Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

8.4.15

Haftung von sozialen Netzwerken und Microbloggingdiensten für Nutzerpostings

Das OLG Dresden hat mit Urteil vom 01.04.2015 (AZ.: 4 U 1296/14) entschieden, dass Anbieter von Mikrobloggingdiensten verpflichtet sind, rechtswidrige Äußerungen von Nutzern zu entfernen und hat gegen den Anbieter einen Unterlassungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Persönlichkeitsrechts bzw. des Unternehmenspersönlichkeitsrechts bejaht. Das Urteil ist in den Medien z.T. als überraschend bewertet worden, bei Chip.de ist beispielsweise von einem krassen Urteil die Rede.

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts haftet der Anbieter nach den Grundsätzen der Störerhaftung. Der Betreiber könne, so das OLG,  verpflichtet werden, zukünftige derartige Verletzungen zu verhindern, wenn der Betroffene ihn auf die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hinweist. Das OLG Dresden hat die Rechtsprechung des BGH zu Informationsportalen auf diese Konstellation angewendet (vgl. BGH, Urt. v. 27.03.2012 – VI ZR 144/11 und BGH, Urt. v. 25.10.2011 – VI ZR 93/10). Ein Tätigwerden des Hostproviders ist aber nur dann veranlasst, wenn der Hinweis so konkret gefasst wird, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer, d.h. ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung, bejaht werden kann. Der Anbieter muss nicht von vorneherein eine eigene Prüfung und Abwägung der betroffenen Rechte durchführen. Er muss aber prüfen, ob – die Richtigkeit der Beanstandung unterstellt – möglicherweise fremde Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Dazu soll er dem Nutzer die Gelegenheit geben, zu den Beanstandungen innerhalb angemessener Frist Stellung zu nehmen. Das OLG hat die Revision zum BGH zugelassen.

Die Entscheidung ist auf den ersten Blick nicht sonderlich spektakulär, sondern bestätigt nur die Rechtsprechung der letzten Jahre. Grundsätzlich ist in Einklang mit der Rechtsprechung des BGH allerdings davon auszugehen, dass den Anbieter zunächst nur eine Löschpflicht trifft. Der Anbieter wird erst dann zum Störer, mit der Konsequenz einer vollen Unterlassungsverpflichtung, wenn er den beandstandeten Inhalt trotz konkreter Kenntnis nicht löscht bzw. sperrt. Das lässt sich u.a. den Entscheidungen des BGH vom 17.08.2011 (Az.: I ZR 57/09) und vom 30.06.2009 (Az.: VI ZR 210/08) entnehmen und ist auch vom OLG Stuttgart so entschieden worden. In dem Fall den das OLG Dresden zu entscheiden hatte, hatte der Anbieter aber vermutlich nicht gelöscht und wurde deshalb zur Unterlassung verurteilt. Nachdem bislang aber nur die Pressemitteilung vorliegt, muss insoweit das vollständige Urteil abgewartet werden.

posted by Stadler at 15:24  

16.3.15

Wie die Fachwelt auf den Gesetzesentwurf zur WLAN-Haftung reagiert

Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung, der die Störerhaftung für Anbieter öffentlicher WLANs regeln und vermeintlich einschränken will, ist in den Medien auf reges Interesse gestoßen, wenngleich die Berichterstattung zumindest in Teilen eher unkritisch war.

Die juristische Fachwelt hat, soweit ersichtlich, bislang durchgehend mit Kritik oder Ablehnung auf das Vorhaben reagiert. Einen Überblick (to be continued) über online verfügbare juristische Beiträge möchte ich hier geben:

Matthias Bergt (01.03.2015 bei CR-Online) mit einer ausführlichen und äußerst lesenswerten Einschätzung

Reto Mantz (03.03.2015 bei Offene Netze und Recht) ebenfalls mit einer kritischen und ausführlichen Betrachtung

Thomas Hoeren (15.03.2015 im Beck Blog) rantet, wie immer lesenswert, gegen die Bundesregierung

Niko Härting (12.03.2015 in der LTO)

Meine eigene Einschätzung vom 12.03.2015 hier im Blog

 

 

posted by Stadler at 09:13  

12.3.15

Verschlimmbesserung: Der Gesetzesentwurf zur Störerhaftung von W-LAN-Betreibern

Der Referentenentwurf eines „Zweiten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes“ durch den u.a. die Störerhaftung für Anbieter öffentlicher W-LANs geregelt werden soll, ist nunmehr auch offiziell über den Server des BMWi abrufbar.

