Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

5.3.15

Wieviel Prozent der Telekommunikation darf der BND eigentlich überwachen?

Auf netzpolitik.org ist gerade ein Beitrag erschienen mit dem Titel „Geheimer Prüfbericht: Wie der BND die gesetzlich vorgeschriebene 20-Prozent-Regel hintertreibt„.

Worum geht es hierbei genau? Das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G 10) ermächtigt den Bundesnachrichtendienst (BND) unter bestimmten Voraussetzungen, die § 5 G10 näher beschreibt, internationale Telekommunikationsbeziehungen zu überwachen. Das wird in § 10 Abs. 4 G10 aber weiter eingeschränkt, der wie folgt lautet:

In den Fällen der §§ 5 und 8 sind die Suchbegriffe in der Anordnung zu benennen. Ferner sind das Gebiet, über das Informationen gesammelt werden sollen, und die Übertragungswege, die der Beschränkung unterliegen, zu bezeichnen. Weiterhin ist festzulegen, welcher Anteil der auf diesen Übertragungswegen zur Verfügung stehenden Übertragungskapazität überwacht werden darf. In den Fällen des § 5 darf dieser Anteil höchstens 20 vom Hundert betragen.

Wenn in dem maßgeblichen Prüfbericht des BSI von einer gesetzlich geforderten Anteilreduzierung auf maximal 20 % des gesamten Auslandsverkehrs die Rede ist, entspricht das bereits im Ansatz nicht den gesetzlichen Anforderungen. Denn nach dem Gesetz muss in einem ersten Schritt das Gebiet (ein Land oder eine Region) definiert werden, auf das sich die konkrete Überwachungsmaßnahme bezieht. Der gesetzliche Anknüpfungspunkt ist also nicht pauschal der gesamte Auslandsverkehr, sondern immer nur ein bestimmtes Gebiet. Für dieses Gebiet müssen dann die Übertragungswege, die überwacht werden sollen, vom BND näher bezeichnet werden. Von der gesamten auf diesen Übertragungswegen zur Verfügung stehenden Übertragungskapazität darf nur ein Anteil von 20 % überwacht werden. Das bedeutet, dass die gesetzliche Regelung u.U. durchaus auch eine hunderprozentige Überwachung der vom BND definierten Übertragungswege ermöglicht, solange die Auslastung dieser Übertragungswege 20 % nicht überschreitet.

Abgesehen davon, dass die Einhaltung dieser 20 Prozentgrenze von niemandem effektiv kontrolliert werden kann, stellt sich natürlich die Frage der Vereinbarkeit der gesetzlichen Regelung mit Art. 10 GG.

Dass der BND die gesetzlich vorgeschriebene 20-Prozent-Regel hintertreibt, kann man allerdings nicht wirklich behaupten. Das Problem ist die gesetzliche Regelung, die verfassungswidrig sein dürfte. Denn diese Regelung ist – übrigens unter rot-grün 2001 eingeführt – gezielt so konzipiert worden, dass u.U. auch eine Vollüberwachung in Betracht kommt. Dass alle Übertragunswege in ein bestimmte Land/Gebiet vollständig ausgelastet sind, ist praktisch undenkbar. Wenn man also 20 % der Übertragungskapazität überwachen darf, dann ist vornherein klar, dass effektiv wesentlich mehr als 20 % der tatsächlich stattfindenden Kommunikation überwacht werden kann. Das war dem Gesetzgeber bewusst und von ihm so gewollt.

posted by Stadler at 12:10  

19.2.15

Unzulässige heimliche Videoüberwachung durch den Arbeitgeber

Ein Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer wegen des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit von einem Detektiv überwachen lässt, handelt rechtswidrig, wenn sein Verdacht nicht auf konkreten Tatsachen beruht. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 19.02.2015 (Az.: 8 AZR 1007/13) entschieden.

