Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

2.11.12

Der „Deal“ im Strafrecht vor dem BVerfG

Das Bundesverfassungsgericht verhandelt am 07.11.2012 über die Zulässigkeit von Absprachen zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten bzw. seinem Verteidiger. Das Gesetz ermöglicht in § 257c StPO einen solchen „Deal“ im Strafverfahren unter gewissen Voraussetzungen.

Das BVerfG hat im Rahmen der zu verhandelnden Verfassungsbeschwerden Prof. Altenhain von der Universität Düsseldorf beauftragt, eine empirische Studie zur Praxis der Verständigung im Strafverfahren durchzuführen. Die Ergebnisse dieser Studie sind bereits durchgesickert, worüber die Süddeutsche in ihrer heutigen Ausgabe berichtet. Nach dem Bericht der Süddeutschen treffen mehr als die Hälfte der Strafrichter informelle Absprachen unter Umgehung von § 257c StPO. Außerdem, so die SZ, hält die Hälfte der Richter den Deal zwar für unverzichtbar, gleichzeitig wird die gesetzliche Regelung von der Richterschaft mehrheitlich aber für untauglich erachtet. Man darf gespannt sein, ob die Untersuchung vollständig veröffentlicht wird und welche Auswirkungen sie auf die Entscheidung des BVerfG haben wird.

Selbst als jemand, der nur gelegentlich Strafverteidungen macht, kennt man die Situation. Vom Gericht und von der Staatsanwaltschaft wird einem bedeutet, dass die Verurteilungswahrscheinlichkeit sehr hoch sei, während man gleichzeitig für den Falle des Geständnisses des Angeklagten einen spürbaren Strafnachlass in Aussicht gestellt bekommt. In dieser Situation lassen sich eine Reihe von Angeklagten zu einem Geständnis bewegen, weil man ihnen einerseits deutlich zu verstehen gibt, dass sie ohnehin verurteilt werden und es deshalb unklug wäre, auf den Strafnachlass zu verzichten. In dieser faktischen Drucksituation werden zwangsläufig auch falsche Geständnisse abgegeben. Andererseits führt der Deal bei komplexen Sachverhalten z.B. im Wirtschaftsstrafrecht gelegentlich auch zu unangemessen niedrigen Strafen. Beides wirft rechtsstaatliche Fragen auf. Die derzeitige gesetzliche Regelung wurde beispielsweise auch von BGH-Richter Thomas Fischer, der zugleich einer der bedeutendsten Strafrechtler hierzulande ist, mehrfach deutlich kritisiert.

posted by Stadler at 10:53  

27.10.12

Die Themen der Woche im Blog

TK-Überwachung: Auskunftspflicht über Bestandsdaten soll neu geregelt werden

Markenrecht: Kann das Zeichen @ als Marke eingetragen werden?

Urheberrecht/Filesharing: Gesetzesinitiativen zur Beschränkung der Störerhaftung

Datenschutz: Wie sinnvoll und wie demokratisch ist die geplante EU-Datenschutzgrundverordnung?

Soziale Netze: Wie Facebook mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeitet

Haftung/Urheberrecht: Haften Blogger für Embedded Content?

posted by Stadler at 13:52  

23.10.12

Wie Facebook mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeitet

Wer https://www.facebook.com/records aufruft, gelangt auf eine Seite mit dem Titel „Law Enforcement Online Requests“. Dort kann man als Polizeibehörde eine Abfrage der von Facebook gespeicherten Bestands- und Verkehrsdaten beantragen. Wenn man dort eine E-Mail-Adresse die zu einer deutschen Polizeibehörde gehört, eingibt – z.B. …@polizei.hessen.de – dann erhält man eine automatische Antwortmail mit einem Tokenlink. Wenn man diesen Link aktiviert, gelangt man anschließend auf ein internes Portal von Facebook für die Abfrage von Bestands- und Nutzungsdaten. Es gibt dort eine Suchfunktion namens „Record Request“ in der u.a. Angaben zur anfragenden Stelle und zum Tatvorwurf gemacht werden müssen, sowie dazu, aus welchem Zeitraum man Daten benötigt.

Im Anschluss erhält die anfragende Stelle von Facebook eine Eingangsbestätigung und eine Fallnummer. Über das Portal lässt sich der Status der Anfrage bis zur Beantwortung durch Facebook nachverfolgen. Das Prozedere ist u.a. in einem Infoblatt des hessischen LKA – das mir vorliegt – detailiert beschrieben.

