Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

14.1.15

Vorratsdatenspeicherung: How long must we sing this song?

Wenn ich bei Heise lese „Merkel drängt auf Vorratsdatenspeicherung nach Pariser Anschlägen“ werde ich wütend. Denn die Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel belegt einmal mehr, dass Populismus und das Schüren von Ängsten das politische Tagesgeschäft beherrscht, gerade nach solchen Ereignissen wie den Attentaten von Paris.

Jahrelang habe ich mich mit dem Thema Vorratsdatenspeicherung befasst. In insgesamt 98 Blogbeiträgen rund um das Thema und Podiumsdiskussionen habe ich immer wieder die Argumente aufgeführt, die gegen eine Vorratsdatenspeicherung sprechen und die Nichtargumente der Befürworter beleuchtet. Mit einer gewissen Ernüchterung nimmt man dann zur Kenntnis, dass sich die Diskussion und das Diskussionsniveau keinen Millimeter vorwärts bewegt haben, jedenfalls nicht, wenn es um die höchste politische Ebene geht. Ich fühle mich an einen alten Titel von U2 erinnert, in dem es heißt: „How long must we sing this song?„. Offenbar noch lange, wenn man sich die aktuelle Debatte dazu anschaut.

Ich fasse daher die zentralen Aspekte nochmals kurz zusammen und verlinke auf weiterführende Beiträge:

1. In Frankreich gab und gibt es sogar eine zwölfmonatige Vorratsdatenspeicherung, die die Anschläge von Paris nicht verhindern konnte. Dieser Umstand belegt folglich allenfalls die Nutzlosigkeit einer Vorratsdatenspeicherung im Bereich der Verhinderung und Bekämpfung von Terrorismus.

2. In keinem einzigen EU-Mitgliedsstaat gibt es (empirische) Belege dafür, dass die Vorratsdatenspeicherung zu einer erhöhten Aufklärungsquote geführt hat, obwohl sie in den meisten EU-Staaten über viele Jahre hinweg praktiziert worden ist. Die Politik, die eine Vorratsdatenspeicherung fordert und damit Grundrechte massiv einschränken möchte, schuldet eine stichhaltige und auf belastbare Zahlen und Fakten gestützte Begründung, warum die Vorratsdatenspeicherung tatsächlich notwendig sein soll. Eine solche Begründung hat niemand auch nur ansatzweise geliefert.

3. Eine verfassungskonforme Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung ist nach den Urteilen des EuGH und des BVerfG kaum mehr möglich.

4. Aus bürgerrechtlicher und gesellschaftlicher Sicht ist die Frage zu diskutieren, ob wir es als Bürger zulassen wollen, dass der Staat sämtliche Verbindungsdaten und Standortdaten der Telekommunikation eines jeden Bürgers ohne jeglichen konkreten Anlass für mehrere Monate auf Halde speichern lässt. Diese Frage stellt sich ganz unabhängig davon, ob eine solche Maßnahme bei entsprechender gesetzlicher Ausgestaltung gerade noch verfassungskonform möglich wäre oder nicht.

Weiterführende Beiträge:

Acht Mythen zur Vorratsdatenspeicherung

Ist die Vorratsdatenspeicherung nach der Entscheidung des EuGH tot?

Untersuchung des MPI zum Nutzen der Vorratsdatenspeicherung

Brauchen wir eine differenzierte Betrachtung zur Vorratsdatenspeicherung?

Die Mär von der Terrorismusbekämpfung

posted by Stadler at 15:28  

30.12.14

Über Sinn und Unsinn der Migrationsdebatte

Hans-Werner Sinn, oft gebuchter Gast in deutschen Talkshows und Präsident des Ifo-Instituts, stellt in einem Beitrag für die FAZ die These auf, die Einwanderung nach Deutschland sei für den Staat ein Verlustgeschäft, jeder Migrant würde dem Staat im Durchschnitt 1800 EUR mehr kosten, als er einbringt.

Sinn attackiert gleichzeitig die Medien, die eine Studie der Bertelsmann Stiftung zur Zuwanderung falsch dargestellt hätten. Über diese Studie „Der Beitrag von Ausländern und künftiger Zuwanderung zum deutschen Staatshaushalt“ hatte beispielsweise die SZ geschrieben: Zuwanderer bringen Deutschland Milliarden.

Auf der Website der Bertelsmann Stiftung wird die Studie unter der Überschrift „Sozialstaat profitiert von Zuwanderung“ mit folgenden Kernsätzen vorgestellt:

Die 6,6 Millionen Menschen ohne deutschen Pass sorgten 2012 für einen Überschuss von insgesamt 22 Milliarden Euro. Jeder Ausländer zahlt demnach pro Jahr durchschnittlich 3.300 Euro mehr Steuern und Sozialabgaben als er an staatlichen Leistungen erhält. Das Plus pro Kopf ist in den vergangenen zehn Jahren um über die Hälfte gestiegen. Für einen weiteren Anstieg sind bessere Bildungspolitik und gesteuerte Zuwanderung die wichtigsten Voraussetzungen.

