Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

13.4.15

Das Verfahren nach dem TTIP verhandelt wird, ist rechtsstaatlich defizitär

Dieses Blog wird sich in nächster Zeit in unregelmäßigen Abständen verstärkt mit dem geplanten transatlantischen Freihandelsabkommen, das unter dem Kürzel TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) bekannt ist, auseinandersetzen.

Bevor man sich bei dem geplanten Freihandelsabkommen TTIP mit den zahlreichen, durchaus kritikwürdigen inhaltlichen Aspekten befasst, steht die Auseinandersetzung mit dem Verfahren.

Am Verhandlungstisch sitzen bei TTIP neben den Unterhändlern der USA und der EU vor allen Dingen Wirtschaftslobbyisten. Das Freihandelsabkommen wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt, die Verträge werden ohne Beteiligung von Parlamenten und Vertretern der Zivilgesellschaft ausformuliert. Teilweise sind nicht einmal die betroffenen nationalen Regierungen über den aktuellen Verhandlungsstand informiert.

Den nationalen Parlamenten und dem EU-Parlament bleibt da nur noch die Rolle des Abnickers. Weil sie nur noch über die fertig ausgehandelten Verträge abstimmen können und der politische Druck der Regierungen und der EU-Kommission zu diesem Zeitpunkt übermächtig sein wird, verkommt die demokratische Legitimation zur Farce. Bereits jetzt versucht die Union ihre Abgeordneten auf eine Zustimmung zu TTIP förmlich einzuschwören.

Bei jedem beliebigen Gesetzgebungsverfahren, sei es national oder auf EU-Ebene, werden frühzeitig verschiedenste Gruppen und Verbände einbezogen. Auch in diesen Gesetzgebungsprozessen nutzen die Wirtschaftslobbyisten ihren großen Einfluss, aber sie haben zumindest meistens noch Gegenspieler, die sich ebenfalls Gehör verschaffen können. All das fehlt bei den Verhandlungen zu Verträgen wie dem transatlantischen Handelsabkommen TTIP. Müsste aber bei einem internationalen Abkommen, das sich u.U. noch viel stärker auf das Leben der Menschen in den beteiligten Vertragsstaaten auswirkt als einzelne nationale Gesetze, nicht erst recht versucht werden, alle gesellschaftlich relevanten Gruppen bereits im Vorfeld zu beteiligen? Warum sitzen die Wirtschaftslobbyisten am Verhandlungstisch und haben die Möglichkeit das Verhandlungsergebnis in ihrem Sinne zu beeinflussen, wenn nicht gar zu steuern, während zivilgesellschaftliche Gruppen und Verbände ausgeschlossen bleiben? Dem Verweis darauf, dass das schon immer so gemacht wurde, fehlt es an Überzeugungskraft. Die Tatsache, dass derartige Verhandlungen seit jeher in demokratisch-rechtsstaatlicher Hinsicht defizitär waren, bedeutet nicht, dass das so bleiben kann und darf.

Das Zustandekommen des Verhandlungsergebnisses bei einem Vertrag wie TTIP genügt rechtsstaatlichen Anforderungen nicht in ausreichendem Maße. Es ist allein aus diesem Grund unbedingt abzulehnen und zwar ganz unabhängig von den inhaltlichen Aspekten. Es ist zu fordern, dass die EU und ihre Mitgliedsstaaten ein Verhandlungsverfahren definieren, das Transparenz gewährleistet und die breite Beteiligung verschiedenster gesellschaftlicher und politischer Gruppen ermöglicht. Das aktuelle Verhandlungsprozedere stellt nichts anderes als einen Mechanismus zur Umgehung demokratischer Entscheidungsprozesse dar.

posted by Stadler at 13:57  

11 Comments

  1. Falls jemand nachlesen möchte, @Liese_Mueller und ich haben auf unseren Blogs ziemlich große Stoffsammlungen: Bei Liese auf Zaunintervalle und bei mir auf Kaffee.

