Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

16.4.15

Wollen wir eine Vorratsdatenspeicherung light?

Die gestern von Bundesjustizminister Heiko Maas vorgestellten Leitlinien zur Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung sind im Vergleich zu dem Gesetz, das es in Deutschland bereits gab, natürlich deutlich abgemildert. Das war aber auch nötig, denn der Gesetzgeber muss die Vorgaben des EuGH und des BVerfG beachten, die die EU-Richtlinie bzw. das deutsche Umsetzungsgesetz als nicht grundrechtskonform verworfen haben. Ob die geplante Neuregelung die Grenzen beachtet, die die Gerichte gezogen haben, wird sich erst beurteilen lassen, wenn der Gesetzesentwurf vorliegt. Ich bin allerdings nach wie vor der Meinung, dass die Vorgaben des EuGH nur schwer umsetzbar sein werden. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten mit Sicherheit auch noch eine Diskussion darüber erleben, wie die vom BMJ jetzt gezogenen Grenzen, insbesondere was die Speicherdauer und die Katalogstraftaten angeht, noch ausgeweitet werden können.

Die Beschränkung der Debatte auf die Frage, was im Lichte der Vorgaben von BVerfG und EuGH gerade noch als verfassungs- und grundrechtskonform zu betrachten ist, verstellt den Blick auf die eigentlich wesentlichen Aspekte. Den aktuell besten Text hierzu hat Christoph Kappes geschrieben, der die meines Erachtens maßgebliche Frage exakt formuliert:

Wie sieht unser Entwurf einer Gesellschaft aus, die angemessen mit Daten umgeht?

Meine Haltung war immer die, dass es eine staatlich verordnete anlasslose – und genau das Fehlen eines Anlasses ist der zentrale Punkt – Speicherung von TK-Verbindungs- und Standortdaten in einem Rechtsstaat nicht geben darf. Es geht hier um nichts weniger als die gesellschaftliche und rechtspolitische Diskussion darüber, welchen Staat und welche Gesellschaft wir Bürger eigentlich wollen. Und diese Diskussion darf nicht von falschen und heuchlerischen Thesen zur angeblichen Notwendigkeit und Unverzichtbarkeit einer Vorratsdatenspeicherung dominiert werden. Man muss den Befürwortern einer Vorratsdatenspeicherung zwei Dinge sagen: Euere Argumente zur Notwendigkeit einer Vorratsdatenspeicherung sind falsch. Aber ungeachtet dessen, wollen wir eine solche Maßnahme aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht, weil sie nicht unserer Vorstellung von einem freiheitlichen Rechtsstaat entsprechen, in dem wir leben wollen.

posted by Stadler at 09:40  

19 Comments

  1. Lass die doch machen, denn es gibt eine einfache Lösung: Per Gesetz/Urteil werden alle Bürger zu Geheimnisträger deklariert!

    Comment by Ole — 16.04, 2015 @ 10:40

  2. @Ole: Das würde ja auch bedeuten, das einige davon ausgeschlossen würden. Wer aber sind die von der Überwachung ausgeschlossenen?

    Comment by Hinterwäldler — 16.04, 2015 @ 11:27

  3. Mich dünkt als mache es bereits gar keinen Unterschied mehr, ob man sich nun noch an politischen Dingen beteiligt oder nicht. Politiker (egal welcher parteilichen Basis entstammend, wenn erst einmal gewählt) verdrehen das Wort, brechen Versprechen, verlieren Rückrat (so sich dies nicht schon per se mit „Politiker“ ausschließt), entscheiden über Sachverhalte, von denen die wenigsten eine auch nur ausreichende Ahnung haben, usw. Irgenwann hat auch der letzte Widerständler keine Lust mehr, gegen diese „Windmühlen“ zu argumentieren – dann, liebe Politiker, sagt doch gleich was ihr tun wollt und eiert nicht so dermaßen rum. Nachher wundert ihr euch, warum keiner mehr wählen geht und politische Randgruppierungen mehr und mehr Zulauf erhalten (auch wenn es der Sache selbst nichts nutzt).

    Dankbar bin ich in jedem Fall all jenen, die unermüdlich und unbeeindruckt all das nicht hinnehmen und immer und immer wieder versuchen, Politiker zurück auf den rechten Weg zu bringen.

    Comment by Andreas — 16.04, 2015 @ 11:51

  4. Wenn ein Politiker etwas sagt, hat er entweder keine Ahnung, wovon er redet, oder er lügt. Trifft beides gleichzeitig zu, ist er Regierungsmitglied. Von dieser Regel gibt es keine Ausnahme!
    Daher hat jede Äußerungs eines Politikers ungefähr den gleichen Informationswert wie das weiße Rauschen, das man früher im Fernsehen nach dem Sendeschluss sehen konnte.

