Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

17.4.15

Bushido siegt (vorerst) beim BGH

Der Rapper Bushido ist vor einigen Jahren vom Landgericht Hamburg auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz dem Grunde nach verurteilt worden und auch zu seiner sog. Billigkeitsentschädigung. Bushido hatte sich für eigene Songs bei Aufnahmen einer französischen Band bedient und Sequenzen aus deren Songs als Loops in seine Tracks eingebaut. Die Entscheidung des Landgerichts wurde anschließend vom Oberlandesgericht Hamburg bestätigt.

Der BGH hat diese Entscheidungen nun aufgehoben und die Klage insoweit abgewiesen (Urteil vom 16. April 2015 – I ZR 225/12 – Goldrapper), als sich die urheberrechtliche Berechtigung nur auf die Stellung als Textdichter beschränkte, weil Bushido offenbar keinerlei Passagen mit Text übernommen hat.

Bei der Übernahme von Passagen der Musik haben das Landgericht und das OLG nach Ansicht des BGH nicht ausreichend dargelegt, dass die kurzen Musiksequenzen die Voraussetzungen eines urheberrechtlichen Schutzes erfüllen. In der Pressemitteilung des BGH heißt es hierzu:

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben. Die von den Mitgliedern der Gruppe „Dark S.“ erhobene Klage, die sich allein auf ihre Urheberrechte als Textdichter gestützt haben, hat er abgewiesen. Da der Beklagte nur Teile der Musik, nicht aber auch den Text von Stücken der Gruppe übernommen hat, liegt insoweit kein urheberrechtlich relevanter Eingriff vor. Die ursprüngliche Verbindung zwischen Text und Musik ist urheberrechtlich nicht geschützt. Im Hinblick auf die Klage des Komponisten der Gruppe hat der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Die vom Oberlandesgericht bislang getroffenen Feststellungen tragen nicht seine Annahme, dass die nach dem Vortrag des Klägers zu 1 vom Beklagten übernommenen Teile der von ihm komponierten Musikstücke urheberrechtlich geschützt sind. Es ist nicht ersichtlich, durch welche objektiven Merkmale die für einen urheberrechtlichen Schutz erforderliche schöpferische Eigentümlichkeit der übernommenen Sequenzen aus den vom Kläger komponierten Musikstücken bestimmt wird. Das Oberlandesgericht hätte nicht ohne Hilfe eines vom Gericht beauftragten Sachverständigen annehmen dürfen, dass die kurzen Musiksequenzen über ein routinemäßiges Schaffen hinausgehen und die Voraussetzungen urheberrechtlichen Schutzes erfüllen.

Das Verhältnis dieses Urteils zu der scheinbar abweichenden Entscheidung „Metall auf Metall“ ist nur dann verständlich, wenn man erkennt, dass sich die Bushido-Entscheidung auf die Urheberrechte des Komponisten stützt, während die Entscheidung Metall auf Metall maßgeblich auf das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers gestützt ist.

Das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers (§ 85 UrhG) ist nach Ansicht des BGH bereits dann verletzt, wenn „kleinste Tonfetzen“ entnommen werden. Das Recht des Komponisten eines Songs sieht der BGH allerdings erst dann als verletzt an, wenn die entnommene Sequenz die erforderliche „schöpferische Eigentümlichkeit“ aufweist und deshalb auch in der entnommenen Sequenz die bei urheberrechtlichen Werken notwendige persönliche geistige Schöpfung (§ 2 Abs. 2 UrhG) zum Ausdruck kommt. Der Schutz des Leistungsschutzrechts reicht an dieser Stelle also deutlich weiter als der Schutz des eigentlichen Urheberrechts, was man aus grundsätzlichen Erwägungen heraus kritisieren kann.

Hätte im vorliegenden Fall also der Tonträgerhersteller der französischen Band geklagt und sich auf sein Leistungsschutzrecht berufen, dann hätte der BGH im Lichte seiner eigenen Rechtsprechung einen Rechtsverstoß bejahen müssen. Für den Komponisten als den Schöpfer des Werks der Musik gilt dies nicht ohne weiteres.

posted by Stadler at 09:34  

17.4.15

Bibliotheken dürfen an elektronischen Leseplätzen das Ausdrucken und Abspeichern auf USB-Stick zulassen

Der BGH hat gestern entschieden (Urteil vom 16. April 2015 – I ZR 69/11 – Elektronische Leseplätze II), dass Bibliotheken gedruckte Bücher digiatlisieren dürfen und es anschließend an ihren elektronischen Leseplätzen den Nutzern auch ermöglichen können, die Werke auszudrucken oder per USB-Stick abzuspeichern.