    Comment by vera — 13.04, 2015 @ 14:16

  2. TTIP wird von der Politik und der Wirtschaft erörtert, verhandelt und letztendlich unterschrieben.

    „Es ist zu fordern… die breite Beteiligung verschiedenster gesellschaftlicher und politischer Gruppen ermöglicht.“

    Weshalb? Jeder Mensch kann später entscheiden, welche Waren er kauft. „Verschiedenste, gesellschaftliche und politischen Gruppen“ (what ever it means), haben hier in keinster Weise mitzureden!

    Comment by Ilja — 13.04, 2015 @ 19:12

  3. @ Ilja
    Verschiedenste geselleschaftliche und politische Gruppen vielleicht nicht, aber zumindest der Souverän, der in dessen Namen und Auftrag die politischen „Unterhändler“ verhandeln, sollte, nein muss, darüber informiert werden um überhaupt sein ihm zustehendes Recht wahrnehmen zu können!
    Man stelle sich z.B. vor, im Auftrag von BMW, Siemens oder anderen Unternehmen beauftragte „Unterhändler“ verhandeln mit z.B. Mercedes oder IBM über irgendwelche Kooperationen und die Unterhändler verhandeln und unterschreiben Verträge ohne die Firmenleitung über den Stand der Verhandlungen und den Vertrag zu informieren, bzw. ohne sich deren Zustimmung einzuholen!
    Aber wir sollen den politischen Unterhändlern mit der Abgabe (!) unserer Stimme bei der Wahl die unbeschränkte Generalvollmacht erteilt haben ohne Information und ohne jegliche Rückfrage ALLES verhandeln und unterschreiben zu dürfen?
    In unserem Namen!?

    Das hat mir schon bei den Toll Collect Verträgen gestunken! Geheimverhandlungen und Geheimverträge in unserem Namen, und wir wussten von nichts!
    Das die beteilgten Firmen ein Interesse an Geheimhaltung haben/hatten ist zwar verständlich, aber dann müssen sie bei Verträgen mit den Institutionen die in unserem Auftrag handeln, die unsere (angestellten) Vertreter sind, eben in den sauren Apfel beissen, daß diese Verträge öffentlich zu sein haben, oder sie kriegen den Auftrag nicht! Punkt! (Die einzige Ausnahme die ich gelten lasse, wäre „nationale Sicherheit“ betreffend, aber nur in sehr engen Grenzen!)

    Wie sollen wir denn unser Recht – z.B. indem wir die betreffenden Parteien bei der nächsten Wahl in den Orkus schicken – überhaupt wahrnehmen, wenn wir nicht informiert werden, wenn man uns absichtlich (!) nicht unterrichtet?
    Das ist nicht nur – wie Herr Stadler formulierte – Umgehung demokratischer Entscheidungsprozesse, das ist das Aushebeln dieser, das ist Obrigkeitsstaat, ja Diktatur!

    Ganz klar, ALLE Verhandlungen und Verträge (s.obige einzige Ausnahme) bei denen Behörden und der Staat Verhandlungs-/Vertragspartei sind, haben öffentlich zu sein!

    Comment by dentix07 — 13.04, 2015 @ 21:01

  4. @dentuiix07 Die einzige Ausnahme, die ich gelten lasse, wäre “nationale Sicherheit” betreffend, aber nur in sehr engen Grenzen!

    Diese Denke erinnert mich and die Stasiauflösung durch Arnold Vaatz u.a. in Dresden (1990).

    In dem ersten Protokoll der Bürgervertreter, die die Stasi-Zentrale in Dresden auflösten stand, dass die Hauptabteilung Aufklärung (Auslandsspionageabteilung) o.k. ist. Diese handelt nicht nach Innen und schützt die DDR-Bürger vor Angriffen seitens des Westens. Das waren Stasi-Argumente und das Protokoll der Bürger war 1990 von der Stasi geschrieben.

    Als ich Steffen Heitmann in Dresden 1990 kostenlose Beratung durch Hamburger Rechtsanwälte vorschlug, und mit einen sehr guten Anwalt in Dresden anreiste, lehnte dieser spätere CDU-Innenpolitiker es ab, weil es nicht sicher sei, ob wir nicht vom BND kommen.

    Ich unerließ jegliche weitere Versuche, Vernuft und Erfahrung einzubringen zu versuchen.

