Der „Deal“ im Strafrecht vor dem BVerfG
Das Bundesverfassungsgericht verhandelt am 07.11.2012 über die Zulässigkeit von Absprachen zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten bzw. seinem Verteidiger. Das Gesetz ermöglicht in § 257c StPO einen solchen „Deal“ im Strafverfahren unter gewissen Voraussetzungen.
Das BVerfG hat im Rahmen der zu verhandelnden Verfassungsbeschwerden Prof. Altenhain von der Universität Düsseldorf beauftragt, eine empirische Studie zur Praxis der Verständigung im Strafverfahren durchzuführen. Die Ergebnisse dieser Studie sind bereits durchgesickert, worüber die Süddeutsche in ihrer heutigen Ausgabe berichtet. Nach dem Bericht der Süddeutschen treffen mehr als die Hälfte der Strafrichter informelle Absprachen unter Umgehung von § 257c StPO. Außerdem, so die SZ, hält die Hälfte der Richter den Deal zwar für unverzichtbar, gleichzeitig wird die gesetzliche Regelung von der Richterschaft mehrheitlich aber für untauglich erachtet. Man darf gespannt sein, ob die Untersuchung vollständig veröffentlicht wird und welche Auswirkungen sie auf die Entscheidung des BVerfG haben wird.
Selbst als jemand, der nur gelegentlich Strafverteidungen macht, kennt man die Situation. Vom Gericht und von der Staatsanwaltschaft wird einem bedeutet, dass die Verurteilungswahrscheinlichkeit sehr hoch sei, während man gleichzeitig für den Falle des Geständnisses des Angeklagten einen spürbaren Strafnachlass in Aussicht gestellt bekommt. In dieser Situation lassen sich eine Reihe von Angeklagten zu einem Geständnis bewegen, weil man ihnen einerseits deutlich zu verstehen gibt, dass sie ohnehin verurteilt werden und es deshalb unklug wäre, auf den Strafnachlass zu verzichten. In dieser faktischen Drucksituation werden zwangsläufig auch falsche Geständnisse abgegeben. Andererseits führt der Deal bei komplexen Sachverhalten z.B. im Wirtschaftsstrafrecht gelegentlich auch zu unangemessen niedrigen Strafen. Beides wirft rechtsstaatliche Fragen auf. Die derzeitige gesetzliche Regelung wurde beispielsweise auch von BGH-Richter Thomas Fischer, der zugleich einer der bedeutendsten Strafrechtler hierzulande ist, mehrfach deutlich kritisiert.