Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

25.7.11

Die Logik der Terrordiskussion

Die schrecklichen Terroranschläge in Norwegen haben zunächst reflexartig zu den üblichen medialen Spekulationen über einen islamistischen Hintergrund geführt. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit wollte man zunächst unbedingt an eine Tat von Islamisten glauben, weil dies ins Schema gepasst hätte. Von den üblichen Terrorexperten wird nun wortreich begründet, warum sie mit ihrer Einschätzung falsch lagen.

Noch stärker irritiert dürften die innenpolitischen Hardliner sein, die einen Moment lang inne halten mussten, weil es ihnen vor dem Hintergrund dieser Anschläge schwer fällt, ihr übliches, faktenarmes Repertoire abzuspulen. Lange hat es allerdings nicht gedauert, denn schon fordert die Gewerkschaft der Polizei eine Datei mit auffälligen Personen zu schaffen, während Hans-Peter Uhl in seiner üblichen Einfallslosigkeit erneut die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung propagiert.

Aber die Vorzeichen sind diesmal entgegengesetzt. Rechtspopulisten wie Henryk M. Broder – der in Deutschland auch für linksliberale Blätter wie Spiegel oder SZ schreiben darf und regelmäßiger Gast in öffentlich-rechtlichen Talkshows ist – werden im „Manifest“ des Täters als Belegquelle zitiert. Damit ist Broder noch nicht mitverantwortlich für die Tat, aber er ist ein Wegbereiter desjenigen Gedankenguts auf das sich der anti-islamistische Terrorist Breivik beruft. Der Ansicht, dass es unfair sei, das Schaffen von Leuten wie Broder in diesen Zusammenhang zu stellen, kann ich deshalb nur bedingt etwas abgewinnen. Denn es war der Täter von Oslo selbst, der das Schaffen einiger dieser Leute in diesen Kontext gerückt hat.

Man sollte nun damit beginnen, logische und naheliegende Konsequenzen aus den Terroranschlägen von Oslo zu ziehen. Nichts von alledem was uns als Terrorbekämpfung verkauft wurde, bietet den Menschen Schutz vor solchen Anschlägen, weil sich die Taten Einzelner nicht mit Mitteln der Überwachung verhindern lassen. Es ist deshalb auch nicht besonders klug, nach neuen Maßnahmen wie einer Datei mit auffälligen Personen zu rufen. Zumal es auf der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen schlicht nicht zielführend ist – ganz unabhängig von den rechtsstaatlichen Bedenken – immer noch mehr Heu auf den Haufen zu werfen.

Schutz bietet allenfalls ein Haltung die auf mehr Freiheit und Offenheit ausgelegt ist, denn sie zeigt all den Hetzern, dass ihre Thesen nicht ankommen. Der norwegische Ministerpräsident hat dies in beeindruckender Weise formuliert und damit eine Klarheit und Größe bewiesen, die allen wichtigen Staatslenkern dieser Welt fehlt.

Leider müssen wir speziell in unserer deutschen Angstgesellschaft immer wieder zur Kenntnis nehmen, dass den innenpolitischen Hardlinern und Rechtspopulisten weiterhin jede Menge Aufmerksamkeit geschenkt wird. Denn die Uhls und Broders betreiben ein Geschäft mit der Angst und das floriert nach wie vor prächtig.

posted by Stadler at 11:49  

26 Comments

  1. Da haben Sie und ich aber Glück gehabt dass der Täter mit seiner kranken Logik sich auf Broder und nicht auf uns beruft, sonst hätten wir uns jetzt als „Wegbereiter desjenigen Gedankenguts auf das sich der anti-islamistische Terrorist Breivik beruft“ fühlen müssen.

    Argumentationen von Verbrechern als Beleg für eigene Argumentationen zu nehmen ist m.E. immer falsch.

    Comment by Jörg Friedrich — 25.07, 2011 @ 13:03

  2. @J.Friedrich:
    Es geht nicht darum, einem Herrn Broder eine auch nur irgendwie geartete „Mitschuld“ zu geben, sondern darum, dass es eben nicht unbedingt die klassischen „Hetzer“ sein müssen, die kranke Menschen motivieren, sondern dass sich jemand der solch einen Anschlag vorhat immer eine Rechtfertigung finden wird.
    Und somit die in den letzten Jahren aufgestellten Thesen mit denen eine zunehmende Überwachung sowie präventive Maßnahmen gefordert und z.T. auch umgesetzt wurden, im Grunde haltlos sind, bzw. nicht dem angegebenen Zweck dienlich sind.