Der Vorwurf Sinns in Richtung der Medien erweist sich mithin als falsch. Sie haben über die Studie entsprechend der Darstellung und Präsentation der Bertelsmann Stiftung berichtet. Wenn, dann müsste sich die Kritik Sinns direkt gegen die Stiftung richten.

Bestätigt die Studie die Behauptung Sinns, Migranten würden den deutschen Staat fiskalisch belasten und wurden ihre Ergebnisse nur öffentlich falsch dargestellt? Das hängt vermutlich in der Tat von der Lesart ab und davon, wie man die künftige Entwicklung prognostiziert. Nach der Studie bewirkt die Zuwanderung von Geringqualifizierten in der Tendenz eine fiskalische Belastung, während Zuwanderer, die ähnlich qualifiziert sind wie die einheimische Bevölkerung oder sogar höher, auf Dauer eine spürbare fiskalische Entlastung hervorrufen. Die Studie weist u.a. aber auch darauf hin, dass die in Deutschland lebenden Ausländer derzeit deutlich weniger an Steuern und Sozialabgaben bezahlen als deutsche Staatsbürger, was vor allem an den im Durchschnitt niedrigeren Einkommen liegt.

Die Aussage Sinns, auch die Bertelsmann-Studie komme letztlich zu einem negativen Ergebnis mit einem „impliziten Finanzierungsdefizit“ in Höhe von 79.100 Euro je Migrant, lässt sich der Studie tatsächlich entnehmen, sofern man alle Staatsausgaben auf den Einzelnen umlegt:

Stellt man den Ausländern gemäß ihrem Bevölkerungsanteil einen Anteil an den allgemeinen Staatsausgaben – Verteidigung, Straßenbau etc. – in Rechnung, gerät ihre fiskalische Bilanz ins Defizit.

Pro Kopf beträgt dieses implizite Finanzierungsdefizit 79.100 Euro je Ausländer. Auch bei den Deutschen ergibt sich bei dieser umfassend vorausschauenden Rechnung ein solcher Fehlbetrag. Mit 3.100 Euro pro Kopf der deutschen Wohnbevölkerung fällt er wegen der besseren Steuer-Transfer-Bilanz dieses Bevölkerungsteils allerdings markant niedriger aus.

Nach dieser Berechnungsmethode stellt allerdings auch jeder Deutsche für den Staat ein Verlustgeschäft dar, auch wenn dieser wirtschaftliche Verlust deutlich geringer ausfällt. Dass das so ist, ist sehr einfach zu erklären. Der Staat (Bund, Länder, Kommunen) gibt seit Jahrzehnten mehr aus als er einnimmt, er macht also Jahr für Jahr erhebliche (neue) Schulden. Wenn man die Verschuldung schematisch pro Kopf auf die Bürger umrechnet, dann wird damit natürlich jeder Bürger für den Staat zum Verlustgeschäft.

Sinn unterschlägt in seiner Darstellung allerdings eine ganz zentrale Erkenntnis. Die Studie der Bertelsmann Stiftung weist ausdrücklich darauf hin, dass die Hochqualifizierten zuletzt unter den Neuzuwanderern sogar die stärkste Gruppe stellten und die Menschen die aktuell einwandern, über ein im Durchschnitt höheres Qualifikationsniveau verfügen als der Durchschnitt deutscher Staatsbürger. Das Institut für Deutsche Wirtschaft (IW) widerspricht den Aussagen Sinns in einer aktuellen Stellungnahme ausdrücklich und merkt an, dass Neuzuwanderer ein deutlich höheres Bildungsniveau haben als noch im Jahre 2000. Der Akademikeranteil betrug unter den Zuwanderern im Jahre 2012 31,1 %, während in Deutschland insgesamt nur jeder fünfte Erwachsene einen Hochschulabschluss vorweisen kann.

Geht man davon aus, dass sich dieser Trend verfestigt oder gar verstärkt, wird die Migration kein Verlustgeschäft für den Staat werden, wie von Sinn behauptet, sondern vielmehr zwingend notwendig sein, um die Funktionsfähigkeit dieser Gesellschaft und dieses Staatswesens auch in den nächsten Jahrzehnten zu gewährleisten.

Die Reduzierung der Betrachtung auf den fiskalischen Aspekt ist zudem, gerade für einen Ökonomen, mehr als erstaunlich. Aber auch wenn man es rein fiskalisch betrachtet, stellt sich natürlich die Frage, ob beispielsweise der Verteidigungsetat niedriger wäre ohne die in Deutschland lebenden Ausländer. Was bei Sinn gänzlich völlig außen vor bleibt,  ist die Frage, wie sich die Migration auf die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung ausgewirkt hat und wie dieser Staat funktionieren würde, wenn die 6,6 Millionen in Deutschland lebenden Ausländer nicht da wären. Wer wie Sinn da nur den Anteil an Einnahmen und Ausgaben des Staates schematisch auf den Einzelnen umrechnet, springt deutlich zu kurz.