Die von dem beauftragten Detektiv heimlich angefertigten Videoaufnahmen und Fotos sind ebenfalls rechtswidrig. Eine solche Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erachtet das Bundesarbeitsgericht als derart schwerwiegend, dass sogar ein Geldentschädigungsanspruch („Schmerzensgeld“) begründet sein kann.

Ob solche heimlichen Videoaufnahmen zulässig sein können, wenn ein berechtigter Anlass des Arbeitgebers zur Überwachung gegeben ist, hat das BAG ausdrücklich offen gelassen.

Quelle: PM des BAG vom 19.02.2015

posted by Stadler at 16:15  

9.1.15

Und ewig lockt die Vorratsdatenspeicherung

Die Forderungen der CSU nach Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung und einer Verschärfung des Strafrechts sowie der CDU nach einer Ausweitung der Videoüberwachung im öffentlichen Raum als Konsequenz auf den Terroranschlag in Paris waren vorhersehbar.

Es handelt sich um das altbekannte schändliche Spiel mit der Angst der Bevölkerung vor Anschlägen, das einzig dem Zweck dient, Überwachungsbefugnisse auszuweiten.

Die Forderungen sind in höchstem Maße unseriös und irrational. Frankreich gehört zu den Ländern in der EU, die eine Vorratsdatenspeicherung seit Jahren praktizieren. Der Anschlag auf Charlie Hebdo konnte also trotz Vorratsdatenspeicherung nicht verhindert werden. Ein Umstand der wohl eher Anlass bietet die Frage zu stellen, ob eine Vorratsdatenspeicherung – ungeachtet aller rechtsstaatlicher Bedenken – überhaupt ein taugliches Instrument der Terrorbekämpfung darstellt. Auch im Hinblick auf eine Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen gibt es keinen Beleg dafür, dass hierdurch Straftaten verhindert werden. Bestes Beispiel hierfür sind die UK-Riots. Obwohl in England der öffentliche Raum bekanntermaßen mit Überwachungkameras übersät ist, war keinerlei Abschreckungseffekt erkennbar.

Die Forderung des CSU-Politikers Hans-Peter Uhl nach einer Verschärfung des Strafrechts ist purer Populismus. Es ist einerseits nicht klar, wie eine Verschärfung von § 80 StGB aussehen sollte, vor allem, wie man Gefährdern – die ja noch keine Straftaten begangen haben – über den Weg des Strafrechts begegnen will. Will Uhl den Straftatbestand des § 80 StGB (Vorbereitung eines Angriffskriegs) auf die Vorbereitung eines Terroranschlags ausweiten? Abgesehen davon, dass die Vorbereitung eines Angriffskriegs wenig Gemeinsamkeiten mit der Vorbereitung eines Terroranschlags aufweist, müssten auch in diesen Fällen ganz konkrete Vorbereitungshandlungen feststellbar und nachweisbar sein. Die Unterbindung von Gefährdungslagen ist an sich keine Aufgabe des Strafrechts, das nur repressiv wirkt, sondern vielmehr des präventiv ausgerichteten Polizei- und Sicherheitsrechts.

Wovor man wirklich Angst haben muss, ist die Irrationalität mit der die innen- und sicherpolitische Debatte in Deutschland geführt wird, gerade von Politikern wie Hans-Peter Uhl oder Stephan Mayer von der CSU.

posted by Stadler at 09:30  

3.12.14

Warum funktioniert die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste nicht?

Was der NSA-Untersuchungsausschuss zu den Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes (BND) zutage fördert, belegt, was man schon immer vermuten musste. Die parlamentarische Kontrolle der (deutschen) Geheimdienste funktioniert nicht nur nicht gut, sie funktioniert überhaupt nicht. Es handelt sich um ein rechtsstaatliches Placebo, das als Korrektiv vollständig versagt hat. Der verfassungsrechtliche Sündenfall beginnt bereits mit Art. 10 Abs. 2 S. 2 GG der lautet:

Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffenen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.

