Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

23.10.17

Mit Rechten reden. Wirklich?

Das gerade erschienene Buch „Mit Rechten reden“ von Leo/Steinbeis/Zorn versucht, das „rechte Sprachspiel“ zu dechiffrieren, um uns dann (angeblich) zu erklären, wie man mit Rechten reden sollte. Um es vorweg zu nehmen, das Buch hat bei mir einen ambivalenten Eindruck hinterlassen. Als sehr wohltuend habe ich aber beispielsweise den Ansatz empfunden, von Rechten und Nicht-Rechten zu sprechen. Das nimmt der Debatte ihre verfehlte Links-Rechts-Dynamik.

Bei der Antwort auf die Frage, ob man mit Rechten reden soll/kann/muss, erscheint es mir zunächst essentiell, zwei Ausgangsfragen zu klären. Wer sind die Rechten, also mit wem genau würde man da reden? Aber noch wichtiger erscheint mir die Klärung der damit zusammenhängenden Frage, mit welcher Zielrichtung man solche Gespräche führen sollte. Geht es darum, die Rechten zu überzeugen, sie zu demaskieren oder gar ergebnisoffen mit ihnen zu diskutieren?

Den Autoren Leo/Steinbeis/Zorn ist die Relevanz der ersten Frage bewusst, dennoch streifen sie sie nur und belassen es dabei darauf zu verweisen, dass das rechte Spektrum eine bunte Mischung darstellen würde und es falsch wäre, die Mehrheit der Rechten als gefährliche Bürger, Verfassungsfeinde, Faschisten oder Nazis zu begreifen. Mit einer solchen Zuschreibung, so die Autoren, würde man den Rechten nur gestatten, ihr Spiel mit uns zu spielen. Das mag so sein, besagt aber noch nichts darüber, ob die Qualifizierung als Faschisten und Verfassungsfeinde in sachlicher Hinsicht nicht dennoch in vielen Fällen zutreffend ist und man den Rechten nicht ebenso auf den Leim geht, wenn man das negiert. Das Völkische und Rassistische gehört zum Markenkern der AfD und ist genau das, was sehr viele ihrer Wähler anzieht und für die Wahlentscheidung von wesentlicher Bedeutung war. Zu viele dieser Menschen lehnen die moderne, liberale Gesellschaft ab, sie wünschen sich einen anderen Staat, auch wenn sie vermutlich nicht genau wissen welchen. Selbst wenn es im rechten Spektrum hierzu vermutlich keine homogene und einheitliche Meinung gibt. Aber die Tendenz ist ganz klar ersichtlich. Weg von der freiheitlichen, bunten, aufgeklärten Gesellschaft, zurück zu einer autoritären, vermeintlich homogenen, nämlich nur aus Deutschen bestehenden Gesellschaft. Die Haltung, die sich dahinter verbirgt, ist faschistoid und es hat keinen Zweck das zu verharmlosen oder zu relativieren.

Und an dieser Stelle schließt sich für mich die zweite und letztlich entscheidende Frage an, mit welcher Zielrichtung mit Rechten zu reden sein sollte. Ich habe bislang keine befriedigende Antwort auf diese Frage gehört. Soll man etwa freiheitliche und humanistische Wertvorstellungen zur Disposition stellen, weil man einen Konsens sucht? Wenn die Antwort nein lautet – und sie kann nicht anders lauten – dann kann man nur mit einer Zielrichtung mit Rechten sprechen, nämlich um sie zu überzeugen. Das mag im persönlichen Umfeld in Einzelfällen erfolgversprechend sein, kann aber keine allgemeingültige Kommunikationsstrategie in dieser Frage darstellen.