Damit endet ein jahrelanger Rechtsstreit, der zwischenzeitlich auch dem EuGH vorgelegt worden war. Der EuGH hatte die deutsche Schrankenvorschrift des §52b UrhG für richtlinienkonform erachtet und damit den Weg freigemacht, für diese Entscheidung des BGH.

In der Pressemitteilung des BGH heißt es zur Begründung:

Dass die Klägerin der Beklagten den Abschluss eines Lizenzvertrages angeboten hat, der die Beklagte dazu berechtigt hätte, im Verlag der Klägerin erschienene Bücher in digitalisierter Form an den elektronischen Leseplätzen ihrer Bibliothek zugänglich zu machen, hat die Beklagte rechtlich nicht daran gehindert, diese Bücher unter Berufung auf § 52b UrhG auch ohne Einwilligung der Klägerin auf diese Weise zu nutzen. Unter „vertraglichen Regelungen“, die nach § 52b UrhG einer solchen Nutzung entgegenstehen, sind allein Regelungen in bestehenden Verträgen und keine bloßen Vertragsangebote zu verstehen.

Die Beklagte ist auch berechtigt, im Verlag der Klägerin erschienene Bücher ihres Bibliotheksbestandes zu digitalisieren, wenn dies erforderlich ist, um diese Bücher an elektronischen Leseplätzen ihrer Bibliothek zugänglich zu machen. § 52b UrhG sieht zwar keine solche Berechtigung vor. Jedoch ist in diesen Fällen die unmittelbar für das öffentliche Zugänglichmachen von Werken in Unterricht und Forschung geltende Regelung des § 52a Abs. 3 UrhG entsprechend anwendbar, die zur Zugänglichmachung erforderliche Vervielfältigungen erlaubt. Eine entsprechende Anwendung dieser Regelung ist geboten, weil das Recht zur Wiedergabe von Werken an elektronischen Leseplätzen einen großen Teil seines sachlichen Gehalts und sogar seiner praktischen Wirksamkeit verlieren würde, wenn die Bibliotheken kein akzessorisches Recht zur Digitalisierung der betroffenen Werke besäßen.

Die Beklagte hat das Urheberrecht an dem Buch auch nicht dadurch verletzt, dass sie es Bibliotheksnutzern ermöglicht hat, das an elektronischen Leseplätzen zugänglich gemachte Werk auszudrucken oder auf USB-Sticks abzuspeichern. Der Beklagten war es nach § 52b UrhG erlaubt, das Buch an elektronischen Leseplätzen zugänglich zu machen. § 52b UrhG ist im Blick auf Art. 5 Abs. 3 Buchst. n der Richtlinie 2001/29/EG nicht dahingehend einschränkend auszulegen, dass Werke an elektronischen Leseplätzen nur in der Weise zugänglich gemacht werden dürfen, dass sie von Nutzern dort nur gelesen und nicht auch ausgedruckt oder abgespeichert werden können. Die Beklagte haftet auch nicht für unbefugte Vervielfältigungen des Werkes durch Nutzer der elektronischen Leseplätze. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass es zu unberechtigten Vervielfältigungen durch Nutzer der Leseplätze gekommen ist. Davon kann auch nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Ein Ausdrucken oder Abspeichern von an elektronischen Leseplätzen bereitgestellten Werken kann in vielen Fällen als Vervielfältigung zum privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch nach § 53 UrhG zulässig sein.

posted by Stadler at 08:45  

16.4.15

Wollen wir eine Vorratsdatenspeicherung light?

