Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

31.3.11

SWIFT-Abkommen: USA speichern auf Vorrat

Wie Spiegel Online berichtet, hat die EU-Kommission schwere Fehler bei der Umsetzung des Swift-Abkommens eingeräumt. Die USA speichern offenbar Daten europäischer Bankkunden auf Vorrat und verschweigen die Zahl der Zugriffe. Dass eine unkontrollierte Datenübermittlung an die USA stattfindet, ergab sich schon aus einem Bericht von Europol vom 01.03.2011.

Diese Erkenntnis ist freilich wenig überraschend, weil genau diese Entwicklung im Swift-Abkommen selbst so angelegt ist. Wer den US-Behörden faktisch unkontrollierten Zugriff auf Bankdaten europäischer Bürger einräumt, muss sich anschließend nicht darüber wundern, dass die Amerikaner davon exzessiv Gebrauch machen. Manchmal fragt man sich ganz ernsthaft, ob die Mitglieder der EU-Kommission und der Parlamentsmehrheit tatsächlich so naiv sind oder nur so tun.

Der Abgeordenete Alexander Alvaro (FDP), der jetzt so vehement die Aussetzung des SWIFT-Abkommens fordert, hatte dem Abkommen zuvor im Europarlament zugestimmt und damit genau den Zustand herbeigeführt, den er jetzt beklagt.

posted by Stadler at 14:18  

30.3.11

Bundesregierung plant offenbar doch „Three-Strikes-Out“

Die Bundesregierung plant offenbar nach britischem (Three Strikes-Out) und französischem (Hadopi) Vorbild, einen Mechanismus zu etablieren, der Zugangsprovider dazu verpflichtet, im Falle von Urheberrechtsverletzungen auf Geheiß von Rechteinhabern Warnhinweise an ihre Kunden zu verschicken.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) hat einen Dienstleistungsauftrag über eine „Vergleichende Studie über Modelle zur Versendung von Warnhinweisen durch Internet-Zugangsanbieter an Nutzer bei Urheberrechtsverletzungen“ ausgeschrieben.

posted by Stadler at 16:35  

30.3.11

Serverstandort in Deutschland begründet keinen Gerichtsstand

Der BGH hat mit Urteil vom 29. März 2011 (Az.: VI ZR 111/10) entschieden, dass bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen ein deutlicher Inlandsbezug bestehen muss, damit ein Gerichtsstand in Deutschland gegeben ist. Weder der Standort des Servers in Deutschland noch ein deutscher Wohnsitz des Klägers stellen nach Ansicht des BGH einen ausreichenden Anknüpfungspunkt für die Begründung eines inländischen Gerichtsstands dar.

Im konkreten Fall ging es darum, dass ein Bekannter des Klägers von den USA aus einen in russischer Sprache und kyrillischer Schrift abgefassten Bericht veröffentlicht hat, in dem sich der Beklagte u. a. über die Lebensumstände und das äußere Erscheinungsbild des Klägers geäußert hat.

posted by Stadler at 14:40  

30.3.11

Filesharing: OLG Köln lässt aufhorchen

Der u.a. für das Urheberrecht zuständige 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln lässt mit einer neuen Entscheidung (Beschluss vom 24.03.2011, Az.: 6 W 42/11) aufhorchen, auch wenn es zunächst nur um die Frage der Gewährung von Prozesskostenhilfe geht.

In der Sache ist die Beklagte als Inhaberin eines Internetanschlusses wegen der öffentlichen Zugänglichmachung eines Computerspiels über ein P2P-Netzwerk auf Unterlassung, Schadensersatz und Erstattung von Anwaltskosten in Anspruch genommen worden. Die Beklagte hat sich damit verteidigt, sie selbst habe das Filesharing nicht betrieben und ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann hätte den Anschluss ebenfalls genutzt. Sie gibt außerdem an, sie habe die Frage der Rechtsverletzung mit ihrem Mann vor seinem Tod nicht mehr besprechen können.

Das OLG Köln führt nunmehr – im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung des Landgerichts Köln – aus, dass die Rechtsverteidigung der Beklagten Aussicht auf Erfolg hat und Prozesskostenhilfe zu gewähren ist. Die Begründung des Oberlandesgerichts ist aus mehreren Gründen bemerkenswert.

