Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

22.4.13

Netzpolitiker vor den Facebook-Karren gespannt?

Netzpolitiker lassen sich vor Facebooks Karren spannen“ titelte netzpolitik.org gestern und attackierte die meines Erachtens durchaus honorigen Abgeordneten Peter Tauber (CDU), Lars Klingbeil (SPD) und Manuel Höferlin (FDP) dafür, dass sie in einem Leitfaden Facebooks für Politiker und Amtsträger auftauchen und dort offenbar mit ihrem Einverständnis zitiert werden. Die Aussagen der Politiker beziehen sich primär darauf, dass man Facebook als Kanal dafür benutzt, Bürger (Wähler) zu informieren und mit ihnen zu kommunizieren.

Bei netzpolitik.org wird gleich zu Beginn des Artikels ein Zusammenhang zur Reform des europäischen Datenschutzrechts hergestellt. Hierzu sagt die Facebook-Broschüre allerdings rein gar nichts. Der Zusammenhang ist schlicht konstruiert, um politisch Stimmung zu machen. Der Facebook-Leitfaden enthält zwar auch einen allgemeinen Abschnitt zum Thema Datenschutz, zu dem die genannten Politiker allerdings nicht befragt wurden.

Die kritisierten Netzpolitiker nutzen Facebook so wie viele andere. Auch netzpolitik.org nutzt Facebook übrigens recht intensiv. Bereits auf der Startseite gibt es eine eigene Rubrik „Facebook“ im Navigationsmenü, in der auf die Facebook-Fanseite von netzpolitik.org verwiesen wird. Man nutzt dort Facebook also auf genau dieselbe Art und Weise wie es die kritisierten Politiker tun.

Die konkrete Kritik ist damit inkonsequent und der sachliche Zusammenhang zur EU-Datenschutzreform ist an den Haaren herbeigezogen.

Ich halte netzpolitik.org für wichtig. Dennoch stößt man dort immer wieder auf Texte, die ganz ersichtlich tendenziös sind. Ein bisschen mehr Sachlichkeit würde dem Portal manchmal wirklich gut tun.

posted by Stadler at 14:39  

1.1.13

Wir sind das Netz?

Johnny Häusler hat bei Spreeblick vor ein paar Tagen einen sympathischen Appell an Blogger und aktive Webuser gerichtet, sich 2013 das Netz zurückzuerobern. Denn wer nur auf Facebook, Twitter und Google veröffentlicht, gibt nach Ansicht Häuslers die Kontrolle über seine Inhalte aus der Hand.

Dieser Text Häuslers hat eine fast bizarre Diskussion ausgelöst, die weitgehend jedenfalls an dem von Häusler angerissenen Thema vorbei geht. Als Reaktion auf den Text bei Spreeblick fordert Mathias Richel ein öffentlich-rechtliches Netz und Public Space Server, die der Staat betreibt und die über eine Abgabe der Access-Provider bezahlt werden.

Mir ist bislang allerdings nicht aufgefallen, dass es ein Problem mit dem Hosting geben würde. Es existieren ganz im Gegenteil in diesem Bereich derartig viele unterschiedliche Angebote, die es jedem erlauben, seine Inhalte auch abseits der großen (amerikanischen) Anbieter hosten zu lassen. Was die von Richel geforderten Public Space Server mit der von Häusler angesprochenen Dominanz amerikanischer Anbieter bei sozialen Netzen zu tun haben, erschließt sich mir auch nach längerem Nachdenken nicht. Es handelt sich um zwei verschiedene Aspekte. Was wäre die Konsequenz von Richels Idee? Der Internetzugang würde sich verteuern, weil die Zugangsprovider und TK-Unternehmen den von Richel geforderten „Netzeuro“ auf die Nutzer umlegen. Im Gegenzug bekäme man staatlich subventionierten (kostenlosen) Webspace. Und was würde das an der Dominanz von Facebook und Google ändern? Mathias Richel bietet uns eine Lösung für ein Problem das gar nicht existiert, aber keine für das Problem, das Johnny Häusler beschreibt.