Hans-Werner Sinn fordert eine ideologiefreie und nicht vom Streben nach politischer Korrektheit getriebene Debatte über die Migrationspolitik. Wie glaubwürdig kann eine solche Forderung sein, wenn sie auf einer tendenziösen und in hohem Maße ideologisch geprägten Argumentation fußt? Es stellt sich daneben vor allen Dingen aber auch die Frage, wozu eine solche Debatte führen sollte. Sinn meint, man müsse mit einer aktiven Bevölkerungspolitik darauf hinwirken, dass die Kinderzahl wieder steige. Das ist mit Verlaub gänzlich realitätsfern und geht von der unzutreffenden Annahme aus, der Staat könne durch geeignete familien- oder steuerpolitische Maßnahmen die Geburtenraten beliebig und signifikant beeinflussen. Die aktuelle demographische Entwicklung wird allerdings seit Jahrzehnten ziemlich exakt vorausgesagt, alle politischen und gesetzgeberischen Maßnahmen, die versucht haben, dem entgegenzuwirken, sind krachend gescheitert. Selbst wenn man an der zu niedrigen Geburtenrate politisch entscheidend etwas ändern könnte, würden sich solche Maßnahmen erst in Jahrzehnten auswirken. Bis dahin kann diese Gesellschaft ohne nennenswerte Migration überhaupt nicht überleben.

Wer die gesellschaftliche Situation in Deutschland nüchtern und pragmatisch betrachtet, wird schwerlich so argumentieren können wie Sinn. Wenn der Präsident des Ifo-Instituts, das vorwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert wird – und damit rein rechnerisch auch ein Verlustgeschäft für den Staat darstellt – gegen Migration anschreibt, dann muss man dahinter Rassismus vermuten, der sich nur das Deckmäntelchen der Wissenschaftlichkeit übergeworfen hat. Es handelt sich zumindest um einen rechtslastigen Debattenbeitrag, der alles ist, aber nicht ideologiefrei. Die politische Debatte muss auch nicht ideologiefrei sein, denn es geht bei ihr immer auch um politische und weltanschauliche Grundüberzeugungen. Nur sollte ein Hans-Werner Sinn dann auch auch offen und ehrlich einräumen, wo er politisch steht und nicht den Eindruck einer streng sachlichen und auf wissenschaftlichen Fakten basierenden Argumentation erwecken. Das zum Ausdruck kommende Menschenbild, das den Wert des Menschen ausschließlich an seinem ökonomischen Nutzen für den Staat misst, wäre dann noch ein Thema für sich.

Update:
Völlig anders, aber vermutlich überzeugender als ich, hat Antje Schrupp begründet, warum sie den Thesen Sinns nicht abgewinnen kann. Und SPON fragt, ob die AfD einen neuen Chefökonomen hat.

posted by Stadler at 17:14  

17.12.14

Pegida und die Milchpreise

Wenn man der Meinung ist, der Milchpreis in Deutschland sei zu hoch, dann bietet es sich an, eine Bewegung zu gründen, die möglichst vielen Menschen Angst macht und ihnen einredet, dass der Michpreis weiter ansteigen wird. Der Umstand, dass der Milchpreis gerade lausig niedrig ist, stört hierbei nicht, denn diese Tatsache lässt sich leicht als Propaganda der einheimischen „Lügenpresse“ abtun, der man angesichts ihrer Linksorientierung ohnehin nichts mehr glaubt. Um eine wachsende Zahl von Leuten zu Demonstrationen auf die Straße zu bringen, empfiehlt es sich dann, möglichst alle diejenigen einzusammeln, die aus unterschiedlichen Gründen irgendwie gegen das aktuelle System sind und der Milchmafia immer schon mal ganz gehörig die Meinung sagen wollten.

So ähnlich funktioniert die Bewegung Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes). Allerdings mit dem kleinen aber wesentlichen Unterschied, dass bei Pegida (Neo-)Nazis am Werk sind, die geschickt diejenigen um sich scharen, die nur allzu gerne den Blendern und Rattenfängern nachlaufen. Diese Menschen erreicht man mit Fakten meistens nicht. Es hilft also wenig, ihnen zu erklären, dass eine Islamisierung Deutschlands überhaupt nicht droht und die 6,6 Millionen Ausländer in Deutschland 22 Milliarden Euro mehr in die Sozialsysteme einzahlen als sie entnehmen.

Bezeichnenderweise sind die Proteste gerade dort am stärksten (Dresden), wo die wenigsten Muslime in Deutschland leben. Der Postillon hat diesen Umstand gestern in seiner unnachahmlichen Weise aufgegriffen.

Was mich allerdings in den letzten Tagen zusätzlich erstaunt hat, war dieser Beitrag auf SPON und Tweets in denen mir z.B. erklärt wurde, dass Pegida auch Kritik an dem Freihandelsabkommen TTIP, an den Lobbyisten und dem System der großen Koalition sei. Die von SPON interviewten gaben u.a. an, gegen Rundfunkbeiträge, Waffenexporte, Krieg, gegen die NATO, gegen das Parteiensystem oder das Rentensystem zu sein.

Mir fällt es einfach schwer, das Ausmaß dieser Irrationalität auch nur ansatzweise nachvollziehen zu können. Wer gegen Waffenexporte und Krieg ist,  geht also am Besten auf eine Demo gegen steigende Milchpreise, um seiner Haltung Nachdruck zu verleihen?