Das Gericht nimmt zunächst an, dass die vom BGH postulierte Vermutung, wonach der Anschlussinhaber auch der Rechtsverletzer sei, bereits dann als widerlegt anzusehen ist, wenn dargelegt werden kann, dass auch der Ehemann den Internetanschluss nutzt, weil es damit ernsthaft möglich erscheint, dass der Ehemann die Rechtsverletzung begangen hat. Damit scheidet eine Haftung als Täter aus.

Außerdem führt das OLG Köln aus, dass der als Störer in Anspruch genommene erfolgreich mit Nichtwissen bestreiten kann, dass seine Ermittlung als Anschlussinhaber über die Zuordnung einer IP-Adresse korrekt war. Insoweit scheint der Senat dazu zu tendieren, dass der Rechteinhaber die Richtigkeit seiner Ermittlung grundsätzlich unter Beweis stellen muss und insoweit auch den Feststellungen im Rahmen des Auskunftsverfahrens nach § 101 UrhG keine indizielle Wirkung zukommt.

Der Senat bezeifelt schließlich, ob eine Störerhaftung überhaupt in Betracht kommt, weil bisher ungeklärt sei, ob auch Ehegatten verpflichtet werden können, ihr Internetnutzungsverhalten gegenseitig zu kontrollieren.

Schließlich weist das OLG auch darauf hin, dass nach wie vor ungeklärt sei, ob der Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten in solchen Fällen nach § 97a Abs. 2 UrhG auf EUR 100,- gedeckelt sei.

Es handelt sich, wie gesagt, nicht um eine abschließende Sachentscheidung. Das Gericht hatte zunächst nur die Frage zu klären, ob für die Gewährung von Prozesskostenhilfe hinreichende Erfolgsaussichten bestehen. Das hat das OLG bejaht.

Das eigentliche Klageverfahren wird nunmehr bei der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln fortgesetzt. Insoweit ist äußerst spannend, inwieweit das Landgericht wegen des Beschlusses des OLG seine bisherige Rechtsprechung ändern wird. Gegebenfalls wird das Oberlandesgericht im Wege der Berufung in diesem Verfahren auch noch zur Sache entscheiden müssen.

Ob sich hiermit eine Wende in der Rechtsprechung anbahnt, bleibt abzuwarten. Dass die Annahme einer Mithaftung des Anschlussinhabers für das Nutzungsverhalten von Ehegatten und Familienangehörigen bereits nach der Störerdogmatik des BGH als zweifelhaft zu betrachten ist, habe ich schon mehrfach dargelegt. Viele Gerichte haben das bislang allerdings anders gesehen.

Aber bereits die Prämisse des BGH, es würde eine Vermutung dahingehend bestehen, dass der Anschlussinhaber auch Rechtsverletzer sei, begegnet aus tatsächlichen Gründen durchgreifenden Bedenken. In einem deutschen Haushalt leben statistisch gesehen 2,04 Personen. Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit mit einer Abmahnung eines privaten Anschlussinhabers auch den tatsächlichen Rechtsverletzer in Anspruch zu nehmen, weniger als 50 % beträgt. Nimmt man die geschäftlich genutzten Internetanschlüsse hinzu, ergibt sich eine noch niedrigere Quote, da dort im Durchschnitt mehrere berechtigte Nutzer auf das Internet zugreifen.

Damit stellt sich letztlich auch die verfassungsrechtlich nicht ganz uninteressante Frage, ob es zum Schutz eines Rechteinhabers gerechtfertigt ist, Personen als Störer in Anspruch zu nehmen, von denen in statistischer Hinsicht bereits feststeht, dass sie in mindestens jedem zweiten Fall nicht Rechtsverletzer sind. Damit wird nämlich ebenfalls in erheblichem Umfang in fremde Rechtsposition eingegriffen. Der Schutz der Inhaber von urheberrechtlichen Nutzungsrechten geht letztlich so weit, dass es die Gerichte billigend in Kauf nehmen, in großem Umfang Nichtverletzer in Anspruch zu nehmen, womit wiederum in deren geschützte Rechtspositionen eingegriffen wird.  Ob dieses Endergebnis aber tatsächlich von unserer Rechtsordnung gebilligt wird, muss zur Diskussion gestellt werden. Die Gerichte werden sich stärker mit der Tragweite ihrer Entscheidungen in solchen Fällen befassen müssen.