Die gestern von Bundesjustizminister Heiko Maas vorgestellten Leitlinien zur Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung sind im Vergleich zu dem Gesetz, das es in Deutschland bereits gab, natürlich deutlich abgemildert. Das war aber auch nötig, denn der Gesetzgeber muss die Vorgaben des EuGH und des BVerfG beachten, die die EU-Richtlinie bzw. das deutsche Umsetzungsgesetz als nicht grundrechtskonform verworfen haben. Ob die geplante Neuregelung die Grenzen beachtet, die die Gerichte gezogen haben, wird sich erst beurteilen lassen, wenn der Gesetzesentwurf vorliegt. Ich bin allerdings nach wie vor der Meinung, dass die Vorgaben des EuGH nur schwer umsetzbar sein werden. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten mit Sicherheit auch noch eine Diskussion darüber erleben, wie die vom BMJ jetzt gezogenen Grenzen, insbesondere was die Speicherdauer und die Katalogstraftaten angeht, noch ausgeweitet werden können.

Die Beschränkung der Debatte auf die Frage, was im Lichte der Vorgaben von BVerfG und EuGH gerade noch als verfassungs- und grundrechtskonform zu betrachten ist, verstellt den Blick auf die eigentlich wesentlichen Aspekte. Den aktuell besten Text hierzu hat Christoph Kappes geschrieben, der die meines Erachtens maßgebliche Frage exakt formuliert:

Wie sieht unser Entwurf einer Gesellschaft aus, die angemessen mit Daten umgeht?

Meine Haltung war immer die, dass es eine staatlich verordnete anlasslose – und genau das Fehlen eines Anlasses ist der zentrale Punkt – Speicherung von TK-Verbindungs- und Standortdaten in einem Rechtsstaat nicht geben darf. Es geht hier um nichts weniger als die gesellschaftliche und rechtspolitische Diskussion darüber, welchen Staat und welche Gesellschaft wir Bürger eigentlich wollen. Und diese Diskussion darf nicht von falschen und heuchlerischen Thesen zur angeblichen Notwendigkeit und Unverzichtbarkeit einer Vorratsdatenspeicherung dominiert werden. Man muss den Befürwortern einer Vorratsdatenspeicherung zwei Dinge sagen: Euere Argumente zur Notwendigkeit einer Vorratsdatenspeicherung sind falsch. Aber ungeachtet dessen, wollen wir eine solche Maßnahme aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht, weil sie nicht unserer Vorstellung von einem freiheitlichen Rechtsstaat entsprechen, in dem wir leben wollen.

posted by Stadler at 09:40  

15.4.15

Schleichwerbung im Netz

Verdeckte Werbung bzw. Schleichwerbung ist auch in Blogs, sozialen Medien, auf Onlineportalen und Websites rechtlich unzulässig. In den letzten Wochen wurde über ein Urteil des Landgerichts München I berichtet, das es dem Ärztebewertungsportal Jameda verbietet, eine „Top-Platzierung“ eines Arztes oberhalb der eigentlichen Suchergebnisse anzuzeigen, wenn der Werbecharakter dieser Anzeige nicht klar erkennbar wird.

Es gibt eine ganze Reihe gesetzlicher Vorschriften, die sog. verdeckte Werbung auch und gerade im Internet verbieten. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 UWG ist es unzulässig, den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen zu verschleiern. Nach der Ziff. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG (sog. schwarze Liste) sind von einem Unternehmen finanzierte redaktionelle Inhalte (als Information getarnte Werbung) unzulässig, wenn sich der Umstand der Bezahlung nicht eindeutig aus der optischen oder akustischen Darstellung ergibt.

§ 6 TMG verlangt, dass sog. kommerzielle Kommunikation – der Begriff geht über den Begriff der Werbung hinaus, erfasst aber auch Werbemaßnahmen – klar als solche erkennbar sein muss. Unter den Begriff der kommerziellen Kommunikation fallen beispielsweise auch Maßnahmen der Verkaufsförderung, Preisausschreiben, Gewinnspiele und Verkaufsabsprachen. Vor diesem Hintergrund dürften beispielsweise auch sog. Affiliate-Links als kommerzielle Kommunikation zu betrachten sein, mit der Folge einer Pflicht zur deutlichen Kennzeichnung.

Schließlich normiert § 58 Abs. 1 RStV auch für Internetangebote das sog. Trennungsgebot:

Werbung muss als solche klar erkennbar und vom übrigen Inhalt der Angebote eindeutig getrennt sein. In der Werbung dürfen keine unterschwelligen Techniken eingesetzt werden.

