten des Ministeriums den betroffenen Nutzern dabei zu helfen, ihre Rechte besser durchzusetzen. Wenn dem so ist, hätte man sich fragen müssen, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, damit Nutzer, die durch Veröffentlichungen in sozialen Netzwerken in ihren Rechten verletzt werden, besser und effektiver direkt gegen Facebook, Twitter & Co. vorgehen können. Was macht der Entwurf des BMJ stattdessen? Er definiert einen Katalog von Straftaten und diesbezügliche Verhaltens- und Handlungspflichten des Anbieters. Daran knüpft er dann Bußgeldtatbestände. Der Gesetzgeber schafft also ein öffentlich-rechtliches Ordnungswidrigkeitenrecht, das als solches nicht unmittelbar geeignet ist, die Position der Nutzer/Bürger zu verbessern. Was will der Gesetzgeber? Das Verhalten der Anbieter durch Bußgelder die Strafcharakter haben sanktionieren oder ein Regelungssystem schaffen, das die Rechtsdurchsetzung für die Betroffenen erleichtert? Dem jetzigen Regelungskonzept geht es nicht um den betroffenen Nutzer, sondern es geht darum, ein neues staatliches Ordnungs- und Sanktionssystem zu schaffen.

Die einzige Neuregelung, die geeignet ist, die Nutzer bei der besseren Durchsetzung ihrer Rechte zu unterstützen, ist die Pflicht zur Benennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten. Damit könnte eine komplizierte und zeitaufwändige Auslandszustellung der Klageschrift bzw. des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verhindert werden. Nur leider bleibt der Gesetzgeber hier auf halbem Wege stehen, weil er es versäumt hat, den Anbieter dazu zu verpflichten, Namen und Anschrift des Zustellungsbevollmächtigten auch für den Nutzer leicht zugänglich zu veröffentlichen. Im Zuge dessen hätte man auch gleich noch genauer definieren können, welche Befugnisse dieser Zustellungsbevollmächtigte haben muss und vor allem klarstellen können, dass durch die Zustellung an den inländischen Zustellungsbevollmächtigten die Auslandszustellung (§183 ZPO) entbehrlich wird und auch keine Übersetzungen von Schriftsätzen und richterlichen Verfügungen notwendig sind. Wünschenswert und sinnvoll wäre eine Regelung gewesen, die es dem Anbieter, der sich mit seinem Service an ein (größeres) inländisches Publikum richtet, gebietet, sich wie ein inländisches Unternehmer vor einem deutschen Gericht verklagen und prozessual behandeln zu lassen.

Bei dem Beschwerdemanagement, das der Gesetzesentwurf in seinem § 3 vorgibt, hätte man vor allen Dingen regeln können, dass sich der Nutzer – außerhalb des Beschwerdeformulars auf der Website – unmittelbar per E-Mail, Telefax oder Brief an eine zu benennende Beschwerdestelle des Anbieters im Inland wenden kann und das Unternehmen verpflichtet ist, die Nutzerbeschwerde innerhalb einer kurzen Frist zu beantworten und hierbei zudem gehalten ist, inhaltlich auf die vom Nutzer konkret vorgebrachten Aspekte einzugehen und sich nicht darauf beschränken kann, lediglich pauschal mitzuteilen, dass keine Regelverstöße erkennbar sind.

Auf den Rest des Gesetzes hätte man getrost verzichten können. Die starren Löschpflichten, die das Gesetz jetzt vorgibt, dürften nicht nur europarechtswidrig sein, weil sie mit den Vorgaben der E-Commerce-Richtlinie nicht übereinstimmen, sondern sie schaffen auch einseitige Löschanreize, die in der Breite zwangsläufig dazu führen werden, dass in größerem Umfang auch rechtlich nicht zu beanstandende Inhalte gelöscht werden. Das wäre fatal im Sinne der Meinungs- und Informationsfreiheit.

posted by Stadler at 21:23  

14.3.17

Geplantes Netzwerkdurchsetzungsgesetz soll Hatespeech bekämpfen

Netzpolitik.org hat gerade den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG) veröffentlicht.

Danach sollen soziale Netze mit mehr als zwei Millionen Nutzern verpflichtet werden, quartalsweise einen deutschsprachigen Bericht über den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte auf ihrer Plattformen zu erstellen und im Bundesanzeiger sowie auf der eigenen Homepage zu veröffentlichen.