Dieser Referentenentwurf unterscheidet sich zwar im Wortlaut etwas von dem Entwurf über den ich unlängst gebloggt habe, die Kernpunkte sind allerdings unverändert geblieben.

Die maßgeblichen neuen Vorschriften des § 8 TMG sollen danach wie folgt lauten:

(3) Die vorstehenden Absätze gelten auch für Diensteanbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen.

(4) Diensteanbieter, die einen Internetzugang nach Absatz 3 geschäftsmäßig oder als öffentliche Einrichtung zur Verfügung stellen, können wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn sie zumutbare Maßnahmen ergriffen haben, um eine Rechtsverletzung durch Nutzer zu verhindern. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Diensteanbieter
1. angemessene Sicherungsmaßnahmen durch anerkannte Verschlüsselungsverfahren oder vergleichbare Maßnahmen gegen den unberechtigten Zugriff auf das drahtlose lokale Funknetz durch außenstehende Dritte ergriffen hat und
2. Zugang zum Internet nur dem Nutzer gewährt, der erklärt hat, im Rahmen der Nutzung keine Rechtsverletzungen zu begehen.

(5) Sonstige Diensteanbieter, die einen Internetzugang nach Absatz 3 zur Verfügung stellen, können wegen einer rechtswidrigen Handlung eines Nutzers nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn sie zumutbare Maßnahmen im Sinne des Absatzes 4 ergriffen haben und die Namen der Nutzer kennen, denen sie den Zugang gewährt haben.

Wer geschäftsmäßig oder als öffentliche Einrichtung einen Internetzugang über ein W-LAN zur Verfügung stellt, muss also künftig angemessene Sicherungsmaßnahmen gegen unberechtigten Zugriff Dritter ergreifen und darf den Zugang nur solchen Nutzern gewähren, die erklärt haben, keine Rechtsverletzung zu begehen.

Das bedeutet, dass der Betreiber den einzelnen Nutzer im Zweifel namentlich erfassen wird und von ihm eine ausdrückliche Erklärung einholen muss, dass er keine Rechtsverletzung begeht. Eine offene, anonyme Nutzung dürfte damit ausgeschlossen sein. Man stellt sich hier unweigerlich auch die Frage, was genau unter einem unberechtigten Zugriff zu verstehen ist und inwiefern die Verwendung von Verschlüsselungsverfahren durch den Provider geeignet sein soll, Rechtsverletzungen, insbesondere Urheberrechtsverletzungen zu verhindern.

Noch schlechter ist die Situation für private Betreiber offener Netze, was insbesondere auch die Freifunkinitiativen betrifft. Sie müssen nicht nur dieselben Maßnahmen ergreifen wie geschäftsmäßige Anbieter, sondern sind verpflichtet auch die Namen der Nutzer zu kennen, denen sie Zugang gewähren. Wie man insoweit verifiziert, dass die Nutzer ihre korrekten Daten angeben und wer das Risiko trägt, dass sich Nutzer unter falscher Identität anmelden, erscheint gänzlich unklar.

Das Gesetzesvorhaben ist nach meiner Einschätzung wegen Verstoß gegen die E-Commerce-Richtlinie europarechtswidrig, denn es schränkt die in der Richtlinie normierten Haftungsprivilegien von Diensteanbietern ein.

Der Schub für kostenloses WLAN, den sich Wirtschaftsminister Gabriel von dem Gesetzesvorhaben erhofft, ist kaum zu erwarten, nachdem das Gesetzvorhaben die bestehenden Providerprivilegien nicht erweitert, sondern vielmehr gegenüber der geltenden Rechtslage einschränkt. Betreiber öffentlicher W-LANs sind auch nach geltendem Recht schon Access-Provider im Sinne von § 8 TMG. Insoweit beschränkt das jetzige Vorhaben die bisherigen Haftungserleichterungen, indem es zusätzliche Anforderungen und Verhaltenspflichten des Providers normiert.

Hinzu kommt eine neue Rechtsunsicherheit die daraus resultiert, dass sich zunächst kein Anbieter sicher sein kann, ob die Sicherungs- und Registrierungsmaßnahmen, die er ergriffen hat, tatsächlich auch den gesetzlichen Anforderungen genügen.

