Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

27.7.11

Experimentelle Gesetzgebung

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) fordert die Schaffung eines institutionalisierten Expertengremiums zur Evaluierung von Polizei- und Sicherheitsgesetzen unter Federführung des Bundestages.

Eingriffsbefugnisse, die sich in der täglichen Praxis als nicht erforderlich, ungeeignet, ineffizient oder unverhältnismäßig erweisen, müssen wieder zurückgenommen werden heißt es in einer Pressemitteilung des DAV. Besonders die Instrumente, deren Tauglichkeit zur Verbrechensbekämpfung noch völlig offen sind, wie die Online-Durchsuchung oder die Vorratsdatenspeicherung müssten nach Ansicht des DAV kritisch begutachtet werden.

In dem dazugehörigen Eckpunktepapier des DAV findet sich folgender beachtenswerter Hinweis:

Wenn aber der Gesetzgeber solche noch unerprobte Instrumente legalisiert, muss er die Wirksamkeit der entsprechenden Regelung nach ihrem Inkrafttreten laufend beobachten. Dies ist ein zwingendes Gebot der Verfassung. Eine „experimentelle“ Gesetzgebung gebietet eine Evaluationspflicht, die eine Nachbesserung oder Rücknahme von gesetzlichen Ermächtigungen zu Grundrechtseingriffen ermöglicht.

Der Appell des DAV ist vor dem Hintergrund der unlängst beschlossenen weiteren Verlängerung der sog. Anti-Terror-Gesetze von besonderer Bedeutung. Obwohl in der dortigen gesetzlichen Regelung eine Evaluierung ausdrücklich vorgesehen und vorgeschrieben war, wurde die Verlängerung ohne fundierte Überprüfung der Praxistauglichkeit der Regelungen beschlossen.

Wer die Diskussion um die innere Sicherheit verfolgt, kann ständig beobachten, dass es sich hierbei um das Politikfeld handelt, in dem mit am emotionalsten und unsachlichsten argumentiert wird. Da die Politik die gebotene Sachlichkeit vermissen lässt, ist eine Evaluierung durch ein institutionalisiertes Expertengremium sicherlich ein guter und begrüßenswerter Vorschlag.

posted by Stadler at 18:23  

3 Comments

  1. „Rückrufaktionen“ aus dem Hause Berlin GmbH

    Sorry, aber sollte eine Prototypenphase nicht beendet sein, BEVOR das (evaluierte) Produkt auf die Menschheit losgelassen wird?

    Selbstverständlich kann dieses Produkt (um bei dem Bild zu bleiben) in der Praxis weiterentwickelt werden, aber solche vorprogrammierten „crashs“, wie die Fehlentwicklungen a la „VDS“, „Zensulrsula“ und Co. hätten NIEMALS auf die Straße gelassen werden dürfen.

    Besonders das Thema VDS, zum Beispiel: Hierbei hat das BVerfG eindeutig eine Abnahme verweigert und das „Gesamtwerk“ in die Tonne geschickt (für nichtig erklärt).

    Als Ingenieur würde ich mir solch klare Vorgaben (bei denen die Durchführung nicht wirklich Zeit- und/oder Kostengetrieben ist) wünschen.

    Auch entsprechende Erfahrungswerte sind bei dem Thema „innere Sicherheit“ besonders in Deutschland enorm vorhanden. Oder reichen die Erfahrungen allein der letzten ~80 Jahre etwa nicht (3. Reich, DDR)? Teilweise sitzen in Berlin sogar noch Zeitzeugen (z.B. „unsere“ DDR-Angie), die noch live miterlebt haben was es heißt, wenn ein „Anti-Faschistischer Schutzwall“ vor irgend ‚was „Bösem“ (zur Not „Terror“) schützen soll… Genau wie zum Beispiel solche dämlichen „Stopp“-Schilder – eine Schnapsidee der völlig fachfremden (= ahnungslosen) Zensursula. Dieser grundrechteinschränkende Schwachsinn wird allen Ernstes immer noch diskutiert (siehe EU). Warum nur, frage ich mich persönlich zumindest. Desweiteren gibt es aktuell jede Menge weiterer Beispiele in der Welt, die zeigen wie es eigentlich NICHT funktioniert! Allerdings machen wir (wir Deutschland) mit diesen Ländern gute Geschäfte und liefern/installieren denen auch noch zum Teil die entsprechenden technischen Voraussetzungen…

    Kurzum: Evaluierung? Gerne, aber bitte BEVOR beispielsweise ein Gesetz vom Präses per Autogramm durchgewunken wird, um auf das Volk losgelassen zu werden (oder steht die Unterschrift vom Präsidenten mittlerweile schon blanko auf’m Papier?).
    Ich persönlich dachte eigentlich immer, daß eine Evaluierung durch ein Expertengremium zum Gesetzgebungsverfahren dazugehört…War das etwa falsch gedacht?