Diese Regelung im Grundgesetz wurde 1968 durch die sog. Notstandsgesetze eingefügt. Sie schränkt den effektiven Rechtsschutz den Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet, ein und stellt meines Erachtens neben der Asylregelung der 90’er Jahre die wesentliche freiheitsfeindliche Einschränkung des Grundrechtsschutzes gegenüber der ursprünglichen Fassung des Grundgesetzes dar.

Dennnoch verfügt das Parlament im Grunde über alle notwendigen gesetzlichen Instrumentarien um die Dienste effektiv zu kontrollieren. Allein die Abgeordneten machen davon keinen Gebrauch. Das Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKGrG) gibt dem Parlament weitreichende Möglichkeiten. § 4 Abs. 1 PKGrG besagt:

Die Bundesregierung unterrichtet das Parlamentarische Kontrollgremium umfassend über die allgemeine Tätigkeit der in § 1 Absatz 1 genannten Behörden und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Auf Verlangen des Parlamentarischen Kontrollgremiums hat die Bundesregierung auch über sonstige Vorgänge zu berichten.

Es kommt aber in § 5 Abs. 1 und 2 PKGrG noch besser:

Soweit sein Recht auf Kontrolle reicht, kann das Parlamentarische Kontrollgremium von der Bundesregierung und den in § 1 genannten Behörden verlangen, Akten oder andere in amtlicher Verwahrung befindliche Schriftstücke (…) herauszugeben und in Dateien gespeicherte Daten zu übermitteln sowie Zutritt zu sämtlichen Dienststellen der in § 1 genannten Behörden zu erhalten.
Es kann Angehörige der Nachrichtendienste, Mitarbeiter und Mitglieder der Bundesregierung sowie Beschäftigte anderer Bundesbehörden nach Unterrichtung der Bundesregierung befragen oder von ihnen schriftliche Auskünfte einholen.

Bereits die Lektüre dieser gesetzlichen Vorschriften zeigt, dass die Parlamentarier jede Menge Möglichkeiten haben, bis hin zu Zutrittsbefugnissen bei den Diensten.

Wie die Wirklichkeit aussieht, möchte ich anhand der aktuellen Praxis der TK-Überwachung durch den BND erläutern. Der BND erhebt Meta-Daten und Inhalte von E-Mails in großem Stil. Wer daran bislang noch zweifelte, wird nicht nur durch die Aussagen von BND-Mitarbeitern im NSA-Untersuchungsausschuss widerlegt, sondern auch durch eine aufschlussreiche Passage in einem aktuellen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.05.2014.

Im Urteil (Rn. 24) wird beschrieben, dass der vom BND verpflichtete TK-Betreiber den gesamten Telekommunikationsverkehr an den BND ausleitet. Der TK-Verkehr wird also nicht erst anhand von Suchbegriffen erfasst, wie es die gesetzliche Regelung in § 5 Abs. 2 G-10-Gesetz an sich vorsieht. Vielmehr dienen die Suchbegriffe nur der Durchsuchung eines zuvor vom BND bereits erfassten und gespeichterten Datenpools.

Der BND speichert also Metadaten und Inhalte von E-Mails in großem Umfang und wertet diese anschließend aus. Obwohl bereits dies einen Eingriff in Art. 10 GG darstellt, findet man in der jährlichen Unterrichtung des Bundestages durch das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) dazu rein gar nichts. Das BVerwG hat unlängst klargestellt, dass jede Kenntnisnahme, Aufzeichnung und Verwertung von Kommunikationsdaten eines Bürgers in den Schutzbereich von Art. 10 GG eingreift. Die Existenz dieses riesigen Datenpools, der auf einem Grundrechtseingriff von enormem Ausmaß basiert, wird in der jährlichen Unterrichtung des Bundestages schlicht verschwiegen. Der jährliche Bericht suggeriert vielmehr, dass nur einige Millionen E-Mails pro Jahr ausgewertet werden. Diese Darstellung verharmlost und verzerrt das tasächliche Ausmaß der TK-Überwachung durch den BND vollständig.

