Über den Sinn und Zweck des Dienstes De-Mail, mit dem der Gesetzgeber eine sichere Kommunikationsstruktur im Internet schaffen will, ist gerade im Netz kontrovers diskutiert worden. Rechtsanwältin Ann-Karina Wrede hat sich intensiv mit dem Thema befasst und beurteilt das Konzept positiv. Sie hat mir freundlicherweise folgenden Gastbeitrag zur Verfügung gestellt:
Der (Un)Sinn der De-Mail
von Ann-Karina Wrede
Seit der CeBIT ist es amtlich: insgesamt drei Unternehmen dürfen sich nun ganz offiziell „De-Mail-Diensteanbieter“ nennen. Doch obwohl schon viel über das neue Angebot berichtet worden ist, scheint sich der Mehrwert dieser Dienstleistung noch nicht wirklich herumgesprochen zu haben und so hagelt es mal wieder massenhaft Kritik. Wie immer eigentlich, wenn Unwissenheit im Spiel ist…
Die Ausgangslage
Zur Ausgangslage soll hier nur kurz festgestellt werden, dass im gewöhnlichen Unternehmensalltag vertrauliche Unterlagen über das Standard-E-Mail-Protokoll SMTP verschickt werden – und damit ohne die Gewährleistung von Authentizität, Integrität oder Vertraulichkeit und Verfügbarkeit.
(Unter anderem) aufgrund dieser Sicherheitsrisiken wurde im Mai 2011 das De-Mail-Gesetz verabschiedet, welches den rechtlichen Rahmen zur Einführung vertrauenswürdiger De-Mail-Dienste und damit zur sicheren elektronischen Kommunikation schuf. Dies ist im Übrigen der Unterschied zum E-Postbrief, da sich die Post nicht den Vorgaben des De-Mail-G unterworfen hat – was sie inzwischen aber laut welt.de zu überdenken scheint…
Bei der De-Mail also gilt das Motto:
„De-Mail – So einfach wie E-Mail, so sicher wie Papierpost.“
Jedermann (und jede Frau) soll also in der Lage sein, einfach sichere Nachrichten zu verschicken, ohne dass dafür eine besondere Soft- oder Hardware implementiert werden muss.
Die Kritiker
Doch wie immer bei Veränderungen sind die Kritiker nicht weit entfernt. Und so wird kritisiert, was das Zeug hält. Die Anknüpfungspunkte hierfür lassen sich vor allem in den Bereichen
- der fehlenden Ende-zu-Ende-Verschlüsselung,
- den Kosten und
- der insgesamten Sinn(los)igkeit des ganzen Dienstes
finden. Kritisiert wird dabei vor allem von vorgeblich technikaffinen Personen. Diese lassen oft pragmatische Gesichtspunkte außer Acht.
Fehlende Ende-zu-Ende-Verschlüsselung
Die Kritik bezieht sich auf die vorgenommene Entschlüsselung zur Prüfung von Nachrichten auf Schadsoftware. Fakt ist: Es gibt keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, zumindest nicht als Standardeinstellung. Wer dennoch nicht auf sie verzichten möchte, muss lediglich einen öffentlichen Schlüssel in den Verzeichnisdienst (§ 7 De-Mail-Gesetz) hochladen und kann diesen mit seinem Kommunikationspartner austauschen. Anschließend ist eine durchgängige Ende-zu-Ende-Verschlüsselung möglich, eine Prüfung auf Schadsoftware findet nicht statt. Dies setzt natürlich einen gewissen Aufwand des Nutzers voraus – und sicherlich auch eine gewisse Sensibilität desselbigen. Mit entsprechenden Kurzanleitungen auf den Serviceseiten der Diensteanbieter sollte dies aber selbst für den Durchschnittsverbraucher keine große Hürde darstellen.