Wer Pegida unterstützt, sollte jedenfalls wissen, dass er damit den Nazis hinterherläuft, die versuchen, die aktuelle Stimmung, die in kleinen Teilen der Bevölkerung herrscht, für ihre Zwecke zu nutzen. Oder um es (abgewandelt) mit Adorno zu sagen: Es gibt keinen richtigen Widerstand im falschen.

posted by Stadler at 10:56  

3.12.14

Warum funktioniert die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste nicht?

Was der NSA-Untersuchungsausschuss zu den Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes (BND) zutage fördert, belegt, was man schon immer vermuten musste. Die parlamentarische Kontrolle der (deutschen) Geheimdienste funktioniert nicht nur nicht gut, sie funktioniert überhaupt nicht. Es handelt sich um ein rechtsstaatliches Placebo, das als Korrektiv vollständig versagt hat. Der verfassungsrechtliche Sündenfall beginnt bereits mit Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG der lautet:

Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.

Diese Regelung im Grundgesetz wurde 1968 durch die sog. Notstandsgesetze eingefügt. Sie schränkt den effektiven Rechtsschutz den Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet, ein und stellt meines Erachtens neben der Asylregelung der 90’er Jahre die wesentliche freiheitsfeindliche Einschränkung des Grundrechtsschutzes gegenüber der ursprünglichen Fassung des Grundgesetzes dar.

Dennnoch verfügt das Parlament im Grunde über alle notwendigen gesetzlichen Instrumentarien um die Dienste effektiv zu kontrollieren. Allein die Abgeordneten machen davon keinen Gebrauch. Das Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKGrG) gibt dem Parlament weitreichende Möglichkeiten. § 4 Abs. 1 PKGrG besagt:

Die Bundesregierung unterrichtet das Parlamentarische Kontrollgremium umfassend über die allgemeine Tätigkeit der in § 1 Absatz 1 genannten Behörden und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Auf Verlangen des Parlamentarischen Kontrollgremiums hat die Bundesregierung auch über sonstige Vorgänge zu berichten.

Es kommt aber in § 5 Abs. 1 und 2 PKGrG noch besser:

Soweit sein Recht auf Kontrolle reicht, kann das Parlamentarische Kontrollgremium von der Bundesregierung und den in § 1 genannten Behörden verlangen, Akten oder andere in amtlicher Verwahrung befindliche Schriftstücke (…) herauszugeben und in Dateien gespeicherte Daten zu übermitteln sowie Zutritt zu sämtlichen Dienststellen der in § 1 genannten Behörden zu erhalten.
Es kann Angehörige der Nachrichtendienste, Mitarbeiter und Mitglieder der Bundesregierung sowie Beschäftigte anderer Bundesbehörden nach Unterrichtung der Bundesregierung befragen oder von ihnen schriftliche Auskünfte einholen.

Bereits die Lektüre dieser gesetzlichen Vorschriften zeigt, dass die Parlamentarier jede Menge Möglichkeiten haben, bis hin zu Zutrittsbefugnissen bei den Diensten.

Wie die Wirklichkeit aussieht, möchte ich anhand der aktuellen Praxis der TK-Überwachung durch den BND erläutern. Der BND erhebt Meta-Daten und Inhalte von E-Mails in großem Stil. Wer daran bislang noch zweifelte, wird nicht nur durch die Aussagen von BND-Mitarbeitern im NSA-Untersuchungsausschuss widerlegt, sondern auch durch eine aufschlussreiche Passage in einem aktuellen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.05.2014.

Im Urteil (Rn. 24) wird beschrieben, dass der vom BND verpflichtete TK-Betreiber den gesamten Telekommunikationsverkehr an den BND ausleitet. Der TK-Verkehr wird also nicht erst anhand von Suchbegriffen erfasst, wie es die gesetzliche Regelung in § 5 Abs. 2 G-10-Gesetz an sich vorsieht. Vielmehr dienen die Suchbegriffe nur der Durchsuchung eines zuvor vom BND bereits erfassten und gespeichterten Datenpools.

Der BND speichert also Metadaten und Inhalte von E-Mails in großem Umfang und wertet diese anschließend aus. Obwohl bereits dies einen Eingriff in Art. 10 GG darstellt, findet man in der jährlichen Unterrichtung des Bundestages durch das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) dazu rein gar nichts. Das BVerwG hat unlängst klargestellt, dass jede Kenntnisnahme, Aufzeichnung und Verwertung von Kommunikationsdaten eines Bürgers in den Schutzbereich von Art. 10 GG eingreift. Die Existenz dieses riesigen Datenpools, der auf einem Grundrechtseingriff von enormem Ausmaß basiert, wird in der jährlichen Unterrichtung des Bundestages schlicht verschwiegen. Der jährliche Bericht suggeriert vielmehr, dass nur einige Millionen E-Mails pro Jahr ausgewertet werden. Diese Darstellung verharmlost und verzerrt das tasächliche Ausmaß der TK-Überwachung durch den BND vollständig.