Die Bundesregierung und der BND informieren das Parlament über das tatsächliche Ausmaß der TK-Überwachung durch den BND also nicht. Die fast zynische Haltung der Bundesregierung wird deutlich, wenn man sich ihre Antworten auf eine kleine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion ansieht:

Frage: Hält die Bundesregierung weiterhin an ihrer Aussage fest, dass Bundesbehörden keine einzelnen Metadaten in großen lnternetknoten wie DE-CIX filtern, obwohl dies vom Abhördienstleister und Zulieferer deutscher Behörden Utimaco berichtet wird?

Antwort: Der Bundesregierung ist eine solche Aussage nicht bekannt.

Frage: Falls die Bundesregierung nicht an ihrer Aussage festhält, inwiefern und auf welche Weise werden der Internetknoten DE-CIX bzw. andere entsprechende Schnittstellen von Glasfaserkabeln durch welche Bundesbehörden überwacht?

Antwort: Auf den VS-Geheim eingestuften Antwortteil gemäß Vorbemerkung wird verwiesen.

Zusammengefasst sagt die Bundesregierung also folgendes: Wir haben doch nie behauptet, dass der BND am DE-CIX und anderen Internetnoten keine Metadaten ausfiltert. Was der BND genau macht und in welchem Umfang Metadaten erfasst werden, sagen wir aber nicht, da geheimhaltungsbedürftig.

Warum aber lässt sich das Parlament von Bundesregierung und BND derart am Nasenring durch die Manege führen? Der Umstand, dass die jeweilige Bundesregierung auch immer die Bundestagsmehrheit hinter sich hat, ist als Begründung naheliegend, aber nicht ausreichend. Wir haben es insgesamt mit einem politischen System zu tun, das sich mehrheitlich de facto nicht (mehr) vorrangig an den Vorgaben der Verfassung orientiert und an den Interessen der Bürger. Dieses politische System ist deshalb schon gar nicht willens, die Geheimdienste effektiv zu kontrollieren und die Einhaltung der rechtsstaatlichen Vorgaben zu gewährleisten.

Es bleibt daher vermutlich einmal mehr nur die Hoffnung auf das Bundesverfassungsgericht, zumal der öffentliche Druck in diesen Fragen zwar da ist und auf einem gewissen (niedrigen) Level auch anhält, aber nicht ausreichend sein dürfte, um letztlich die rechtsstaatlich gebotene Eindämmung der Massenüberwachung durch die Geheimdienste zu bewirken.

posted by Stadler at 11:16  

28.11.14

BND hält offenbar Totalüberwachung für weitgehend rechtlich zulässig

Das Interessanteste an der vieldiskutierten Anhörung des (ehemaligen) BND-Juristen Stefan Burbaum im NSA-Untersuchungsausschuss ist seine Aussage zur Auslegeung von § 10 Abs. 4 S. 2 G10-Gesetz. Die Vorschrift lautet:

Weiterhin ist festzulegen, welcher Anteil der auf diesen Übertragungswegen zur Verfügung stehenden Übertragungskapazität überwacht werden darf. In den Fällen des § 5 darf dieser Anteil höchstens 20 vom Hundert betragen.

In der Überwachungsanordnung in Fällen des § 5 (sog. strategische Fernmeldekontrolle) muss festgelegt werden, welcher Anteil der auf den Übertragungswegen zur Verfügung stehenden Übertragungskapazität überwacht werden darf, wobei dieser Anteil höchstens 20 % betragen darf.

Der BND versteht das nach der Aussage von Burbaum explizit so, dass bei einer Leitung, die nur zu 10 % ausgelastet ist, der gesamte Traffic abgegriffen werden darf. Die gesetzliche Einschränkung läuft also in diesem Fall leer. Da die Auslastung der Datenleitungen in sehr vielen Fällen unterhalb der 20%-Marke liegen dürfte, würde dies (nahezu) eine Komplettüberwachung legitimieren.

