Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

30.3.11

Filesharing: OLG Köln lässt aufhorchen

Der u.a. für das Urheberrecht zuständige 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln lässt mit einer neuen Entscheidung (Beschluss vom 24.03.2011, Az.: 6 W 42/11) aufhorchen, auch wenn es zunächst nur um die Frage der Gewährung von Prozesskostenhilfe geht.

In der Sache ist die Beklagte als Inhaberin eines Internetanschlusses wegen der öffentlichen Zugänglichmachung eines Computerspiels über ein P2P-Netzwerk auf Unterlassung, Schadensersatz und Erstattung von Anwaltskosten in Anspruch genommen worden. Die Beklagte hat sich damit verteidigt, sie selbst habe das Filesharing nicht betrieben und ihr zwischenzeitlich verstorbener Ehemann hätte den Anschluss ebenfalls genutzt. Sie gibt außerdem an, sie habe die Frage der Rechtsverletzung mit ihrem Mann vor seinem Tod nicht mehr besprechen können.

Das OLG Köln führt nunmehr – im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung des Landgerichts Köln – aus, dass die Rechtsverteidigung der Beklagten Aussicht auf Erfolg hat und Prozesskostenhilfe zu gewähren ist. Die Begründung des Oberlandesgerichts ist aus mehreren Gründen bemerkenswert.

Das Gericht nimmt zunächst an, dass die vom BGH postulierte Vermutung, wonach der Anschlussinhaber auch der Rechtsverletzer sei, bereits dann als widerlegt anzusehen ist, wenn dargelegt werden kann, dass auch der Ehemann den Internetanschluss nutzt, weil es damit ernsthaft möglich erscheint, dass der Ehemann die Rechtsverletzung begangen hat. Damit scheidet eine Haftung als Täter aus.

Außerdem führt das OLG Köln aus, dass der als Störer in Anspruch genommene erfolgreich mit Nichtwissen bestreiten kann, dass seine Ermittlung als Anschlussinhaber über die Zuordnung einer IP-Adresse korrekt war. Insoweit scheint der Senat dazu zu tendieren, dass der Rechteinhaber die Richtigkeit seiner Ermittlung grundsätzlich unter Beweis stellen muss und insoweit auch den Feststellungen im Rahmen des Auskunftsverfahrens nach § 101 UrhG keine indizielle Wirkung zukommt.

Der Senat bezeifelt schließlich, ob eine Störerhaftung überhaupt in Betracht kommt, weil bisher ungeklärt sei, ob auch Ehegatten verpflichtet werden können, ihr Internetnutzungsverhalten gegenseitig zu kontrollieren.

Schließlich weist das OLG auch darauf hin, dass nach wie vor ungeklärt sei, ob der Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten in solchen Fällen nach § 97a Abs. 2 UrhG auf EUR 100,- gedeckelt sei.

Es handelt sich, wie gesagt, nicht um eine abschließende Sachentscheidung. Das Gericht hatte zunächst nur die Frage zu klären, ob für die Gewährung von Prozesskostenhilfe hinreichende Erfolgsaussichten bestehen. Das hat das OLG bejaht.

Das eigentliche Klageverfahren wird nunmehr bei der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln fortgesetzt. Insoweit ist äußerst spannend, inwieweit das Landgericht wegen des Beschlusses des OLG seine bisherige Rechtsprechung ändern wird. Gegebenfalls wird das Oberlandesgericht im Wege der Berufung in diesem Verfahren auch noch zur Sache entscheiden müssen.

Ob sich hiermit eine Wende in der Rechtsprechung anbahnt, bleibt abzuwarten. Dass die Annahme einer Mithaftung des Anschlussinhabers für das Nutzungsverhalten von Ehegatten und Familienangehörigen bereits nach der Störerdogmatik des BGH als zweifelhaft zu betrachten ist, habe ich schon mehrfach dargelegt. Viele Gerichte haben das bislang allerdings anders gesehen.

Aber bereits die Prämisse des BGH, es würde eine Vermutung dahingehend bestehen, dass der Anschlussinhaber auch Rechtsverletzer sei, begegnet aus tatsächlichen Gründen durchgreifenden Bedenken. In einem deutschen Haushalt leben statistisch gesehen 2,04 Personen. Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit mit einer Abmahnung eines privaten Anschlussinhabers auch den tatsächlichen Rechtsverletzer in Anspruch zu nehmen, weniger als 50 % beträgt. Nimmt man die geschäftlich genutzten Internetanschlüsse hinzu, ergibt sich eine noch niedrigere Quote, da dort im Durchschnitt mehrere berechtigte Nutzer auf das Internet zugreifen.

Damit stellt sich letztlich auch die verfassungsrechtlich nicht ganz uninteressante Frage, ob es zum Schutz eines Rechteinhabers gerechtfertigt ist, Personen als Störer in Anspruch zu nehmen, von denen in statistischer Hinsicht bereits feststeht, dass sie in mindestens jedem zweiten Fall nicht Rechtsverletzer sind. Damit wird nämlich ebenfalls in erheblichem Umfang in fremde Rechtsposition eingegriffen. Der Schutz der Inhaber von urheberrechtlichen Nutzungsrechten geht letztlich so weit, dass es die Gerichte billigend in Kauf nehmen, in großem Umfang Nichtverletzer in Anspruch zu nehmen, womit wiederum in deren geschützte Rechtspositionen eingegriffen wird.  Ob dieses Endergebnis aber tatsächlich von unserer Rechtsordnung gebilligt wird, muss zur Diskussion gestellt werden. Die Gerichte werden sich stärker mit der Tragweite ihrer Entscheidungen in solchen Fällen befassen müssen.

posted by Stadler at 13:20  

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