Das Landgericht München I hat YouTube vor einigen Tagen (Urteil vom 25.02.2014, Az.: 1 HKO 1401/13) u.a. dazu verurteilt, es zu unterlassen, Sperrhinweise einzublenden, die besagen, ein Video sei nicht verfügbar, weil es Musik enthält, zu deren Nutzung die GEMA keine Rechte eingeräumt hat.
Das Landgericht stützt sein Urteil ausweislich der Urteilsbegründung, auf einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht.
Bereits die Annahme, zwischen der GEMA und YouTube bestünde ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, erscheint nicht zwingend. Das Gericht behilft sich insoweit mit der Annahme, sowohl die GEMA als auch YouTube würden versuchen, die Rechteinhaber an sich zu binden, wobei die Sperrhinweise von YouTube geeignet wären, Rechteinhaber von der GEMA abzuziehen. Und ein Abwerben von Rechteinhabern von der GEMA würde unmittelbar zu Werbeeinnahmen bei YouTube führen, weil die Videos solcher Rechteinhaber dann beanstandungslos bei YouTube laufen könnten. Abgesehen davon, dass damit wohl die Grenze selbst eines äußerst weitreichenden Verständnisses eines Wettbewerbsverhältnisses erreicht sein dürfte, hat das Gericht an dieser Stelle die GEMA-Vermutung unberücksichtigt gelassen. Denn die führt gerade dazu, dass die GEMA auch die Rechte an Musikwerken wahrnimmt, für die sie gar keine Rechtseinräumung besitzt. Die Annahme des Landgerichts ist also bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht wirklichkeitsnah.
Das Gericht hätte an dieser Stelle natürlich auch die naheliegendere Überlegung anstellen können, dass YouTube kein wirtschaftliches Interesse an der Einblendung solcher Sperrhinweise haben kann, weil es Werbeeinnahmen nur dann erzielt, wenn es Musikvideos zeigt und nicht dann, wenn es sie nicht zeigt. Bei dieser Auslegung wäre freilich die Begründung eines Wettbewerbsverhältnis und vor allen Dingen die Annahme einer geschäftlichen Handlung kaum mehr zu rechtfertigten gewesen.
Ich möchte das UWG zunächst für einen Moment beiseite schieben und den Sachverhalt rein äußerungsrechtlich betrachten. Die Tatsachenbehauptung, das Video könne nicht angezeigt werden, weil es Musik enthält, für das die GEMA keine Rechte eingeräumt hat, ist zumindest dann wahr, wenn das Video tatsächlich GEMA-pflichtige Musik enthält. Die Tatsachenbehauptung mag verkürzt sein, weil sie den Hintergrund der Auseinandersetzung nicht erläutert, aber sie ist nicht unwahr. Und ist es im Meinungskampf nicht geboten, nur solche Aussagen zu treffen, die gleichzeitig sämtliche Hintergründe einer Auseinandersetzung erörtern. Man würde also äußerungsrechtlich kaum zur Annahme einer unwahren Tatsachenbehauptung gelangen können.
Kann aber eine Äußerung die wegen der Wertung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit nicht als unerlaubte Handlung zu qualifizieren ist, als wettbewerbswidrig eingestuft werden? Grundsätzlich ist das denkbar, weil im Wettbewerbsrecht strengere Anforderungen gelten, wobei auch hier – wie immer – die Wertungen von Art. 5 GG berücksichtigt werden müssen.
Das Landgericht geht in seiner Entscheidung davon aus, die Sperrtafeln von YouTube hätten einen herabsetzenden Inhalt im Sinne von § 4 Nr. 7 UWG. Das Gericht nimmt insoweit an, die Aussage YouTubes sei zwar möglicherweise objektiv richtig, aber unvollständig und dadurch irreführend. Und zwar deshalb, weil YouTube nicht erwähnt, dass die Rechte nur deshalb von der GEMA nicht eingeräumt werden, weil sich YouTube weigert, das von der GEMA geforderte Entgelt zu bezahlen.
Macht dieser Umstand die Aussage von YouTube aber tatsächlich unrichtig und herabsetzend? Die GEMA muss grundsätzlich jedem der das von der GEMA festgesetzte Entgelt entrichtet, auch Rechte für die öffentliche Wiedergabe einräumen. Weil YouTube und GEMA aber seit längerem darüber streiten welche Vergütung angemessen ist, hat die GEMA YouTube bislang keine Rechte eingeräumt. Ich frage mich, ob diese etwas ausführlichere Darstellung für die Außenwirkung der GEMA nicht ebenso negativ wäre wie die verkürzte Fassung? Auch im Wettbewerbsrecht ist eine Kritik an einem Konkurrenten möglich, wenn sie sich einer angemessenen Wortwahl bedient und keine unwahren Tatsachenbehauptungen enthält. Meines Erachtens beachtet das Landgericht München I hier – selbst wenn man eine Anwendbarkeit des UWG unterstellt – die Bedeutung und Tragweite des Grundrechts aus Art. 5 GG nicht hinreichend.
Anders liegt die Sache allerdings dort, wo die Sperrtafeln den Hinweis enthalten, die GEMA hätte das Video gesperrt. Das ist in der Tat, sofern die GEMA nicht zu einer Sperrung aufgefordert hat, eine unrichtige Tatsachenbehauptung, die sowohl Wettbewerbs- als auch äußerungsrechtlich zu beanstanden ist.
Das Urteil des Landgerichts München I ist nach meiner Einschätzung somit jedenfalls teilweise unrichtig.