In einem meines Erachtens eher diffusen Beitrag assistiert Jens Best indem er eine Regulierung – nur welche? – fordert. Wie der Versuch einer Regulierung von beispielsweise Google aussieht, kann man in Deutschland derzeit anhand des Gesetzesvorhabens zur Schaffung eines Leistungsschutzrechts für Presseerzeugnisse beobachten. Ich vermute, dass Jens Best diese Form der Regulierung nicht unterstützen möchte. Wer also nach dem Staat ruft, der möge bitte konkrete Vorschlägen präsentieren und zugleich erläutern, wie diese sinnvoll und konkret umzusetzen sind. Möglicherweise sind wir aber auch nur alle Idioten, mit Ausnahme von Jens Best.

Ich frage mich ernsthaft, weshalb der sinnvolle Aufruf Johnny Häuslers unbedingt durch unsinnige oder sachfremde, weil andere Themen betreffende, Blogbeiträge, zerfaselt werden muss. Vielleicht ist aber gerade diese Haltung der Grund dafür, dass wir eine Dominanz amerikanischer Anbieter beklagen (müssen).

posted by Stadler at 23:24  

14.11.12

Urheberrecht für das 21. Jahrhundert

iRights.info und netzpolitik.org haben gerade einen Text des Kollegen Till Kreutzer mit dem Titel „Auf dem Weg zu einem Urheberrecht für das 21. Jahrhundert“ veröffentlicht, der mir aus der Seele spricht. Kreutzer sieht den Grund für die aktuellen und zunehmenden Auseinandersetzungen darin, dass das Urheberrecht einen Bedeutungswandel durchgemacht hat, dem bislang allerdings in keiner Weise durch gesetzliche Änderungen Rechnung getragen worden ist. Man möchte an dieser Stelle ergänzen, dass sich der Gesetzgeber sogar förmlich gegen diesen Bedeutungswandel stemmt, indem er das Urheberrecht fortlaufend – getrieben durch einen massiven Lobbyismus – zugunsten der gewerblichen Rechteinhaber verschärft.

Nachdem das Urheberrecht, anders als noch vor 20 Jahren, mittlerweile für weite Teile unserer Bevölkerung von Bedeutung ist, hätte damit die Erkenntnis verbunden sein müssen, dass die gestiegene soziale Bedeutung des Urheberrechts auch eine weitaus größere Sozialbindung nach sich ziehen muss. Denn gerade das, was viele – auch das Bundesverfassungsgericht – so gerne als geistiges Eigentum bezeichnen, unterliegt nach dem Grundgesetz einer expliziten Sozialbindung. Konsequenterweise hätte man deshalb die Schrankenbestimmungen zugunsten der Allgemeinheit ausweiten und nicht wie geschehen einschränken müssen. Der Gesetzgeber ist an dieser Stelle deutlich aus dem Tritt geraten und hat sich einseitig und zu Lasten der Allgemeinheit von Urheberrechtslobbyisten leiten lassen. Diese Fehlentwicklung wird er früher oder später korrigieren müssen.

Kreutzer skizziert drei kurzfristige Lösungsansätze, die ich in diesem Blog auch immer wieder thematisiert habe. Nämlich die Verbesserung des Urhebervertragsrechts, mehr Nutzerfreiheiten für den Bildungs- und Wissenschaftsbereich und die Eindämmung der Filesharing-Abmahnungen.

Vage wird Kreutzer allerdings, wenn es um die langfristige Perspektive geht. Seine Idee von der Entkoppelung der Urheber- und Verwertungsrechte klingt gut, dürfte aber schwer gestaltbar sein. Man wird in Zukunft aber die soziale Komponente des Urheberrechts (wieder) stärker in den Vordergrund rücken müssen und stets um einen fairen und offenen Interessenausgleich zu ringen haben.

posted by Stadler at 18:41  

28.10.12

Lasst sie streiten

In den letzten Tagen wurde viel über den vermeintlichen Niedergang der Piratenpartei geschrieben. In mehr oder minder intelligenten, bis hin zu eher dämlichen Kommentaren, ist von Krise, Machtkampf oder Schulhof 2.0 die Rede. Konsens herrscht bei allen Kommentatoren aber dahingehend, dass die Auseinandersetzungen, speziell innerhalb des Bundesvorstands, der Partei schaden würden.

