Ein Strafverfahren vor den Münchener Strafgerichten, in dem ein Reporter der Bild-Zeitung angeklagt ist und in dem der Schauspieler und Kabarettist Ottfried Fischer als Nebenkläger auftritt, beschäftigt nicht nur das Boulevard, sondern auch die seriöse Presse, allerdings aus unterschiedlichen Gründen.
Der Sachverhalt in Kurzform. Fischer war heimlich beim Umgang mit zwei Prostituierten gefilmt worden. Die Täter haben Fischer erpresst und das Filmaterial gleichzeitig zum Kauf angeboten. Der nun angeklagte Journalist erwarb die Filmaufnahmen zum Preis von EUR 3.500,- und fragte anschließend bei Fischers Agentin an, ob der Schauspieler hierzu nicht Stellung nehmen wolle. Fischer fühlte sich dadurch „erpresst“ und gab der BILD deshalb ein Exklusivinterview, obwohl er nach eigenem Bekunden sonst nicht mit BILD zusammenarbeitet.
Das Amtsgericht München hat den Reporter wegen Nötigung verurteilt, das Landgericht München I hat jetzt freigesprochen. Sowohl die Staatsanwaltschaft, als auch Fischer als Nebenkläger, haben Revision angekündigt.
Die Vorsitzende Richterin am Landgericht hatte den Freispruch in der mündlichen Verhandlung damit begründet, dass der Ankauf von brisantem Material zu Recherchezwecken möglich sein muss, weil Journalisten ansonsten bei ihrer Arbeit „einpacken“ könnten. Ist diese Argumentation aber tatsächlich stichhaltig?
Um dies zu klären, muss man sich zunächst mit einer zentralen Vorfrage beschäftigen, was in der Medienberichterstattung leider zu wenig geschieht. Die Filmaufnahmen an sich, sowie das Gebrauchmachen von diesen Filmaufnahmen, sind nach § 201a StGB unzulässig. Wer jemanden unbefugt in einem geschützten Raum filmt und dadurch dessen höchstpersönlichen Lebensbereich verletzt, macht sich strafbar.
Es stellt sich also bereits die Frage, ob der Reporter diese Filmaufnahmen nicht schon dadurch gebraucht hat, dass er der Agentin mitgeteilt hat, im Besitz der Aufnahmen zu sein und dies mit der „Frage“ verbunden hat, ob Ottfried Fischer hierzu nicht der BILD gegenüber Stellung nehmen wolle. Dann wäre schon eine Strafbarkeit nach § 201a StGB gegeben.
Wenn man das Verhalten des Journalisten nicht außerdem als Nötigung auffassen will, muss man sich die Frage stellen, warum ein Journalist für Filmaufnahmen EUR 3.500,- bezahlt, obwohl er weiß, dass er diese legal nicht verwenden und auch nicht zum Gegenstand einer Berichterstattung machen darf und nach eigenem Bekunden dies auch gar nicht vorhatte. Der Ankauf der Filmaufnahmen kann also von vornherein nur dem Zweck gedient haben, auf Ottfried Fischer, wenn auch subtilen, Druck auszuüben, mit dem Ziel, diesen Sachverhalt doch noch zum Gegenstand einer Sensationsberichterstattung machen zu können.
Man muss in diesem Zusammenhang beachten, dass der Tatbestand des § 240 StGB (Nötigung) gerade die individuelle Willens- und Handlungsfähigkeit schützt, weshalb gerade auch auf subjektive Empfindungen des Betroffenen Rücksicht zu nehmen ist. Dieser offene Tatbestand ist also tendenziell eher weit, die notwendige Abgrenzung von sozial adäquatem und verwerflichem Verhalten, erfolgt erst durch eine Gesamtabwägung auf Ebene der Rechtswidrigkeit.
Das Argument des Landgerichts, die Presse könne nicht mehr arbeiten, wenn man ein derartiges Vorgehen unter Strafe stellt, ist jedenfalls nicht plausibel. Denn die Vorschrift des § 201a StGB ist zugunsten des investigativen Journalismus sehr eng gefasst, was in der strafrechtlichen Literatur übrigens auf z.T. deutliche Kritik gestoßen ist. Nur dann, wenn der höchstpersönliche Lebensbereich (Sexualität, Krankheit) verletzt ist, greift nämlich der Straftatbestand überhaupt ein. In allen anderen Fällen, setzt sich der Journalist nicht der Gefahr einer Strafverfolgung aus, auch wenn er illegal angefertige Filmaufnahmen verwendet.
Ich bin also geneigt Ottfried Fischer zuzustimmen, der in dem Urteil keinen Sieg der Pressefreiheit sondern einen der Erpresserfreiheit sieht.