Insgesamt muss Werbung also für den Nutzer deutlich erkennbar sein und von den übrigen Inhalten getrennt werden. Unzulässig sind damit nicht nur Werbeanzeigen, die nicht ausreichend deutlich gekennzeichnet sind. Unzulässig sind vor allen Dingen auch von Werbepartnern bezahlte Texte oder Links, die nicht deutlich als Werbung erkennbar sind. Auch positive Produkt- oder Leistungsbewertungen durch Nutzer, die von Unternehmen beauftragt worden sind, stellen unzulässige Werbepraktiken dar. Insoweit sind insbesondere alle Erscheinungsformen des sog. viralen Marketings problemtisch, sofern der Eindruck entsteht, ein Nutzer würde ein bestimmtes Produkt oder eine Leistung von sich aus empfehlen, obwohl er in Wirklichkeit hierfür bezahlt wird oder vom werbenden Unternehmen einen geldwerten Vorteil in Form von Sachzuwendungen erhält.

posted by Stadler at 10:16  

13.4.15

Das Verfahren nach dem TTIP verhandelt wird, ist rechtsstaatlich defizitär

Dieses Blog wird sich in nächster Zeit in unregelmäßigen Abständen verstärkt mit dem geplanten transatlantischen Freihandelsabkommen, das unter dem Kürzel TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) bekannt ist, auseinandersetzen.

Bevor man sich bei dem geplanten Freihandelsabkommen TTIP mit den zahlreichen, durchaus kritikwürdigen inhaltlichen Aspekten befasst, steht die Auseinandersetzung mit dem Verfahren.

Am Verhandlungstisch sitzen bei TTIP neben den Unterhändlern der USA und der EU vor allen Dingen Wirtschaftslobbyisten. Das Freihandelsabkommen wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt, die Verträge werden ohne Beteiligung von Parlamenten und Vertretern der Zivilgesellschaft ausformuliert. Teilweise sind nicht einmal die betroffenen nationalen Regierungen über den aktuellen Verhandlungsstand informiert.

Den nationalen Parlamenten und dem EU-Parlament bleibt da nur noch die Rolle des Abnickers. Weil sie nur noch über die fertig ausgehandelten Verträge abstimmen können und der politische Druck der Regierungen und der EU-Kommission zu diesem Zeitpunkt übermächtig sein wird, verkommt die demokratische Legitimation zur Farce. Bereits jetzt versucht die Union ihre Abgeordneten auf eine Zustimmung zu TTIP förmlich einzuschwören.

Bei jedem beliebigen Gesetzgebungsverfahren, sei es national oder auf EU-Ebene, werden frühzeitig verschiedenste Gruppen und Verbände einbezogen. Auch in diesen Gesetzgebungsprozessen nutzen die Wirtschaftslobbyisten ihren großen Einfluss, aber sie haben zumindest meistens noch Gegenspieler, die sich ebenfalls Gehör verschaffen können. All das fehlt bei den Verhandlungen zu Verträgen wie dem transatlantischen Handelsabkommen TTIP. Müsste aber bei einem internationalen Abkommen, das sich u.U. noch viel stärker auf das Leben der Menschen in den beteiligten Vertragsstaaten auswirkt als einzelne nationale Gesetze, nicht erst recht versucht werden, alle gesellschaftlich relevanten Gruppen bereits im Vorfeld zu beteiligen? Warum sitzen die Wirtschaftslobbyisten am Verhandlungstisch und haben die Möglichkeit das Verhandlungsergebnis in ihrem Sinne zu beeinflussen, wenn nicht gar zu steuern, während zivilgesellschaftliche Gruppen und Verbände ausgeschlossen bleiben? Dem Verweis darauf, dass das schon immer so gemacht wurde, fehlt es an Überzeugungskraft. Die Tatsache, dass derartige Verhandlungen seit jeher in demokratisch-rechtsstaatlicher Hinsicht defizitär waren, bedeutet nicht, dass das so bleiben kann und darf.