Nur warum? Weshalb hängen wir einem – freilich von fast allen Medien bei jeder Gelegenheit verstärkten – Bild einer Parteipolitik an, das öffentlich ausgetragenen innerparteilichen Streit tabuisiert? Vermutlich weil wir glauben, Geschlossenheit sei mit Verlässlichkeit gleichzusetzen und wir uns Parteien wünschen, bei denen wir wissen, woran wir sind. Für diese strukturkonservative Haltung zahlen wir Bürger einen hohen Preis. Denn sie bedingt genau die Politik, mit der wir so oft unzufrieden sind. Die Annahme, eine Partei sei im Inneren geschlossen, ist seit jeher Heuchelei und eines mündigen Bürgers eigentlich unwürdig.

Es ist an der Zeit, politische Strukturen einfach neu zu denken und zwar nicht immer nur entlang von Parteien, deren oberste Maxime die Disziplinierung von Amts- und Mandatsträgern ist. Ich wünsche mir Abgeordnete, die sich nicht vorrangig einer Partei oder Fraktion verpflichtet fühlen, sondern wie es das Grundgesetz eigentlich vorsieht, dem Wohl des ganzen Volkes. Ich wünsche mir eine Überwindung des Prinzips der Fraktionsdisziplin und stattdessen wechselnde Mehrheiten, die sich an Sachfragen orientieren. Dazu brauchen wir aber Politiker die den Mut haben, eine konstruktive politische Streitkultur zu leben, die sich nicht nur gegen den vermeintlichen politischen Gegner richtet, sondern sich auch gegen die Parteifreunde richten darf.

Eine solche politische Kultur kann und wird es aber nur dann geben, wenn man damit aufhört, innerparteiliche Auseinandersetzungen als Schwäche oder Manko zu betrachten. Vielmehr müssen sie als eine normale und sinnvolle Form des politischen Meinungskampfs wahrgenommen werden. Man kann von Parteien bzw. politischen Akteuren nicht einerseits Geschlossenheit einfordern und sich andererseits über die Verlogenheit der Politik beschweren. Wir müssen uns entscheiden, ob wir Heuchelei oder Offenheit wollen. Das bisherige System steht für Heuchelei. Die Piraten sind und waren vor allem deshalb interessant, weil sie das Versprechen eines neuen politischen Verfahrens gegeben haben, mit dem die Hoffnung verbunden war, dass verkrustete politische Strukturen zumindest aufgeweicht werden könnten. Das kann ihnen aber nur dann gelingen, wenn wir von ihnen gerade keine Geschlossenheit einfordern. Deshalb: Lasst sie streiten.

posted by Stadler at 16:05  

27.10.12

Die Themen der Woche im Blog

TK-Überwachung: Auskunftspflicht über Bestandsdaten soll neu geregelt werden

Markenrecht: Kann das Zeichen @ als Marke eingetragen werden?

Urheberrecht/Filesharing: Gesetzesinitiativen zur Beschränkung der Störerhaftung

Datenschutz: Wie sinnvoll und wie demokratisch ist die geplante EU-Datenschutzgrundverordnung?

Soziale Netze: Wie Facebook mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeitet

Haftung/Urheberrecht: Haften Blogger für Embedded Content?

posted by Stadler at 13:52  

17.10.12

Bundestag fordert netzpolitik.org auf, ein Gutachten zur Abgeordnetenbestechung vom Netz zu nehmen

netzpolitik.org hatte vor ein paar Wochen ein Rechtsgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags zur Abgeordnetenkorruption veröffentlicht. Die Bundestagsverwaltung fordert Blogbetreiber Markus Beckedahl nunmehr auf, „die fortwährende rechtswidrige Veröffentlichung unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 17.10.2012 einzustellen„.

Das entbehrt nicht eines gewissen Unterhaltungswerts, nur leider wird uns eine Begründung für die These der Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung vorenthalten, ebenso wie die Nennung der Sanktionen die dem Blogger jetzt drohen.