Die Bundesregierung und der BND informieren das Parlament über das tatsächliche Ausmaß der TK-Überwachung durch den BND also nicht. Die fast zynische Haltung der Bundesregierung wird deutlich, wenn man sich ihre Antworten auf eine kleine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion ansieht:

Frage: Hält die Bundesregierung weiterhin an ihrer Aussage fest, dass Bundesbehörden keine einzelnen Metadaten in großen lnternetknoten wie DE-CIX filtern, obwohl dies vom Abhördienstleister und Zulieferer deutscher Behörden Utimaco berichtet wird?

Antwort: Der Bundesregierung ist eine solche Aussage nicht bekannt.

Frage: Falls die Bundesregierung nicht an ihrer Aussage festhält, inwiefern und auf welche Weise werden der Internetknoten DE-CIX bzw. andere entsprechende Schnittstellen von Glasfaserkabeln durch welche Bundesbehörden überwacht?

Antwort: Auf den VS-Geheim eingestuften Antwortteil gemäß Vorbemerkung wird verwiesen.

Zusammengefasst sagt die Bundesregierung also folgendes: Wir haben doch nie behauptet, dass der BND am DE-CIX und anderen Internetnoten keine Metadaten ausfiltert. Was der BND genau macht und in welchem Umfang Metadaten erfasst werden, sagen wir aber nicht, da geheimhaltungsbedürftig.

Warum aber lässt sich das Parlament von Bundesregierung und BND derart am Nasenring durch die Manege führen? Der Umstand, dass die jeweilige Bundesregierung auch immer die Bundestagsmehrheit hinter sich hat, ist als Begründung naheliegend, aber nicht ausreichend. Wir haben es insgesamt mit einem politischen System zu tun, das sich mehrheitlich de facto nicht (mehr) vorrangig an den Vorgaben der Verfassung orientiert und an den Interessen der Bürger. Dieses politische System ist deshalb schon gar nicht willens, die Geheimdienste effektiv zu kontrollieren und die Einhaltung der rechtsstaatlichen Vorgaben zu gewährleisten.

Es bleibt daher vermutlich einmal mehr nur die Hoffnung auf das Bundesverfassungsgericht, zumal der öffentliche Druck in diesen Fragen zwar da ist und auf einem gewissen (niedrigen) Level auch anhält, aber nicht ausreichend sein dürfte, um letztlich die rechtsstaatlich gebotene Eindämmung der Massenüberwachung durch die Geheimdienste zu bewirken.

posted by Stadler at 11:16  

25.8.14

Der No-Spy-Erlass des BMI

Das Bundesministerium des Inneren hat vor einigen Tagen seinen „No-Spy-Erlass“ an das Beschaffungsamt des BMI sowie eine Erläuterung (Handreichung) dieses Erlasses veröffentlicht.

Kernpunkt ist die Vorgabe von Vertragsklauseln bei „Vergabeverfahren mit möglicher Sicherheitsrelevanz“. Wer sich um einen öffentlichen Auftrag bewirbt, muss danach bereits im Vergabeverfahren erklären, dass er nicht verpflichtet ist, ausländischen Sicherheitsbehörden vertrauliche Informationen zu offenbaren. Im Zweifel hat der Bieter die Vergabestelle auf Offenlegungspflichten gegenüber ausländischen Sicherheitsbehörden hinzuweisen.

Der Auftragnehmer der den Zuschlag erhalten hat, muss sich vertraglich verpflichten, den öffentlichen Auftraggeber sofort schriftlich zu benachrichtigen, sobald er die Einhaltung der Vertraulichkeitsverpflichtung nicht mehr gewährleisten kann.

Ob derartige vertragliche Klauseln tatsächlich etwas bringen, mag man bezweifeln, der Erlass zeigt aber, dass man beim BMI mittlerweile erkannt hat, dass bestimmte Dienstleister, insbesondere im Bereich der IT, tatsächlich Informationen an ausländische Geheimdienste liefern.

posted by Stadler at 21:16  

22.8.14

Bericht eines Teilnehmers über die Diskussionsrunde „Forum digitale Gesellschaft“ bei Innenminister de Maizière

Rigo Wenning (Legal Counsel des W3C) hat am 21.08.2014 an einer Expertenrunde im Innenministerium zum Thema „Big Da­ta – ei­ne Her­aus­for­de­rung für den Datenschutz“ teilgenommen. In diesem Gastbeitrag für internet-law berichtet er aus seiner Sicht über diese Gesprächsrunde.

Auf Einladung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière traf sich am 21. August eine illustre Runde hochrangiger Vertreter aus Industrie und Forschung im Innenministerium, um über big data und Datenschutz zu reden. Ein Video der Veranstaltung ist verfügbar. Der offizielle Berichtstext wird der Veranstaltung aber nur teilweise gerecht.

Eröffnet wurde die vom Minister moderierte Runde mit der Frage, wie sich big data eigentlich definiere, wenn man es mit dem altbackenen Begriff der Statistik vergleicht. Der Rückgriff auf die Statistik war rechtlich intelligent. Alle kritisieren derzeit die Digitale Agenda Deutschland und die dafür zuständigen Minister. Entgegen der Kritik zu Sigmar Gabriel bei Netzpolitik.org muss zuerst gesagt werden, dass de Maizière inhaltlich beim rechtlichen Datenschutz kaum Schwächen gezeigt hat. Dass rechtlich die richtigen Themen angesprochen wurden, ist nicht zuletzt auch sein Verdienst.