    Comment by Rangar — 16.04, 2015 @ 12:25

  5. In diesem Zusammenhang ist es gut zu wissen, daß es die FDP noch gibt. Herr Kubicki wird jedenfalls Verfassungsklage einreichen. Ich bin auch sicher, daß sich Herr Baum ebenfalls engagieren wird. Auf diese beiden Herren ist jedenfalls Verlass. Sie werden sich diese Unverschämtheiten nicht bieten lassen. Man kann ihnen wieder mal herzlich danken.

    Comment by Gonzo — 16.04, 2015 @ 12:31

  6. Solange Klopps Abschied von Dortmund in den wichtigsten Nachrichtensendungen Thema Nummer 1 ist, hab ich wenig Hoffnung. Hilft aber nix. Weitermachen.

    Comment by vera — 16.04, 2015 @ 14:22

  7. Die Gewerkschaft der Polizei plädiert dafür, Ladendiebstähle und Schwarzfahren nicht mehr als Straftaten zu behandeln, sondern als Ordnungswidrigkeiten. Die Polizei und die Staatsanwaltschaften sind überlastet. Der Blitz-Marathon wird abgelehnt, da sich die Beamten nicht mehr um ihr Kerngeschäft bemühen können. Trotzdem gibt es den Marschbefehl heute.

    In diesen Zeiten der Belastungsgrenzen ist die VDS sowieso ein Witz. Es fehlt an Personal. Es fehlt an Allem. Wo ein Vorrat ist, sollte auch ein fähiger Auswerter sein. Mangelware.

    Doch wie bereits geschrieben, es wird wieder eine Verfassungsklage erfolgen. Von dem guten Herrn Kubicki, der diesbezüglich bekanntermaßen spaßfrei agiert. Herr Baum ist erbost, um es mal harmlos auszudrücken, und wird sich ebenfalls einsetzen.

    Danke dafür.

    Comment by Gonzo — 16.04, 2015 @ 14:37

  8. Ich finde die Behauptung des maßlosen Justizministers toll: Ärzte, Anwälte, Journalisten usw werden zwar auch von der Datenerhebung betroffen sein, die Daten dürfen aber nicht ausgewertet werden. Sehr gut! Wir haben die Daten zwar, aber wir machen damit nichts! Versprochen! Bestimmt!

    Und lustig: Ab wann ist ein Mensch Journalist? Wenn er eine Festanstellung bei Springer hat? Wenn er mindestens einen Artikel veröffentlicht hat? Oder schon wenn er für seine erste (bald bevorstehende Veröffentlichung)(in einem Blog?) recherchiert?

    „Journalist“ ist kein nennenswert geschützter Begriff. Jeder Idiot kann sich Journalist nennen. Das merken wir an den qualitativen Mängeln in der Berichterstattung.

    D.h. über die „Ich bin Journalist“-Keule kann doch jeder Bürger die Vorratsdatenspeicherung aushebeln.

    Auch witzig: E-Mail-Verkehr wird nicht gespeichert. Schön! Der böse Terrorist weiß das natürlich nicht und wird weiterhin Ferngespräche aus dem Sudan nach Deutschland führen, weil E-Mails einfach zu unpraktisch sind….

    Noch witziger: Ortsbezogene Daten sollen eine geringere Speicherfrist haben, als reine Verbindungsdaten. Zu den Verbindungsdaten gehört aber auch der Anschluss oder die Funkzelle. Daten der Endgeräte usw. um das alles eindeutig zu identifizieren.

    Vorratsdatenspeicherung ist unnötig. Egal ob man 1 Tag, 6 Monate oder 6 Jahre speichert. In jedem Fall überwacht man ohne jeden Anlass Bürger! Und diese Eingriffe in Grundrechte kann man nicht rechtfertigen.

    Auch wenn auf ARD gestern ein Kommentar in den Tagesthemen kam, der widerlich war:
    Sinngemäß:“Wer Facebook, Amazon und Google freiwillig Daten zur Verfügung stellt, der sollte dem Staat da doch noch eher vertrauen!“

    Ehm und wenn nicht?

    1) Google Amazon und Co bekommen die Daten nur auf freiwilliger Basis. Ich muss keine Dienste dieser Firmen nutzen. Der Staat sammelt dagegen ohne meine Zustimmung!

    2) Anders als Google, Amazon und Co, steht der Staat bzw. seine Vertreter dann morgens um 6Uhr mit Maschinengewehren in meiner Wohnung.

    3) Vertrauen muss man sich verdienen. Als Amazon-Kunde kann ich da nur sagen: Das Unternehmen hat sich mir gegenüber bisher tadellos und sehr kulant verhalten. Da habe ich ein gewisses Vertrauen. Und der Staat? Wie verhält der sich so? Die letzte Polizeikontrolle habe ich noch im Gedächtnis. Behördliche Schreiben in denen ich mir vorkam, wie ein Verbrecher, ebenso. warum sollte ich dem Haufen vertrauen?!

