Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

9.4.15

Die FAQ des Wirtschaftsministeriums zum geplanten Gesetz zur Haftung des W-LAN-Anbieters

Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung, der die Störerhaftung für Anbieter öffentlicher WLANs regeln und vermeintlich Rechtssicherheit schaffen will, ist gerade in der juristischen Fachwelt auf erhebliche Kritik gestoßen. Das BMWi hat jetzt 20 FAQ veröffentlicht, die für etwas mehr Klarheit sorgen sollen. Das gelingt den Fragen und Antworten des Ministeriums allerdings nicht.

In der Antwort 1 wird ausgeführt, dass die Anbieter den Namen des Nutzers nicht protokollieren, registrieren oder anderweitig erfassen müssen. Private WLAN-Anbieter müssen allerdings im Zeitpunkt der WLAN-Überlassung den Namen des Nutzers kennen. In der Antwort 3 heißt es dann, dass der Anbieter seinen Router verschlüsseln muss, wie dies vom Hersteller vorgesehen ist und sich vom Nutzer zusichern lassen muss, dass dieser keine Rechtsverletzungen über den WLAN-Anschluss begehen wird.

Wie diese drei Anforderungen unter einen Hut zu bringen sind, erklärt das Ministerium allerdings nicht. Wenn der Anbieter von dem Nutzer keine Registrierung verlangen muss, kann er demzufolge (weiterhin) eine anonyme Nutzung zulassen. Der anonyme Nutzer muss allerdings versichern, dass er keine Rechtsverletzung begehen wird. An dieser Stelle muss die Frage gestattet sein, wie um alles in der Welt eine vorformulierte Erklärung eines anonymen Nutzers die Gefahr von Rechtsverletzungen eindämmen soll. Das ist in etwa so, wie wenn der anonyme Besucher einer Pornoseite bestätigt, dass er volljährig ist. Dieser Klick schafft keinen Jugendschutz. Ebensowenig wie der Klick eines anonymen Nutzers geeignet ist, Rechtsverletzungen zu verhindern.

Hinzu kommt dann noch das Erfordernis einer Verschlüsselung, das vom BMWi wie folgt begründet wird:

Die Verschlüsselung dient vor allem dem Interesse des WLAN-Betreibers selbst. Sie verhindert, dass Unbefugte über seinen Internet-Zugang surfen und auf seine Dateien zugreifen können.

Das ist nun allerdings komplett unzutreffend, gerade vor dem Hintergrund, dass ja kein Registrierungszwang bestehen soll. Die Verschlüsselung ist vielfach schlicht nicht im Interesse des W-LAN-Betreibers. Wer ein öffentliches (kostenloses) W-LAN anbietet, hat nämlich ein Interesse daran, dass die Nutzer möglichst einfach und unkompliziert ins Internet kommen. Und gerade das wird durch eine Verschlüsselung erschwert.

Wer sein Netz für jedermann öffnet, der muss kein unbefugtes Surfen verhindern, denn ein solches gibt es dann ja gar nicht. Mir ist auch nicht klar, wie eine Verschlüsselung Rechtsverletzungen verhindern soll, wenn es gleichzeitg keine Registrierungspflicht gibt. Die Gefahr von Rechtsverletzungen kann man prinzipiell eindämmen, indem man vom Nutzer verlangt, sich zu authentifizieren und zu registrieren und ein anonymes Login gerade nicht gestattet. Dann hat man es aber mit einem geschlossenen Netz zu tun, das nicht mit der Idee offener und freier W-LANs vereinbar ist.

Und bei dieser Frage ist schließlich noch der Gesetzeswortlaut zu berücksichtigen, der am Ende von den Gerichten ausgelegt wird. Das Gesetz verlangt nämlich vom Anbieter, dass er zumutbare Maßnahmen ergreift, um eine Rechtsverletzung durch den Nutzer zu verhindern. Das was das BMWi in seinen FAQ beschreibt, sind aber insoweit noch nicht einmal geeignete Maßnahmen. Es steht zu befürchten, dass die Gerichte, anders als in den Antworten der Bundesregierung, den Gesetzgeber beim Wort nehmen werden und tatsächlich effektive Maßnahmen fordern, die ohne eine Registrierung und Identifizierung der Nutzer nicht denkbar sind. Diese naheliegende Auslegung lässt sich nur vermeiden, indem man dem Anbieter überhaupt keine Maßnahmen auferlegt.

Drollig ist in diesem Kontext auch die Vorstellung der Bundesregierung (Antwort 14), Einzelhändler in einer Fußgängerzone könnten sich zusammenschließen und den Nutzern ein Netz zur Verfügung zu stellen, das nach dem Vorbild von eduroam aufgebaut ist. An dieser Stelle werden leider die technischen und wirtschaftlichen Realitäten vollkommen verkannt. Einzelhändler, die ihren Kunden einen (kostenlosen) Internetzugang anbieten wollen, haben ein Interesse an einer möglichst billigen und einfachen Lösung. Und gerade das wird durch den Gesetzesentwurf erheblich erschwert.

Reto Mantz hat sich ausführlich mit den FAQ befasst und kritisiert die Haltung des BMWi erwartungsgemäß.

posted by Stadler at 11:21  

10 Comments

  1. So ähnlich begründet Gabriel auch die VDS: Mit Unsinn und Lügen. Ist also nur konsequent, wenn er das für andere Regulierungen auch tut.
    Dass in dem ganzen Ministerium SO wenig technisches Verständnis sei, dass solche Sachen durchgehen ist kaum vorstellbar. So etwas ist im Grunde nur zu erklären, dass es den politischen Willen gibt die VDS durchzudrücken und freies WLan zu verhindern und vorsichtshalber gar nicht erst Leute mit Sachverstand gefragt wurden. Diese hätten die Vorhaben nur in der Luft zerreißen können.

