Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

5.3.15

Wieviel Prozent der Telekommunikation darf der BND eigentlich überwachen?

Auf netzpolitik.org ist gerade ein Beitrag erschienen mit dem Titel „Geheimer Prüfbericht: Wie der BND die gesetzlich vorgeschriebene 20-Prozent-Regel hintertreibt„.

Worum geht es hierbei genau? Das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G 10) ermächtigt den Bundesnachrichtendienst (BND) unter bestimmten Voraussetzungen, die § 5 G10 näher beschreibt, internationale Telekommunikationsbeziehungen zu überwachen. Das wird in § 10 Abs. 4 G10 aber weiter eingeschränkt, der wie folgt lautet:

In den Fällen der §§ 5 und 8 sind die Suchbegriffe in der Anordnung zu benennen. Ferner sind das Gebiet, über das Informationen gesammelt werden sollen, und die Übertragungswege, die der Beschränkung unterliegen, zu bezeichnen. Weiterhin ist festzulegen, welcher Anteil der auf diesen Übertragungswegen zur Verfügung stehenden Übertragungskapazität überwacht werden darf. In den Fällen des § 5 darf dieser Anteil höchstens 20 vom Hundert betragen.

Wenn in dem maßgeblichen Prüfbericht des BSI von einer gesetzlich geforderten Anteilreduzierung auf maximal 20 % des gesamten Auslandsverkehrs die Rede ist, entspricht das bereits im Ansatz nicht den gesetzlichen Anforderungen. Denn nach dem Gesetz muss in einem ersten Schritt das Gebiet (ein Land oder eine Region) definiert werden, auf das sich die konkrete Überwachungsmaßnahme bezieht. Der gesetzliche Anknüpfungspunkt ist also nicht pauschal der gesamte Auslandsverkehr, sondern immer nur ein bestimmtes Gebiet. Für dieses Gebiet müssen dann die Übertragungswege, die überwacht werden sollen, vom BND näher bezeichnet werden. Von der gesamten auf diesen Übertragungswegen zur Verfügung stehenden Übertragungskapazität darf nur ein Anteil von 20 % überwacht werden. Das bedeutet, dass die gesetzliche Regelung u.U. durchaus auch eine hunderprozentige Überwachung der vom BND definierten Übertragungswege ermöglicht, solange die Auslastung dieser Übertragungswege 20 % nicht überschreitet.

Abgesehen davon, dass die Einhaltung dieser 20 Prozentgrenze von niemandem effektiv kontrolliert werden kann, stellt sich natürlich die Frage der Vereinbarkeit der gesetzlichen Regelung mit Art. 10 GG.

Dass der BND die gesetzlich vorgeschriebene 20-Prozent-Regel hintertreibt, kann man allerdings nicht wirklich behaupten. Das Problem ist die gesetzliche Regelung, die verfassungswidrig sein dürfte. Denn diese Regelung ist – übrigens unter rot-grün 2001 eingeführt – gezielt so konzipiert worden, dass u.U. auch eine Vollüberwachung in Betracht kommt. Dass alle Übertragunswege in ein bestimmte Land/Gebiet vollständig ausgelastet sind, ist praktisch undenkbar. Wenn man also 20 % der Übertragungskapazität überwachen darf, dann ist vornherein klar, dass effektiv wesentlich mehr als 20 % der tatsächlich stattfindenden Kommunikation überwacht werden kann. Das war dem Gesetzgeber bewusst und von ihm so gewollt.

posted by Stadler at 12:10  

14 Comments

  1. Solche Gesetze dienen doch nur dazu, um gegebenenfalls Geheimdienstler, parieren diese nicht, absetzen, bestrafen und ersetzen zu können.

    Das ist System. Zum normalen Arbeiten müssen Gesetze überschritten werden. Betrifft nicht nur die Geheimdienste.

    So funktionieren Diktaturen, so funktioniert Deutschland Heute.

    Die Einhaltung kann die Öffentlichkeit nicht kontrollieren, falls doch, dan nur partiell, ungenau und schwer beweisbar. Die Behörde kann in solchen Fällen, – wird es brenzlich – wegen dem Persönlchkeitsrecht einer Behörde den Aufklärer empfindlich über die Gerichte bestrafen.

