Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

7.10.11

Das Urheberrecht und seine Auslegung treibt seltsame Blüten

Ein neues Urteil des Landgerichts Stuttgart zu § 52a UrhG hat Prof. Rainer Kuhlen dazu veranlasst, zu zivilem Ungehorsam aufzurufen.

Was war geschehen? Das Landgericht Stuttgart (Urteil vom 27.09.2011, Az.: 17 O 671/10) hat die Fernuniversität Hagen zur Unterlassung verurteilt, u.a. weil man Studierenden im Rahmen einer geschlossenen Benutzergruppe Auszüge aus einem Lehrbuch als PDF-Datei zur Verfügung gestellt hat.

Dies kann zwar urheberrechtlich grundsätzlich nach § 52a Abs. 1 Nr. 1 UrhG zulässig sein – was auch das LG Stuttgart konzidiert – aber nach Ansicht des Gerichts nicht in Form einer PDF-Datei, die die Studenten zudem auf ihrem Rechner speichern können. Denn der Gesetzgeber, so das Landgericht, wollte mit § 52a UrhG nur eine Nutzung ermöglichen, die der analogen Nutzung vergleichbar ist. Die Speicherung auf den Computern der Studenten stellt aber eine qualitativ höherwertige Form der Vervielfältigung als die analoge Nutzung dar, weil das abgespeicherte Werk sogleich in die Textverabeitung übernommen werden kann. Man hätte deshalb ein anderes Dateiformat wählen müssen.

Diese Urteilsbegründung ist m.E. falsch und auch gänzlich praxisfern, weil sie weder vom Wortlaut noch von der ratio der Vorschrift gedeckt ist. Man stellt sich hier unweigerlich auch die Frage, welche Form der Nutzung denn der analogen Nutzung entsprechen würde. Die PDF-Datei ist eine derjenigen Umsetzungen, die einer analogen Kopie noch am ehesten entsprechen. Dass man Dateien grundsätzlich speichern kann, liegt in der Natur der Sache. Die Fernuni Hagen hat mittlerweile offenbar von PDF-Dateien auf Flash-Lösungen umgestellt.

Unabhängig davon, ob das Landgericht Stuttgart das geltende Recht zutreffend anwendet oder nicht, zeigt der Fall aber auch, dass es der Gesetzgeber bislang verabsäumt hat, im Interesse der Allgemeinheit ein bildungsfreundliches Urheberrecht zu schaffen.

Vielmehr wird das Urheberrecht laufend zu Gunsten der Rechteinhaber (Verlage, Plattenfirmen, Filmverleihgesellschaften)  verschärft. Die Lobbyismusmaschinerie der Rechteinhaber hat die Politik in Berlin und Brüssel fest im Griff. Und dies geht zu Lasten des Gemeinwohls. Speziell eine Regelung wie § 52a UrhG – die in dieser Form erst 2003 in das Urheberrechtsgesetz eingefügt wurde – die eine gesetzliche Beschränkung der Rechte des Urhebers zugunsten von Unterricht und Forschung vorsieht, springt noch deutlich zu kurz.

An dieser Stelle ist leider nicht wirklich eine Besserung in Sicht, solange die Bürger nicht auf die Barrikaden gehen. Und deshalb ist die Aufregung Kuhlens sehr gut nachvollziehbar. Derartigen gesetzgeberischen Kleinmut kann sich eine Wissens- und Informationsgesellschaft auf Dauer nicht leisten.

posted by Stadler at 10:30  

17.3.11

Gesetzesentwurf zur Zweitverwertung wissenschaftlicher Werke

Die SPD-Fraktion hat einen Gesetzesentwurf zur Schaffung eines Zweitverwertungsrechts für wissenschaftliche Arbeiten, die im Rahmen einer überwiegend mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden sind, vorgelegt. Hierzu soll die neue Vorschrift eines § 38a UrhG geschaffen werden, die dem Urheber eine nichtkommerzielle Zweitverwertung seines Werks nach Ablauf von 6 Monaten bei Periodika und 12 Monaten bei Sammelwerken erlaubt. Diese Zweitverwertung ist allerdings auf eine öffentliche Zugänglichmachung beschränkt, womit primär eine Online-Veröffentlichung gestattet werden soll.

