Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

5.5.09

Open Access: Intellektuelle Finsternis bei der Zeit?

Die Diskussion um Open-Access, der sog. Heidelberger Appell sowie die Debatte über den Pirate Bay Prozess offenbaren Züge eines neuen Kulturkampfs, dessen Ausgang vielleicht gar nicht mehr so offen ist, wie manche Diskutanten noch glauben.

Armin Medosch findet in seiner Kritik an der Haltung der Zeit und dem Titel „Im Netz der Piraten“ der Autorin Susanne Gaschke deutliche Worte.

Abgesehen davon, dass es in der Zeit auch ganz andere Stimmen gibt, sitzt Medosch am Ende in derselben argumentativen Falle wie Gaschke.

Beide vermischen sie nämlich gezielt den Streit um Open-Access mit der Diskussion über Pirate Bay und das Filesharing.

Das lässt die dringend notwendige Differenzierung vermissen und gefährdet das berechtigte Anliegen der Open-Access-Debatte.

Denn der Ansatz, dass Wissen möglichst frei zugänglich sein sollte und es der Wissenschaft dient, wenn Publikationen frei und offen zugänglich sind, ist einerseits vernünftig und hat andererseits nicht unmittelbar etwas mit dem Tausch von MP3-Dateien zu tun.

Der Heidelberger Appell gibt vor, für die Publikationsfreiheit und die Interessen der Autoren einzutreten. In Wahrheit geht es allein um die wirtschaftlichen Interessen der Verlage, was sicherlich nicht alle Unterzeichner begriffen haben dürften.

Gerade im Bereich wissenschaftlicher Publikationen ist es so, dass die Verlage ihre Autoren nicht angemessen bezahlen. Von wissenschaftlichen Veröffentlichungen können daher auch nur die Verlage leben, die Wissenschaftler nicht. Sie verdienen ihren Lebensunterhalt in Deutschland zumeist durch Tätigkeiten an Universitäten und Instituten und werden letztlich aus Steuergeldern bezahlt.

Ist es in dieser Konstellation dann aber nicht legitim zu fordern, dass Publikationen dieser Wissenschaftler frei zugänglich sein sollen? Schließlich kommt der Steuerzahler für ihren Lebensunterhalt auf, während die Honorare, die wissenschaftliche Verlage bezahlen, häufig noch nicht einmal ein nennenswertes Zubrot darstellen.

Es ist schwer erträglich, wenn Verlage angesichts dieser Rahmenbedingungen ihre Blockadehaltung gegenüber dem freien Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen mit dem Recht auf freie und selbstbestimmte Publikation rechtfertigen und auch nicht davor zurückschrecken, Wissenschaftler, die sich für Open Access einsetzen, zu diffamieren.

Diese ganze Thematik hat nur bedingt etwas mit Pirate Bay und dem Filesharing zu tun. Es geht beim Tausch von MP3-Files nicht vordergründig um den freien Zugang zu Wissen. Man diskreditiert die Open Access Bewegung, wenn man sie mit Filesharern in einen Topf wirft. Und das tun leider sowohl Susanne Gaschke als auch Armin Mehdosch.

Gaschke geht freilich noch einen Schritt weiter und diffamiert die Open Access Bewegung indem sie eine Verknüpfung zur Diskussion um die Sperrung kinderpornografischer Websites herstellt. Eine erbärmliche journalistische Leistung, die aber nicht den Blick auf das Wesentliche verstellen sollte.

Beide Seiten berufen sich in dieser Diskussion auf die Freiheit. Wenn man bei der Open Access Diskussion bleibt, dann müssen allerdings auch Unterzeichner wie Enzensberger, Kehlmann oder Lenz erkennen, dass sie mit ihrer Unterschrift(nur) die ökonomische Freiheit der Verlage unterstützen. Wer die Freiheit der Wissenschaft fördern will, muss eine andere Haltung einnehmen.

posted by Stadler at 11:30  

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