Volker Markl vom DFKI erklärte uns, was big data ausmacht: Die lernfähigen Systeme, die Dynamik und Masse der Daten und die neuartigen Abfragetechniken. Björn Bergh ergänzte mit einer Erklärung, wie medizinische Datenanalysen innerhalb eines Klinikums datenschutzrechtlich realisiert werden. Schwierig wird es insbesondere, wenn Daten aus verschiedenen Institutionen für die Medizinforschung europaweit zusammengeführt werden sollen. Wrobel und Eckert, beide von Fraunhofer, komplettierten das Bild. Alle hatten eine enge Brille auf, die von ihrem Fachgebiet und ihren Interessen bestimmt war. Mir fehlte besonders die Erwähnung des Internet of Things und der notwendigen Interoperabilität der Daten, um überhaupt solche Datenmengen zu einer kritischen Masse zusammenzufassen. Man hatte das Gefühl, es gehe um data warehouse und data mining, also alten Wein in neuen Schläuchen. Das blieb auch in der gesamten Debatte so, mit Ausnahme der Beiträge von crowdflow.com. Insofern kam beim Minister an, dass die Datenbanken jetzt größer sind. Man könne nun neue Dinge aus den größeren Datenbanken abfragen. Es gehe bei big data letztlich darum, dass man alte Daten neu befragt. In einem Satz, big data und die Zweckbindung personenbezogener Datensammlung sind Feinde. Ausnahme war nur, dass ein Startup ein Problem mit der Datengewinnung hat und damit gegen-UBER einen Nachteil habe.

Die Frage nach dem wirtschaftlichen Nutzen von big data war eine berechtigte. Die Forscher konnten sehr interessante Dinge berichten und hoffen weiter auf bahnbrechende Erkenntnisse durch big data-Analysen. Die Frage an die Wirtschaft wurde aus meiner Sicht weniger überzeugend beantwortet und verlor sich teilweise im Klein-Klein der konkreten Datenschutz-Petita. Es gab das übliche Argument zur Optimierung der Geschäftsprozesse. Was bei big data neu ist, kam nicht wirklich heraus. Das kann auch daran liegen, dass sich alle in der Runde sehr schnell über die Bedeutung von big data für Dinge wie Industrie 4.0 einig waren.

Dann ging es um Lösungen und ich kam nun ein einziges Mal in 3 Stunden zu Wort. Ich habe dann versucht das Boot ein wenig zum Schaukeln zu bringen. In technischer Hinsicht bestand keine Hoffnung, denn die Runde war nicht „Restful“. Aber zu rechtlichen Themen ist mir ein Aufrütteln in zweierlei Punkten gelungen: Zuerst habe ich meine Fundamentalkritik am Datenschutz angebracht, und das generelle Verbot mit Erlaubnisvorbehalt im Datenschutz als ein grundsätzliches Problem entlarvt.

Dann habe ich angeboten, dass die Datenschutzverordnung mittelfristig durch eine Öffnungsklausel für akzeptierte technische Standards eine gewisse Rechtssicherheit für innovative Unternehmen und Investoren schaffen kann. So funktioniert letztlich auch Web-Standardisierung. Es entsteht ein level-playing-field, in dem alle sich an gewisse Regeln halten müssen, und die eine sichere Basis für weitere Innovation liefert. Nehmen wir nochmal crowdflow.com. Deren datenschutzrechtliche Sorge ist vor allem das Sammeln von Positions- oder Geodaten. Diese kommen personenbezogen an und werden dann auf die notwendige Information kondensiert. Der Rest wird – inklusive des Personenbezuges – gelöscht. Das machen fast alle Dienste, die englisch unter dem Stichwort „location based services“ zusammengefasst werden. Ein technischer Standard zur Frage, was wann gelöscht werden muss, würde hier enorm helfen. Die technische Beschreibung hat keinen Platz in der Datenschutzverordnung selbst, und sollte in einem Standard geregelt werden. Deswegen braucht man eine Ermächtigung und einen Prozess, die es der Europäischen Kommission erlauben, eine von allen akzeptierte, technische Lösung, nach Durchsicht durch die Datenschützer, rechtlich verbindlich zu machen.

Der Minister nannte das dann „Schneisen schlagen“, was ein innovatives Potential zu Begrifflichkeiten seinerseits zeigte. Das wurde von der Runde aufgenommen und weiter entwickelt. In der IETF hätte man von „rough consensus“ gesprochen. Es sollte nun versucht werden, das Albrecht-Amendment 108 zu retten, oder den Ratsentwurf um eine vergleichbare Lösung zu ergänzen. Das Innenministerium hat hierzu durchaus eigene Vorstellungen. Die Hoffnung besteht darin, dass ein erster Ansatz geschafft ist. Denn die Aufmerksamkeit für das Problem wurde erzielt. Also hat sich der 18-Stunden-Trip nach Berlin, trotz einer 6-Minuten-Intervention, am Ende gelohnt.