Wichtiger als das Gespräch zu suchen, erscheint es mir, jedenfalls derzeit, die Auseinandersetzung zu suchen. Den Rechten eine klare und unmissverständliche Haltung entgegenzusetzen und ihnen deutlich zu machen, dass sie nicht das Volk sind, sondern eine Minderheit mit falschen Wertvorstellungen und Zielen. Wenn man allerdings anfängt, mit dieser Marschroute in eine Diskussion mit Rechten einzutreten, wird genau das passieren, was Leo/Steinbeis/Zorn in ihrem Buch ausführlich beschreiben. Der Rechte wird sich einmal mehr als Opfer fühlen und darstellen. Die Selbst-Viktimisierung ist das mythologische Zentrum der Rechten, schreiben die Autoren selbst sehr zutreffend. Aber welche Schlüsse ziehen sie daraus? Die Autoren schwanken irgendwie zwischen einerseits, man muss die Rechten verunsichern, ihnen zu erkennen geben, dass man sie für Arschlöcher hält und andererseits dem Versuch, ihre Argumente zu widerlegen. Und ich finde, an dieser Stelle hätte man sich irgendwann entscheiden müssen. Ja, liebe Herren Leo, Steinbeis und Zorn. Mir hat „Schrei nach Liebe“ von den Ärzten damals auch gefallen, und hätten Sie Ihre Kommunikationsstrategie alleine darauf gestützt, wäre es halbwegs stimmig geblieben. Aber so? Man kann die Rechten nicht mit sachlichen Argumenten schlagen. Hierzu habe ich auf Twitter zwei sehr kluge Sätze von Hannes Voigt gelesen:

Es hat wenig Sinn, die völkische Rechte nach Maßstäben von Logik und Konsistenz zu messen. Ressentiment ist nicht logisch.

Damit ist das gesamte Dilemma einer Debatte benannt, die versucht, den Rechten argumentativ, mit Logik, mit Intellekt beizukommen. Es kann nicht funktionieren.

Und obwohl Leo/Steinbeis/Zorn das „rechte Sprachspiel“ gut analysiert haben, erliegen sie ebenfalls der Versuchung, argumentativ dagegenzuhalten und die Rechten intellektuell entlarven zu wollen. Das liest sich stellenweise schön, wird aber in keiner Face-To-Face-Situation gelingen. Es gibt daher nur zwei erfolgversprechende Strategien. Die des gezielten Ignorieren und/oder die des offensiven Dagegenhaltens.

Leo/Steinbeis/Zorn sehen den zentralen Grund für die Stärke der neuen Rechten übrigens im Desaster der Linken, ohne ein einziges valides Argument für diese These zu liefern. Mir scheinen die Autoren hier eher dem rechten Narrativ vom linken Mainstream aufgesessen zu sein, mit dem es freilich so ist wie mit dem Yeti. Es gibt ihn nicht. Leo/Steinbeis/Zorn tappen mit dieser These genau in die rechte Falle, die sie zuvor noch so ausführlich beschrieben haben. Es gibt für mich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Aufkommen der Rechten eine Folge einer linken Schwäche wäre. Zur Begründung ihres Ansatzes bedienen sich die Autoren der literarischen Figur eines fiktiven Informanten, der uns im Sinne einer allwissenden Romanfigur auf die wahren Zusammenhänge hinweist. Möglicherweise haben sich die Rechten aber nur an einer fiktiven Linken abgearbeitet, an dem links-grün-versifften Gutmenschen oder dem Bahnhofsklatscher, der Merkels Flüchtlingspolitik unterstützt. Aber sind die von Rechten so verunglimpften Menschen tatsächlich (mehrheitlich) Linke? Oder vielleicht einfach nur, um in der Diktion von Leo/Steinbeis/Zorn zu bleiben, Nicht-Rechte, mit einer vernünftigen, freiheitlichen, gemäßigten politischen Grundhaltung, die tatsächlich für die schweigende Mehrheit stehen, also vielleicht für diejenigen, die zumindest quantitativ das Volk ausmachen?