    Comment by Bernhard — 9.04, 2015 @ 11:37

  2. Ich habe bereits Schwierigkeiten mit der rechtsphilosophischen Grundlage, dass wir uns explizit gegen eine Rechtsverletzung durch uns aussprechen müssen. Geht unser Recht nicht davon aus, dass wir erst einmal alle anständige Bürger sind, deren Default ‚kein Rechtsbruch‘ ist? Wenn ich das in einigen Sonderfällen – die noch nicht einmal sonderlich einfach gelagert sind – extra versprechen muss [rechtsfest mit irgendeiner Art von Unterschrift unter einen wie auch immer gearteten Vertrag], kann ich dann davon ausgehen, dass ich dort, wo ich das nicht versprechen muss, fröhlich gegen geltendes Recht verstossen darf?

    Mal ganz abgesehen davon, dass ein solches Zugeständnis natürlich eine Rechtsverletzung gar nicht verhindern kann. Sie kann nur Konsequenzen aus einem Rechtsbruch klären.

    Comment by Dierk — 9.04, 2015 @ 12:09

  3. Nunja, aus der Perspektive explizit keinen freien und anonymen Netzzugang haben zu wollen, aber fuers Publikum „irgendwas mit freiem WLAN“ machen zu muessen, ist das absolut sinnvoll. Ausser Verdienstmoeglichkeiten fuer die Abmahnindustrie kommt nichts dabei heraus, was man eben nicht will.

    Warum man diese Perspektive einnehmen sollte, muss man Gabriel fragen, der sich ja auch fuer VDS, TTIP und Privatisierung starkmacht.

    Comment by h s — 9.04, 2015 @ 12:40

  4. Ich sehe das wie in Kommentar 3.
    Man will uns hier nur verarschen und blenden.

    Comment by Frank — 9.04, 2015 @ 15:02

  5. Schon technisch sind sowie Gesetz wie auch die FAQ völlig daneben. Verschlüsselung verhindert keinen unbefugten Zugriff, Authentifizierung leistet dies und Verschlüsselung erbringt Vertraulichkeit. Es ist durchaus möglich nur eines von beiden verwenden, Verschlüsselung ohne Authentifizierung erlaubt aber weiterhin unbefugten Zugang, Authentifizierung ohne Verschlüsselung dagegen ist in der Lage dies zu verhindern.

    Damit würde ich das Gesetz als offensichtlich ungeeignet zur Erbringung des gewünschten Erfolges qualifizieren.

    Comment by Techie — 9.04, 2015 @ 17:04

  6. Könnte man das nicht über den WLAN Namen regeln: z.B. „WLAN_Passwort:Ich_begehe_mit_der_Nutzung_dieses_WLANs_keine_Rechtsverletzungen“

    Und dann das eben als Passwort verwenden.

    So hat man ein verschlüsseltes WLAN, auf das aber jeder einfach zugreifen kann, in dem er mittels Passwort erklärt, keine Rechtsverletzungen begehen zu können.

    Comment by SJ — 9.04, 2015 @ 21:20

  7. @6/SJ: Netter Hack. :) Wenn man das Netz dauerhaft anbietet, handelt es sich außerdem um ein geschäftsmäßiges WLAN, und die müssen den Namen der Teilnehmer nicht kennen, wenn ich das richtig verstanden hab.

    Leider trägt es nicht gerade zur Rechtssicherheit bei, wenn das Fachwissen der Gesetzesschreiber dermaßen an jeder technischen Realität vorbeigeht. Darauf, dass die Richter dann haargenau nach dem Gesetzestext urteilen, und nicht im Sinne des Gesetzgebers, dem es laut FAQ ausdrücklich darum geht, anonymes Filesharing zu verhindern, würde ich mich nicht verlassen.

    Comment by Rhabarber — 9.04, 2015 @ 22:00

  8. Ebenso kritisch die Medienanstalt Berlin-Brandenburg: http://www.urheberrecht.org/news/5394/

    Comment by OG — 13.04, 2015 @ 15:40

  9. Ich möchte jetzt nur eines genau wissen:

    Eine Straftat wird begangen, die Staatsanwaltschaft kann die IP ermitteln. Es stellt sich heraus, es ist ein öffentliches W-Lan.

    Wie kann die Staatsanwaltschaft jetzt den Straftäter ermitteln, der Geschädigte zu seinem Recht kommen? Das ist von Interesse, sonst nichts.

    Gruß

    Comment by Ilja — 13.04, 2015 @ 19:06

  10. Gegenfrage: Einige Provider speichern gar keine Daten mehr bei Flat-Kunden, die klugen Jungs und Mädels nutzen Tor und so weiter. Da ist die Staatsanwaltschaft bereits seit ewigen Jahren im Leerlauf. Als ob jetzt das ÖWLAN ein Skandal wäre. Es macht den Kohl nicht fett. Wer anonym bleiben möchte, der schafft das auch. Ob mit oder ohne Kabel, ob eigenes oder fremdes Netzwerk, ob mit oder ohne VDS.

    Comment by Gonzo — 16.04, 2015 @ 13:00

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