    Comment by Luke — 25.07, 2011 @ 13:25

  3. Hat die Nachdenkseite diesen Text inspiriert oder inspirierte dieser Text die Nachdenkseite?

    http://www.nachdenkseiten.de/?p=10216

    Comment by Stefan — 25.07, 2011 @ 13:25

  4. Komisch – viele tun so, als ob Islamisten verfolgte, tief gläubige und friedliche Muslime sind. Sind sie aber nicht. Womit sich Islamisten von Muslimen unterscheiden. Anschläge von Islamisten sind eben keine Fiktion, sondern waren schon vor 2001 Realität. Die Tatsache, hier Broder jetzt als „Rechtspopulisten“ zu bezeichnen, zeigt eigentlich schon sehr deutlich, wohin die Reise gehen soll.

    Comment by Jean Pierre Hintze — 25.07, 2011 @ 13:34

  5. Klar: Auf wen sich ein solcher Attentäter beruft und von wem sein Denken beeinflusst wurde ist eine reine Frage von „Glück“ und Unglück. Zusammenhänge und Kausalitäten gibt es nicht; alles reiner Zufall. Der Mann hätte durch das Lesen von Kochbüchern zum fremdenfeindlichen Irren werden können. /Sarkasmus off/

    Comment by Arne Hoffmann — 25.07, 2011 @ 13:36

  6. @Stefan:
    Vermutlich weder noch. Ich habe diesen Beitrag gerade eben zum ersten Mal gelesen

    Comment by Stadler — 25.07, 2011 @ 13:36

  7. Beim ehemalige Nachrichtenmagazin gibt man sich dennoch Mühe, die Schuld auf „fehlende“ „Sicherheitsgesetze“ zu schieben:

    http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,776423,00.html

    Comment by Stefan — 25.07, 2011 @ 13:41

  8. @J.P. Hintze: Was heisst denn Broder „jetzt“ als Rechtspopulisten zu bezeichnen. Der Mann ist einer und nicht erst seit „jetzt“. Abgesehen davon ist er ein Zyniker der sich in der Rolle des Provokateurs gefällt. Schlimm genug, dass er so oft seine Gesülz in Spiegel&Co verbreiten kann.

    Comment by Turtle — 25.07, 2011 @ 13:43

  9. Spiegel und SZ „linksliberal?“ Wie bitte?!?

    Comment by Emer Genz — 25.07, 2011 @ 16:59

  10. Da sich Breivik auch als (konservativen) Christen bezeichnet und somit wohl die Bibel gelesen hat, könnte man nun auch folgern, daß diese Schrift ebenfalls „Wegbereiter“ seines Denkens sei, oder?
    Und ein „Geschäft mit der Angst“ betreiben wohl vor allem Terroristen (lat. terror = Schrecken, Angst)! (womit ich z.B. Herrn Uhl ausdrücklich NICHT ausschließe!)

    Comment by dentix07 — 25.07, 2011 @ 17:00

  11. MMh, das „Nichts von alledem was uns als Terrorbekämpfung verkauft wurde, bietet den Menschen Schutz“ stimmt mE so nicht, zumindest nach meinem ersten Eindruck aufgrund der bisherigen Presseveröffentlichungen.

    Z.B. kann man beispielsweise im Rahmen eines Systems der Grund/Gefahrstoffüberwachung auffällige Bestellungen (z.B. Prüfung, ob Menge in keinem Verhältnis zur Betriebsgröße steht, Vergleich mit bisherigem Bestellverhalten) von Kunstdünger, wie sie offenbar der Attentäter vorgenommen hat, durchaus präventiv aufspüren.

    Wie er an die Waffen gekommen ist (legal besessen?) ist wohl unklar. Auch das wäre jedenfalls ein Ansatzpunkt für präventive Arbeit, auch wenn die Waffenlobby wieder mit Sprüchen wie „people kill, not guns“ kommen wird. Mit einem Küchenmesser wäre es vermutlich nicht ganz so leicht gewesen, rund 90 Leute zu massakrieren.

    Garantien für absolute Sicherheit gibt es nicht. Aber man muss sich überlegen, was eine offene Gesellschaft in Kauf nehmen will.

    Comment by meinemeinung — 25.07, 2011 @ 17:08

  12. Zwei Dinge sind noch überhaupt nicht beachtet worden: Es geht nichts über eine gute Dokumentation und sogar Terroristen können richtig zitieren.

    Comment by Herbert Klein — 25.07, 2011 @ 18:21

  13. Herr Stadler,

    meinen tiefen Respekt für diese weise formulierten Zeilen.
    Wir sind eine Angstgesellschaft und vernichten unsere Werte (Demokratie, Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit) somit selbst.

    Comment by Theoretiker — 25.07, 2011 @ 19:17

  14. Kleiner Nachtrag:

    Die Zeit sieht es ähnlich:

    http://www.zeit.de/politik/deutschland/2011-07/norwegen-attentat-politik-deutschland

    Comment by Theoretiker — 25.07, 2011 @ 19:36

  15. Beinahe Alles richtig. Nur das politische Radar gilt es deutlich feiner zu justieren. Denn was ist an einem Blatt linksliberal, das populistischen Scharfmachern wie Broder eine Plattform für seine Hetze bietet oder die Thesen von Sarrazin verbreitet? M. E. nichts, weshalb sich die Einstufung des Spiegel als liberal oder gar linksliberal seit langem verbietet. Für andere Blätter, für die Broder & Co. schreiben (dürfen) gilt Entsprechendes.