Das Zustandekommen des Verhandlungsergebnisses bei einem Vertrag wie TTIP genügt rechtsstaatlichen Anforderungen nicht in ausreichendem Maße. Es ist allein aus diesem Grund unbedingt abzulehnen und zwar ganz unabhängig von den inhaltlichen Aspekten. Es ist zu fordern, dass die EU und ihre Mitgliedsstaaten ein Verhandlungsverfahren definieren, das Transparenz gewährleistet und die breite Beteiligung verschiedenster gesellschaftlicher und politischer Gruppen ermöglicht. Das aktuelle Verhandlungsprozedere stellt nichts anderes als einen Mechanismus zur Umgehung demokratischer Entscheidungsprozesse dar.

posted by Stadler at 13:57  

9.4.15

Die FAQ des Wirtschaftsministeriums zum geplanten Gesetz zur Haftung des W-LAN-Anbieters

Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung, der die Störerhaftung für Anbieter öffentlicher WLANs regeln und vermeintlich Rechtssicherheit schaffen will, ist gerade in der juristischen Fachwelt auf erhebliche Kritik gestoßen. Das BMWi hat jetzt 20 FAQ veröffentlicht, die für etwas mehr Klarheit sorgen sollen. Das gelingt den Fragen und Antworten des Ministeriums allerdings nicht.

In der Antwort 1 wird ausgeführt, dass die Anbieter den Namen des Nutzers nicht protokollieren, registrieren oder anderweitig erfassen müssen. Private WLAN-Anbieter müssen allerdings im Zeitpunkt der WLAN-Überlassung den Namen des Nutzers kennen. In der Antwort 3 heißt es dann, dass der Anbieter seinen Router verschlüsseln muss, wie dies vom Hersteller vorgesehen ist und sich vom Nutzer zusichern lassen muss, dass dieser keine Rechtsverletzungen über den WLAN-Anschluss begehen wird.

Wie diese drei Anforderungen unter einen Hut zu bringen sind, erklärt das Ministerium allerdings nicht. Wenn der Anbieter von dem Nutzer keine Registrierung verlangen muss, kann er demzufolge (weiterhin) eine anonyme Nutzung zulassen. Der anonyme Nutzer muss allerdings versichern, dass er keine Rechtsverletzung begehen wird. An dieser Stelle muss die Frage gestattet sein, wie um alles in der Welt eine vorformulierte Erklärung eines anonymen Nutzers die Gefahr von Rechtsverletzungen eindämmen soll. Das ist in etwa so, wie wenn der anonyme Besucher einer Pornoseite bestätigt, dass er volljährig ist. Dieser Klick schafft keinen Jugendschutz. Ebensowenig wie der Klick eines anonymen Nutzers geeignet ist, Rechtsverletzungen zu verhindern.

Hinzu kommt dann noch das Erfordernis einer Verschlüsselung, das vom BMWi wie folgt begründet wird:

Die Verschlüsselung dient vor allem dem Interesse des WLAN-Betreibers selbst. Sie verhindert, dass Unbefugte über seinen Internet-Zugang surfen und auf seine Dateien zugreifen können.

Das ist nun allerdings komplett unzutreffend, gerade vor dem Hintergrund, dass ja kein Registrierungszwang bestehen soll. Die Verschlüsselung ist vielfach schlicht nicht im Interesse des W-LAN-Betreibers. Wer ein öffentliches (kostenloses) W-LAN anbietet, hat nämlich ein Interesse daran, dass die Nutzer möglichst einfach und unkompliziert ins Internet kommen. Und gerade das wird durch eine Verschlüsselung erschwert.

Wer sein Netz für jedermann öffnet, der muss kein unbefugtes Surfen verhindern, denn ein solches gibt es dann ja gar nicht. Mir ist auch nicht klar, wie eine Verschlüsselung Rechtsverletzungen verhindern soll, wenn es gleichzeitg keine Registrierungspflicht gibt. Die Gefahr von Rechtsverletzungen kann man prinzipiell eindämmen, indem man vom Nutzer verlangt, sich zu authentifizieren und zu registrieren und ein anonymes Login gerade nicht gestattet. Dann hat man es aber mit einem geschlossenen Netz zu tun, das nicht mit der Idee offener und freier W-LANs vereinbar ist.