Daneben hat Facebook für Polizei- und Strafverfolgungsbehörden ein Formular zum Anfordern von Daten eines Facebook-Profils sowie ein gesondertes Formular zur Offenlegung von Daten in Notfällen entwickelt. Die Details sind in den „Facebook-Richtlinien für Strafverfolgungsbehörden“ erläutert, einem Dokument, das Facebook als vertraulich und rechtlich geschützt bezeichnet.

Wie großzügig oder restriktiv Facebook mit diesen Tools umgeht und inwieweit hier Unterschiede nach der Art der anfragenden (nationalen) Behörden gemacht werden, ist mir leider nicht bekannt. Facebook kooperiert jedenfalls äußerst eng mit den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden. Wenn man außerdem berücksichtigt, dass Facebook möglicherweise auch die Chatkommunikation seiner Nutzer belauscht und aufzeichnet, dürfte sich hier für Ermittler ein interessanter Datenpool auftun.

posted by Stadler at 18:20  

17.9.12

Das BKA, die Cyberkriminalität und die Propaganda

Überall beglückt man uns heute mit der Überschrift

„BKA: Bedrohung durch Internetkriminalität nimmt zu“

Auch Heise und das Deutschlandradio lassen sich zur Übernahme dieser irreführenden Überschrift, die wohl von der dpa stammt, hinreißen. Wirft man einen Blick auf die Zahlen, die der ohnehin fragwürdigen Polizeilichen Kriminalstatisitik entnommen wurden, dann stellt man zunächst einen Rückgang der Delikte um einige hundert Fälle fest. Von Zunahme keine Spur. Wie kommt das BKA also zu dieser eher fragwürdigen These? Angeblich sei der – natürlich geschätzte – Schaden im Vergleich zum Vorjahr um 16 Prozent gestiegen. Gibt es für eine solche Schätzung zumindest in tatsächlicher Hinsicht ausreichend Anhaltspunkte? Das Papier des BKA erläutert hierzu:

Die Tatsache, dass zu lediglich zwei Deliktsbereichen eine statistische Schadenserfassung erfolgt, lässt zwar keine belastbaren Aussagen zum tatsächlichen monetären Schaden im Bereich Cybercrime zu, reicht aber nach hiesiger Einschätzung aus, um mittel- und langfristig zumindest Entwicklungstendenzen darzustellen.

Das spricht finde ich für sich und muss nicht weiter kommentiert werden.

Wir haben in diesem Bereich in Wirklichkeit vielmehr ein massives Problem mit einer Berichterstattung, die vom BKA eingefärbte Aussagen unkritisch übernimmt.

Um es ganz deutlich zu sagen: Im Bereich des Cybercrime ist weder ein Anstieg der Deliktszahlen noch der Schäden festzustellen. Jedenfalls aus dem vom BKA vorgelegten „Cybercrime Bundeslagebericht 2011“ ergibt sich beides bei näherer Betrachtung nämlich nicht. Das BKA macht alle Jahre wieder Stimmung und die Qualitätsmedien machen wie gewohnt mit.

posted by Stadler at 22:04  

15.9.12

Der Gesetzgeber muss beim Tatbestand der Vergewaltigung dringend nachbessern

Seit Tagen wird über ein Strafurteil des Landgerichts Essen diskutiert, das einen 31-jährigen Mann vom Vorwurf der Vergewaltigung einer 15-Jährigen freigesprochen hat, weil das Mädchen nur wörtlich artikuliert hatte, dass es keinen Sex mit dem Angeklagten wolle, sich aber weder gewehrt noch um Hilfe gerufen habe.

Weil ich weder die Entwicklung des Sexualstrafrecht besonders intensiv verfolge, noch unbedingt auf Basis bloßer Presseberichte Urteile bewerten möchte, habe ich den Beitrag von Udo Vetter, die wütende Reaktion in feministischen Blogs und die sonstige Berichterstattung zwar verfolgt, aber bislang nicht kommentiert. Je mehr man allerdings liest – empfehlenswert ist insbesondere ein Blogbeitrag von ed2murrow – umso mehr kommt man zu dem Ergebnis, dass es nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH in der Tat für § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB erforderlich ist, dass sich das Opfer objektiv in einer Lage befindet, in der es über keine effektiven Schutz- oder Verteidigungsmöglichkeiten mehr verfügt und deshalb nötigender Gewalt des Täters ausgeliefert ist. Das heißt, das Opfer muss sich letztlich den Gewalthandlungen des Täters widersetzen oder versuchen sich dem Zugriff durch Flucht zu entziehen bzw. fremde Hilfe zu erlangen, um strafrechtlichen Schutz zu erhalten. Wer sich nicht wehrt, ist dieser Logik folgend ansonsten u.U. nicht Opfer einer Sexualstraftat.

