Der Streit um die 3. Startbahn am Münchener Flughafen
Die Regierung von Oberbayern hat vor wenigen Tagen die Genehmigung zum Bau einer 3. Startbahn am Flughafen München erteilt.
Die Diskussion hierüber ist bislang eher lokal geblieben, nur in der Flughafenregion – in der wir wohnen – kommt es zu heftigen Protesten.
Der für die Genehmigung relevante (wirtschaftliche) Bedarf für eine solche 3. Startbahn hängt maßgeblich von der zu erwartenden Entwicklung des Flugverkehrs ab. Die Betreibergesellschaft FMG, die von der ehrgeizigen Ambition getrieben ist, zum größten deutschen Flughafen zu avancieren, begründet den Bedarf mit der von ihr erhofften deutlichen Zunahme der Fluggastzahlen.
Nun sind, um es mit Karl Valentin zu sagen, Prognosen immer schwierig, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Dennoch sollten sie auf seriösen und realistischen Grundlagen basieren. Dass die FMG im konkreten Fall allerdings von gänzlich fernliegenden Annahmen ausgeht – an denen sich die Genehmigungsbehörde allerdings nicht stört – belegt ein lesenswerter Beitrag von Patrick Illinger aus der Süddeutschen Zeitung.
Der Genehmigungsbescheid geht – wie die FMG – von einem Rohölpreis im Jahre 2020 von 50 Dollar pro Barrel aus, während der Preis aktuell bei 117 Dollar liegt und alle Experten, einschließlich der Internationalen Energieagentur IEA mit einem weiteren Anstieg in den nächsten 10 bis 15 Jahren rechnen. Der Ölpreis bzw. der Preis für Flugbenzin ist allerdings ein zentraler Aspekt der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung und der insoweit anzustellenden Prognose. Denn ein um ein vielfaches höherer Spritpreis als angenommen, muss sich in entsprechend höheren Ticketpreisen niederschlagen. Das Fliegen ist auch deshalb so populär, weil es z.T. billiger ist als mit der Bahn zu fahren oder mit dem Auto. Sollte sich dies wieder ändern, würden auch die Fluggastzahlen zurückgehen.
Allein die unkritische Übernahme der unrealistischen Prognose durch die Regierung von Oberbayern belegt, dass die Genehmigung primär politisch motiviert ist und sachlich fundierte Gegenargumente keine Rolle gespielt haben können.
Was mich an der Diskussion um die 3. Startbahn zudem stets irritiert hat, ist der Umstand, dass der ökologische Aspekt – der früher oder später auch auf die wirtschaftliche Betrachtung durchschlagen wird – wenig bis keine Beachtung findet. Das Flugzeug ist das umweltfeindlichste Verkehrsmittel überhaupt, der CO2-Ausstoß ist enorm. Allein der Flughafen München war bereits 2008 für ein Zehntel des gesamten CO2-Austoßes im Freistaat Bayern verantwortlich. Die Annahme einer deutlichen Zunahme des Flugverkehrs – auf der die erteilte Genehmigung basiert – ist mit der politischen und ökologischen Notwendigkeit einer deutlichen Reduzierung des CO2-Ausstoßes unvereinbar.
Wenn Deutschland und Europa die selbstgesteckten Klimaziele umsetzen und den CO2-Ausstoß deutlich senken wollen, dann wird ein wesentlicher Baustein die Reduzierung des Flugverkehrs sein müssen.
Um dies zu erreichen wäre es schon ausreichend, wenn der Staat die im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln künstliche Verbilligung des Fliegens beenden würde. Der erste Schritt ist eine europaweite Besteuerung von Flugbenzin entsprechend der Steuern, die auf Fahrzeugsprit erhoben wird. Das verhindern die Lobbyisten bislang allerdings erfolgreich.
Auch die enormen Aufwendungen, die der Staat und damit die Allgemeinheit für die Luftsicherheit erbringt, müssten konsequenterweise stärker auf die Airlines und die Flughafenbetreiber umgelegt werden. Damit würde man auch die Auswüchse der Billigfliegerei beenden.