Darüber hinaus sollen die Anbieter sozialer Medien verpflichtet werden, Beschwerden über rechtswidrige Inhalte unverzüglich zu prüfen. Offensichtlich rechtswidrige Inhalte müssen innerhalb von 24 Stunden entfernt werden, sonstige rechtswidrige Inhalte binnen sieben Tagen.

Der Verstoß gegen diese Pflichten stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einem Bußgeld belegt werden. Außerdem müssen Facebook, Twitter & Co. einen inländischen Zustellbevollmächtigen benennen und zwar sowohl für Zustellungen von Verwaltungsbehörden und Staatsanwaltschaften, als auch für Zustellungen in zivilgerichtlichen Verfahren.

Etwas irritierend ist es, dass im Referentenentwurf primär auf die Bekämpfung sog. Hasskriminalität – etwas, das es als Rechtsbegriff in Deutschland nicht gibt – abgestellt wird, während der Gesetzeswortlaut dann nur noch von rechtswidrigen Inhalten spricht. Das Gesetz definiert als rechtswidrige Inhalte in § 1 Abs. 3 allerdings nur Verstöße gegen bestimmte Straftatbestände, zu denen beispielsweise Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung zählen, ebenso wie die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und die Volksverhetzung sowie die Beschimpfung von Bekenntnissen. Es fallen also – entgegen einer ersten Einschätzung von mir – nicht alle rechtswidrigen Inhalte unter die Regelung. Die Auswahl wirkt allerdings eher beliebig und wenig durchdacht. Die Verunglimpfung des Bundespräsidenten ist enthalten, während z.B. die Verbreitung kinderpornographischer Inhalte fehlt. Die Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs (§ 201 ff. StGB) ist ebenfalls nicht enthalten.

Das klingt auf den ersten Blick durchaus sinnvoll, denn Portalbetreiber sind schon nach geltendem Recht verpflichtet, erkennbar rechtswidrige Inhalte zügig zu entfernen. Dieser Rechtspflicht kommen gerade große Anbieter wie Facebook oder Twitter aber bislang nur unzureichend nach.

Andererseits beinhaltet die geplante Regelung die erhebliche Gefahr, dass soziale Netze wie Facebook, Twitter, XING und andere den Weg des geringsten Widerstandes gehen und im Zweifel auf eine Nutzerbeschwerde hin löschen werden. Es besteht damit die Gefahr, dass in großem Umfang auch rechtmäßige Inhalte gelöscht werden, um eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit von vornherein auszuschließen. Denn die ebenfalls nicht rechtskonforme Löschung legaler und rechtmäßiger Inhalte durch Facebook bleibt sanktionslos, während die Nichtlöschung rechtswidriger Inhalte als Ordnungswidrigkeit bußgeldbewehrt ist. Hierdurch schafft das Gesetz ein gewisses Ungleichgewicht, das durchaus zu einem zensurähnlichen Effekt führen könnte.

posted by Stadler at 17:38  

25.11.16

Nach welchen Kriterien löscht Facebook?

Auf mobilegeeks ist ein lesenswerter Beitrag zu der Frage erschienen, nach welchen Kriterien Facebook prüft und löscht, wenn ein Posting eines (deutschen) Nutzers als Rechtsverstoß gemeldet wird. Neu war für mich die Information, dass Facebook Verstöße aus Deutschland von einem externen Dienstleister, einer Bertelsmanntochter, überprüfen lässt, der ca. 600 Personen beschäftigt, die nur damit betraut sind, deutsche Facebook-Meldungen zu überprüfen. Der Beitrag erläutert, dass Facebook ein eigenes Regelwerk aufgestellt hat, anhand dessen die Mitarbeiter löschen oder Beiträge eben unbeanstandet lassen.