posted by Stadler at 13:20  

28.3.11

Das böse Tracking

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat letzten Freitag ein neues Programm namens Prividor vorgestellt, das Datenschutzverletzungen auf Websites aufspüren soll, u.a. den Einsatz von Tracking-Tools. Das impliziert die Behauptung, Tracking würde eine Datenschutzverletzung darstellen und wirft die Frage auf, ob das was Schaar vorhat, nicht ebenfalls Tracking ist.

Die deutschen Datenschutzbehörden haben sich in letzter Zeit bereits mehrfach als Steinewerfer im Glashaus entpuppt, die nicht in der Lage sind, ihre eigenen hochgesteckten Standards einzuhalten.

Bevor die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern in einem rechtlichen Graubereich Fakten schaffen – Tracking ist nämlich keineswegs unstreitig und in jedem Fall datenschutzwidrig – wäre der (europäische) Gesetzgeber gut beraten, klare Regelungen zu schaffen und den Irrweg, den er mit der „Cookie-Richtlinie“ beschritten hat, wieder zu verlassen. Ein gewisse Entspannung würde dem Datenschutzrecht gut tun und könnte dazu führen, dass die Regelungen endlich auch in der Praxis funktionieren.

posted by Stadler at 21:39  

28.3.11

CEP: Flugastdaten-Richtlinie verstößt gegen europäische und deutsche Grundrechte

Die EU-Kommission will Fluggesellschaften verpflichten, die bei jeder Flugbuchung erfassten Fluggastdaten verdachtsunabhängig an Behörden der Mitgliedstaaten weiterzuleiten. Betroffen davon sind alle Flüge die zwischen einem Drittland und mindestens einem Mitgliedstaat der EU stattfinden, also Flüge in den EU-Raum oder aus dem EU-Raum.

Die geplante Richtlinie stellt wiederum eine Form der Vorratsdatenspeicherung dar und ist heftig umstritten. Nach der Kritik des Bundesrates hat jetzt das Centrum für Europäische Politik (CEP) den Richtlinenentwurf analysiert und kommt zu dem Schluss, dass die Richtlinie gegen das europäische Grundrecht auf Datenschutz verstoßen würde und als verdachtsunabhängige Rasterfahndung zudem gegen das deutsche Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Den Nutzen bewertet das CEP demgegenüber als vernachlässigbar.

Dieser Richtlinienentwurf ist ein weiterer Beleg dafür, in welch bedenklicher Art und Weise die EU-Kommission den Abbau von Grund- und Bürgerrechten vorantreibt.

posted by Stadler at 17:31  

25.3.11

Auch Indien will neue Top-Level-Domain „.xxx“ blockieren

Die ICANN wird eine neue Top-Level-Domain „.xxx“ für pornografische Inhalte einführen. Mittlerweile hat nach Saudi-Arabien auch Indien angekündigt, diese TLD zu filtern bzw. zu blockieren. Eine entsprechende jugendschutzrechtliche Diskussion könnte auch hierzulande drohen und damit die Kontroverse um behördliche Sperrungsverfügungen neu anheizen. Erste Gehversuche in diese Richtung hatte vor ca. 10 Jahren die Bezirksregierung Düsseldorf unternommen. Für Sperrungsanordnungen aus Gründen des Jugendschutzes ergibt sich aus §§ 20 Abs. 4 JMStV, 59 Abs. 4 RStV eine, wenn auch nicht unumstrittene rechtliche Grundlage.

Mir stellt sich allerdings die Frage, warum Anbieter von einschlägigem Content (ausschließlich) unter der TLD „.xxx“ agieren sollten, wenn sie wissen, dass einige Staaten diese Top-Level-Domain komplett ausfiltern werden.

posted by Stadler at 17:58  

24.3.11

Widerruf der Bestellung zum Datenschutzbeauftragten

Mit arbeitsrechtlichen Fragen beschäftigte ich mich hier ja eher selten, aber das Bundearbeitsgericht hat gestern eine höchst interessante Entscheidung (Urteil vom 23. März 2011, Az.: 10 AZR 562/09) mit datenschutzrechtlicher Komponente verkündet, die berichtenswert ist.