Das praktische Problem dürfte hier u.a. darin bestehen, im Einzelfall festzustellen, wann eine Arbeit im Rahmen einer Tätigkeit entstanden ist, die mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln finanziert wurde.

posted by Stadler at 15:20  

12.11.09

ePetition zu Open-Access

Lars Fischer hat beim Deutschen Bundestag eine ePetition mit der Forderung nach „Open-Access“ eingereicht. Der Text der Petition lautet:

Der Deutsche Bundestag möge beschließen, dass wissenschaftliche Publikationen, die aus öffentlich geförderter Forschung hervorgehen, allen Bürgern kostenfrei zugänglich sein müssen. Institutionen, die staatliche Forschungsgelder autonom verwalten, soll der Bundestag auffordern, entsprechende Vorschriften zu erlassen und die technischen Voraussetzungen zu schaffen.

Es handelt sich um eine im Kern sinnvolle Forderung, die im allgemeinen Interesse ist. Eine Wissensgesellschaft ist darauf angewiesen, dass Wissen möglichst frei zugänglich ist und die wissenschaftliche Forschung nicht durch die wirtschaftlichen Interessen von Verlagen behindert wird, zumindest dann nicht, wenn die Wissenschaftler nur deshalb forschen und publizieren können, weil sie in ihrem Hauptberuf vom Staat und damit dem Steuerzahler bezahlt werden.

Die Petition kann noch bis zum 22.12.09 gezeichnet werden, was knapp 8.000 Bürger bereits getan haben.

posted by Stadler at 22:37  

22.8.09

Hintergründiges zu Open Access

Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift „Information: Wissenschaft und Praxis“ mit dem Schwerpunktthema Open Access ist als PDF erhältlich und bietet eine sehr tiefgehende Auseinandersetzung mit dem Thema. Äußerst lesenswert ist beispielsweise der Beitrag „Die Wissenschaftstheorie fordert OPEN ACCESS“ von Gerhard Fröhlich.

posted by Stadler at 10:57  

29.7.09

Wissenschaftlicher Dienst des Bundestags hält Kritik an Open Access für kaum nachvollziehbar

Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags hat sich in einem 19-seitgen Gutachten vom 22.07.2009 mit dem sog. Heidelberger Appell und der Kritik an dem Modell des Open-Access befasst und erachtet die geübte Kritik für kaum nachvollziehbar.

In dem Gutachten heißt es u.a.:

„Die hier gemachten Vorwürfe treffen eher auf die traditionellen Vertriebswege zu als auf das neue Publikationsmodell. Mit der digitalen Plattform steht den Rechteinhabern eine adäquate Publikationsalternative zur Verfügung, die insbesondere vor dem Hintergrund der Geschwindigkeit, in der neues Wissen geschaffen wird, erhebliche Vorteile gegenüber den in der Regel teureren traditionellen Vertriebswegen hat. Die Vorteile werden auch in den einschlägigen Untersuchungen der EU und der OECD bestätigt.
Die Vorteile der Digitalisierung und digitalen Vermarktung urheberrechtlich relevanter Werke für Urheber und Verwerter werden in der gegenwärtigen Diskussion weitgehend ausgeblendet.“

Der Heidelberger Appell ist in der Tat sehr stark durch die Verlagslobby beeinflusst und man muss unterstellen, dass viele der Unterzeichner nicht wirklich genau wussten, worum es bei Open-Access überhaupt geht. Dass auch Justizministerin Zypries und Kulturstaatsminister Neumann ihre Unterstützung für den Heidelberger Appell signalisiert haben, zeigt einmal mehr, welch leichte Beute ahnungslose Politiker für die Urheberrechtslobbyisten sind.

In der sehr unsachlich geführten öffentlichen Diskussion, sind auch immer wieder Google Books und Open Access vermengt worden, ein Konzept, auf das gerade der Heidelberger Appell erfolgreich setzt. Bei näherer und fundierter Betrachtung wird man erkennen, dass beide Aspekte freilich wenig miteinander zu tun haben und es sachgerecht wäre, die Diskussion strikt zu trennen.

posted by Stadler at 15:40  

8.7.09

Unesco-Handbuch zu Open Access

Die Deutsche UNESCO-Kommission hat ein Handbuch zu Open Access – Chancen und Herausforderungen (136 Seiten) herausgegeben.

Die Frage, ob der Zugang zu wissenschaftlichen Inhalten frei und kostenlos erfolgen soll und muss, gehört sicherlich zu den wichtigen Themen unserer Zeit, gerade mit Blick auf die Zukunft der Wissensgesellschaft. Die Frage lautet, wie wir mit Wissen umgehen wollen, im Spannungsfeld von Urheberrecht und wirtschaftlichen Verlagsinteressen einerseits und der Notwendigkeit, Wissen möglichst für jedermann und insbesondere auch für die Forschung offen zugänglich zu machen, andererseits.

posted by Stadler at 09:14  

5.5.09

Open Access: Intellektuelle Finsternis bei der Zeit?

