Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

1.5.15

Streit um Tagesschau-App: Verlage siegen beim BGH

Der BGH hat die Entscheidung des OLG Köln zur Frage der Wettbewerbswidrigkeit der Tagesschau-App aufgehoben und an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (Urteil vom 30. April 2015 – I ZR 13/14 – Tagesschau-App).

Anders als das OLG geht der BGH davon aus, dass die Gerichte trotz der öffentlich-rechtlichen Genehmigung des Medienangebots „tagesschau.de“ befugt sind, die Frage der Presseähnlichkeit zu prüfen. Bei dem Verbot nichtsendungsbezogener presseähnlicher Angebote handelt es sich nach Ansicht des BGH um eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG.

Das OLG Köln wird jetzt inhaltlich zu prüfen haben, ob Tagesschau.de bzw. die Tagesschau-App presseähnlich sind bzw. im streitigen Zeitpunkt waren. Nach Ansicht des BGH kommt es insoweit entscheidend auf den Textanteil des Onlineangebots an.

Die Frage könnte außerdem durchaus noch ein verfassungsgerichtliches Nachspiel haben, nachdem es vorliegend auch um die Frage der Reichweite der Rundfunkfreiheit geht. Dieser Aspekt wird jedenfalls in der Pressemitteilung des BGH nicht weiter thematisiert. Ich habe die zentralen Rechtsfragen anders beurteilt als der BGH und bin gespannt, wie die Sache letztendlich ausgehen wird. Der Ausgang des Rechtsstreits dürfte erhebliche Auswirkung darauf haben, was öffentlich-rechtliche Sender im Netz künftig tatsächlich an Inhalten anbieten dürfen.

Ob dem BGH die verfassungsrechtliche Dimension der Frage der Presseähnlichkeit von öffentlich-rechtlichen Angeboten bewusst ist, wird die schriftliche Urteilsbegründung zeigen. Der ehemalige Präsident des BVerfG hat sich mit dieser Frage schon mal ausführlich befasst (Danke an Holger Nohr für den Link).

Quelle: PM des BGH vom 30.04.2015

posted by Stadler at 20:57  

9 Comments

  1. Von der Tendenz her wird die Pressefreiheit immer mehr kommerzialisiert. Kommerzielle Interessen entscheiden, was Pressefreiheit, was zulässig bzw. zu verbieten ist.

    Insofern werden die Öffentlich-Rechtlichen in absehbarer Zeit verschwinden, falls nich vorab es zum Systemcrash kommt..

    Comment by Rolf Schälike — 1.05, 2015 @ 22:09

  2. Warum hat dem BGH niemand erzählt, dass Website und App letztlich dasselbe ist? Gleiche Inhalte in einer anderen Verpackung. Und wenn es einen öffentlich-rechtlichen Auftrag für die neutrale Information der Bevölkerung gibt, wieso kann das nicht via digitalen Medien geschehen? Rechtlich eine Beschränkung auf laufende Bilder zu verlangen trägt wegen der mangelnden Suchbarkeit und Archivierung zur Geschichtsvergessenheit bei. Ein wichtiger Teil des öffentlich-rechtlichen Auftrags geht verloren. Bei diesem Thema wackelt der Schwanz mit dem Hund.

    Comment by Rigo Wenning — 2.05, 2015 @ 00:00

  3. ‚entscheidend auf den Textanteil des Onlineangebots‘

    hiesse in letzter Konsequenz, Skripte dürften nicht online gestellt werden, was weder für Hör- noch Sehbehinderte gut wäre – geschweige denn für eine sinnvolle Indexierung. Ganz zu schweigen davon, dass ich schneller lese – auch quer – als ich ein Video ansehen kann.

    Nun ja, der BGH hat erst einmal nur eine Formalie anders bewertet als die Vorinstanz[en], inhaltlich ist ja jetzt wieder das OLG gefragt.