    Das zur „nationalen Sicherheit“, was das auch immer sei, und von wem auch immer als Argument für Geheimhaltung und Kriegsführung eingebracht wird.

    Comment by Rolf Schälike — 13.04, 2015 @ 21:21

  5. Können TTIP und CETA eigentlich durch zukünftige Regierungen wieder aufgekündigt werden?
    Müsste ja eigentlich so sein, denn da in einer Demokratie Regierung und Legislative nur auf Zeit gewählt sind, dürfen sie doch wohl keine Entscheidungen treffen, die sich nicht rückgängig machen lassen?

    Comment by W0 — 14.04, 2015 @ 09:10

  6. Die Zivilgesellschaft wird nicht beteiligt, weil sie nervt. Die Zivilgesellschaft hat Interessen, die inkompatibel mit der Gewinnmaximierung für einige Wenige sind. Und da die Zivilgesellschaft weitestgehend le­thar­gisch ist, kommen die Vertreter der Partikularinteressen dieser kleinen Gruppe mit diesem Verhalten durch.

    Comment by Drizzt — 14.04, 2015 @ 12:30

  7. @6Dritzz Und da die Zivilgesellschaft weitestgehend le­thar­gisch ist, kommen die Vertreter der Partikularinteressen dieser kleinen Gruppe mit diesem Verhalten durch.

    Stimmt so nicht. Die Partikularinteressen der kleinen Gruppe der Mächtigen unterscheiden sich nicht wesentlich von den Partikularinteressen der weniger Mächtigen. Es könne einfach nicht alle so mächtig und so reich sein, wie die nach oben gelangte kleine Gruppe.

    Lethargisch sind auch die Mächtigen. Sitzen allerdings an anderen Hebeln als die weniger Mächtigen bzw. die absolut Machtlosen.

    Zu hinterfragen sind die Partikularinteressen.

    Comment by Rolf Schälike — 14.04, 2015 @ 13:23

  8. Als Alternative empfehlen wir sich einmal mit einer (neuen) und selbstbestimmten Verfassung für Deutschland auseinanderzusetzen, die exakt diese Themen aufgreift. Einen fertigen Verfassungsvorschlag finden Sie unter http://www.initiative146.de. Viel Spaß beim Lesen und Diskutieren.

    Comment by initiative 146 — 14.04, 2015 @ 18:55

  9. Hast du wirklich eben erst bemerkt, wie völkerrechtliche Verträge zu Stande kommen? Das ist Ausfluss der außenpolitischen Prerogative der Regierung und ausdrücklich so gewollt.

    Dass jetzt die EU-Kommission an die Stelle nationaler Regierungen tritt, ist nur ein weiterer Schritt.

    Comment by Marc B. — 15.04, 2015 @ 17:44

  10. Wären die Gegner des TTIP glücklicher, wenn es nicht zustande käme? Würden sie es überhaupt merken, wenn es nicht durch die Presse ginge?

    Nein, würden sie nicht.

    Soweit mir bekannt, ist das Lebensmittelrecht der USA bei Weitem besser, als in Deutschland. Verstöße werden immer mit langjährigen Haftstrafen versehen. Da möchte ich unsere korrupten Politiker mal beobachten, wenn ihr Wirtschaftsklüngel fünfzehn Jahre in den Knast abfährt und der Politklüngel gleich hinterher.

    Noch nie gesehen in Deutschland? Genau deshalb ist es gut, sich ein Beispiel an den USA zu nehmen. Da kommt der Dreck nämlich weg.

    TTIP ist für Europa nur gut.

    Comment by Gonzo — 16.04, 2015 @ 16:01

  11. Wisst Ihr eigentlich, warum man in Deutschland immer Durchfall hat, wenn man Hähnchen futtert, in den USA nicht?

    Das kommt daher, weil die Amis ihr Geflügel durch Chlor bereinigen. Das ist ein Zeug, in welchem Deutsche gerne schwimmen, es einatmen, schlucken im Freibad, aber ein kurzes Wasserbad der toten Hähnchen ist unerlaubt.

    Da sieht man, wie unaufgeklärt diese Gesellschaft ist. Voreingenommen und ungebildet.

    Comment by Gonzo — 16.04, 2015 @ 16:20

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