    Comment by maSu — 16.04, 2015 @ 14:40

  9. Es wird in diesem Land keine VDS geben. Weder eingeleitet von Maas, dem die Nerdbrille auch nicht mehr hilft, noch von den C-Parteien. 2017 wird gewählt. Wir werden sehen, was Gabriel mit seinem Befehl an Maas gewonnen hat. Maas ist nur der Ausführer, nicht der Verursacher. Gabriel hat die Tat begangen, um die C-Parteien zu befrieden.

    Es wird geklagt und ein Eilantrag gestellt, sollte deren Müll Gesetz werden.

    Comment by Gonzo — 16.04, 2015 @ 14:54

  10. Eventuell kann sich sogar jemand, der hier nur Themen aufbereitet, selber an dem Kampf gegen die VDS und so weiter beteiligen.

    Der zum Beispiel:

    Thomas Stadler
    Standort: Freising, Bayern, Germany
    Fachanwalt für IT- Recht und Fachanwalt

    Schön wäre es.

    Nicht immer von heise.de abschreiben, sondern selber mal aktiv werden.

    Comment by Gonzo — 16.04, 2015 @ 16:44

  11. „Aber ungeachtet dessen, wollen wir eine solche Maßnahme aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht, weil sie nicht unserer Vorstellung von einem freiheitlichen Rechtsstaat entsprechen, in dem wir leben wollen.“

    Wer ist wir??? Wer ist „unsere Vorstellung“??

    Keine Verfassungsklage hat Thomas Stadler unterstützt, keine Demo besucht.

    Er hat gar nichts gemacht. Er hat weder damals gegen die VDS geklagt, noch sonst geholfen.

    Comment by Gonzo — 16.04, 2015 @ 17:19

  12. Er ist jedenfalls ein Verbreiter. Mehr kann man von Stadler nicht erwarten.

    Comment by Heise — 16.04, 2015 @ 17:29

  13. Ich möchte Anwälte, die kämpfen, die sich verausgaben, dem Gericht auf die Schnauze hauen, stark sind, angstfrei und ordentlich gut gelaunt.

    Comment by Gonzo — 16.04, 2015 @ 17:47

  14. Aber ich merke schon, wir werden uns selber helfen müssen.

    Wir werden die Verfassungsklage alleine durchziehen.

    Und wir werden siegen.

    Comment by Gonzo — 16.04, 2015 @ 17:50

  15. @13 Gonzo Ich möchte Anwälte, die kämpfen, die sich verausgaben, dem Gericht auf die Schnauze hauen, stark sind, angstfrei und ordentlich gut gelaunt.

    Kämpfen Anwälte gegen den Staat, verlieren diese sehr schnell ihre Zulassung.

    Alwälte sind Staatsträger, vermitteln die Interessen des Staates an ihre Mandanten. Gegebenenfalls korrigieren die Anwälte staatliche Fehler, damit es zu keinem Krach kommt, wenn sich der Staat zu weit von den Menschen entfernt.

    In der DDR hatte diese Funktion die Stasi. Hat aber ihre Funktion nicht erfüllt, genauern nicht erfüllen können, weil der Staat im Großen und Ganzen Scheiße war.

    Ganz früher waren es die Pfaffen. Allerdings nicht als Vermittler zwischen den Menschen und dem Staat, sondern zwischen den Menschen und dem lieben Gott.

    Comment by Rolf Schälike — 16.04, 2015 @ 18:52

  16. Gonzo = Ned?

    Comment by Michael — 16.04, 2015 @ 21:26

  17. Wird ein Frosch ins kochende Wasser geworfen, spring dieser heraus. Legt man einen Frosch ins warmes Wasser, welches langsam bis zum Kochen erwärmt wird, so merkt der Frosch nicht wie er zerkocht.

    Das ist auch Deutschland nach 1989 passiert, nicht sofort, langsam, unter unseren Augen, Schritt für Schritt.

    Comment by Rolf Schälike — 17.04, 2015 @ 05:39

  18. Der Vize-Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), André Schulz, sagte: „Die linke Netzpropaganda wird sich nun wieder echauffieren und das Ende des Abendlandes heraufbeschwören.“

    Bei allem Respekt, aber es sagt viel über die innere Gesinnung und Geisteshaltung des Herren aus, wenn er die Kritik an einem unnötigen und gefährlichen Instrument als „linke Netzpropaganda“ abtut. Wenn die FDP jetzt links ist, welchem politischen Spektrum sind dann die Befürworter des VDS zuzuordnen?

    Comment by Ernst Hagen — 17.04, 2015 @ 08:29

  19. Auch wenn auf ARD gestern ein Kommentar in den Tagesthemen kam, der widerlich war:
    Sinngemäß:”Wer Facebook, Amazon und Google freiwillig Daten zur Verfügung stellt, der sollte dem Staat da doch noch eher vertrauen!”

    Der Typ war vom SWR und hat sich offensichtlich nicht wirklich mit dem Thema auseinandergesetzt. Ich ärgere mich gerade schwarz, dass ich diesen blödsinnigen Regierungssender auch noch finanziell unterstützen muss.

    Comment by Ernst Hagen — 17.04, 2015 @ 08:34

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