Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

26.11.18

Art. 13: The End of the Web as we know it?

Der Streit um den geplanten Art. 13 der Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt ist in aller Munde, spätestens seit YouTube Chefin Susan Wojcicki unlängst in einem offenen Brief eine Bedrohung der Kreativwirtschaft durch die sich im sog. Trilog-Verfahren befindliche Richtlinie beschwor und gar damit drohte, dass EU-Bürger künftig weitgehend von YouTube-Inhalten abgeschnitten sein könnten.

Die Richtlinie will als neue Kategorie des Diensteanbieters den „online content sharing service provider“ einführen, der in der deutschen Fassung „Online-Inhalte teilender Diensteanbieter“ (Content-Sharing-Dienst) heißt. Nach der gesetzlichen Definition sind das Diensteanbieter der Informationsgesellschaft, die hauptsächlich oder mitunter bezwecken, große Mengen von ihren Nutzern hochgeladene Inhalte in organisierter Weise und mit Gewinnerzielungsabsicht zu speichern und für die Öffentlichkeit bereitzustellen (Art. 2 Abs. 5). Ausgenommen davon werden nur nicht gewinnorientierte Online-Enzyklopädien wie Wikipedia, digitale Bildungs- und Forschungsarchive, Open-Source Entwicklungsplattformen sowie klassische Internetdiensteanbieter, Online-Marktplätze und Cloud-Anbieter. Es spricht also einiges dafür, sämtliche großen sozialen Netzwerke wie Facebook, Instagram oder Twitter unter diese Definition zu subsumieren. Die aktuelle Debatte erscheint daher zu sehr auf YouTube fokussiert zu sein.

Inahltlich spielt die Musik bei dem Vorschlag für einen Artikel 13, der die vieldiskutierten Uploadfilter etablieren soll. Wenn die Vorschrift so kommt, wie von Parlament und Rat gewünscht, sollen solche Content-Sharing-Dienste zunächst als Anbieter qualifiziert werden, die selbst Inhalte im urheberrechtlichen Sinne öffentlich wiedergeben und deshalb dazu verpflichtet werden, eine Veröffentlichung ohne Zustimmung des Rechteinhabers zu verhindern. Das bedeutet, dass im Grunde jeder Inhalt vor der Veröffentlichung auf seine Urheberrechtskonformität überprüft werden muss. Eine parallele Entwicklung zeigt sich derzeit übrigens auch schon auf Ebene der Rechtsprechung. Der BGH hat dem EuGH gerade (Beschluss vom 13.09.2018, Az.: I ZR 140/15) die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob YouTube eine Handlung der Wiedergabe im Sinne der Urheberrechtsrichtlinie vornimmt und falls der Gerichtshof diese Frage verneint, ob YouTube dann als haftungsprivilegierter Host-Provider im Sinne der eCommerce-Richtlinie anzusehen ist. Vor diesem Hintergrund besteht also die Möglichkeit, dass der EuGH schon auf Grundlage des geltenden Rechts das bejaht, was der europäische Gesetzgeber im Wege der geplanten Richtlinie erst regeln möchte.

Am Ende ist die Frage nicht (nur) die der Uploadfilter, sondern vor allem die, wie man Anbieter wie YouTube, aber auch Instagram und Facebook insgesamt betrachten und qualifizierern will. Die neue europäische Sichtweise läuft darauf hinaus, sie Content-Anbietern gleichzustellen und vor allem auch wie Anbieter eigener Inhalte haften zu lassen. Es mag zwar einiges dafür sprechen, dass Anbieter wie YouTube deutlich mehr machen und auch deutlich näher an den Inhalten sind, als ein klassischer Hoster. Das macht sie aber andererseits noch nicht zu einem Dienst, wie es beispielsweise Netflix ist. Es bleibt eine offene Plattform, die User-Generated-Content oder zumindest von Nutzern eingestellte Inhalte zum Abruf bereithält und auf der vor allem jeder Nutzer die Möglichkeit hat, selbst Inhalte einzustellen. Gerade darin besteht der wesentliche Unterschied zu Anbietern eigener Inhalte. Denn diese lassen keinen Upload durch Nutzer zu. Letztlich reden wir also über eine rechtspolitische Frage und darüber, ob wir Anbieter wie YouTube, Instagram oder Facebook genauso behandeln wollen wie die Anbieter von eigenen Inhalten oder ob man auch im Interesse der Internetnutzer, die Inhalte auf solchen Portalen einstellen, weiterhin einen signifikanten Unterschied anerkennen will, der in eine Haftungsprivilegierung münden muss.

Auch wenn die Warnungen von YouTube eigenen geschäftlichen Interessen dienen und eine Abschaltung von YouTube in Europa kaum zu erwarten ist, geht es letztlich nicht nur um ein Geschäftsmodell, sondern auch um eine Form von Nutzerpartizipation, die schützenswert erscheint. Ein Dienst wie YouTube mag nicht mit einem klassischen Hostprovider vergleichbar sein. Dennoch hält er fremde Inhalte zum Abruf bereit und keine eigenen.

posted by Stadler at 19:35  

14.11.18

Recht auf Vergessenwerden gegenüber Suchmaschinen?

Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass sich das in der Datenschutzgrund-Verordnung (DSGVO) normierte Recht auf Vergessenwerden auch gegen den Betreiber einer Suchmaschine richten kann und die Entfernung von Links aus der Trefferliste einer Suchmaschine grundsätzlich nach Art. 17 DSGVO geltend gemacht werden kann (Urteil vom 06.09.2018, Az.: 16 U 193/17).

Das Gericht hält aber im Suchmaschinenkontext dann stets eine Abwägung zwischen dem Recht auf Meinungs- und Informationsfreiheit einerseits und dem Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung andererseits für notwendig, die der Senat an Art. 17 Abs. 3 Nr. 1 DSGVO festmacht. Das OLG Frankfurt bezweifelt sodann, dass die Grundsätze des Google-Spain-Urteils des EuGH auf Presseartikel übertragbar sind. Außerdem hält es das Gericht für denkbar, dass der „Regel-Ausnahme-Mechanismus“, wie ihn der EuGH in seinem google-spain-Urteil statuiert hat, im Rahmen der Abwägung nach Art. 17 Abs. 3, Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO keine Anwendung mehr findet. Das lässt das OLG letztlich aber offen und nimmt aufgrund einer Einzelfallabwägung ein überwiegendes öffentliches Interesse an.

Die Leitsätze des OLG Frankfurt lauten:

1.  Das Begehren auf Unterlassung, beanstandete Inhalte auf bestimmte Internetseiten durch Anzeige in den Suchergebnissen einer Suchmaschine mit entsprechender Verlinkung auffindbar zu machen, wird von der Rechtsfolge des Art. 17 DS-GVO erfasst.

2. Über die Rechtmäßigkeit der Verlinkung von Inhalten mit Gesundheitsdaten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 DS-GVO ist nach Art. 17 Abs. 1 lit. d) DS-GVO in Verbindung mit Art. 17 Abs. 3 lit. a) DS-GVO im Wege einer Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden, wobei sich die Abwägung an Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DS-GVO orientieren kann.

3.  Die von dem EuGH in seinem Urteil vom 13.05.2014, C-131/12, zu einem „Recht auf Vergessen“ festgelegten Abwägungskriterien sind im Rahmen des Art. 17 Abs. 1 lit. a) lit. d) in Verbindung mit Art. 17 Abs. 3 lit. a), Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DS-GVO nicht schematisch anzuwenden, sondern es ist den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen.

posted by Stadler at 17:33  

6.11.18

Auch E-Mails mit doppeltem Zweck können Spam sein

Die erneute Bestätigung durch den BGH, dass Werbung per E-Mail ohne Einwilligung des Empfängers grundsätzlich einen Eingriff in die geschützte Privatsphäre und damit in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Empfängers darstellt, ist auf den ersten Blick wenig überraschend (BGH, Urteil vom 10.07.2018, Az.: VI ZR 225/17). Das entspricht vielmehr seit langer Zeit der ständigen Rechtsprechung des BGH.

Neu ist allerdings die Aussage, dass auch eine Feedback-Anfrage bzw. Kundenzufriedenheitsbefragung Werbung darstellt und zwar auch dann, wenn mit der E-Mail gleichzeitig eine Rechnung übersandt wird. Der BGH betont ausdrücklich, dass Werbung auch dann vorliegt, wenn die beanstandete E-Mail einem doppelten Zweck dient, nämlich der nicht zu beanstandenden Übersendung einer Rechnung und zusätzlich einem Werbezweck. Für die Annahme, die nicht zu beanstandende Rechnungsübersendung nehme der E-Mail insgesamt den Charakter der Werbung, ist laut BGH kein Raum.

Das bedeutet im Ergebnis allerdings auch, dass eine E-Mail, mit der ein legitimes vertragliches Anliegen verfolgt wird, zur Werbemail wird, sobald zusätzlich Werbebotschaften in diese E-Mail aufgenommen worden sind. Damit dürften jedwede werblichen Elemente auch in vertragsbezogenen E-Mails kritisch zu bewerten sein.

Dogmatisch interessant an der Entscheidung ist auch, dass der BGH im Rahmen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts die Wertung von § 7 Abs. 2 UWG berücksichtigt. Hierzu führt er aus:

Dabei ist auch – zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen – die Wertung des § 7 Abs. 2 UWG zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteil vom 14. März 2017 – VI ZR 721/15, GRUR 2017, 748 Rn. 28), mit der der deutsche Gesetzgeber Art. 13 der Datenschutzrichtlinie EK umgesetzt hat. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG stellt – abgesehen von dem Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 3 UWG – jede Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten stets eine unzumutbare Belästigung dar (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2009 – I ZR 218/07, GRUR 2009, 980 Rn. 14-E-Mail-Werbung II).

posted by Stadler at 19:13