Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

6.10.23

Besonderheiten des Bayerischen Wahlrechts

Die anstehende Landtagswahl in Bayern bietet Anlass, die Unterschiede des Bayerischen Wahlrechts und des Bundestagswahlrechts zu beleuchten. In persönlichen Gesprächen bemerke ich immer wieder, dass die durchaus signifikanten Unterschiede vielfach gar nicht bekannt sind.

Bei der Bundestagswahl entscheidet über die Sitzverteilung, von der Sonderthematik der Überhangmandate mal abgesehen, allein die Zweitstimme, während man mit der Erststimme (nur) einen Direktkandidaten wählt. Die Zweitstimme ist damit die deutlich wichtigere Stimme.

Das ist in Bayern anders. Zunächst hat man auch bei der Wahl zum Bayerischen Landtag zwei Stimmen. Mit der Erststimme wählt man den sog. Stimmkreisabgeordneten und mit der Zweitstimme einen Wahlkreisabgeordneten. Hier zeigt sich bereits ein deutlicher Unterschied zur Bundestagswahl. Man wählt mit der Zweitstimme nämlich nicht die Liste einer Partei, sondern kann auch dort zwischen den verschiedenen auf der Liste vertretenen Wahlkreiskandidaten wählen und macht sein Kreuz bei einer bestimmten Person.

Wesentlicher relevanter ist aber, dass in Bayern, anders als bei der Bundestagswahl, die Erst- und die Zweitstimme das gleiche Gewicht haben und in gleicher Weise die Sitzverteilung bestimmen. Wenn ich also mit der Erststimme den Stimmkreiskandidaten der SPD wähle und mit der zweiten Stimme eine Wahlkreiskandidatin der Grünen, habe ich am Ende zu gleichen Teilen SPD und Grüne gewählt. Auch wenn der SPD-Kandidat den Stimmkreis nicht gewinnt, sondern wie in Bayern üblich der Kandidat der CSU, geht meine Erststimme nicht verloren, sondern wird ebenso wie meine Zweistimme für die Sitzverteilung gezählt. Dieses System, das manchmal auch als verbessertes Verhältniswahlrecht bezeichnet wird, hat den Charme, dass man im Grunde zwei Parteien gleichberechtigt wählen kann.

Vielen Menschen ist allerdings gar nicht bewusst, dass ihre Erststimme dasselbe Gewicht hat wie ihre Zweitstimme.

posted by Thomas Stadler at 17:34  

28.9.09

Der Tag danach

Wahlanalysen hat es genug gegeben, weshalb ich mir eine weitere knapp verkneifen kann.

Und um beim Thema dieses Blogs zu bleiben: Die FDP wird vom heutigen Tag an immer wieder an ihre Wahlversprechen, die Bürgerrechte (wieder) zu stärken, zu erinnern sein. Es ist ja nun durchaus nicht so, dass ich mich nicht positiv überraschen lassen möchte.

posted by Stadler at 06:42  

23.9.09

Ein lautes Yeah schallt durch einen müden Wahlkampf

Was man einst eine Spontanversammlung nannte, heißt jetzt Flashmob und das Thema hat es heute sogar auf die Titelseite der Süddeutschen (Print) geschafft.

Die Entwicklung ist erstaunlich, weil immer mehr Menschen die virtuelle Welt verlassen und sich in diesen Wahlkampf einmischen. Und wenn man sich die inhaltliche Leere des Fernsehwahlkampfs so anschaut, dann ist es höchste Zeit mit ein paar lauten Yeahs der Leblosigkeit einer Angela Merkel etwas Dynamik entgegenzusetzen. Besonders eindrucksvoll wurde das letzte Woche in Hamburg umgesetzt.

Dass das politische Establisment diesen demokratischen Akt der Meinungskundgabe als Störung von Wahlkampfveranstaltungen betrachtet, ist so naheliegend, wie es falsch ist. Es muss manche beunruhigen, dass sich Menschen bewegen, die man bislang für unpolitisch gehalten hat und die mit einem einzigen „Yeah“ mehr transportieren als eine ganze Wahlkampfrede von Merkel und Steinmeier zusammen.

posted by Stadler at 07:00  

18.9.09

Welche Parteien wollen das Internet stärker regulieren?

„Wen wählen?“, eine neue Plattform zur Bundestagswahl geht u.a. der Frage nach, welche Parteien das Internet stärker regulieren wollen. Sehr interessant sind auch die z.T. veröffentlichten Begründungen der Bundestagskandidaten.