    Comment by Rolf Schälike — 5.03, 2015 @ 14:50

  2. Was ich total super finde ist ja das Ende von (2): „… Die Durchführung ist zu protokollieren. Die Protokolldaten dürfen ausschließlich zu Zwecken der Datenschutzkontrolle verwendet werden. Sie sind am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Protokollierung folgt, zu löschen.“
    Da sich der Untersuchungsausschuss und auch das parlamentarische Kontrollgremium wohl nicht mit Datenschutz befassen, dürfen die die Protokolle nicht mal angucken. Nur für den Datenschutz! Und ja am Ende des Folgejahres löschen. Alles vor Snowden und auch rund um Snowden ist schon weg.

    Comment by Tak — 5.03, 2015 @ 15:25

  3. „Denn diese Regelung ist – übrigens unter rot-grün 2001 eingeführt – gezielt so konzipiert worden, dass u.U. auch eine Vollüberwachung in Betracht kommt … Das war dem Gesetzgeber bewusst und von ihm so gewollt.“ Spätestens mit dem letzten Satz gibt sich Stadler einer hanebüchenen Verschwörungstheorie hin.

    Comment by Regierungs4tel — 5.03, 2015 @ 16:45

  4. Was ist denn daran verschwörungstheoretisch? Ich unterstelle nur, dass der Gesetzgeber nicht so dumm ist, den klaren Regelungsgehalt seines eigenen Gesetzes zu verkennen.

    Comment by Stadler — 5.03, 2015 @ 17:08

  5. Solange kein Zustimmungsgesetz vorliegt, sprechen wir von einem Gesetzgeber, der sich aus ca. 600 Bundestagsabgeordneten zusammensetzt, die auf dem Weg ins Plenum zur EFSF-Abstimmung nicht einmal die Größenordnung der damit verbundenen Bürgschaften angeben können

    https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2011/panorama3575.pdf

    Und denen unterstellen sie, sie hätten in Kenntnis ggf. der Unzulänglichkeit der G-10-Novelle diese durchgewunken?

    Comment by Regierungs4tel — 5.03, 2015 @ 18:31

  6. Vielleicht hat die Beschränkung auf „Kapazität“ auch einfach praktische Gründe. Eine Beschränkung auf Menge erforderte zusätzlich eine Zeitkomponente. In Echtzeit kann man die Menge nichtmal messen, geschweige denn sich darauf beschränken.

    Regeln sich die Netze nicht selbständig in der Art, dass sie sich selbständig ausbalancieren? Dann müssten durch 20% Kapazität auch statistisch 20% Datenmenge durchgehen. Manipuliert man, was durch welche Ader geht, hat man die gesetzliche Vorgabe „auf diesen Übertragungswegen zur Verfügung stehenden Übertragungskapazität“ verletzt. Ich sehe hier jedenfalls eine nicht zu beanstandende Regelung.

    Comment by Hm — 5.03, 2015 @ 18:36

  7. @5: ich schließe aus der Einlassung, dass Sie lieber von Volldeppen regiert werden wollen als von Leuten, die bewusst gegen die Interessen des Wahlvolkes arbeiten. Darf ich fragen, welchen Idioten Sie für sich am Start haben?

    Comment by M. Boettcher — 5.03, 2015 @ 19:39

  8. @5 Verschwörungstheorie hin, Verschwörungstheorie her.

    Bei der Durchsetzung irgendwelcher übergeordneter Interessen sind meist nur wenige bewusst dran beteligt. Die anderen machen einfach mit, sind schon eingetaktet. Das zu den 600 Bundestagsabgeordneten.

    Auich im 2. Weltkrieg wollten die meisten Soldaten und Offiziere sogar Generäle den Krieg und die Greutaten nicht so wie geschehen. Trotzdem geschahen diese, weil einige der Führer das so wollten. Hat geklappt.

    Comment by Rolf Schälike — 5.03, 2015 @ 20:03

  9. Da der BND mit allen Geheimdiensten im besten Datenaustausch steht, sehe ich kein Novum.

    Die ausländischen Geheimdienste forschen uns aus, der BND das Ausland und danach wird getauscht. Wie es früher schon die Kinder mit den Fussballbildern gemacht haben. Alles nett ins Album kleben und sich freuen, wenn das Album komplett ist.

    Wer läßt sich denn heute noch verarschen von diesen Trotteln? Hört doch auf, jetzt noch mit Prozentzahlen zu kommen. Diese Typen wollen alle Daten und bekommen sie auch.

    Man kann denen online immer nur wieder schreiben, daß sie einen mal da lecken können, wo man es am liebsten hat. Und sie können einem nichts, weil ja alles so geheim ist!!