    Comment by M. Boettcher — 25.07, 2011 @ 19:49

  16. Also ich finde die Idee mit der Datei auffälliger Personen super! :-)

    Ich hätte auch gleich ein paar Vorschläge:
    Witthaut, Uhl, Broder, Sarrazin, Ulfkotte…

    Comment by Spinnzessin — 25.07, 2011 @ 20:27

  17. Man sollte Rechtspopulisten nicht den Mund verbieten, ihnen aber möglichst kein Forum geben, so wie es aspekte neulich leider Sarrazin gegeben hat.

    Aber wen Breivik alles in seine wirre Ideologie eingebaut hat, halte ich nicht für besonders relevant.

    Comment by heller — 25.07, 2011 @ 23:04

  18. Auch ein intelligenter Psychopath bleibt ein Psychopath.

    Comment by fernetpunker — 26.07, 2011 @ 00:05

  19. Die Zahl von 90 Toten ist auch für Mordserien mit Schusswaffen eher untypisch. Massentötungen sind aber auch mit Messern durchaus machbar.

    http://www.sueddeutsche.de/panorama/china-amoklaeufer-sticht-kinder-nieder-1.934089

    http://www.badische-zeitung.de/unterhaltung/amoklauf-mit-dem-messer–2175296.html

    Comment by Ein Mensch — 26.07, 2011 @ 00:31

  20. @dentix07

    Ja, das kann man und es wird immer wieder gemacht – allerdings nicht, wenn es um die Bibel geht, sondern den Koran. Die Broders und Ulfkottes und Sarrazins und PI’ler dieser Welt erklären uns seit 10 Jahren, dass „der Moslem an sich“ gar nicht anders kann als dumpf, gewalttätig und untermenschig zu sein, weil der Koran das ja so will.*

    *Beachten Sie bitte die diversen Fehlschlüsse, die deren Argumentation beinhalten, u.a. einen Zirkelschluss.

    Comment by Dierk — 26.07, 2011 @ 08:02

  21. Was zählt ist nur das, was Tante Frida von der Sache mitbekommt. Tante Frida sieht Abends die Nachrichten von dem Anschlag. Dort wird auf sehr emotionale Weise immer wieder darauf hingewiesen, dass das ganze doch total schrecklich sei und das wenn man kein Mitgefühl heuchelt man ein Monster ist. So ängstlich und betroffen wie sich Tante Frida dann fühlt, kommt dann direkt der nette alte Mann im Anzug im TV der den Zuschauern dann erklärt, wie betroffen er ebenfalls ist und wie man solche schrecklichen Sachen in Zukunft verhindern kann. Dann macht Tante Frida erstens das Wahlkreuz an der richtigen Stelle und muckt zweitens nicht auf wenn ihr mal etwas nicht gefällt, da ja sooo viele soooo schreckliche Sachen in der Welt passieren und sie gar kein Recht hätte sich zu beschweren.

    Comment by Tante Frida — 26.07, 2011 @ 10:48

  22. @Luke
    Und was genau unterscheidet Broder jetzt von einem klassischen Hetzer?
    (Jugend soll Europa verlassen, da Islamisierung nicht mehr aufhaltbar, Gazastreifen im Vergleich zum Warschauer Ghetto ein Club Med, Toleranz helfe nur den Rücksichtslosen,…)

    Comment by VonFernSeher — 26.07, 2011 @ 11:30

  23. Der Spiegel war mal ein linksliberales Magazin.

    Das ist aber 20 Jahre her.

    Comment by Stevie — 26.07, 2011 @ 21:22

  24. anti-islamistischer Terrorist?
    Islam != Islamismus

    Comment by Tharben — 26.07, 2011 @ 21:45

  25. Habe es nie verstanden,warum ein Kleingeist wie
    Broder derartige Beachtung findet.
    Seine rassistischen Hetzkampagnen,seine Angst vor
    einer Islamisierung Europas sind derartig primitiv
    und von unterstem Niveau.
    Mein Vorschlag: Broder kotzt sich aus und keiner beachtet ihn…….

    Comment by Jürgen Tschirschwitz — 27.07, 2011 @ 14:26

  26. „Damit ist Broder noch nicht mitverantwortlich für die Tat, aber er ist ein Wegbereiter desjenigen Gedankenguts auf das sich der anti-islamistische Terrorist Breivik beruft.“

    Und welchen Weg bereiten Sie?

    http://henryk-broder.com/

    Comment by ICE — 29.07, 2011 @ 07:48

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