Der erste Punkt, die Fundamentalkritik, wurde von Matthias Cornils erneut in die Diskussion eingeführt. Leute, die Popcorn mögen, sollten sich im Video seine fulminante Intervention ansehen. Denn auf „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“ reagierte er mit Masings Fundamental-Kritik am Datenschutz nach der Entscheidung des EuGH. Zur Google-Entscheidung des EuGH hatte der Blogherr eine Sammlung angelegt. Aus meinen Beiträgen zum Thema hatte ich eine eigene Fundamentalkritik abgeleitet, die aber der von Masing sehr ähnlich ist. Erstaunlich, dass ich ohne von seinem Vermerk zu wissen, so nahe am Ergebnis von Masing bin.

posted by Stadler at 19:45  

5.8.14

CSU fordert Entlassung von Bundestagsjuristen

Die CSU hat doch tatsächlich gefordert, den Mitarbeiter des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, der den von der CSU initiierten Mautplänen in einem Rechtsgutachten Europarechtswidrigkeit bescheinigt hat, zu entlassen. CSU-Generalsekretär Scheuer wird von der SZ dahingehend zitiert, dass dieser Jurist niemals mehr für den Wissenschaftlichen Dienst arbeiten dürfe.

Soll der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages also künftig keine neutralen Gutachten und Stellungnahmen mehr verfassen, sondern nur noch die (rechtswidrigen) Meinungen von Parteien wiederkäuen? Wird jetzt jedes mal, wenn die Aussagen des Wissenschaftlichen Dienstes einer Fraktion oder Partei nicht passen, die Entlassung des verantwortlichen wissenschaftlichen Mitarbeiters gefordert?

Dass die Mautpläne der Bundesregierung in ihrer jetzigen Form gegen europäisches Recht verstoßen, ist in juristischen Fachkreisen nahezu einhellige Ansicht. Nur politische Schaumschläger wie Scheuer oder Dobrindt behaupten etwas anderes. Der Staats- und Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler erläutert in einem Beitrag für die LTO, wie eine europarechtskonforme Gestaltung aussehen müsste.

Der Versuch, den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages aus politischen Gründen einzuschüchtern, ist schändlich.

posted by Stadler at 16:08  

4.8.14

Warum Snowden auf der Seite des Rechts steht

An manchen Tagen ist die morgendliche Lektüre der Süddeutschen tatsächlich eine Freude. In der heutigen Ausgabe (Feuilleton, S. 9) befasst sich Heribert Prantl unter dem Titel „Nothilfe für das Recht“ einmal mehr mit Edward Snowden und rückt ihn ins rechte Licht, in das Licht des Rechts.

Prantl erläutert, warum es einem Rechtsstaat nicht erlaubt sein darf, die Aufdeckung von illegalem Staatshandeln mit Mitteln des Strafrechts zu verhindern bzw. zu sanktionieren. In diesem Zusammenhang erwähnt Prantl auch, dass der Verrat illegaler Staatsgeheimnisse nach deutschem Recht nicht strafbar ist, ein Aspekt auf den ich hier mehrfach hingewiesen habe.

Prantl vergleicht die Haltung derjenigen, die die strafrechtliche Verfolgung Snowdens fordern, mit dem Denken der Richter, die den Journalisten und späteren Nobelpreisträger Carl von Ossietzky im sog. Weltbühne-Prozess 1931 wegen des Verrats militärischer Geheimnisse zu 18 Monaten Haft veurteilt hatten.

Prantls Artikel ist einmal mehr ein Plädoyer für das Whistleblowing und begründet überzeugend, warum Snowden auf der Seite des Rechts steht und die US-Aministration die ihn verfolgt auf derjenigen des Unrechts. Prantl macht außerdem deutlich, dass die Relativierung des Rechts aus machtpolitischen Gründen ein immerwiederkehrendes geschichtliches Phänomen ist, dem man zu jeder Zeit ablehnend gegenüberstehen muss. Danke Heribert Prantl für diese klare Sicht der Dinge.

posted by Stadler at 10:06  

1.8.14

Die guten Ratschläge der SPD für Edward Snowden

Über die heuchlerische Haltung führender SPD-Politiker zur Geheimdienstaffäre und zu Edward Snowden hatte ich bereits gebloggt.

Nach Heiko Maas – zu dem Prantl bereits gesagt hat, was zu sagen war – meldet sich jetzt auch Thomas Oppermann mit heuchlerischen gutgemeinten Ratschlägen in Richtung Snowden zu Wort und mit einer erstaunlichen Aussage, die der Stern folgendermaßen wiedergibt:

Allerdings habe er wohl auch amerikanisches Recht gebrochen. Dafür werde er zur Rechenschaft gezogen. „Das wäre in Deutschland nicht anders.“

Der Jurist Oppermann hat vorsichtshalber ein abschwächendes „wohl“ eingefügt, denn es wird ihm bekannt sein, dass keineswegs unumstritten ist ob sich Snowden nach amerikanischem Recht strafbar gemacht hat. Darüber hinaus stellt sich auch die Frage, ob man Snowden in den USA nicht einer politischen Straftat bezichtigt – wie beispielsweise der Strafrechtler Nikolaos Gazeas meint – und er dort überhaupt ein faires Verfahren zu erwarten hätte.