Dass die aktuelle Debatte um die Störerhaftung, die Auslöser des Gesetzesentwurfs war, letztlich eine Scheindebatte ist, habe ich vor einiger Zeit schon erläutert.

Die Bundesregierung verfolgt einmal mehr das Konzept der Verschlimmbesserung.

posted by Stadler at 14:37  

2.3.15

Bundesregierung will Haftung von W-LAN-Anbietern regeln

Seit einer Woche kursiert ein Referentenentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes, der einerseits Haftungsregelungen für die Anbieter von W-LANs schaffen und andererseits die Haftungsprivilegien für besonders gefahrengeneigte Hosting-Dienste einschränken will.

Diese geplanten Neuregelungen dürften nicht europarechtskonform sein, weil sie die Haftungsprivilegien der E-Commerce-Richtlinie einschränken und damit gegen die Vorgabe der Richtlinie verstoßen.

Sie sind in sich auch nicht stimmig. Wenn die Bundesregierung tatsächlich offene und freie Internetzugänge fördern will, dann sollte sie keinen Gesetzesentwurf vorlegen, der exakt zum gegenteiligen Ergebnis führt. Es ist anchronistisch, freie Internetzugänge zu propagieren und gleichzeitig zu verlangen, Sicherungsmaßnahmen gegen den unberechtigten Zugriff durch außenstehende Dritte zu fordern. Was sollen in diesem Kontext außenstehende Dritte sein und wann ist ihr Zugriff unberechtigt?

Der Kollege Bergt hat das Vorhaben als „Gesetzentwurf zur Abschaffung freier WLANs“ bezeichnet und das trifft es ziemlich gut. Dieser Gesetzesentwurf schafft neue Rechtsunsicherheit und verhindert die Entstehung freier und offener Internetzugänge und schafft damit alle Voraussetzungen dafür, dass Deutschland im internationalen Vergleich noch weiter zurückfällt. Der Gesetzesentwurf bringt eine Angst- und Trutzburgmentalität zum Ausdruck, die nicht nur sehr deutsch ist, sondern die vor allen Dingen den Weg zu offenen Netzen praktisch versperrt.

posted by Stadler at 16:54  

21.1.15

Filesharing: Benutzung des werkseitig vorgegebenen Router-Passworts keine Pflichtverletzung

Der BGH hatte vor einigen Jahren entschieden, dass in Fällen des Filesharings die Verwendung des vom Hersteller eines W-LAN-Routers vorgegebenen Passworts eine Pflichtverletzung darstellen, die eine Störerhaftung begründet.

Das Amtsgericht Hamburg ist in einer neuen Entscheidung (Urteil vom 09.01.2015, Az.: 36a C 40/14) der Ansicht, dass das nur für werkseitig vorgegebene Standardpasswörter gelten kann die für eine Vielzahl von Geräten verwendet werden können. Im Urteil des AG Hamburg heißt es dazu:

Die Beklagte haftet auch nicht deshalb als Störerin, weil der werkseitig vergebene WPA2-Schlüssel nicht individuell verändert wurde. Es ist zwar richtig, dass der Inhaber eines WLAN-Anschlusses, der es unterlässt, die im Kaufzeitpunkt des WLAN-Routers marktüblichen Sicherungen ihrem Zweck entsprechend anzuwenden, als Störer auf Unterlassung und damit auch aus Ersatz der Abmahnkosten haftet, wenn Dritte diesen Anschluss missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich geschützte Musiktitel in Internettauschbörsen einzustellen (BGH, I ZR 121/08, NJW 2010, 2061 – Sommer unseres Lebens).

In der genannten Entscheidung führt der Bundesgerichtshof aus:

„Welche konkreten Maßnahmen zumutbar sind, bestimmt sich auch für eine Privatperson zunächst nach den jeweiligen technischen Möglichkeiten (vgl. BGHZ 172, 119 Tz. 47– Internet-Versteigerung II). Es würde die privaten Verwender der WLAN-Technologie allerdings unzumutbar belasten und wäre damit unverhältnismäßig, wenn ihnen zur Pflicht gemacht würde, die Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anzupassen und dafür entsprechende finanzielle Mittel aufzuwenden. Die Prüfungspflicht im Hinblick auf die unbefugte Nutzung eines WLAN-Routers konkretisiert sich vielmehr dahin, dass jedenfalls die im Kaufzeitpunkt des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen ihrem Zweck entsprechend wirksam einzusetzen sind (vgl. dazu für den Bereich der Verkehrssicherungspflichten BGH, Urt. v. 31.10.2006 – VI ZR 223/05, NJW 2007, 762 Tz. 11; Urt. v. 2.3.2010 – VI ZR 223/09 Tz. 9 f., VersR 2010, 544).