    Meiner Meinung nach ist alles an Werkzeugen im Grunde bereits vorhanden, um vernünftige Arbeit abzuliefern. Es wird nur leider nicht genutzt Siehe als Beispiel die Zensursula-Katastrophe, die „einfach so“ ALLE/SÄMTLICHE Expertenmeinungen -nein, besser- Expertenevaluierungen grundlos vom Tisch fegte…Das ist nicht akzeptabel und es ist für mich zumindest unbegreiflich, weshalb irgendwelche Deppen, die sich Volksvertreter schimpfen und von Steuergeldern leben den Schwachsinn immer noch ungestraft rumposaunen dürfen…
    Provokativ: Die Frau gehört für mich übrigens ganz klar in den Knast (zusammen mit Schäuble und Konsorten) oder in die La-La-Anstalt!
    Das sind in meinen Augen nämlich genau die „auffälligen Subjekte“, die das deutsche Volk mit „gefährlichem Gedankengut“ überfluten, auf die wir (wir das Volk) wachsam achten sollen. Deren geistiger Müll gefährdet eindeutig die verfassungsmäßige Ordnung. Stimmt doch, oder? selbst das BVerfG bestätigt dies regelmäßig. Ergo: Ab in den Bau!

    Darüber hinaus darf die Regierung -zur Abwechslung- auch ‚mal auf die Vorgaben des BVerfG hören und Deutschland darf auch ruhig ‚mal mit der Faust auf den Tisch in Brüssel hauen! Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen der VDS, also wegen der digitalen StasiAkten? Drauf geschissen! Ist nicht vereinbar mit unseren Grundrechten, entspricht nicht unseren Werten -> Feierabend! Ende der Diskussion. „*Hugh*, Deutschland hat gesprochen!“

    Das gleiche gilt m.E. für sämtliche anderen „Anti-Terror“-Gesetze. Welcher Terror denn? Wofür also? Etwa nur damit die Medienindustrie glücklich gemacht wird, obwohl deren bisherigen Strukturen sowieso aussterben werden?

    Schließlich kommt der wahre Terror stets von Innen!

    In diesem Sinne, Baxter
    ____________________________
    P.S.: Dieser Beitrag ist lediglich die persönliche Meinung des Verfassers und erhebt keinerlei Anspruch auf Richtigkeit!

    Comment by Baxter — 28.07, 2011 @ 00:40

  2. Natürlich wird emotional argumentiert. Rationale Gründe gibt es ja nicht.

    Comment by Robert — 28.07, 2011 @ 11:09

  3. Ich habe nun an diversen Ausschussitzungen in Gesetzgebungsverfahren teilgenommen. Die Experten und Sachverständigen werden befragt, aber häufig werden nur die Aussagen, die den Entscheidern in den Kram passen herausgepickt und aus dem Zusammenhang gerissen. Selbst wenn sich die Mehrheit der Experten einig ist, dass ein Gesetzentwurf insgesamt nicht hinreichend zur Lösung beiträgt oder sogar kontraproduktiv ist, führt das oft nicht zu einer Änderung.

    Ähnlich verhält es sich oft mit den Gutachten der wissenschaftlichen Dienste des Bundestages.

    Insofern ist die Forderung nach experimentellen Gesetzen nicht die Lösung, denn häufig weiss man eben schon im Voraus, wie man ein Problem lösen sollte, ohne es ausprobieren zu müssen, nur will das anscheinend keiner hören.

    Auch nach einer Ausprobierphase wird man sich wider besseren Wissens für eine Verlängerung einsetzen.

    Sicherlich ist es richtig und wichtig, dass der Abgeordnete nur seinem Gewissen verpflichtet ist, allerdings schützt das leider nicht vor Dummheit. Insofern sind wir als Bevölkerung gefragt zukünftig genauer hinzuschauen, wen wir da wählen. Jeder einzelne von uns muss sich der Verantwortung bewusst werden, und auch unsere Mitmenschen darüber informieren. (Wenn keine andere Abhilfe möglich ist, müssen wir uns sogar selbst zur Wahl stellen. ;-)

    Comment by Ein Mensch — 28.07, 2011 @ 13:09

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