Auch der zweite Teil der Aussage Oppermanns ist höchst fragwürdig. Denn nach deutschem Recht hätte sich Snowden vermutlich nicht strafbar gemacht. Jedenfalls hätte er, anders als in den USA, keine langjährige Haftstrafe zu erwarten.

Beim Verrat von Staatsgeheimnissen kommt es nach dem Strafgesetzbuch darauf an, ob der Bundesrepublik dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils für ihre äußere Sicherheit entstünde. Bereits das wäre im Fall eines Whistleblowers wie Snowden fraglich.

Der Verrat illegaler Staatsgeheimnisse – eine Massenüberwachung im Stile der NSA und erst recht die Foltermethoden der CIA wären nach deutschem Recht mit Sicherheit als illegal zu qualifizieren – ist nach deutschem Recht auch nur dann strafbar, wenn das Geheminis unmittelbar einer fremden Macht mitgeteilt wird. Die bloße Veröffentlichung genügt demgegenüber nicht. Damit wird vom Gesetzgeber dem rechtsstaatlichen Interesse an der Aufdeckung illegaler Vorgänge im staatlichen Bereich Rechnung getragen. Snowden hat aber nicht als Doppelagent Geheimnisse gegenüber einem Geheimdienst eines anderen Staates preisgegeben, sondern er hat nur Journalisten mit Daten und Informationen zum Umfang und Ausmaß der Tätigkeit der NSA versorgt und hierbei sogar ausdrücklich darauf geachtet, dass nicht konkrete Personen einer Gefahr ausgesetzt werden.

Ein weiterer Aspekt ist das Strafmaß. Selbst wenn man Snowden nach den Maßstäben des deutschen Rechts für strafbar halten würde, hätte er hierzulande anders als in den USA nicht mit einer langjährigen Haftstrafe zu rechnen.

Oppermanns Aussage „Das wäre in Deutschland nicht anders“ ist also falsch. Und das ist auch der Grund dafür, warum man dafür eintreten sollte, Snowden in Deutschland Asyl zu gewähren. Aber mutlose Opportunisten wie Thomas Oppermann und Heiko Maas sind für eine solche Position natürlich nicht zu gewinnen.

posted by Stadler at 10:20  

24.7.14

Bundesregierung nutzt die aktuelle Entwicklung zur Ausweitung von Geheimdienstaktivitäten

Die Süddeutsche titelt heute, dass Berlin jetzt auch befreundete Geheimdienste überwachen will. Es geht dabei aber nur um die Überwachung der Aktivitäten von ausländischen Diensten auf deutschem Boden durch den Verfassungsschutz. Der deutsche Auslansgeheimdienst BND ist ohnehin weltweit aktiv. Aus einem aktuellen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich, dass der BND fast die gesamte Welt überwacht, nämlich insbesondere den Telekommunikationsverkehr in und aus 150 Staaten und weiteren 46 Regionen.

Die Bundesregierung verfolgt also konsequent nur ein Konzept, nämlich das der Ausweitung der Aktivitäten deutscher Geheimdienste im In- und Ausland. Offenbar erscheint die Gegelegenheit dafür aktuell günstig, weil man der Öffentlichkeit nach den jüngsten Enthüllungen um amerikanische Spionage auf deutschem Boden die Notwendendigkeit einer solche Gegenspionage gut verkaufen kann. Die unkritische Berichterstattung aller großen Medien befördert eine solche Meinungsbildung. In einem Kommentar in der SZ wird zumindest erwähnt, dass der Schritt der Bundesregierung auch dem Ausbau des deutschen Sicherheitsapparats dienen könnte.

Jeder, der sich kurzfristig darüber gefreut haben sollte, dass Deutschland beim Thema Spionage den Amerikanern jetzt endlich Kontra gibt, sollte sich bewusst machen, dass damit nur die Überwachung insgesamt ausgeweitet wird. Für die an sich notwendigen Strategien zur Eindämmung von Geheinmdienstaktivitäten fehlt es leider auch in Deutschland an jedwedem politischen Willen.

Der Nutzen der Geheimdienstaktivitäten wird erst gar nicht analysiert und überprüft, ebensowenig wie die Bundesregierung an einer wirksamen rechtsstaatlichen Kontrolle der Dienste interessiert ist. Man behauptet die Notwendigkeit von Geheimdiensten sowie der ständigen Ausweitung ihrer Aktivitäten einfach, ohne jemals irgendeine Erfolgskontrolle durchgeführt zu haben. Weil uns die Amerikaner selbst in Deutschland ausspionieren, müssen wir jetzt einfach den Spieß umdrehen und zur Gegenspionage ausholen. Und diese Aufgabe kommt den Inlandsgeheimdiensten zu, die bei uns Verfassungsschutz heißen. Es waren aber gerade diese Behörden, die in der Vergangenheit wenig mitbekommen haben. Während man damit beschäftigt war, kritische Demokraten zu überwachen, konnte der NSU zehn Jahre lang ungestört agieren. Und diese Leute sollen jetzt NSA, CIA und GCHQ überwachen. Da kann man sich als Bürger bestimmt ganz entspannt zurücklehnen.

posted by Stadler at 09:46  
« Vorherige SeiteNächste Seite »