Das BAG geht davon aus, dass die Bestellung zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten nach § 4 f Abs. 3 Satz 4 BDSG in entsprechender Anwendung von § 626 BGB aus wichtigem Grund widerrufen werden kann. Allerdings stellt nach Ansicht des Gerichts weder die Entscheidung des Arbeitgebers, zukünftig die Aufgaben eines Beauftragten für den Datenschutz durch einen externen Dritten wahrnehmen zu lassen, noch die Mitgliedschaft im Betriebsrat einen solchen wichtigen Grund dar.

Quelle: Pressemitteilung des BAG Nr. 22/11 vom 23.03.2011

posted by Stadler at 21:47  

24.3.11

Unschlüssige Filesharing-Abmahnung

In einer aktuellen Filesharing-Abmahnung der FAREDS Rechtsanwaltsgesellschaft für den Rechteinhaber Track By Track Records UG beruft man sich auf einen Auskunftsbeschluss des Landgerichts Köln vom 30.12.2010, während gleichzeitig auf eine Auskunft des Providers 1&1 Internet AG verwiesen wird.

Nun hat aber 1&1 seinen Sitz nicht im Bezirk des Landgerichts Köln. Nachdem wegen § 101 Abs. 9 S. 2 UrhG allerdings eine ausschließliche Zuständigkeit desjenigen Landgerichts gegeben ist, in dessen Bezirk der Auskunftspflichtige sitzt, stimmt in diesem Fall augenscheinlich etwas nicht.Vielleicht ist diese Ungereimtheit ja anderen Kollegen ebenfalls aufgefallen, die auch schon etwas herausgefunden haben?

posted by Stadler at 13:05  

23.3.11

Gegendarstellung wegen Fotomontage?

Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Urteil vom 11.03.2011, Az.: 14 U 186/10) musste sich mit einer interessanten Fragestellung im Zusammenhang mit einer presserechtlichen Gegendarstellung beschäftigen.

Ein bekannter Moderator hatte von der Zeitschrift „Neue Woche“ den Abdruck folgender Gegendarstelllung verlangt:

„Auf der Titelseite von „neue woche“ Nr. 42 vom 15. Oktober 2010 ist ein Foto abgebildet, welches mich und meine Frau vor grünen Blättern zeigt.

Hierzu stelle ich fest: Das Foto ist eine ohne mein Einverständnis hergestellte Fotomontage. Ein Einzelfoto von mir und ein Einzelfoto von meiner Frau wurden auf einen Hintergrund mit grünen Blättern gesetzt.“

Das OLG Karlsruhe hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts zurückgewiesen. Allein der Umstand, dass es sich um eine Fotomontage handelt, beinhaltet nämlich nach Ansicht des OLG Karlsruhe noch keine gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung.

Das OLG geht davon aus, dass der Text der Gegendarstellung keine Entgegnung auf eine Sachaussage der Erstmitteilung enthält, die über die bloße Frage hinausgeht, ob die fotografische Abbildung als echte einheitliche Fotoaufnahme entstanden oder aus mehreren Fotos zusammengesetzt ist.

Zwar sei, so das Gericht, auch im vorliegenden Fall eine Aussage der Abbildung dahingehend denkbar, dass der Kläger sich entgegen seiner sonstigen Haltung zusammen mit seiner Ehefrau im Privatbereich habe ablichten lassen. Solche Tatsachenaussagen einer Abbildung können bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen gegendarstellungsfähig sein.

Insoweit fordert der Kläger aber keine Gegendarstellung. Auf die vom Kläger begehrte Veröffentlichung einer Gegenerklärung, es handele sich um eine zusammengesetzte Abbildung, ohne Entgegnung auf eine aus der Abbildung abzuleitende inhaltliche Tatsachenaussage, besteht aber kein Anspruch.

Das Urteil zeigt einmal mehr, dass die korrekte Formulierung einer Gegendarstellung, wegen der Notwendigkeit der Beschränkung auf die Tatsache, der entgegen getreten wird, alles andere als trivial ist.

posted by Stadler at 17:43  
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