Wenn man von dem aktuellen Rechtsruck in der deutschen Gesellschaft spricht, muss einmal mehr auch darauf hingewiesen werden, dass die AfD gerade auch ein Medienphänomen ist und ihr Aufstieg zu einem nicht unerheblichen Teil das Resultat eines journalistischen, medialen Versagens ist. Und hier schließt sich der Kreis zu Leo/Steinbeis/Zorn, die (politische) Talkshows sehr treffend als Teil der Unterhaltungsindustrie qualifizieren. Es gibt medial zwei Phänomene zu beobachten. Selbst seriöse Medien springen über jedes Stöckchen, das ihnen die AfD hinhält, weil man das rechte Sprachspiel, das die Autoren gut analysiert haben, nicht erkannt hat oder nicht erkennen will. Andererseits geht es, so platt das auch klingen mag, um die Quote. AfD-Politiker immer wieder in Talkshows einzuladen und ihnen immer wieder den Gefallen zu tun, sie dramaturgisch im Stile von Gladiatoren gegen demokratische Politiker und Akteuere der Zivilgesellschaft antreten zu lassen, mit dem einzigen Ziel der Zuspitzung, die zumeist ohne jeglichen Erkenntnisgewinn bleibt, spielt der AfD in die Karten. Das hierdurch erzeugte Erregungspotential ist wunderbar geeignet, Ressentiments zu verstärken. Es geht immer irgendwie emotional zu und nicht sachlich.

Zurück zum Buch von Leo/Steinbeis/Zorn. Es liefert einen lesenswerten Debattenbeitrag, auch wenn ich den Autoren in zentralen Punkten nicht zustimmen kann.

posted by Stadler at 23:21  

9.10.17

Anmerkungen zum „Facebook-Gesetz“

Am 01.10.2017 ist das Gesetz mit dem sperrigen Titel „Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken“ (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG) in Kraft getreten, das in den Medien zuweilen nur als „Facebook-Gesetz“ bezeichnet wird. Das Gesetz verpflichtet soziale Netze wie Facebook und Twitter dazu, bestimmte rechtswidrige Inhalte kurzfristig zu löschen. Das Gesetzesvorhaben wurde im Netz und auch in der juristischen Fachwelt überwiegend kritisiert und dies häufig sogar in äußerst alarmistischer Art und Weise. Als jemand, der die Kritik jedenfalls nicht durchgehend zu teilen vermag, möchte ich eine differenzierte Betrachtung anstellen.

Gegen das Gesetz bestehen erhebliche juristische Bedenken, von denen die europarechtlichen sicherlich am stichhaltigsten sind. Die zeitlich starren Sperrvorgaben des § 3 Abs. 2 NetzDG, die die Anbieter dazu verpflichten, offensichtlich rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden zu löschen und sonstige rechtswidrige Inhalte unverzüglich, worunter der deutsche Gesetzgeber in der Regel einen Zeitraum von sieben Tagen versteht, stehen in Konflikt mit der E-Commerce-Richtlinie. Die Vorschriften dieser Richtlinie zur Haftungsprivilegierung verlangen von Anbietern, die Informationen für einen Nutzer speichern, ein unverzügliches Tätigwerden, sobald sie Kenntnis von einer rechtswidrigen Information erlangt haben. Die Richtlinie gibt also keine festen Sperrfristen vor, sondern orientiert sich an den Umständen des Einzelfalls. Das heißt, gemessen an der Richtlinie können 24 Stunden zu kurz oder sieben Tage zu lang sein. Das deutsche Gesetz entspricht also nicht den Vorgaben der Richtlinie und diese Abweichung kann durchaus als europarechtswidrig betrachtet werden. Kontrovers diskutiert wird in europarechtlicher Hinsicht auch die Frage, ob das NetzDG gegen das sog. Herkunftslandprinzip verstößt, das besagt, dass ausländische Dienstanbieter keinen strengeren Anforderungen unterworfen werden dürfen, als in ihrem Sitzmitgliedsstaat. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages betrachtet das Gesetz als mit dem Herkunftslandprinzip unvereinbar. Auch die sachlich höchst sinnvolle Verpflichtung der sozialen Medien, einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, könnte gegen das Herkunftslandprinzip der E-Commerce-Richtlinie verstoßen.