Kaum minder interessant ist die auch von Burbaum wieder angesprochene „Funktionsträgertheorie“ des BND, die besagt, dass jemand, der für eine ausländische juristische Person tätig ist, als deren Funktionsträger gilt und deshalb nicht mehr den Schutz der Grundrechte genießen soll, selbst dann, wenn er deutscher Staatsbürger ist. Da das BVerfG den Begriff der juristischen Person im Sinne von § 19 Abs. 3 GG – aus Gründen eines effektiven Grundrechtsschutzes wohlgemerkt – wei auslegt, fallen darunter auch nicht rechtsfähige Organisationen.

Das was man im Verfassungsrecht allerdings klassischerweise als Funktionsträgertheorie kennt, besagt etwas ganz anderes. Hierbei geht es nämlich um die Frage, ob ein Funktionsträger des Staates, beispielsweise ein Polizeibeamter, gleichzeitig Grundrechtsberechtigter sein kann. Das ist deshalb problematisch, weil in diesem Fall der für den Staat handelnde Polizeibeamte damit gleichzeitig Grundrechtsberechtigter und -verpflichteter wäre. Diese Kollision kann sich aber beim Funktionsträger nach Lesart des BND überhaupt nicht ergeben.

Das Konstrukt des BND versucht sich den Umstand zunutze zu machen, dass die Grundrechte grundsätzlich (nur) für inländische juristische Personen gelten (Art. 19 Abs. 3 GG). Hieraus folgt allerdings kein Grundrechtsausschluss für Funktionsträger juristischer Personen, soweit es sich nicht um Hoheitsträger handelt. Das Fernmeldegeheimnis schützt jedermann vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt. Betroffener eines solchen Eingriffs ist zunächst immer eine natürliche Personen, denn juristische Personen können nicht selbst kommunizieren. Wenn also eine inländische juristische Person betroffen ist, dann kann diese in ihrem eigenen Grundrecht betroffen sein, was aber nicht bedeutet, dass der abgehörte Mitarbeiter der juristischen Person deshalb seinen individuellen Grundrechtsschutz verliert. Denn schließlich ist es seine Individualkommunikation die überwacht wird. Dasselbe gilt spiegelbildlich auch für ausländische juristische Personen. Diese können sich, nach durchaus umstrittener Ansicht, selbt zwar nicht auf das Grundrecht berufen, der Grundrechtsschutz ihrer Mitarbeiter bleibt deshalb aber erhalten. Man hat hier im übrigen auch das Problem, dass das bei der strategischen Fernmeldekontrolle angewandte Staubsaugerprinzip natürlich nicht in der Lage ist, festzustellen, ob jemand im Einzelfall als Funktionsträger einer Organisation teelfoniert oder mailt oder vielleicht doch privat.

Der BND liefert eine weitere haarsträubende Rechtsauslegung, die keiner seriösen juristischen Bewertung standhält. Es zeigt sich einmal mehr, dass es dem BND einzig und allein darum geht, die Grundrechte auszuhebeln, wo es nur geht. Das entspricht einer leider auch in der Politik verbreiteten Tendenz, das Grundgesetz und die Grundrechte als Störfaktor zu betrachten. Und deshalb stützt die Bundesregierung das rechtswidrige Treiben des BND auch. Man würde sich in diesem Punkt dann zumindest wünschen, dass sich Merkel und ihr Kabinett offen dazu bekennen. Aber wenn es dieser Regierung an einem fehlt, dann ist es der Mut zur Wahrheit.

posted by Stadler at 15:32  

1.11.14

Beeindruckender neuer Überwachungscoup der Bundesregierung: Das Maut-Gesetz

Die Ankündigung des Verkehrsministeriums, dass die umstrittene Maut nun doch über eine elektronische Kennzeichenerfassung erfolgen soll, kam überraschend. Und man darf die Frage stellen, warum das sog. Gesetz zur Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen in dieser Form konzipiert worden ist.