Die dem privaten WLAN-Anschlussinhaber obliegende Prüfungspflicht besteht nicht erst, nachdem es durch die unbefugte Nutzung seines Anschlusses zu einer ersten Rechtsverletzung Dritter gekommen und diese ihm bekannt geworden ist. Sie besteht vielmehr bereits ab Inbetriebnahme des Anschlusses. […] Das hoch zu bewertende, berechtigte Interesse, über WLAN leicht und räumlich flexibel Zugang zum Internet zu erhalten, wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die zum Zeitpunkt der Installation des WLAN-Routers auch im Privatbereich verkehrsüblich vorhandenen Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung angewandt werden.

Die Prüfpflicht des Beklagten bezieht sich aber auf die Einhaltung der im Kaufzeitpunkt des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen. Diese Pflicht hat der Beklagte verletzt. Der Beklagte hat es nach dem Anschluss des WLAN-Routers bei den werkseitigen Standardsicherheitseinstellungen belassen und für den Zugang zum Router kein persönliches, ausreichend langes und sicheres Passwort vergeben. Der Schutz von Computern, Kundenkonten im Internet und Netzwerken durch individuelle Passwörter gehörte auch Mitte 2006 bereits zum Mindeststandard privater Computernutzung und lag schon im vitalen Eigeninteresse aller berechtigten Nutzer. Sie war auch mit keinen Mehrkosten verbunden.“

Diese höchstrichterliche Entscheidung kann jedoch nur in Fällen Geltung beanspruchen, in denen ein Router ausgeliefert und angeschlossen wird, der mit einem werkseitig vorgegebenen Schlüssel ausgestattet ist, der für eine Vielzahl von Geräten gilt. Das erkennende Gericht schließt sich dazu den folgenden Ausführungen des Amtsgerichts Frankfurt am Main (Urteil vom 14.06.2013, MMR 2013, 607 – zitiert nach juris; dem zustimmend Mantz, MMR 2013, 607, sowie Koch, jurisPR-ITR 1/2014 Anm. 4) an:

„Zwar hat der Beklagte dieses Passwort nicht in ein persönliches Passwort geändert. Allerdings handelt es sich – gerichtsbekannt – bei den auf einer Fritz-Box seit 2004 verwendeten Authentifizierungsschlüsseln um solche, die bereits ab Werk individuell pro Gerät vergeben werden. Vor diesem Hintergrund ist der seitens des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 12.05.2010, I ZR 121/08 erstrebte Zweck eines hohen Schutzniveaus, welches den Zugriff unbefugter Dritter ausschließt, auch ohne ein persönliches Passwort – das regelmäßig nicht länger als 13-stellig sein wird – erreicht. Der Bundesgerichtshof kann in der oben zitierten Entscheidung lediglich die Fälle im Blick gehabt haben, in denen die Router einer Modellreihe werksseitig über den gleichen Authentifizierungsschlüssel verfügen, so dass ein effektiver Schutz für diese Fälle nur über eine sofortige Personalisierung des Passwortes gewährleistet war. (vgl. Mantz, Anm. zu BGH Urt. v. 12.05.2010 in MMR 2010, 569).“

Ein werkseitig vergebenes, individuelles und daher nur dem Inhaber des WLAN-Routers bekanntes Kennwort ist mindestens ebenso sicher wie ein selbst gewähltes, in vielen Fällen sogar sicherer (Mantz, a.a.O.).

