BND-Präsident Schindler: Völlig losgelöst von der Erde
Als ich den Hinweis auf diesen ZEIT-Online-Artikel auf Twitter gesehen habe, kam mir zuerst das hervorragende Satiremagazin Postillon in den Sinn. Die Aussage von BND-Präsident Schindler, wonach die Satellitendaten die der BND in Bad Aibling erhebt, ja eigentlich im Weltall erhoben werden, in dem keine deutschen Gesetze gelten, ist aber ganz offensichtlich keine Erfindung des Postillon, obwohl sie exakt danach klingt.
Das was BND-Präsident Schindler sagt, entspricht offenbar auch der Rechtsauffassung der Bundesregierung. Diese geht nämlich davon aus, dass es für die Auslandsaufklärung des BND überhaupt keiner speziellen gesetzlichen Ermächtigung bedarf. Das hat der Verfassungsrechtler Matthias Bäcker in seiner Stellungnahme für den NSA-Untersuchungsausschuss (S. 16 ff.) bereits deutlich kritisiert.
Das BVerfG hat bereits 1999 entschieden, dass das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG jedenfalls dann gilt, wenn ausländischer Fernmeldeverkehr mit Überwachungsanlagen aufgezeichnet wird, die sich auf deutschem Boden befinden. In der letzten Entscheidung des BVerfG zum G 10 heißt es ganz ausdrücklich:
Dabei wird bereits durch die Erfassung und Aufzeichnung des Telekommunikationsverkehrs mit Hilfe der auf deutschem Boden stationierten Empfangsanlagen des Bundesnachrichtendienstes eine technisch-informationelle Beziehung zu den jeweiligen Kommunikationsteilnehmern und ein – den Eigenarten von Daten und Informationen entsprechender – Gebietskontakt hergestellt. Auch die Auswertung der so erfaßten Telekommunikationsvorgänge durch den Bundesnachrichtendienst findet auf deutschem Boden statt. Unter diesen Umständen ist aber auch eine Kommunikation im Ausland mit staatlichem Handeln im Inland derart verknüpft, daß die Bindung durch Art. 10 GG selbst dann eingreift, wenn man dafür einen hinreichenden territorialen Bezug voraussetzen wollte.
(…)
Die Überwachung und Aufzeichnung internationaler nicht leitungsgebundener Telekommunikationen durch den Bundesnachrichtendienst greift in das Fernmeldegeheimnis ein.
Es ist also bereits eindeutig entschieden, dass Art. 10 GG zumindest dann gilt, wenn die Erfassung, Aufzeichnung und Auswertung der TK-Vorgänge auf deutschem Boden stattfinden. Das was der BND in Bad Aibling macht, unterliegt also einer vollständigen Grundrechtsbindung. Einfachgesetzlich bedeutet das, dass ausreichend klare Eingriffsermächtigungen vorliegen müssen, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen an Bestimmtheit und Normklarheit genügen. Wenn der sachliche Schutzbereich von Art. 10 GG eröffnet ist, kommt es für den Grundrechtsschutz weder auf die Staatsangehörigkeit noch auf auf den Aufenthaltsort des Kommunikationsteilnehmers an.
Der Verfassungsrechtler Matthias Bäcker zieht in seiner Stellungnahme für den NSA-Untersuchungsausschuss daraus folgende, zwingende Schlussfolgerung:
Die gegenwärtige Praxis der Auslandsaufklärung ist darum rechtswidrig und muss in dieser Form gestoppt werden. Um einen verfassungskonformen Rechtszustand herzustellen, könnte die strategische Auslandsaufklärung auf § 5 G 10 gestützt werden, der nach seinem Wortlaut als Rechtsgrundlage passt. Der BND müsste dann allerdings auch das gesetzlich vorgesehene Verfahren einhalten, um eine solche Aufklärung durchzuführen. Insbesondere wäre er der Kontrolle der G 10-Kommission unterworfen.
Der BND agiert also manchmal im Weltraum und dabei stets und in jedem Fall wie in dem alten NDW-Hit völlig losgelöst von der Erde. Und nicht nur das, er agiert damit leider auch völlig losgelöst von den Grundrechten in einem – nach eigenem Verständnis – gänzlich grundrechtsfreien Raum.
Man möchte deshalb gerade auch den Unionspolitikern, die uns matraartig immer wieder erklärt haben, dass das Internet kein rechtsfreier Raum sei, zurufen: Sorgt bitte dafür, dass der BND das Internet nicht weiter zum grundrechtsfreien Raum machen kann. Stoppt den Verfassungsbruch!