Nach dem Gesetzesentwurf dürfen u.a. folgende Daten erhoben, gespeichert und benutzt werden:

1. Bild des Kraftfahrzeugs,
2. Name und Anschrift der Person, die das Kraftfahrzeug führt,
3. Ort und Zeit der Benutzung von Straßen im Sinne des § 1 Absatz 1,
4. Kennzeichen des Kraftfahrzeugs,
5. für die Abgabenhöhe maßgebliche Merkmale des Kraftfahrzeugs

Warum müssen diese Daten eigentlich elektronisch erfasst und gespeichert werden? Weil das Gesetz in § 9 einen Erstattungsanspruch vorsieht und zur Prüfung der Frage, ob die Erstattungsvoraussetzungen vorliegen, diese Daten verwendet werden sollen. Daran anknüpfend sieht § 12 Abs. 3 InfrAG die Löschung der oben genannten Daten vor, sobald feststeht, dass die Infrastrukturabgabe entrichtet worden ist und ein Erstattungsverlangen nicht zulässig ist oder ein Erstattungsverlangen nicht fristgerecht gestellt worden ist oder sobald ein eingeleitetes Erstattungsverfahren abgeschlossen ist.

Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Nur um nachträglich einen Erstattungsanspruch prüfen zu können, werden alle Orten und Zeiten zu denen ein jedes KFZ das in Deutschland eine mautpflichtige Straße benutzt hat, für die Dauer von deutlich über einem Jahr gespeichert, einschließlich von Fotos des Fahrzeugs (und des Fahrers) sowie der dazugehörigen Halterdaten. Das heißt, dass das Gesetz anordnet, vollständige Bewegungsprofile eines jedes deutschen Autofahrers zu erstellen und für einen längeren Zeitraum zu speichern.

Es handelt sich hierbei um eine Vorratsdatenspeicherung von enormem Ausmaß, bei der man im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung bereits die Erforderlichkeit verneinen muss. Für den Fall, dass das Fahrzeug während des Jahres abgemeldet wird, braucht man die Datenspeicherung nicht. Es reicht aus, wenn man dann einfach eine Regelung über die zeitanteilige Erstattung der Maut schafft. Dass man eine Erstattungsmöglichkeit für den Fall schafft, dass das Fahrzeug nachweislich das ganze Jahr über nicht auf mautpflichtigen Straßen bewegt wurde und dieser Nachweis dann gerade durch die umfangreiche Aufzeichnung der Daten aller Verkehrsteilnehmer erbracht wird, erscheint nahezu grotesk. Ein solcher Erstattungsanspruch kann ja überhaupt nur dann entstehen, wenn man mit dem Fahrzeug im ganzen Jahr überhaupt nicht auf Bundesstraßen oder Autobahnen gefahren ist. Auf diese Nachweismöglichkeit könnte mit Sicherheit gänzlich verzichtet werden, zumal vor dem Hintergrund, dass der vom Gesetz vorgesehene Nachweis eine massenhafte Vorratsdatenspeicherung erfordert und damit einen Eingriff in die Grundrechte aller deutschen Autohalter und -fahrer. Alternativ könnte man auch bei der erstmaligen elektronischen Erfassung eines deutschen Kennzeichens die Mautvoraussetzungen als erfüllt ansehen und demzufolge im Gesetz eine anschließende sofortige Datenlöschung anordnen. Das würde zumindest die Speicherdauer erheblich reduzieren.

Nach meinem ersten Eindruck ist das Gesetz verfassungswidrig. Es gibt andere, weniger eingriffsintensive Möglichkeiten um dasselbe Ziel und Ergebnis zu erreichen. Man kann sich daher des Eindrucks nicht erwehren, dass hier schlicht ein Überwachungssystem geschaffen werden soll, für das es  – jedenfalls wenn es um Zwecke der Maut geht – noch nicht einmal eine naheliegende Notwendigkeit gibt.

posted by Stadler at 21:41  

30.10.14

PKW-Maut jetzt doch mit elektronischer Kennzeichenerfassung

Die PKW-Maut soll jetzt entgegen der bisherigen Ankündigungen doch über ein System der elektronischen Kennzeichenerfassung wie bei der LKW-Maut erhoben werden. Vermutlich hat sich Verkehrsminister Dobrindt mit dieser Ankündigung nur deshalb so lange Zeit gelassen, weil er wusste, dass in diesem Punkt mit Widerstand von Datenschützern und Bürgerrechtlern zu rechnen ist.