Ich frage mich gelegentlich, ob manche wirklich glauben, dass das bereits jetzt stärker als die reale Welt regulierte Internet einen rechtsfreien Raum darstellt. Da klafft – Unwissenheit hin oder her – eine erhebliche Lücke zwischen Vorstellung und Realität. Und derartige Fehlvorstellungen fördern eine vernünftige Gesetzgebung sicherlich nicht.

posted by Stadler at 14:00  

17.9.09

Das Bürgerrechtsvakuum

Für immer mehr Menschen rücken die Freiheitsrechte wieder stärker in den Vordergrund, weil nicht länger zu übersehen ist, dass der Staat die Grundrechte Stück für Stück beschneidet und abbaut. Hiergegen entwickelt sich aus dem Netz heraus eine neue digitale Bürgerrechtsbewegung, die sich unter anderem gegen Netzsperren, Vorratsdatenspeicherung und Onlineüberwachung richtet. Gleichzeitig hat die Piratenpartei einen atemberaubenden Mitgliederzuwachs zu verzeichnen. Der Grund für diese Entwicklung ist sehr einfach. Keine, aber wirklich gar keine der etablierten Parteien setzt sich konsequent für den Schutz und den Erhalt der Freiheitsrechte ein. Immer mehr Bürger erkennen deshalb die Notwendigkeit, selbst für den Erhalt ihrer Rechte kämpfen zu müssen, sich zu engagieren, zu vernetzen und zu organisieren.

Wer bei der Verteidigung seiner Bürgerrechte vielleicht noch auf FDP oder Grüne hofft, muss sich mit den Fakten der Vergangenheit vertraut machen und erkennen, dass auch diese Parteien Bürgerrechtspolitik immer nur in der Opposition betreiben. Die FDP hat den sog. Großen Lauschangriff – der später vom Bundesverfassungsgericht weitgehend wieder kassiert wurde – in der Regierung Kohl aktiv mitgetragen. Der Große Lauschangriff stellte in den 90´er Jahren einen Dammbruch dar und markierte den Auftakt zu einer ganzen Reihe freiheitsfeindlicher Gesetzesvorhaben (Online-Durchsuchung, Vorratsdatenspeicherung, ePass, Ausweitung der Rasterfahndung, KFZ-Kennzeichen-Erfassung) der darauffolgenden Jahre. Viele dieser Gesetzesvorhaben wurden schließlich von den Grünen in der Regierung Schröder mitbeschlossen und mitgetragen. Die Grünen hatten als Koalitionspartner dem Hardliner auf dem Posten des Innenministers, Otto Schily, praktisch nichts entgegenzusetzen. Von Widerstand war nichts zu spüren. Es gibt deshalb keinen vernünftigen Grund anzunehmen, dass es bei einer Regierungsbeteiligung von FDP und/oder Grünen nach diesen Wahlen anders laufen wird.

Beim Thema des Schutzes der Bürgerrechte muss man vielmehr von einem Totalversagen aller im Bundestag vertretenen Parteien sprechen. Wir beobachten eine tiefgreifende Krise der parlamentarischen Demokratie weshalb es wenig erstaunlich ist, wenn manche im Zusammenhang mit der Netzbewegung sogar schon vom Aufkommen einer neuen APO sprechen.

Die etablierten Parteien haben in den letzten Jahren allesamt gegen die Bürgerrechte agiert und dadurch ein Vakuum erzeugt, in das neue Parteien und Bewegungen stoßen werden. Eine wachsende Zahl von Bürgern fühlt sich von den etablierten Parteien gar nicht mehr vertreten, was auch mit einer tiefgreifenden Kluft im Denken zu tun hat. Und diese Bürger artikulieren sich mehr und mehr und ihr Medium ist das Netz.

Für diejenigen, denen ihre Freiheitsrechte so wichtig sind, dass sie ihre Wahlentscheidung daran ausrichten, gibt es, zumindest im etablierten Spektrum, keinerlei wählbare Parteien. Es ist deshalb als zwangsläufig zu betrachten, dass eine Partei wie die Piraten so starken Zulauf erhält.

Aber gegen die Piraten sind (noch) erhebliche Vorbehalte angebracht. Bei keiner der maßgeblichen Netzinitiativen der letzten zehn Jahre – von Freedom For Links bis hin zum AK Zensur – sind die Piraten irgendwie aufgefallen. Sie haben bislang in der dgitalen Bürgerrechtsbewegung keine nennenswerten Akzente gesetzt. Vieles ist bei ihnen derzeit noch holprig, schlecht durchdacht und wirkt reichlich naiv. Die Spötter sagen sogar, die Trolls aus dem Heise-Forum hätten jetzt eine eigene Partei gegründet. Aber der immer wieder gegen sie erhobene Vorwurf, sie hätten nur ein Thema, zieht meines Erachtens nicht. Denn Freiheit mag nicht alles sein, aber ohne Freiheit ist alles nichts.

posted by Stadler at 13:00  

17.9.09

FDP will Zugangserschwerungsgesetz stoppen

Die FDP kündigt für den Fall einer Regierungsbeteiligung an, zügig das Zugangserschwerungsgesetz zu stoppen. Das sagte die FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der RP.