Einziger juristischer Anknüpfungspunkt ist einmal mehr das Urheberrecht, wobei unklar ist, ob der unterzeichnende Beamte überhaupt derjenige ist, der eine urheberrechtliche wirksame Gestattung aussprechen kann.

Der Fall zeigt jedenfalls, dass die Vorschrift über die Urheberrechtsfreiheit amtlicher Werke (§ 5 UrhG) dringend erweiterungsbedürftig ist. Aus Steuergeldern bezahlte Gutachten werden der Öffentlichkeit aus urheberrechtlichen Gründen vorenthalten, obwohl für jedermann ersichtlich ist, dass das Gutachtenergebnis das ist, worüber die Öffentlichkeit nicht informiert werden soll.

Blogbetreiber Beckedahl hat bereits erklärt, dieser Aufforderung keine Folge zu leisten. Danke Markus, das ist die richtige Haltung.

 

posted by Stadler at 17:44  

4.10.12

Müssen wir eigentlich dauernd Petitionen zu netzpolitischen Themen zeichnen?

Sascha Lobo fordert gerade via Twitter und Blog dazu auf, die Petition gegen das geplante Leistungsschutzrecht für Preseerzeugnisse zu zeichnen, obwohl die Petition schlecht formuliert ist. Sein Hauptargument: Die Petition gegen Netzsperren hätte mit ca. 134.000 Unterzeichnern etwas bewirkt, weil es gelungen ist, derartig viele Menschen zu mobilisieren.

Das ist zwar zutreffend, beantwortet aber nicht die Frage, ob die Petition ganz allgemein das richtige Instrument ist, um netzpolitischen Themen Gehör zu verschaffen und politische und gesetzgeberische Entscheidungen zu beinflussen.

Das in Art. 17 GG verbürgte Petitionsrecht wird oft genutzt, dennoch ist es praktisch wirkungslos. Petitionen ermöglichen keine unmittelbare politische Einflussnahme. Sie können im Idealfall nur Öffentlichkeit schaffen und mediale Aufmerksamkeit erzeugen. Erst dadurch wird Druck auf die politischen Entscheider ausgeübt. Die Wirkung der Petition ist also immer nur mittelbar und in ihrer Wirkung wesentlich von den medialen Begleiteffekten abhängig. Wirkung erzeugt man aber nur dann, wenn das Instrument der Petition sparsam eingesetzt wird. Derzeit erleben wir allerdings eine gegenteilige Entwicklung. Wir werden ständig dazu aufgefordert, neue Petitionen zu zeichnen, die häufig ein berechtigtes Anliegen verfolgen aber ebenso häufig mangelhaft formuliert oder begründet sind. Dieser inflationäre und nicht wirklich durchdachte Gebrauch des Instruments der Onlinepetition schwächt allerdings ihre Wirkung entscheidend.

Der Erfolg der Netzsperren-Petition kann nicht beliebig reproduziert werden und zwar auch dann nicht, wenn Opinion-Leader wie Sascha Lobo zur Unterstützung aufrufen. Wir sollten das Mobilisierungspotential, das auch in dieser Frage vorhanden ist, deshalb nicht mit Aufrufen zur Zeichnung von Petitionen vergeuden.

Ich zeichne diese Petition deshalb nicht, ebensowenig wie die zur Abschaffung der GEMA-Vermutung.

posted by Stadler at 10:56  

25.9.12

Ist Deep Packet Inspection in Deutschland erlaubt?

In einem Interview mit der taz erläutert CCC-Mitglied Rüdiger Weis die Überwachungstechnik Deep Packet Inspection (DPI) und spricht von einer Internetversion des Nacktscanners. Weis erklärt außerdem, dass es Hinweise geben würde, wonach auch deutsche Mobilfunkanbieter und Provider DPI einsetzen. Diese Aussagen decken sich mit den Erkenntnissen der EU-Behörde BEREC, die Anfang des Jahres einen Bericht über Providerpraktiken zum “Traffic Management” vorgelegt hat.