Hier ist zwar nicht gerichtsbekannt, dass der Router „Alice Modem WLAN 1421“ werkseitig mit einem individuellen Authentifizierungsschlüssel ausgeliefert wird, und diese Frage ist zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte hat jedoch substantiiert vorgetragen, dass es sich um einen individuellen Authentifizierungsschlüssel handele, und dazu sogar überobligatorisch Beweis angeboten. Zudem ist unstreitig, dass nach der Bedienungsanleitung eine Abänderung des Schlüssels nicht nötig war. Daher wäre es nunmehr an der für eine zur Störerhaftung führende Pflichtverletzung der Beklagten darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin gewesen, Beweis dafür anzutreten, dass dieser Vortrag der Beklagten nicht zutrifft. Die anwaltlich vertretene Klägerin hat sich jedoch auf ein Bestreiten mit Nichtwissen beschränkt. Das reicht nicht aus. Der Klägerin wäre es auch durchaus möglich gewesen, dazu näher vorzutragen und auch Beweis anzubieten. Zum einen sind Bedienungsanleitungen für gängige Routermodelle wie das hiesige ohne weiteres zu beschaffen, zum anderen hatte die Beklagte bereits zwei Geschäftsführer des Herstellers bzw. Vertreibers des Routers als Zeugen zu diesem Thema benannt. Das hätte die Klägerin ohne weiteres aufgreifen können.

Das Urteil des AG Hamburg ist auch deshalb interessant, weil das Gericht davon ausgeht, dass die Anschlussinhaberin nicht für eine Sicherheitslücke eines W-LAN-Routers haftet, jedenfalls dann nicht, wenn diese Sicherheitslücke erst nach dem Zeitpunkt der maßgeblichen Rechtsverletzung öffentlich bekannt geworden ist.

posted by Stadler at 11:55  

28.12.14

Filesharing: Anschlussinhaberfreundliche Rechtsprechung aus Bielefeld

Darüber, dass die Gerichte in Filesharing-Fällen auch nach mehreren Entscheidungen des BGH weiterhin uneinheitlich urteilen, hatte ich hier bereits mehrfach berichtet.

Das Landgericht Bielefeld hat unlängst eine anschlussinhaberfreundliche Rechtsprechung des AG Bielefeld bestätigt, wonach der Anschlussinhaber für seine Enthaftung nur darlegen muss, dass auch andere Familienangehörige den Internetanschluss nutzen und als Täter in Betracht kommen. Die Nachforschungspflicht des Anschlussinhabers bezieht sich nach Ansicht des LG Bielefeld nur auf die Frage, welche anderen Personen als Täter der Urheberrechtsverletzung in Betracht kommen (Urteil vom 07.10.2014 und Beschluss vom 08.09.2014, Az.: 20 S 76/14).

Deutlich anders entscheidet bislang weiterhin das Landgericht München I, mit allerdings einer meines Erachtens kaum mehr vertretbaren Begründung.

posted by Stadler at 21:05  

23.12.14

LG Hamburg: Google haftet für den Inhalt von Suchmaschinen-Snippets

Nach einem neuen Urteil des Landgerichts Hamburg (Urteil vom 07.11.2014, Az.: 324 O 660/12) soll Google für den Inhalt des zusammen mit den Suchtreffern angezeigten kurzen Textausschnitts aus der gefundenen Website auf Unterlassung haften.

Das Landgericht Hamburg stützt sich hierbei u.a. auf das Google-Urteil des EuGH und die Rechtsprechung des BGH zu Prüfpflichten von Host-Providern. Bei der Bestimmung des Umfangs dieser Prüfpflichten ist das Landgericht nach eigener Aussage zu Gunsten von Google nicht von einem Vorrang der geschützten Rechte des Klägers ausgegangen – anders als der EuGH – kommt aber bei der Abwägung der betroffenen Interessen dennoch zu dem Ergebnis, dass Google seinen möglichen und zumutbaren Prüfpflichten nicht genügt hat.

Das Landgericht Hamburg misst dem Umstand, dass Google auf eine rechtswidrige Berichterstattung verlinkt bzw. einen rechtswidrigen Inhalt im Rahmen der Snippets verbreitet, ein erhebliches Gewicht bei und betont hierbei gleichzeitig, dass der EuGH Google sogar für verpflichtet gehalten hat, nicht mehr auf rechtmäßige Inhalte zu verweisen.

Auch wenn sich das Landgericht vermeintlich großzügiger zeigt als der EuGH, ist dieses Urteil ein weiterer Beleg dafür, dass der EuGH die Suchmaschinenhaftung erheblich verschärft hat und von einem weitgehenden Privileg des Suchmaschinenbetreibers, für das Teile der Literatur und der früheren Rechtsprechung votierten, nichts mehr übrig geblieben ist.