Ob diese Rechtsprechung de lege lata korrekt ist, möchte ich hier nicht erörtern, obwohl mir dies durchaus zweifelhaft erscheint. Denn jedenfalls de lege ferenda ist sie es nicht. Und die gesamte Diskussion ist fatalerweise erneut an dem Punkt angekommen, an dem sie bereits vor 15 bis 20 Jahren war. Denn es sind genau solche Fälle wie der des Landgerichts Essen gewesen, die den Gesetzgeber bewogen haben, 1997 den Straftatbestand der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung zu erweitern. Neben der Gewalt und der Drohung mit einer Gefahr für Leib oder Leben wurde als drittes Tatmittel das Ausnutzen einer schutzlosen Lage eingeführt. Damit sollten gerade auch die Fälle erfasst werden, in denen sich eine Frau „starr vor Schreck“ nicht gegen den Täter zur Wehr setzt. Einzelheiten hierzu kann man in einer älteren Dissertation nachlesen. Das ausdrücklich erklärte Ziel des Gesetzgebers war es jedenfalls, die sexuelle Selbstbestimmung strafrechtlich ummfassend zu schützen.

Dieses Ziel ist, wie die Entscheidung des Landgerichts Essen und auch die aktuelle Rechtsprechung des BGH zeigt, nicht erreicht worden. Ob dies an einer unzureichenden Gesetzesformulierung oder an der kritikwürdigen Rechtsprechung des BGH liegt, ist im Ergebnis unerheblich.

Wer als Gesellschaft und Gesetzgeber den Anspruch hat, die sexuelle Selbstbestimmung umfassend und lückenlos zu schützen, der muss ein Sexualdelikt bereits dann bejahen, wenn das Opfer, ausdrücklich oder aufgrund äußerer Umstände eindeutig ersichtlich, zu erkennen gibt, dass es keine sexuellen Handlungen wünscht. Man kann von dem Opfer weder verlangen, Fluchtversuche zu unternehmen noch laut um Hilfe zu schreien. Das eingeschüchterte und verängstigte Opfer darf nicht schlechter gestellt werden als jemand, der sich aktiv wehrt. Das Strafrecht kann die Schwachen nicht weniger schützen als die Mutigen.

Der Gesetzgeber ist an dieser Stelle deshalb erneut und zwar umgehend gefordert, sein Versprechen eines umfassenden und lückenlosen strafrechtlichen Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung endlich rechtssicher umzusetzen. Die Opfer sexueller Übergriffe haben ein Recht darauf.

posted by Stadler at 23:42  

1.9.12

Themen der Woche

Die Themen der letzten Woche bei mir im Blog:

Wen betrifft das Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse eigentlich?

Sind die neuen Rundfunkbeiträge verfassungswidrig?

Alternativentwurf einer EU-Datenschutzverordnung

Hätten sich die Mitglieder von Pussy Riot auch in Deutschland strafbar gemacht?

Facebook legt Berufung gegen das Freundefinder-Urteil des LG Berlin ein

 

Extern:

Die Ortungswanze in der Tasche (Constanze Kurz in der FAZ über die Funkzellenüberwachung)

Hirnforscher Manfred Spitzer und Blogger Johnny Häusler haben sich diese Woche bei ZDF-Login über die „Digitale Demenz“ gestritten. Martin Lindner hat das Buch Spitzers als das entlarvt, was es ist, nämlich in weiten Teilen unwissenschaftlich (CARTA).

Interview mit Rechtsanwalt Sascha Kremer über die rechtlichen Anforderungen an die Entwicklung und den Vertrieb von Apps (Telemedicus)

Und der Satz der Woche, über den speziell Verlage nachdenken sollten:

Das Leistungsschutzrecht ist eine teure Baugenehmigung für ein Mondgrundstück.

posted by Stadler at 14:24  

27.8.12

Wären die Mitglieder von Pussy Riot auch in Deutschland hinter Gittern gelandet?