Und genau darin liegt wohl das Hauptproblem der oftmals falschen und nicht nachvollziehbaren Überprüfungen durch Facebook. Prüfungsmaßstab für Rechtsverletzungen, die von inländischen Nutzern ausgehen oder sich gegen inländische Nutzer richten, ist das geltende (deutsche) Recht und nicht irgendwelche Standards die Facebook selbst definiert.Die Orientierung an Katogorien wie Hatespeech oder Rassismus ist dabei nur bedingt hilfreich. Denn Postings, die rassistisch sind, sich gegen Minderheiten richten oder sich durch eine aggressive oder hasserfüllte Sprache auszeichnen, können gleichwohl vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt sein. Andererseits können falsche und/oder ehrenrührige Tatsachenbehauptungen, die weder offensichtlich aggressiv oder hasserfüllt sind, Persönlichkeitsrechte verletzen. Wenn man nicht will, dass sich hier ein von Facebook geschaffenes Parallelrecht etabliert, das über keinerlei Legitimation verfügt, dann muss man sich von einer Löschpolitik, die sich an politischen Begriffen wie Hatespeech orientiert, lösen.

Grundsätzlich ist die Haftung von Facebook als Portalbetreiber nach deutschem und europäischem Recht übrigens längst klar umrissen. Jedenfalls dann, wenn Facebook von einer erkennbaren Rechtsverletzung Kenntnis erlangt, haftet es uneingeschränkt zvilrechtlich und auch strafrechtlich. Faceebook muss Postings, die Rechte Anderer verletzen oder gegen Strafvorschriften verstoßen, zügig löschen. In der Praxis funktioniert das aber nur sehr eingeschränkt, weil viele Betroffenen einfach nicht den Aufwand betreiben wollen, Facebook Ireland, das nach dem Impressum als Diensteanbieter agiert, gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen. Möglich wäre das in vielen Fällen natürlich.

Als Anwalt habe ich übrigens im letzten Jahr die Erfahrung gemacht, dass Facebook selbst dann nicht löscht, wenn man einen gerichtlichen Unterlassungstitel vorlegt, der den postenden Nutzer zur Unterlassung verpflichtet. Auch in solchen Fällen kann man von Facebook die standardisierte Rückmeldung erhalten, dass ein Verstoß gegen die Community Standards nicht ersichtlich ist, obwohl der Rechtsverstoß deutlicher gar nicht mehr belegt werden kann.

posted by Stadler at 09:42  

7.10.16

Anspruch auf Veröffentlichung eines Unterlassungsurteils auf Facebook?

Der BGH hat in einem aktuellen Beschluss über eine Nichtzulassungsbeschwerde entschieden, dass der Antrag auf Veröffentlichung von Rubrum und Unterlassungstenor eines Unterlassungsurteils auf Facebook, durch das dem Beklagten ehrverletzende Äußerungen untersagt werden, auf Folgenbeseitigung gerichtet ist und dieser Folgenbeseitigungsanspruch als selbständige Rechtsfolge neben die Verpflichtung zur Unterlassung hinzutritt (Beschluss vom 16.08.2016, Az.: VI ZB 17/16).

Diesem Folgenbeseitigungsanspruch kommt nach Ansicht des BGH ein eigener Wert zu, der mit dem Wert des Unterlassungsantrags zusammenzurechnen ist und damit insgesamt den Streitwert des Verfahrens erhöht.

Auch wenn der BGH hier keine Sachentscheidung über eine Verpflichtung des Äußernden, ein gegen ihn gerichtetes Urteil auf Facebook zu veröffentlichen, trifft, macht der Beschluss dennoch deutlich, dass ein solcher Anspruch grundsätzlich bestehen kann.

Der BGH hat schon vor längerer Zeit entschieden, dass speziell bei ehrverletzenden Werturteilen, die öffentlich geäußert worden sind, regelmäßig auch ein Anspruch darauf besteht, dass der Äußernde das gegen ihn ergangene Unterlassungsurteil öffentlich bekannt macht. Diese Rechtsprechung erscheint auf ehrverletzende Äußerungen, die über soziale Medien wie Facebook oder Twitter verbreitet werden, grundsätzlich übertragbar. Bei ehrverletzenden Werturteilen, die ohnehin nur dann rechtswidrig sind, wenn die Grenze zur sog. Schmähkritik überschritten wird, wird man regelmäßig also auch daran denken können, dass der Rechtsverletzer zusätzlich dazu verpflichtet werden kann, das Urteil (Rubrum und Tenor) dort zu veröffentlichen, wo er zuvor die untersagte Äußerung veröffentlicht hatte.

posted by Stadler at 16:39  
Nächste Seite »