Wenn man dieser Linie folgt, dann geht die Haftung von Google noch über die des Host-Providers hinaus. Man wird abwarten müssen, wie sich das langfristig auf den Informationszugang und die Informationsfreiheit auswirken wird. Denn man wird es Google kaum verübeln können, dass auf Beanstandungen hin im Zweifel Suchtreffer entfernt werden, weil sich das Unternehmen andernfalls einem permanenten Haftungsrisiko aussetzt. Diese Mechanismen werden auf die Dauer freilich zu einer erheblichen Bereinigung und damit Verfälschung von Suchmaschinenergebnissen führen.

posted by Stadler at 12:25  

14.11.14

Bundestag diskutiert Ausschluss der Störerhaftung für öffentliche Funknetze

Grüne und Linke haben den „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes – Störerhaftung“ in den Bundestag eingebracht, über den heute debattiert wird. Es handelt sich um einen Gesetzesvorschlag, den die Linkspartei schon vor einiger Zeit eingebracht hatte und den ich hier bereits kritisch besprochen habe. Mir erscheint die Formulierung nach wie vor nicht sonderlich glücklich. Sollte der Vorschlag Gesetz werden – wovon nach den aktuellen Mehrheitsverhältnissen im Parlament ohnehin nicht auszugehen ist – würde sich die Frage stellen, ob die Formulierung „öffentliche Funknetze“ auch den Privaten erfasst, der sein heimisches Netz offen hält, um auch anderen die Nutzung zu ermöglichen.

Rechtssicherheit würde die Regelung aber für diejenigen öffentlichen Netze bieten, die immer mehr Kommunen derzeit auf- und ausbauen.

posted by Stadler at 08:56  

9.10.14

LG München I legt Fragen zur Haftung beim Betrieb eines offenen W-LANs an EuGH vor

Das Landgericht München I hat ein anhängiges Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof verschiedene Fragen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines offenen W-LANs vorgelegt (Beschluss vom 18.09.2014, AZ.: 7 O 14719/12).

Das Landgericht neigt dazu, eine Störerhaftung des W-LAN-Betreibers und somit eine Verpflichtung zur Unterlassung in Erwägung zu ziehen, weil er sein W-LAN ohne technische Sicherungsmaßnahmen betrieben hat. Der Betreiber eines W-LANs ist nach Auffassung des Landgerichts grundsätzlich zur Ergreifung technischer Sicherungsmaßnahmen im Rahmen des jeweils technisch Möglichen verpflichtet. Weil diese Ansicht aber mit den Haftungsprivilegierungen der E-Commerce-Richtlinie – die in Deutschland im TMG umgesetzt sind – unvereinbar sein könnte, möchte das Gericht vom EuGH zunächst wissen, ob die Haftungserleichterungen überhaupt greifen, wenn es sich im Einzelfall um eine unentgeltliche Dienstleistung handelt. Diese Vorlagefrage halte ich bereits deshalb für problematisch, weil die Anwendung des deutschen TMG überhaupt nicht voraussetzt, dass eine Dienstleistung in der Regel gegen Entgelt erbracht wird, weshalb es für das vom Gericht anzuwendende TMG auf diese Frage gar nicht ankommt.

Das Landgericht fragt den EuGH darüber hinaus, ob die Bereitstellung eines offenen W-LANs ein Anbieten eines Dienstes im Sinne der E-Commerce-Richtlinie darstellt und ob die Haftungsprivilegierung mit der Formulierung “nicht für die übermittelten Informationen verantwortlich” besagt, dass Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz, Zahlung der Abmahnkosten und Gerichtsgebühren des durch eine Urheberrechtsverletzung Betroffenen gegen den Zugangs-Provider grundsätzlich oder jedenfalls in Bezug auf eine erste festgestellte Urheberrechtsverletzung ausgeschlossen sind.