Man hat in den letzten Wochen immer wieder mal die Ansicht gehört, dass den Mitgliedern der russischen Punkband Pussy Riot wegen derselben „Tat“ auch in Deutschland eine Haftstrafe gedroht hätte, weshalb die Aufregung über die russische Justiz heuchlerisch sei.

In dieses Horn bläst nun auch der Strafverteidiger und emeritierte Strafrechtsprofessor Klaus Volk. In einem Beitrag für die SZ schreibt Volk in Bezug auf die Rechtslage wörtlich:

Drohen einem dafür zwei Jahre Freiheitsstrafe? Nein – sondern bis zu drei.

Diese Aussage ist zumindest für den Nichtjuristen irreführend, denn Volk vergleicht letztlich das konkrete russische Strafmaß (2 Jahre Freiheitsstrafe) mit dem deutschen Strafrahmen, der in § 167 StGB korrekt und vollständig lautet:

…wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Dieser Strafrahmen bedeutet in der deutschen Strafrechtspraxis für einen Ersttäter – eine Strafbarkeit unterstellt – eine Geldstrafe die im Regelfall deutlich unterhalb von 90 Tagessätzen liegt. Eine Freiheitsstrafe – noch dazu ohne Bewährung – hätte den mutigen Frauen von Pussy Riot in Deutschland realistischerweise also nicht gedroht. Eine sachgerechte Gegenüberstellung hätte das russische Strafmaß zu der in Deutschland typischerweise zu erwartenden konkreten Strafe ins Verhältnis setzen müssen.

Bei der Frage, ob dieses Verhalten in Deutschland tatsächlich (auch) strafbar wäre, scheint sich Volk nicht ganz sicher zu sein, meint aber, der unbestimmte Rechtsbegriff des beschimpfenden Unfugs in § 167 StGB  müsse nach dem Verständnis der Religionsgemeinschaften von „grob ungehörig“ ausgelegt werden.

Ein Blick in die zwei gängigsten deutschen Kommentare zum Strafgesetzbuch bringt in der Tat wenig Aufklärung. Es wird dort primär auf eine Definition des Reichsgerichts (!) Bezug genommen, wonach die Verübung beschimpfenden Unfugs in einem grob ungehörigen Verhalten besteht, das die Missachtung der Heiligkeit des Ortes in besonders roher Weise zum Ausdruck bringt. Ergänzend steht dort noch, dass das Rauchen oder starke Lärmen in Kirchen diese Voraussetzungen nicht erfüllt.

Der unbestimmte Rechtsbegriff der Verübung beschimpfenden Unfugs hat also weder die Gerichte noch die Rechtswissenschaftler in der Vergangenheit nennenswert beschäftigt, was stets eine gewisse Rechtsunsicherheit mit sich bringt. Es könnte also durchaus sein, dass der eine oder andere deutsche Strafrichter ein ähnliches Verhalten mit einer Geldstrafe belegt hätte.

Andererseits ist bei der Auslegung sog. unbestimmter Rechtsbegriffe immer auch die Wertung der Grundrechte zu beachten. Und diesem Umstand misst Klaus Volk eventuell zu wenig Gewicht bei. Denn der Auftritt Pussy Riots beinhaltete nicht nur eine klare Kritik am russischen Präsidenten Putin, sondern zudem an der Wahlkampfhilfe der russisch-orthodoxen Kirche für Putin. Wenn man also den Kern der Aussage Pussy Riots freilegt, dann stößt man auf eine kritische, politische Äußerung, die sich auch ganz direkt gegen die Rolle der Kirche im russischen Wahlkampf richtet.

Es stellt sich deshalb die Frage, ob eine derartige Kritik, die inhaltlich nach unseren Maßstäben zweifelsfrei von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, wegen ihrer Form als beschimpfender Unfug im Sinne des StGB betrachtet werden kann. Wir kennen bei der Auslegung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit eigentlich eine ganz ähnliche Abgrenzung, nämlich die zwischen (unzulässiger) Schmähkritik und zulässigem Werturteil. Wäre es Pussy Riot also primär darum gegangen, eine Glabensgemeinschaft zu schmähen und verächtlich zu machen, dann wäre auch nach deutschem Recht eine Verurteilung vermutlich gerechtfertigt. Weil aber hier die politische Meinungsäußerung im Vordergrund stand und keineswegs die Missachtung der Religionsstätte, müsste das Urteil eines deutschen Strafgerichts bei richtiger Wertung auf Freispruch lauten.

posted by Stadler at 17:09  

13.6.12

Unverhältnismäßige Beschlagnahme von Festplatten

Das Amtsgericht Reutlingen hatte mit Beschluss vom 30.11.2011 die Beschlagnahme von vier Festplatten des Beschuldigten angeordnet. Die Festplatten wurden von der Polizei dann auch sogleich beschlagnahmt und mitgenommen.