Wenn man eine Parallele zur analogen Welt ziehen will, dann ließe sich der Einsatz von DPI wohl am ehesten damit vergleichen, dass die Post sämtliche von ihr transportierten Postsendungen vor der Auslieferung systematisch liest und die Inhalte analysiert.

Deep Packet Inspection stellt nach meiner Einschätzung einen Verstoß gegen das Fernmeldegeheimnis des § 88 TKG dar. § 88 Abs. 3 TKG normiert ein Kenntnisnahmeverbot des TK-Anbieters sowohl hinsichtlich des Inhalts als auch der näheren Umstände der Telekommunikation. Das Verbot ist somit enger als das der Strafnorm des § 206 StGB, weil dort die bloße Kenntnisnahme noch nicht sanktioniert wird. Das Gesetz spricht zwar in § 88 Abs. 3 TKG davon, dass es dem Provider nur verboten ist, sich über das für die Erbringung des Dienstes erforderliche Maß hinaus Kenntnis zu verschaffen. Daraus lässt sich aber keine Gestattung einer Deep Packet Inpection ableiten. Denn jeder TK-Dienst kann ohne weiteres und ohne Einschränkung auch ohne den Einsatz von DPI erbracht werden. Für die Erbringung der TK-Dienstleistung ist es auch unter dem Aspekt der Systemsicherheit nicht erforderlich, Technologien wie DPI einzusetzen.

Es wäre also durchaus interessant konkret festzustellen, welche Provider solche Technologien einsetzen und in welchem Umfang. Denn als Kunde könnte man dann eine Verletzung des Fernmeldegeheimnisses gegenüber seinem Anbieter geltend machen.

posted by Stadler at 17:50  

23.9.12

Beschlüsse des Juristentages sind in der Tendenz bürgerrechts- und internetfeindlich

Der letzte Woche zu Ende gegangene 69. Deutsche Juristentag hat eine ganze Reihe fragwürdiger und diskussionsbedürftiger Beschlüsse gefasst, die auf eine stärkere Regulierung und Überwachung des Internets abzielen. Diese Beschlüsse werden von den Fachabteilungen des DJT gefasst, die mir angesichts dessen, was inhaltlich abgestimmt wurde, doch deutlich von einer konservativen und nicht gerade liberalen Grundhaltung dominiert zu sein scheinen.

Die für das Internet relevanten Beschlüsse des DJT finden sich in dem Beschlusspapier u.a. auf S. 9 – 11 (Strafrecht) und S. 23 ff. (IT- und Kommunikationsrecht).

Der DJT spricht sich für eine Vorratsdatenspeicherung, Onlinedurchsuchung (in engen Grenzen) und Quellen-TKÜ aus. Ein Recht auf anonyme Internetnutzung lehnt der DJT ab. Gefordert wird ferner, dass bei der Verarbeitung personenbezogener Daten von Minderjährigen eine Einwilligung des einsichtsfähigen Minderjährigen und seines gesetzlichen Vertreters notwendig sein soll. Das würde natürlich u.a. eine Nutzung sozialer Netze durch Minderjährige erheblich erschweren und ist relativ weit von der Lebenswirklichkeit entfernt.

Eine Auswahl derjenigen Beschlüsse, die mir für das Internet wesentlich erscheinen, habe ich nachfolgend zusammengestellt. Ob der Beschlussvorschlag angenommen oder abgelehnt wurde, ergibt sich aus dem Klammerzusatz am Ende.

Überwachungstechnologien:
Der Gebrauch der existierenden Technologie für eine flächendeckende Überwachung, Filterung und Kontrolle jeglicher elektronischer Kommunikation ist allenfalls mit äußerster Zurückhaltung anzuwenden. Sind Überwachungs- und Filterbefugnisse erst einmal gewährt, so entziehen sie sich einer effektiven Kontrolle durch Justiz und Parlament. (abgelehnt)