Allerdings sollte man in der europarechtlichen Diskussion auch deren Dynamik nicht verkennen. So gibt es bei der Kommission bereits aktuell Überlegungen, die nicht nur in eine ganz ähnliche Richtung weisen wie das NetzDG, sondern deutlich und in teilweise bedenklicher Form darüber hinausgehen. Es steht also nicht unbedingt zu erwarten, dass die Kommission das deutsche Gesetz beanstanden wird, nachdem man dort noch viel weiterreichende Regulierungsmaßnahmen im Auge hat. In einem aktuellen Papier „Tackling Illegal Content Online – Towards an enhanced responsibility of online platform„, denkt die Kommission darüber nach, Portalbetreibern wesentlich konkretere Handlungspflichten aufzuerlegen als bisher, einschließlich einer engeren Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen, dezidierten Berichtspflichten, proaktiven Filterpflichten, sowie kurzen und konkreten Löschfristen.

Als weit weniger griffig erachte ich die geäußerte Kritik dann allerdings, soweit von einer Gefahr für die Meinungs- und Informationsfreiheit die Rede ist.

Diese Kritik verkennt den momentanen status quo und unterstellt eine Verschlechterung im Vergleich zur aktuell bestehenden Situation, die kaum zu erwarten ist.

Dazu muss man sich allerdings vergegenwärtigen, wo wir eigentlich herkommen. Derzeit löscht Facebook nach gänzlich intransparenten Kriterien Inhalte, die teilweise erkennbar nicht rechtswidrig sind, während bei ersichtlich rechtswidrigen Inhalten häufiger die textbausteinartige Antwort erfolgt, dass ein Verstoß gegen die Community-Regeln nicht gegeben ist. Der Ausgangszustand auf den das Gesetz reagiert, ist also im Lichte der Meinung- und Informationsfreiheit alles andere als optimal. Es besteht mithin durchaus der Bedarf, Facebook & Co. rechtsstaatlicher Kuratel zu unterstellen, weil eine gesetzeskonforme und rechtsstaatlich akzeptable Löschpraxis dort schlicht nicht existiert. Vor diesem Hintergrund verwundert es auch etwas, dass das NetzDG gerade wegen seiner grundrechtlichen Auswirkungen abgelehnt wird.

Allein den Umstand, dass große Anbieter wie Facebook gezwungen werden, Geld in die Hand zu nehmen, um ein transparenteres und professionelleres System der Überprüfung und Löschung von rechtswidrigen Inhalten zu etablieren, muss man als Fortschritt gegenüber dem status quo betrachten. Auch die im Gesetz normierten Berichtspflichten sind zu begrüßen, denn sie zwingen die sozialen Netzwerke dazu, mit Blick auf ihre Löschpraxis öffentlich Farbe zu bekennen und Rechenschaft abzulegen. Es ist daher kaum naheliegend anzunehmen, dass sich die Zahl falscher Löschentscheidungen erhöhen wird. Vielmehr darf man, wenn man die Thematik primär aus dem Blickwinkel der Meinungs- und Informationsfreiheit betrachtet, berechtigterweise sogar auf eine Verbesserung im Vergleich zur aktuellen Situation hoffen. Gerade in grundrechtlicher Hinsicht teile ich die vielerorts artikulierten Bedenken deshalb nicht.

Man sollte gleichwohl nicht verschweigen, dass das Gesetz den falschen Grundansatz wählt, indem es allein auf ein öffentlich-rechtliches Ordnungswidrigkeitensystem setzt, ohne gleichzeitig die Rechtsdurchsetzung für die Betroffenen zu erleichtern.

Es ist zudem nicht von der Hand zu weisen, dass das Gesetz einseitige Löschanreize schafft. Denn das Gesetz sanktioniert nur die Nichtlöschung rechtswidriger Inhalte, während die Löschung rechtmäßiger Inhalte keinerlei Konsequenzen hat.

Das Gesetz kann insgesamt nicht als der große Wurf betrachtet werden, der es eventuell bei anderer Ausgestaltung hätte sein können. Die oft beschworene Gefahr für die Meinungs- und Informationsfreiheit besteht, jedenfalls gemessen am status quo, aber auch nicht.

posted by Stadler at 17:30