Es wird auch nicht lange dauern, bis die üblichen Verdächtigen – Polizeigewerkschaften und innenpolitische Hardliner – fordern werden, die Daten, die ja dann schließlich schon da sind, auch zu polizeilichen Zwecken und zur Strafverfolgung zu verwenden.

Die Maut wird also möglicherweise kaum Einnahmen bringen, aber dafür wird ein weiteres elektronisches Überwachungsinstrumentarium eingeführt, das massenhaft Standortdaten von Fahrzeugen generiert.

posted by Stadler at 15:26  

15.9.14

Warum das G10-Gesetz und die TK-Überwachung durch den BND nicht verfassungskonform sind

Der Verfassungsrechtler Matthias Bäcker hat vor einigen Monaten im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages die Auffassung vertreten, dass die Auslandsaufklärung des BND rechtswidrig ist und, dass darüber hinaus verschiedene Vorschriften des G10-Gesetzes, u.a. die Vorschrift über die sog. strategische Fernmeldekontrolle (§ 5) wohl nicht verfassungskonform sind.

Dies erläutert Bäcker in einem Aufsatz in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Kommunikation & Recht (K&R 2014, 556) nochmals.

Bäcker weist darauf hin, dass der BND nach § 5 G10-Gesetz weiterhin nur internationale Telekommunikation überwachen darf. Dies setzte voraus, dass sich mindestens ein Kommunikationsteilnehmer im Ausland aufhält. Allerdings werden auch bei rein innerdeutscher Kommunikation die Inhalte mittlerweile vielfach über das Ausland geroutet. Viele Anbieter netzbasierter Telekommunikationsdienste sitzen außerdem im Ausland und/oder erbringen ihre Leistung mit informationstechnischen Systemen, die im Ausland stehen. Deshalb lasse sich, so Becker zutreffend, bei einer Überwachung eines Übertragungswegs überhaupt nicht zuverlässig feststellen, ob es sich um internationale Kommunikation im Sinne des Gesetzes handelt oder nicht. Man könne deshalb das Merkmal der internationalen Kommunikation allenfalls grob mit Faustregeln erfassen, die das Gesetz aber nicht vorgibt.

Es besteht deshalb nicht nur die konkrete Gefahr, sondern es erscheint nahezu unvermeidbar, dass der BND Inlandskommunikation, die er nach dem Gesetz nicht erfassen darf, in großem Umfang mitüberwacht.

Bäcker macht ferner deutlich, dass die im G10-Gesetz genannte Obergrenze von 20% für eine TK-Überwachung sich nach aktueller Auslegung auf die gesamte Übertragungskapazität und nicht auf das übertragene Volumen bezieht. Das würde allerdings dazu führen, dass deutlich mehr als 20 % der Telekommunikation überwacht werden kann, Bäcker spricht insoweit davon, dass die Obergrenze vielfach wirkungslos bleiben dürfte. Solange (nur) eine durchschnittliche Auslastung auf allen Übertragungswegen von 20% gegeben ist, würde diese Lesart der Regelung faktisch eine Totalüberwachung ermöglichen.

Bäcker ist zudem der Ansicht, dass die Regelung des § 5 Abs. 2 S. 3 G10-Gesetz verfassungswidrig ist. Danach dürfen keine Suchbegriffe verwendet werden, die Identifizierungsmerkmale enthalten, die zu einer gezielten Erfassung bestimmter Telekommunikationsanschlüsse führen. Diese Regelung soll aber für Anschlüsse im Ausland nur dann gelten, wenn der dortige Anschlussinhaber oder regelmäßige Nutzer deutscher Staatsangehöriger ist. Bäcker verweist insoweit darauf, dass Art. 10 GG kein Deutschengrundrecht ist, weshalb es auf die Staatsangehörigkeit ebensowenig ankomme, wie auf den Aufenthaltsort. Die gesetzliche Differenzierung beruht nach der Ansicht Bäckers damit auf keinem sachlichen Grund und verletzt Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 10 GG.