Doch auch wenn diese Option nicht genutzt werden sollte und es tatsächlich für einige Sekunden zu einer „Entschlüsselung“ der Nachrichten zur Malewareprüfung kommt, ist es nicht so, dass die Nachrichten in dieser Zeit für jeden (Dritten) frei zugänglich „irgendwo rum liegen“. Tatsächlich befinden sich die Nachrichten während dieser Zeit auf verschlüsselten Festplatten und auch der gesamte Transport findet verschlüsselt statt. Wegen ausgefeilter und abgestufter Rollen- und Berechtigungskonzepte bei den Diensteanbietern ist auch den jeweiligen Mitarbeitern nicht per se ein Mitlesen der Nachrichteninhalte (sprich ein Zugriff auf diese) möglich.
Die Kosten
Die Kosten des Ganzen bilden einen weiteren Kritikpunkt. Denn diese seien zu hoch. Doch vergleicht man die der Mentana oder der Telekom, die etwa um die 39 Cent liegen, stellt man fest, dass dieser Preis noch weit unter dem eines Standardbriefes liegt. Die Versandbestätigung soll etwa 69 Cent extra kosten, was in Summe einen Preis von 1,08 € ausmacht und damit immer noch deutlich unter den Kosten eines entsprechenden Einwurf-Einschreibens von 1,60 € liegt. Dass eine elektronische Nachricht außerdem schneller verschickt sein dürfte als eine Papierpost, dürfte dabei auf der Hand liegen…
Sinn(los)igkeit des ganzen Dienstes
Bliebe also nur noch die Kritik an der gesamten Sinn(los)igkeit des neuen Angebots. Zumindest bei Twitter fallen Hashtags wie #Dummenfang oder #VDS. Doch da scheint noch immer nicht im Bewusstsein der technikaffinen Twitter-Nutzer angekommen zu sein, dass es auch andere Menschen gibt, die nicht so mir-nichts-dir-nichts wissen, wie man Dateien oder E-Mails tatsächlich verschlüsselt – und an dieser Stelle ist nicht der bloße Passwortschutz (= Zugriffschutz) gemeint. Denn tatsächlich weiß der einzelne Nutzer vor dem Rechner oft nicht, was eigentlich der Unterschied zwischen einem Passwortschutz und einer Verschlüsselung ist und schon gar nicht, wie man letztere herstellen kann.
Verschlüsselungen mittels WinZip oder PGP sind in Unternehmen für den „normalen“ Mitarbeiter oft zu kompliziert, unverständlich und überfordernd. Dies wiederum hat oft zur Folge, dass lieber nichts verschlüsselt wird und vertrauliche Unterlagen im Klartext durchs World Wide Web geschickt werden. Dass dies keine wirkliche Lösung sein kann, liegt ebenfalls auf der Hand.
Fazit
Ein gewisses Maß an Skepsis bei Einführung neuer Produkte ist sicherlich sinnvoll, sollte aber den Blick aufs Wesentliche nicht verdecken. Die Einführung der De-Mail ist unter Umständen nicht für alle Unternehmen und vielleicht auch nicht für jede Privatperson die beste Lösung, mit Sicherheit aber ein Schritt in die richtige Richtung zur sicheren elektronischen Kommunikation. Sie bietet den Vorteil, dass keine Implementierung neuer Hard- oder Software notwendig ist und dass sie tatsächlich so einfach zu verschicken ist, wie eine herkömmliche E-Mail.
Darüber hinaus liegt der gesamten Akkreditierung eine mehrstufige Prüfung durch unterschiedliche und unabhängige Sachverständige zugrunde, welche die Einhaltung der gesetzlichen (wozu auch die Einhaltung von Löschfristen gehören) und technischen Anforderungen begutachtet haben.
Kritik ist gut und wichtig, allerdings sollte sie stets konstruktiv und objektiv sein – oder zumindest eine vergleichbare Alternative bieten. Diese ist allerding – zumindest im Moment – nirgends zu finden.