Quellen-Telekommunikationsüberwachung:
aa) Ein heimliches Eindringen in ein informationstechnisches System zum Zwecke einer repressiven Quellen-Telekommunikationsüberwachung sollte als Ausgleich für die technisch meist unmögliche Telekommunikationsüberwachung entsprechend den Voraussetzungen der §§ 100a, 100b StPO möglich sein. (angenommen)

bb) Die hierfür eingesetzte Software muss vorab unabhängig zertifiziert werden, z.B. durch den Datenschutzbeauftragten, um sicherzustellen, dass die technischen und rechtlichen Anforderungen eingehalten und die beim Einsatz dieser Software unvermeidlichen Gefahren beherrschbar sind. (angenommen)

cc) Es sollte eine gesetzliche Pflicht geschaffen werden, in jedem Einzelfall nachträglich den Datenschutzbeauftragten zu informieren. (abgelehnt)

Online-Durchsuchung:
aa) Ein heimliches Eindringen in ein informationstechnisches System zum Zwecke einer repressiven Online-Durchsuchung ist angesichts der Möglichkeit einer Verschlüsselung der gespeicherten Daten ein wichtiges Ermittlungsinstrument und sollte daher, wenn auch unter hohen, verfassungsrechtlich vorgegebenen Eingriffsschwellen (vgl. BVerfGE 120, 274) erlaubt werden. (angenommen)

bb) Die hierfür eingesetzte Software muss vorab unabhängig zertifiziert werden, z.B. durch den Datenschutzbeauftragten, um sicherzustellen, dass die technischen und rechtlichen Anforderungen eingehalten und die beim Einsatz dieser Software unvermeidlichen Gefahren beherrschbar sind. (angenommen)

cc) Es sollte eine gesetzliche Pflicht geschaffen werden, in jedem Einzelfall nachträglich den Datenschutzbeauftragten zu informieren. (abgelehnt)

Vorratsdatenspeicherung:
Telekommunikationsanbieter sollten generell und soweit verfassungsrechtlich zulässig nach Maßgabe der RL 2006/24/EG (EU-Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie) verpflichtet werden, bestimmte Verkehrsdaten zu sammeln und für mindestens sechs Monate zu speichern. (angenommen)

Anonymität:
a) Im Interesse einer effektiven Durchsetzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung im Internet besteht ein schützenswertes Recht der Internetnutzer auf Anonymität. Ansprüche Dritter wegen Rechtsverletzungen durch Internetnutzer sollen weitestmöglich hinter dem Recht auf Anonymität zurückstehen, Identifizierungspflichten von Internetdiensten sind entsprechend zu beschränken (abgelehnt)

b) Ein „Recht auf anonyme Internet-Nutzung“ ist nicht anzuerkennen. Bei aktiver Nutzung des Internets mit eigenen Beiträgen darf der Nutzer nicht anonym bleiben, sondern muss im Rahmen einer Verwendung von Pseudonymen zumindest identifizierbar sein. Nur dann lassen sich Rechtsverstöße wirksam verfolgen. Internet-Dienste sollen den Klarnamen und die Internetverbindung ihrer Nutzer registrieren. (angenommen)

Datenschutz, Persönlichkeitsrecht, Störerhaftung:
Für die wirksame (datenschutzrechtliche, Anm. des Verf.) Einwilligung Minderjähriger ist sowohl die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter als auch die Einwilligung des einsichtsfähigen Minderjährigen erforderlich. (angenommen)

Bei behaupteten Persönlichkeitsrechtsverletzungen ist dem Betroffenen – in Anlehnung an §§ 101 UrhG, 19 MarkenG, 140b PatG – ein Auskunftsanspruch zur Benennung des Rechtsverletzers zu gewähren; Ausnahmen sind nur in verfassungsrechtlich gebotenen Fällen zuzulassen. (angenommen)

Der Störerhaftung soll ein Dienstebetreiber nur dann unterliegen, wenn er zumutbare Verhaltens-, namentlich Prüfpflichten verletzt, die nach Art des Internetdienstes unterschiedlich weitreichend sein können. Die vom BGH in der „Blogger“-Entscheidung (Urt. v. 25.10.2011 – VI ZR 93/10) aufgegriffenen Grundsätze – keine Verantwortlichkeit des Providers, wenn er nach Meldung der Rechtsverletzung durch den Rechtsinhaber die Veröffentlichung löscht – sind fortzuentwickeln. Für Äußerungen auf Kommunikationsplattformen sollte ein „Notice-and-take-down“-Verfahren eingeführt werden, in dem auf Meldung eines potentiell Verletzten zunächst der Äußernde zur Stellungnahme aufgefordert wird. Nimmt er nicht in gesetzter Frist Stellung, wird seine Äußerung entfernt; andernfalls findet die rechtliche Auseinandersetzung zwischen Äußerndem und Verletztem statt. (angenommen) (…) Bei anonymen Meinungsäußerungen erfolgt eine umgehende Entfernung der Äußerung (angenommen)