Und bei dieser Frage ist schließlich noch der Gesetzeswortlaut zu berücksichtigen, der am Ende von den Gerichten ausgelegt wird. Das Gesetz verlangt nämlich vom Anbieter, dass er zumutbare Maßnahmen ergreift, um eine Rechtsverletzung durch den Nutzer zu verhindern. Das was das BMWi in seinen FAQ beschreibt, sind aber insoweit noch nicht einmal geeignete Maßnahmen. Es steht zu befürchten, dass die Gerichte, anders als in den Antworten der Bundesregierung, den Gesetzgeber beim Wort nehmen werden und tatsächlich effektive Maßnahmen fordern, die ohne eine Registrierung und Identifizierung der Nutzer nicht denkbar sind. Diese naheliegende Auslegung lässt sich nur vermeiden, indem man dem Anbieter überhaupt keine Maßnahmen auferlegt.

Drollig ist in diesem Kontext auch die Vorstellung der Bundesregierung (Antwort 14), Einzelhändler in einer Fußgängerzone könnten sich zusammenschließen und den Nutzern ein Netz zur Verfügung zu stellen, das nach dem Vorbild von eduroam aufgebaut ist. An dieser Stelle werden leider die technischen und wirtschaftlichen Realitäten vollkommen verkannt. Einzelhändler, die ihren Kunden einen (kostenlosen) Internetzugang anbieten wollen, haben ein Interesse an einer möglichst billigen und einfachen Lösung. Und gerade das wird durch den Gesetzesentwurf erheblich erschwert.

Reto Mantz hat sich ausführlich mit den FAQ befasst und kritisiert die Haltung des BMWi erwartungsgemäß.

posted by Stadler at 11:21  

8.4.15

Haftung von sozialen Netzwerken und Microbloggingdiensten für Nutzerpostings

Das OLG Dresden hat mit Urteil vom 01.04.2015 (AZ.: 4 U 1296/14) entschieden, dass Anbieter von Mikrobloggingdiensten verpflichtet sind, rechtswidrige Äußerungen von Nutzern zu entfernen und hat gegen den Anbieter einen Unterlassungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Persönlichkeitsrechts bzw. des Unternehmenspersönlichkeitsrechts bejaht. Das Urteil ist in den Medien z.T. als überraschend bewertet worden, bei Chip.de ist beispielsweise von einem krassen Urteil die Rede.

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts haftet der Anbieter nach den Grundsätzen der Störerhaftung. Der Betreiber könne, so das OLG,  verpflichtet werden, zukünftige derartige Verletzungen zu verhindern, wenn der Betroffene ihn auf die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hinweist. Das OLG Dresden hat die Rechtsprechung des BGH zu Informationsportalen auf diese Konstellation angewendet (vgl. BGH, Urt. v. 27.03.2012 – VI ZR 144/11 und BGH, Urt. v. 25.10.2011 – VI ZR 93/10). Ein Tätigwerden des Hostproviders ist aber nur dann veranlasst, wenn der Hinweis so konkret gefasst wird, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer, d.h. ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung, bejaht werden kann. Der Anbieter muss nicht von vorneherein eine eigene Prüfung und Abwägung der betroffenen Rechte durchführen. Er muss aber prüfen, ob – die Richtigkeit der Beanstandung unterstellt – möglicherweise fremde Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Dazu soll er dem Nutzer die Gelegenheit geben, zu den Beanstandungen innerhalb angemessener Frist Stellung zu nehmen. Das OLG hat die Revision zum BGH zugelassen.

Die Entscheidung ist auf den ersten Blick nicht sonderlich spektakulär, sondern bestätigt nur die Rechtsprechung der letzten Jahre. Grundsätzlich ist in Einklang mit der Rechtsprechung des BGH allerdings davon auszugehen, dass den Anbieter zunächst nur eine Löschpflicht trifft. Der Anbieter wird erst dann zum Störer, mit der Konsequenz einer vollen Unterlassungsverpflichtung, wenn er den beandstandeten Inhalt trotz konkreter Kenntnis nicht löscht bzw. sperrt. Das lässt sich u.a. den Entscheidungen des BGH vom 17.08.2011 (Az.: I ZR 57/09) und vom 30.06.2009 (Az.: VI ZR 210/08) entnehmen und ist auch vom OLG Stuttgart so entschieden worden. In dem Fall den das OLG Dresden zu entscheiden hatte, hatte der Anbieter aber vermutlich nicht gelöscht und wurde deshalb zur Unterlassung verurteilt. Nachdem bislang aber nur die Pressemitteilung vorliegt, muss insoweit das vollständige Urteil abgewartet werden.