Bereits mit Beschluss vom 05.12.2011 hat das Amtsgericht Reutlingen, auf Beschwerde des Beschuldigten hin, seinen eigenen Beschluss wieder aufgehoben und die Herausgabe der Festplatten an den Beschuldigten verfügt.

Die Begründung des Ermittlungsrichters ist innovativ und im Lichte des verfassungsrechtlichen Gebots der Verhältnismäßigkeit äußerst begrüßenswert.

Zur Begründung wird nämlich ausgeführt, dass, sofern eine forensische Datensicherung vor Ort nicht möglich ist, eine Mitnahme beschlagnahmter Datenträger (Festplatten) nur in engen Grenzen als verhältnismäßig anzusehen ist. Die Polizei/Staatsanwaltschaft muss die beweissichere Anfertigung von 1:1 Kopien beschlagnahmter Datenträger dann jedenfalls unverzüglich nachholen. Wenn dies nicht umgehend – hier innerhalb von drei Werktagen – geschieht, so ist die Fortdauer einer solchen Beschlagnahme nicht mehr verhältnismäßig.

Bei vielen Staatsanwaltschaften hat sich leider die nicht hinnehmbare Praxis etabliert, beschlagnahmte Datenträger und zum Teil komplette Rechner oft monatelang liegen zu lassen, bevor überhaupt eine forensische Untersuchung der Festplatten erfolgt. Begründet wird dies regelmäßig mit Personalmangel. Diese Praxis ist meines Erachtens als unverhältnismäßig anzusehen, wurde aber von den Gerichten, soweit ersichtlich, bislang noch nie beanstandet. Man kann deshalb nur hoffen, dass dieser mutige ermittlungsrichterliche Beschluss Schule macht.

posted by Stadler at 10:40  

12.4.12

Kommt die Datenhehlerei?

Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom heutigen Tag (Titelseite) will der Hessische Justizminister eine Bundesratsinitiative zur Schaffung eines neuen Straftatbestands der Datenhehlerei starten. Über dieses Vorhaben hatte Heise bereits berichtet. Damit soll der Handel und der Ankauf von Daten, die zuvor in strafbarer Art und Weise beschafft wurden, z.B. nach §§ 202 a oder 202b StGB, unter Strafe gestellt werden. Nach Ansicht des hessischen Innenministers besteht insoweit eine Strafbarkeitslücke. Der Ansatz ist nicht ganz verkehrt, denn nicht alle diese Fälle können strafrechtlich über eine Beteiligung an der Vortat gelöst werden, zumal es insoweit zu Beweisschwierigkeiten kommen kann. Wenn man den Handel mit Daten die aus einer Straftat stammen durchgängig für strafwürdig hält, dann ist die Schaffung eines solchen Straftatbestands durchaus konsequent.

Ob man diesen Tatbestand allerdings tatsächlich als „Datenhehlerei“ bezeichnen und systematisch unbedingt im Anschluss an die Hehlerei als § 259a StGB ansiedeln muss, halte ich für zweifelhaft. Systematisch gehört eine solche Regelung eher zu den §§ 201 ff. StGB.

 

 

posted by Stadler at 17:32  

4.4.12

Doch keine Erpresserfreiheit

Das OLG München hat den Freispruch eines Journalisten aufgehoben, der den Schauspieler Ottfried Fischer genötigt und so zu einer Exklusiv-Story für die BILD bewegt haben soll.

Unter dem Titel „Die Grenzen der Pressefreiheit“ habe ich nach Verkündung des landgerichtlichen Urteils erläutert, warum ich den Freispruch nach Lage der Dinge für falsch halte. Das OLG München hat das freisprechende Urteil gestern aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. In der mündlichen Verhandlung hatte das Oberlandesgericht seine Entscheidung damit begründet, dass es die Urteilsbegründung des Landgerichts für lückenhaft und widersprüchlich halte. Ob es nun zu einer Verurteilung kommt, steht damit aber noch nicht fest. Das OLG hatte eine Verurteilung in der mündlichen Urteilsbegründung als zumindest möglich bezeichnet.

posted by Stadler at 08:32  
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