Die Diskussion um Open-Access, der sog. Heidelberger Appell sowie die Debatte über den Pirate Bay Prozess offenbaren Züge eines neuen Kulturkampfs, dessen Ausgang vielleicht gar nicht mehr so offen ist, wie manche Diskutanten noch glauben.

Armin Medosch findet in seiner Kritik an der Haltung der Zeit und dem Titel „Im Netz der Piraten“ der Autorin Susanne Gaschke deutliche Worte.

Abgesehen davon, dass es in der Zeit auch ganz andere Stimmen gibt, sitzt Medosch am Ende in derselben argumentativen Falle wie Gaschke.

Beide vermischen sie nämlich gezielt den Streit um Open-Access mit der Diskussion über Pirate Bay und das Filesharing.

Das lässt die dringend notwendige Differenzierung vermissen und gefährdet das berechtigte Anliegen der Open-Access-Debatte.

Denn der Ansatz, dass Wissen möglichst frei zugänglich sein sollte und es der Wissenschaft dient, wenn Publikationen frei und offen zugänglich sind, ist einerseits vernünftig und hat andererseits nicht unmittelbar etwas mit dem Tausch von MP3-Dateien zu tun.

Der Heidelberger Appell gibt vor, für die Publikationsfreiheit und die Interessen der Autoren einzutreten. In Wahrheit geht es allein um die wirtschaftlichen Interessen der Verlage, was sicherlich nicht alle Unterzeichner begriffen haben dürften.

Gerade im Bereich wissenschaftlicher Publikationen ist es so, dass die Verlage ihre Autoren nicht angemessen bezahlen. Von wissenschaftlichen Veröffentlichungen können daher auch nur die Verlage leben, die Wissenschaftler nicht. Sie verdienen ihren Lebensunterhalt in Deutschland zumeist durch Tätigkeiten an Universitäten und Instituten und werden letztlich aus Steuergeldern bezahlt.

Ist es in dieser Konstellation dann aber nicht legitim zu fordern, dass Publikationen dieser Wissenschaftler frei zugänglich sein sollen? Schließlich kommt der Steuerzahler für ihren Lebensunterhalt auf, während die Honorare, die wissenschaftliche Verlage bezahlen, häufig noch nicht einmal ein nennenswertes Zubrot darstellen.

Es ist schwer erträglich, wenn Verlage angesichts dieser Rahmenbedingungen ihre Blockadehaltung gegenüber dem freien Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen mit dem Recht auf freie und selbstbestimmte Publikation rechtfertigen und auch nicht davor zurückschrecken, Wissenschaftler, die sich für Open Access einsetzen, zu diffamieren.

Diese ganze Thematik hat nur bedingt etwas mit Pirate Bay und dem Filesharing zu tun. Es geht beim Tausch von MP3-Files nicht vordergründig um den freien Zugang zu Wissen. Man diskreditiert die Open Access Bewegung, wenn man sie mit Filesharern in einen Topf wirft. Und das tun leider sowohl Susanne Gaschke als auch Armin Mehdosch.

Gaschke geht freilich noch einen Schritt weiter und diffamiert die Open Access Bewegung indem sie eine Verknüpfung zur Diskussion um die Sperrung kinderpornografischer Websites herstellt. Eine erbärmliche journalistische Leistung, die aber nicht den Blick auf das Wesentliche verstellen sollte.

Beide Seiten berufen sich in dieser Diskussion auf die Freiheit. Wenn man bei der Open Access Diskussion bleibt, dann müssen allerdings auch Unterzeichner wie Enzensberger, Kehlmann oder Lenz erkennen, dass sie mit ihrer Unterschrift(nur) die ökonomische Freiheit der Verlage unterstützen. Wer die Freiheit der Wissenschaft fördern will, muss eine andere Haltung einnehmen.

posted by Stadler at 11:30  

9.4.09

Open Access: Das Denken ist frei

Auch wenn immer beklagt wird, dass deutsche Blogs zu wenig eigenen Content liefern, muss man auf manche Dinge einfach (nur) hinweisen.

Christoph Drösser hat für die Zeit einen hervorragenden Artikel zum Thema Open Access geschrieben. Weil das Denken frei bleiben soll, ist der offene Zugang zu Information wünschenswert. Bitte lesen!

posted by Stadler at 08:03