posted by Stadler at 15:24  

8.4.15

Die Prozessführung der Abmahnanwälte BaumgartenBrandt in Filesharing-Fällen

Gegen die Rechtsanwälte BaumgartenBrandt ist vom Insolvenzverwalter der Lichtblick Films GmbH (ehemals Los Banditos Films GmbH) der Vorwurf erhoben worden, sie würden Prozesse in Filesharing-Angelegenheiten führen, ohne von ihm bevollmächtigt worden zu sein. Hierüber hatte Rechtsanwalt Gulden vor einiger Zeit berichtet. Das wiederum hat BaumgartenBrandt zu einer Pressemitteilung veranlasst. In der LTO ist dazu ein Beitrag erschienen, in dem für die Abmahnanwälte Partei ergriffen wird.

Mittlerweile haben die Rechtsanwälte BaumgartenBrandt auch bei den angerufenen Gerichten Stellung zu dem Vorwurf der fehlenden Mandatierung durch den Insolvenzverwalter genommen. In einem mir vorliegenden Schriftsatz wird inhaltlich im Wesentlichen das wiederholt, was schon in der Pressemitteilung stand. BaumgartenBrandt berufen sich insbesondere darauf, dass sie von einem Bevollmächtigten des Insolvenzverwalters per E-Mail und mündlich gebeten worden wären, die Verfahren fortzuführen.

Gleichzeitig haben sich die Rechtsanwälte BaumgartenBrandt beim Amtsgericht (Insolvenzgericht) Stuttgart über das Verhalten des Insolvenzverwalters beschwert und dieses Schreiben auch ins Netz gestellt.

Die Filesharing-Verfahren die die Kanzlei Baumgarten Brandt für verschiedene ihrer Auftraggeber, z.B. auch die KSM GmbH führt, weisen, soweit der Sachverhalt aus dem Jahre 2010 oder früher stammt, ein interessantes und pikantes Detail auf.

Die technische Ermittlung des Anschlussinhabers wurde in diesen Fällen nämlich durch eine Guardaley Ltd. durchgeführt.

Die Unzuverlässigkeit der technischen Ermittlungsmaßnahmen der Fa. Guardaley ist allerdings in einem Urteil des Landgerichts Berlin vom 03.05.2011 (AZ: 16 O 55/11) dokumentiert. In dem Verfahren vor dem Landgericht Berlin hat der Dienstleister Guardaley Ltd. als Antragsteller gegen die Rechtsanwälte BaumgartenBrandt eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung beantragt, weil die Rechtsanwälte über die Firma Guardaley Ltd. behauptet hatten, sie erbringe unzuverlässige Recherchedienstleistungen. In dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 03.05.2011 heißt es hierzu:

„Die Antragsgegner (also BaumgartenBrandt, Anm. des Verf.)  haben glaubhaft gemacht, dass die Äußerung, die Firma Guardaley erbringe unzuverlässige Recherchedienstleistungen der Wahrheit entspricht“.

Im Urteil heißt es weiter, die Firma Guardaley habe IP-Daten von Anschlussinhabern ermittelt, die selbst keine Filmwerke der Öffentlichkeit zugänglich machen, also keinen Upload vornehmen.

Die Rechtsanwälte BaumgartenBrandt haben in dem Verfahren in Berlin also selbst explizit vorgetragen, dass die von der Firma Guardaley Ltd. ermittelten IP-Daten nicht zu 100 % korrekt sind bzw. ein Upload und damit ein öffentliches Zugänglichmachen gar nicht festgestellt worden ist.

Aus dem Urteil des Landgerichts Berlin ergibt sich ferner, dass die Anwaltskanzlei BaumgartenBrandt das zwischen ihr und dem Dienstleister Guardaley bestehende Vertragsverhältnis wegen dieser Unregelmäßigkeiten bei der technischen Ermittlung im Jahre 2011 fristlos gekündigt hat. Dass der technische Dienstleister direkt von der abmahnenden Anwaltskanzlei beauftragt wurde, ist ein weiteres, nicht uninteressantes Detail.