Diese Frage ist auch deshalb von Interesse, weil der BGH bislang davon ausgegangen war, dass die Haftungsprivilegierungen des TMG Unterlassungsansprüche nicht umfassen.

posted by Stadler at 08:35  

3.9.14

Die aktuelle Debatte über die Störerhaftung ist eine Scheindebatte

Seit Jahren wird darüber diskutiert, dass die sog. Störerhaftung die Entwicklung offener und öffentlicher W-LAN-Netze verhindert. Denn die Betreiber eines solchen Netzes haben häufig Angst davor, für Rechtsverletzungen in Haftung genommen zu werden, was den Aufbau derartiger Netze hemmt. Diese Bedenken kenne ich auch aus der Beratungspraxis. Derzeit denken immer mehr Kommunen darüber nach, zumindest an zentralen Plätzen ihrer Gemeinden ein offenes, für jedermann zugängliches W-LAN zu eröffnen. In diesbezüglichen Beratungsgesprächen ist die Gefahr einer Haftung für Rechtsverletzungen der Nutzer immer wieder Thema.

Die Bundesregierung hat zu diesem Problemkreis nunmehr einen Gesetzesentwurf angekündigt, der noch nicht vorliegt und dessen Reichweite auch noch nicht gänzlich klar ist. Die rechtspolitische Diskussion hierzu ist allerdings in vollem Gange, wie aktuelle Beiträge bei den Grünen und bei netzpolitik.org zeigen. Die Kritik entzündet sich daran, dass die Bundesregierung die Störerhaftung angeblich nur für kommerzielle W-LANs abschaffen will, was Ulf Buermeyer vor einigen Wochen bei netzpolitik.org bereits thematisiert und kritisiert hatte.

Der Gesetzesvorschlag auf den die Grünen und netzpolitik.org verweisen, erscheint mir allerdings ebenfalls das Problem zu beinhalten, dass man ihn am Ende auch dahingehend auslegen kann, dass Betreiber privater W-LANs nicht erfasst werden.

Darüber hinaus stellt sich aber ganz allgemein die Frage, ob die Störerhaftung im Lichte der aktuellen Rechtsprechung des BGH überhaupt noch das Problem darstellt oder ob hier nicht mittlerweile eher eine Scheindiskussion geführt wird.

Der BGH geht jedenfalls bei privaten W-LANs derzeit davon aus, dass zunächst eine Vermutung dahingehend besteht, dass der Anschlussinhaber der Rechtsverletzer ist. Hier hilft eine Abschaffung der Störerhaftung nicht, denn was der BGH hier postuliert ist eine originäre Haftung des Anschlussinhabers als Täter/Verletzer und keine abgeleitete Haftung als Störer. Auch die Vorschrift des § 8 TMG – deren Erweiterung aktuell diskutiert wird – könnte, egal in welcher Fassung, hieran nichts ändern, weil die dortige Haftungsprivilegierung sich immer nur auf die Durchleitung fremder Informationen bezieht.

Die vom BGH postulierte Vermutung führt dazu, dass der Betreiber eines privaten W-LANs im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast im Prozess Umstände darstellen muss, aus denen sich ergibt, dass er nicht der originäre Rechtsverletzter ist, sondern, dass ein Dritter seinen Internetzugang für eine Rechtsverletzung missbraucht hat. Die konkreten Anforderungen an diese sekudäre Darlegunglast waren lange Zeit äußerst umstritten, eine gewisse, aber keinesfalls anschließende Klärung, hat die BearShare-Entscheidung des BGH gebracht.

Zur Rechtssicherheit würde es beispielsweise beitragen, wenn der BGH endlich einmal einen Fall zu entscheiden hätte, in dem ein Hotelier oder Gastronom für Urheberrechtsverletzung von Gästen in Anspruch genommen worden ist. Die Tendenz in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung geht in solchen Fällen nämlich eindeutig dahin, derartige Betreiber, die ein W-LAN für ihre Gäste öffnen, nicht haften zu lassen. Denn in diesen Fällen kann die vom BGH postulierte Vermutung von vornherein nicht eingreifen, weil es sich nicht um ein vom Anbieter (Gastwirt) eigengenutztes W-LAN handelt.

Die gesetzliche Verankerung einer Haftungprivilegierung für Betreiber von Funknetzwerken, wie sie jetzt diskutiert wird, löst also das eigentliche Problem nicht. Denn das Problem hat der BGH längst auf die Frage reduziert, ob der Anbieter eines Internetzugangs die Rechtsverletzung selbst begangen hat oder nicht.

posted by Stadler at 10:34  
« Vorherige SeiteNächste Seite »