Das geltende Regelungskonzept des Datenschutzes, ein Verbot der Verwendung personenbezogener Angaben mit Erlaubnisvorbehalt, ist grundsätzlich beizubehalten, aber mit deutlich erweiterten Erlaubnistatbeständen für die Internetkommunikation. Datenschutzrechtliche Anforderungen sollten bei überwiegenden Kommunikationsinteressen zurücktreten. (angenommen)

Sowohl die europäische „Datenschutz-Grundverordnung“ als auch die entsprechende nationale Regelung sollten die Verantwortlichkeit von Suchmaschinenbetreibern und deren Umgang mit personenbezogenen Daten regeln. (angenommen)

posted by Stadler at 14:15  

21.9.12

Sauberes, schönes Internet

Unser Internet soll sauberer werden. Das meint zumindest das von der EU geförderte Clean-IT-Project. Erklärtes Ziel der Projektgruppe ist es, die terroristische Nutzung des Internets einzudämmen. Zu diesem Zweck führt man einen „Public-Private-Dialogue“, wie es auf der Website des Projekts offiziell heißt. Man kennt dieses Prinzip bereits, denn Provider, soziale Medien und Portalbetreiber sollen dieses Vorhaben unterstützen.

EDRi hat heute ein Diskussionspapier der Clean-IT-Gruppe geleakt, das offenbar nicht zur Veröffentlichung vorgesehen war. Inhaltlich ist es möglicherweise nicht ganz so spektakulär, wie man bei netzpolitik.org meint, zumindest wenn man das gelesen hat, was die Projektgruppe bereits selbst veröffentlicht hat.

Gleichwohl sind bürgerrechtliche Bedenken angebracht. Allein der aus einem Fact-Sheet der Projektgruppe stammende Satz

Results of this project can possibly be translated to other types of illegal use of the internet as well

sollte nachdenklich stimmen. Denn es geht wieder einmal darum, Informationsvermittler wie Provider oder soziale Medien dazu zu bewegen, im Rahmen des in Deutschland wohlbekannten Konzepts der freiwilligen Selbstverpflichtung, illegale Inhalte im Netz zu sperren, filtern und auszublenden. Im Rahmen der Debatte um das Zugangserschwerungsgesetz wurde nun wirklich rauf und runter erläutert, warum dieser Ansatz zwangsläufig zu Chilling Effects führt, die die Meinungs- und Informationsfreiheit gefährden. Als hätte es die Netzsperren-Debatte nie gegeben, versucht die Politik aber weiterhin das Internet zu kontrollieren und präsentiert hierfür die immergleichen Ansätze in wechselnden Gewändern.

Abgesehen von der inhaltlichen Fragwürdigkeit sehr vieler der diskutierten Maßnahmen, ist vor allem der nicht gesetzgeberische Ansatz – wie es sogar offiziell heißt – im Rahmen von Public-Private-Partnerships problematisch. Denn damit wird die Grundrechtsbindung des Staates umgangen und das in einem äußerst grundrechtsintensiven Bereich. Die Grundrechtseingriffe sollen von den Akteuren des Netzes „freiwillig“ vorgenommen und damit quasi privatisiert werden.

Hier braut sich gerade wieder etwas zusammen, auf das die Bürgerrechtler ein Auge haben müssen. Und bevor wir wieder ausschließlich auf die EU schimpfen, sollte man erwähnen, dass das Bundesministerium des Inneren offizieller Projektpartner von Clean IT ist. Wie hätte es auch anders sein können.

 

posted by Stadler at 21:49  
« Vorherige SeiteNächste Seite »