Die Rechtsanwälte BaumgartenBrandt wissen also jedenfalls seit dem Jahr 2011 positiv, dass der Dienstleister Guardaley in der Vergangenheit unzuverlässige und unrichtige Rechercheergebnisse in Filesharing-Fällen geliefert hat, die auch zu fehlerhaften und unberechtigten Abmahnungen geführt haben. Dennoch führen BaumgartenBrandt für ihre Mandanten weiterhin Prozesse, in denen der angebliche Rechtsverstoß nach wie vor mit den Ermittlungsergebnissen der Fa. Guardaley begründet wird.

Die technische Unzuverlässigkeit der Ermittlungssoftware der Firma Guardaley Ltd. ist mittlerweile auch von mehreren Gerichten bestätigt bzw. thematisiert worden, z.B. vom OLG Köln (Beschluss vom 20.01.2012, Az.: 6 W 242/11) und vom Amtsgericht Frankenthal (Urteil vom 23.06.2014, Az.: 3b C 145/14). In einem aktuellen Hinweisbeschluss vom 02.01.2015 (Az.: 153 C 3184/14) hat das Amtsgericht Koblenz darauf hingewiesen, dass bereits andere Gerichte festgestellt haben, dass die Ermittlungssoftware der Firma Guardaley ungeeignet ist, Urheberrechtsverletzungen zutreffend zu ermitteln.

Die Prozessführung der Kanzlei BaumgartenBrandt ist mir kürzlich auch in einem eigenen Verfahren aus anderen Gründen negativ aufgefallen. In einer Filesharingsache haben die Abmahnanwälte Schadensersatz und die Erstattung von Anwaltskosten eingeklagt, obwohl die Parteien bereits vorgerichtlich einen Vergleich geschlossen hatten, der vom Beklagten auch erfüllt worden war. Nachdem dies in der Klageerwiderung eingewandt worden ist, haben die Rechtsanwälte BaumgartenBrandt die Klage für ihre Mandantin zurückgenommen, allerdings erst wenige Stunden vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung und ohne mich vorher darüber zu informieren. Wer so agiert, darf sich über Kritik nicht wundern.

posted by Stadler at 11:39  

2.4.15

Was bedeutet die Forderung nach Ausweiskontrollen für Flüge im Schengenraum?

Bundesinnenminister De Maizière denkt über die Wiedereinführung von Ausweiskontrollen bei Flügen im Schengen-Raum nach, weil man angeblich nicht genau wusste, welche Passagiere an Bord des Germanwings-Flug waren, was nach Ansicht des Innenministers ein riesiges Sicherheitsproblem darstellt.

Wieso wird diese Forderung ausgerechnet nach einem Flugzeugabsturz erhoben, der nach bisheriger offizieller Darstellung von einem lebensmüden Piloten gezielt herbeigeführt wurde? Welchen Grund hat es, eine sicherheitspolitische Maßnahme zu fordern, die das konkrete Unglück mit Sicherheit nicht verhindert hätte?

Der Abbau von Ausweiskontrollen im Schengenraum ist einer der großen Eckpfeiler einer europäischen Integration, die ohnehin arg ins Stocken geraten ist. Warum sollte man dieses Rad zurückdrehen? Ist das nicht in etwa so, als würde Wolfgang Schäuble den Austritts Deutschlands aus der Währungsunion erwägen?

Wäre es außerdem dann nicht zwingend notwendig, auch bei allen Inlandsflügen eine Ausweiskontrolle einzuführen? Wenn der Sicherheitsaspekt das maßgebliche Kriterium ist, dann muss man Inlandsflüge ebenso bewerten wie Flüge innerhalb des Schengenraums. Und was ist mit allen anderen Massenverkehrsmitteln? Mit Zügen, U-Bahnen und Fernbussen? Sind dort die Gefahren nicht ebenso hoch oder sogar noch höher als im Flugverkehr? Wäre es da nicht logisch und konsequent, für alle Massenverkehrsmittel Listen von Fahrgästen und Passagieren einzuführen, die durch Ausweiskontrollen zu verifizieren sind?

Wenn Sie meinen, dass das nach einer Überwachungsfantasie klingt, dann können Sie vermutlich die Gedanken des Innenministers lesen. Denn es geht um Kontrolle, Macht und Überwachung.

Im Zusammenhang mit dem Schengener Abkommen wurde von der EU gerne die Phrase von Europa als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts bemüht. Vielleicht wäre es stimmiger, vom Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts der Überwachung zu sprechen.

posted by Stadler at 21:53  
« Vorherige Seite