Bäcker weist schließlich auch noch darauf hin, dass sich das gesetzliche Verbot bestimmter Suchbegriffe auf Telekommunikationsanschlüsse bezieht. Insoweit ist Bäcker der Ansicht, dass E-Mail-Postfächer nicht als Anschlüsse in diesem Sinne zu betrachten sind, mit der Folge, dass E-Mail-Postfächer vom BND zielgerichtet ausgewertet werden könnten. Genau das hält Bäcker aber verfassungsrechtlich für nicht tragbar.

Es ist also höchste Zeit, dass das BVerfG sowohl das G10-Gesetz als auch die aktuelle Praxis der sog. strategischen Fernmeldekontrolle erneut zur Prüfung vorgelegt bekommt. Möglicherweise bietet ja das Verfahren des Kollegen Niko Härting hierzu bald Gelegenheit.

posted by Stadler at 10:00  

5.9.14

Bundesamt für Verfassungsschutz muss sämtliche Daten zu Gysi löschen

Nach einem Bericht der Leipziger Volkszeitung, auf den sich verschiedene andere Medien berufen, muss das Bundesamt für Verfassungsschutz sämtliche Daten zu Gregor Gysi löschen und alle diesbezüglichen Akten vernichten. Dies habe das Verwaltungsgericht Köln in einem Anerkenntnisurteil entschieden.

Wenn es sich tatsächlich um ein Anerkenntnisurteil handelt, heißt dies, dass die Bundesrepublik Deutschland als Beklagte des Verfahrens, den Klageanspruch von Gregor Gysi anerkannt hat. Das bedeutet dann aber auch, dass sich der Staat gegen die Klage überhaupt nicht verteidigt hat, weil es offenbar nicht ansatzweise ausreichende Erkenntnisse gab, die eine Beobachtung des Politikers der Linken gerechtfertigt hätten.

Das passt ins Bild einer Behörde, die primär damit beschäftigt ist, in rechtswidriger Art und Weise kritische Demokraten zu überwachen.

posted by Stadler at 21:12  

25.8.14

Der No-Spy-Erlass des BMI

Das Bundesministerium des Inneren hat vor einigen Tagen seinen „No-Spy-Erlass“ an das Beschaffungsamt des BMI sowie eine Erläuterung (Handreichung) dieses Erlasses veröffentlicht.

Kernpunkt ist die Vorgabe von Vertragsklauseln bei „Vergabeverfahren mit möglicher Sicherheitsrelevanz“. Wer sich um einen öffentlichen Auftrag bewirbt, muss danach bereits im Vergabeverfahren erklären, dass er nicht verpflichtet ist, ausländischen Sicherheitsbehörden vertrauliche Informationen zu offenbaren. Im Zweifel hat der Bieter die Vergabestelle auf Offenlegungspflichten gegenüber ausländischen Sicherheitsbehörden hinzuweisen.

Der Auftragnehmer der den Zuschlag erhalten hat, muss sich vertraglich verpflichten, den öffentlichen Auftraggeber sofort schriftlich zu benachrichtigen, sobald er die Einhaltung der Vertraulichkeitsverpflichtung nicht mehr gewährleisten kann.

Ob derartige vertragliche Klauseln tatsächlich etwas bringen, mag man bezweifeln, der Erlass zeigt aber, dass man beim BMI mittlerweile erkannt hat, dass bestimmte Dienstleister, insbesondere im Bereich der IT, tatsächlich Informationen an ausländische Geheimdienste liefern.

posted by Stadler at 21:16  
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