    LOL!!! Boah, geht mir aus der Sonne, Ihr Überwachungswichser.

    Comment by Ned — 5.03, 2015 @ 21:08

  10. Ps. Schreibt diese Penner doch einfach mal an. CIA, NSA und BND haben Kontaktadressen.

    Kotzt Euch doch mal an der richtigen Adresse aus.

    Comment by Ned — 5.03, 2015 @ 21:34

  11. @ Nr.7: Man könnte in der Tat verzweifeln. Es liegt offenbar am Rekrutierungsmodus der Parteien:

    http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-02/sexuelle-gewalt-sexualstrafrecht/seite-2

    Comment by Regierungs4tel — 5.03, 2015 @ 23:42

  12. Ich hatte letztes Jahr mal was dazu geschrieben und geschaut, wie das beispielsweise am DE-CIX aussieht:
    http://blog.alvar-freude.de/2014/06/nsa-ueberwacht-wie-viel.html

    zu Nr. 3/4:
    Ob der *Gesetzgeber* damals das mit den 20% durchschaut hat weiß ich nicht, würde aber tatsächlich denken: nein. Aber in der Bundesregierung und angrenzenden Behörden gab es sicherlich jemanden, der das verstanden (und deswegen vorgeschlagen) hat. Möglich ist ansonsten auch, dass einfach eine alte Regelung aus der Analogzeit entsprechend übernommen wurde.

    Comment by Alvar — 6.03, 2015 @ 17:34

  13. Eine nahezu 100% Überwachung aller für den BND relevanten Daten (vorzugsweise dürfen das die E-Mails sein) ist auch dann möglich, wenn man die Daten vor der eigentlichen Tiefen „Filterung“ vorab schon mal vorfiltert.

    Man filtert also vorab erst einmal die „non interests“ heraus. Schmuddelstream von den üblichen P**no Seiten (die ja angeblich eh schon einen Großteil des Datenverkehrs im Web ausmachen), die üblichen Webe E-Mails im Massenversand, SPAM Schrott usw.

    Der Rest der schätzungsweise <20% übrig gebliebenen Daten wird dann einfach zu 100% überwacht.

    Es kommt eben immer darauf an wie geschickt man die Vorschriften auslegt. Und in solchen Definition ist ja der deutsche Jurist Weltmeister :-)

    Comment by Lars — 9.03, 2015 @ 16:49

  14. Zurück geht die Vorschrift ja auf das BVerfG das damit eine Totalüberwachung verhindern wollte. Und sie ist nicht so doof wie Herr Stadler meint:

    § 10 Abs. 4 Satz 4 G10 bestimmt dem Wortlaut nach ziemlich eindeutig, dass nicht die Übertragungskapazität eines (!) Kabels, sondern die „gesamte Übertragungskapazität der nach § 10 Abs. 4 Satz 3 G10 angeordneten (!!) Übertragungswege“ der Anknüpfungspunkt der 20-Prozent-Regel sind.

    Angeblich erfüllt der BND die Bestimmung, indem er z.B. von 10 Übertragungswegen einer Region oder eines Landes, die vom BMI angeordnet wurden, nur 2 Übertragungswege auswählt ( = 20%). Diese werden zu 100% erfasst, die anderen 8 dagegen mit 0%. Somit kann das BSI auch gar keine technischen Vorrichtungen prüfen, die der Einhaltung der 20%-Regel dienen. Die gibt es nicht und braucht es auch nicht. Dagegen ist eigentlich nichts einzuwenden und das stellt auch eine wirksame Beschränkung dar. Zwar kann der BND theoretisch das Fünffache an Übertragungswegen zur Anordnung beantragen – abhören darf er immer nur 20% davon.

    Eine Beschränkung auf den tatsächlich übertragenen Datendurchsatz eines Übertragungsweges ist dagegen schon vorneherein technischer Quatsch. Dürfte bei packetvermittelten Verkehren nur jedes 5. digitale Paket (oder Byte oder Kilobyte) erfasst werden dürfen, wären 100% Datenmüll die Folge. Das ist wie von einem Video nur jede 5. Minute ansehen zu können. Wenn aus technischen Gründen die Kapazität eines Kabels – wie heute üblich – nur zur einem Bruchteil ausgelastet ist, vermindert dies lediglich die Menge der vom BND zulässig ausleitbaren Daten und real das Datenvolumen der genehmigten 20% auf einen der angeordneten Übertragungswege.

    Comment by Anonymous — 16.03, 2015 @ 16:39

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