Nicht nur ökologisch sondern auch ökonomisch betrachtet, ist das Fliegen die teuerste und sozial schädlichste Form der Fortbewegung, weshalb es eine Notwendigkeit darstellt, dass sich dies auch in den Ticketpreisen niederschlägt. Sobald das geschieht – und es wird früher oder später passieren müssen – wird von einem Wachstum im Flugverkehr nicht mehr die Rede sein. Es ist vor diesem Hintergrund politisch und rechtlich verfehlt, ein derartiges Großprojekt – das wiederum mehrheitlich der Steuerzahler finanziert – zu genehmigen.
Wir sollten uns von den immergleichen Argumenten der Befürworter, die in solchen Fällen stets vom Wirtschaftsstandort und der Schaffung von Arbeitsplätzen schwadronieren, nicht täuschen lassen. In diesem Fall geht es um die wirtschaftlichen Singularinteressen einer überambitionierten Flughafengesellschaft und einiger großer Fluggesellschaften. Der Politik sollte es stattdessen aber um die Interessen der Menschen und um den Erhalt unserer Lebensgrundlagen gehen. Im Bereich der Atomwirtschaft haben die politisch Verantwortlichen dies mittlerweile einsehen müssen, eine Einsicht, die in anderen Bereichen noch aussteht.
Update vom 01.08.2011:
Die Süddeutsche hat ihren Artikel vom Wochenende nunmehr korrigiert und berichtet ergänzend, dass die Regierung von Oberbayern als Genehmigungsbehörde die FMG aufgefordert hat, zu den Ölpreisprognosen Stellung zu nehmen, woraufhin die FMG ein neues Gutachten vorgelegt hat, das den Olpreis im Jahre 2020 plötztlich nicht mehr auf 50 Dollar je Barrel schätzt, sondern auf 103 Dollar.
Abgesehen davon, dass diese Annahme nach heutigem Kenntnisstand ebenfalls als unrealistisch betrachtet werden muss und eher von einem mindestens doppelt so hohen Rohölpreis im Jahre 2020 auszugehen ist, stellt sich die Frage, wie sich diese Korrektur auf die erteilte Genehmigung ausgewirkt hat. Offenbar nämlich überhaupt nicht. Die FMG hat aufgrund ihrer neuen Ölpreisschätzung ihre Fluggastprognose dahingehend korrigiert, dass die von ihr erhofften 58 Millionen Passagieren pro Jahr nun eben nicht mehr für das Jahr 2020 zu erwarten seien, sondern erst für 2025. Diese Korrektur hat die Regierung von Oberbayern aber offenbar nicht veranlasst, weitere Fragen zu stellen oder gar Auswirkungen auf die zu erteilende Genehmigung zu erwägen.
Was würde allerdings passieren, wenn der Rohölpreis 2020 beispielsweise 200 Dollar oder mehr betragen würde? Wie würde sich das auf die Fluggastprognose der FMG auswirken? Die 58 Millionen Passagiere die sich der Flughafen erhofft wären dann vermutlich erst 2040 realistisch oder überhaupt nicht? Wenn die FMG ihre eigene Prognose zeitlich um fünf Jahre nach hinten korrigiert, müsste sich doch auch der Bedarf um 5 Jahre verzögern, weshalb es zumindest aktuell keinen Grund für eine Genehmigung des Vorhabens gibt.
Es ist erstaunlich, dass in diesem Land bei Großprojekten zwar hochkomplexe Planfeststellungsverfahren durchzuführen sind, dass man als Antragsteller bzgl. der Tatsachengrundlagen aber fast nach Belieben und eigenem Gutdünken mit Zahlen und Daten jonglieren kann, ohne, dass dies die Einschätzung der zuständigen Behörde zur Genehmigungsfähigkeit ändert. Und an dieser Stelle treten dann doch deutliche Parallelen zu Stuttgart21 zu Tage.