Da ich Frau Leutheusser-Schnarrenberger für eine der letzten wirklichen Liberalen in der FDP halte, möchte ich ihr keine Lüge unterstellen. Man darf aber daran erinnern, dass es auch ihr seinerzeit nicht gelungen ist, das Gesetz über den großen Lauschangriff – das später vom Verfassungsgericht weitgehend wieder kassiert wurde – zu verhindern und sie deshalb aus Protest vom Amt der Justizministerin zurückgetreten ist. Vielleicht sollte sich Sabine Leutheusser-Schnarrenberger deshalb schon mal mental auf den nächsten Rücktritt vorbereiten.

posted by Stadler at 09:25  

15.9.09

LG Köln untersagt den Republikanern Bezugnahme auf Horst Schlämmer in Wahlspot

Das Landgericht Köln hat – was ich für durchaus fragwürdig halte – nach einer Meldung von heute den Republikanern nun tatsächlich untersagt, in einem Wahlwerbespot auf Hape Kerkelings Figur „Horst Schlämmer“ Bezug zu nehmen.

Letztlich werden sich die rechten Republikaner über die kostenlose Medienberichterstattung freuen und gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch und ggf. anschließend auch Berufung einlegen.

Das Landgericht Köln fällt neben dem Landgericht Hamburg leider öfter durch eine presse- und meinungsfeindliche Rechtsprechung auf.

Und bevor jetzt irgendwelche Kommentare zum Thema rechte Parteien kommen: Die Republikaner sind mir zutiefst zuwider, aber die Meinungsfreiheit und das Parteienprivileg gelten uneingeschränkt auch für diese Partei.

posted by Stadler at 10:15  

14.9.09

Hape Kerkeling will gegen Wahlspot der Republikaner vorgehen

Hape Kerkeling will die Republikaner angeblich gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch nehmen, weil die Rechtspartei in einem Wahlwerbespot auf die Figur Horst Schlämmer Bezug genommen hat. Das meldet die Bild Zeitung.

In dem Spot heißt es u.a.: „Nein, mein Name ist nicht Schlämmer. Und ich kandidiere auch nicht für eine Spaßpartei. Politik ist nicht lustig. Aber seine 18 % würden auch uns gut stehen“

Vermutlich wird das den Republikanern nur etwas mehr Aufmerksamkeit verschaffen, während die prozessualen Aussichten auf eine Unterlassung eher gering sein dürften. Deshalb: Lass es Hape.

posted by Stadler at 07:25  

10.9.09

Zypries erklärt der Piratenpartei das Internet

Wenn Sommerloch, Wahlkampf und eine Portion Borniertheit zusammenkommen, dann kann das in solche Interviews münden, wie Justizministerin Zypries der taz gerade eines gegeben hat.

Die Ministerin läuft zu ungeahnter Form auf und erklärt der Piratenpartei sogar die Zukunft des Internets:

„Die technische Entwicklung geht mit Rasanz voran, wer weiß, ob wir nicht in fünf Jahren eine neue Generation des Internets haben. Vielleicht hat dann jeder Mensch eine individuelle IP-Adresse, die so unverwechselbar ist wie seine Telefonnummer? Was hieße das denn für die Anonymität des Netzes? Aber von solchen Entwicklungen wissen viele Piraten offenbar gar nichts – jedenfalls diskutieren sie nicht darüber.
(…)
Nun, wenn sich das Internet so entwickelte, hätten wir zum Beispiel viele Probleme bei der Verfolgung von Straftaten im Internet nicht mehr, weil die IP-Adresse wie ein Fingerabdruck zum Aufspüren von Kriminellen genutzt werden könnte. Wahrscheinlich gefällt das den Piraten nicht.“

In Bed With Schäuble? Zu solchen Überwachungsfantasien fällt mir nur ihr Parteifreund Helmut Schmidt ein. „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“

Ach ja Frau Zypries, was sind denn jetzt nochmal Browser?

posted by Stadler at 14:50  

8.9.09

Sind die Wahlumfragen der Meinungsforschungsinstitute falsch?

Der CCC hält die Wahlprognosen der Meinungsforschungsinstitute in der Gruppe der bis 40-Jährigen für falsch. CCC-Sprecherin Constanze Kurz sagte dem Hamburger Abendblatt, dass die Institute ihre Prognosen auf telefonische Umfragen über das Festnetz stützen, viele jüngere Menschen aber gar keinen keinen Festnetzanschluss mehr besitzen, sondern nur noch per Handy erreichbar sind. Dadurch würden die Umfragen immer weniger repräsentativ.

Das klingt für mich plausibel und erklärt möglicherweise auch, warum die Umfragen gerade in den letzten Jahren sehr häufig deutlich daneben lagen. Nachdem die Demoskopen mit ihren unzutreffenden Prognosen bereits die letzte Bundestagswahl entschieden haben, wäre es wohl längst an der Zeit gewesen, nicht nur auf Festnetztelefonate zu setzen.

posted by Stadler at 17:34  
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