    Comment by Dierk — 2.05, 2015 @ 07:37

  4. Die öffentlich-rechtlichen Medien im Netz sind gebührenfinanziert, während sich die Verlagshäuser mit Werbung behelfen müssen. Das ist der Streitpunkt. Die öffentlich-rechtlichen Sender haben im Netz gar nichts zu suchen und wenn, dann nur, um auf ihr TV-Angebot hinzuweisen. Sie sind schon mit Millionen Euro Zwangsabgaben im Jahr fettgefressen, sie sollten das Internet nicht noch weiter vollmüllen mit etwas, was man auch im TV nicht mehr einschalten würde.

    Wer um Gottes Willen möchte die „Tageschau“ im TV sehen? Und dann noch im Netz?? Ich bitte Euch!

    Comment by Justus — 2.05, 2015 @ 14:47

  5. Ein Freund aus den USA war kürzlich in Deutschland und wunderte sich, daß er um 20 Uhr auf allen Kanälen nur eine Sendung vorfand. Ich teilte ihm mit, daß wir in Deutschland den öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben, für den jeder Wohnungsinhaber einen Zwangsbeitrag zu leisten habe. Er fragte, ist es der Staatsfunk? Ich teilte ihm mit, daß sich diese Sender politisch für unabhängig erklären. Die Frage des Rundfunkrates, in dem auch Politiker sitzen, die auf alles Einfluss nehmen, wurde auch erörtert. Für meinen US-Freund blieb es Staatsfunk. Er hat Recht.

    Und dieser zwangsfinanzierte Staatsfunk sollte nicht noch das Internet versauen, meint mein US-Freund. Ich stimme dem zu.

    Comment by Justus — 2.05, 2015 @ 15:00

  6. Nachtrag: Die Zwangsgebühren der öffentlich-rechtlichen Sender betrugen im Jahr 2012

    7 492 520 505,97 Euro.

    Es scheint nicht zu reichen.

    Comment by Justus — 2.05, 2015 @ 15:08

  7. Natürlich haben wir einen Staatsrundfunk. Und ich denke, dass die Zwangsfinanzierung ein Übel ist. Darüber wurde schon ausreichend geschrieben und ich bin sicher nicht in der Lage, der Debatte neues hinzu zu fügen.
    Nun, da es aber so ist, wie es ist, sehe ich nicht ein, warum mir die von mir bezahlten Inhalte nicht in jeder denkbaren Form jederzeit zur Verfügung stehen dürfen? Es ist mein Geld, es sind meine Inhalte und ich will dann wenigstens den bequemsten und modernsten Zugang. Ich habe zu FAZ und BlÖD kein Verhältnis, woran sich auch nichts ändert, wenn es denen gelingt, mir den Zugang zu den von mir bezahlten Inhalten zu erschweren.

    Comment by Gerd — 7.05, 2015 @ 05:50

  8. Hallo Herr
    Vielen Dank für Ihren guten Blog!
    Zum Themenkomplex Grundversorgung (Rundfunk) nach GG vs. Presseähnlichkeit des Internet vs. Grundrechteeingriff durch den sogenannten „Rundfunkbeitrag“ (Steuer vs. Mitgliedsbeitrag) infolge der Zahlungspflicht für Wohnungsinhaber zum Zwecke der Finanzierung des „öffentlich-rechtlichen“ Rundfunks und deren Unternehmungen würde mich interessieren, wie Sie den Entwurf zum 19. RÄStV (http://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/17/DruckSachen) einschätzen.
    M. E. definiert und erweitert der „öffentlich-rechtliche“ Rundfunk immer weiter seinen Grundversorgungsauftrag. Er beauftragt sich selbst mit seiner eigenen Expansion. Mit der Folge, dass der „notwendige“ Finanzierungsbedarf immer größer wird. Und das in unangemessener und ungerechtfertigter Weise, nicht von der Rundfunkfreiheit nach GG gedeckt. Dass Unterhaltung und Sport im Zeitalter von Privat-, Satelliten-, Kabelkanal-Rundfunk und Internet etc. keiner Grundversorgung durch Zwangsabgabefinanzierte Medien mehr bedarf, leuchtet doch jedem ein – oder!?
    Mit besten Grüssen
    Michael M.

    Comment by Michael M. — 12.11, 2015 @ 13:04

  9. Sorry: Es soll heißen:
    Hallo Herr Stadler!

    Comment by Michael M. — 12.11, 2015 @ 13:05

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