Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

10.11.12

Gesetzgeber kann sich im Bereich des E-Learnings nicht zu urheberrechtlichen Neureglungen durchringen

Das Urheberrecht ermöglicht keine zeitgemäße Unterrichtung von Studenten und Schülern. Das ist gerade in diesem Jahr, u.a. durch eine Entscheidung des OLG Stuttgart überdeutlich geworden.

Obwohl eigentlich Handlungsbedarf besteht, kann sich der Gesetzgeber nicht zu einer Ausweitung der Schrankenregelungen durchringen, die es ermöglichen sollten, geschlossenen Benutzergruppen von Studenten oder Schülern an Hochschulen oder Schulen urheberrechtlich geschützte digitale Lehrinhalte in einem sinnvollen Umfang zur Verfügung zu stellen.

Der Gesetzgeber hat das Problem zumindest im Ansatz erkannt, denn in einem ganz aktuellen Gesetzesentwurf hierzu heißt es:

Die anhängigen Verfahren machen jedoch deutlich, dass für einen Teil der Nutzungen an Hochschulen eine Überarbeitung des § 52a UrhG erforderlich werden könnte. Daher sollen zunächst die letztinstanzlichen Entscheidungen abgewartet und anschließend geprüft werden, inwieweit die Formulierung dieser Schranke an die Rechtsprechung angepasst werden muss. Daher wird die zeitliche Befristung in § 137 k UrhG letztmalig erneuert, um in den kommenden zwei Jahren über den Inhalt einer dann endgültig entfristeten Regelung entscheiden zu können.

Der Gesetzgeber macht also erst mal nichts, verlängert lediglich den unzureichenden § 52a UrhG erneut und wartet im übrigen ab, wie der BGH in anhängigen Verfahren entscheiden wird. Hier könnte es allerdings auch sein, dass der BGH an den EuGH vorlegen wird, weil die Thematik durch die Multimedia-Richtlinie überlagert wird, die möglicherweise eine äußerst restriktive Auslegung gebietet. Vor diesem Hintergrund wäre eigentlich politischer Handlungsbedarf gegeben und zwar gerade auch in Brüssel. Die Ankündigung, die Entscheidungen der Gerichte abwarten zu wollen, erscheint da wenig sachgerecht.

posted by Stadler at 21:39  

9.11.12

Deep Packet Inspection auch in Deutschland?

Netzpolitik.org erläutert in einem aktuellen Blogbeitrag, dass die Telekom und Kabel Deutschland das Produkt „Service Control Engine“ von Cisco einsetzen, das eine Deep Packet Inspection (DPI) ermöglicht. Mittels DPI werden sämtliche transportierten Datenpakete systematisch ausgelesen und analysiert. CCC-Mitglied Rüdiger Weis hat das kürzlich gegenüber der taz sehr anschaulich erläutert.

Totalitäre Staaten wie China und jetzt auch Russland benutzen DPI dazu, das Internet zu überwachen und zu zensieren. In Deutschland setzen Provider DPI nach eigenen Angaben dazu ein, um beispielsweise Filesharing auszubremsen oder um Internettelefonie (Skype) zu unterbinden, wenn der von dem Kunden gebuchte Tarif eine solche Nutzung vertraglich nicht zulässt.

Zu dem Thema hatte ich kürzlich bereits gebloggt und die Rechtsansicht vertreten, dass der Einsatz von DPI gegen § 88 TKG verstößt und damit in Deutschland unzulässig ist.

Die Einhaltung des Fernmeldegeheimnisses ist nach dem TKG in der Tat allerdings nicht als Aufgabe der Bundesnetzagentur definiert, weshalb die von netzpolitik.org geschilderte Reaktion der Behörde formal nicht zu beanstanden ist. Es stellt sich hier dennoch die Frage, ob sich der Staat einfach raushalten kann, wenn er erkennt, dass deutsche TK-Anbieter systematisch gegen das (einfachgesetzliche) Fernmeldegeheimnis verstoßen. Denn der Staat hat natürlich auch eine Schutzpflicht für die Grundrechte seiner Bürger. Insoweit stellt sich die Frage, ob das Fernmeldegeheimnis des TKG gesetzlich ausreichend abgesichert ist oder ob der Gesetzgeber nicht doch die Einhaltung des Fernmeldegeheimnisses und eine Sanktionierung von Verstößen behördlicherseits sicherstellen müsste.

Nachdem der Straftatbestand des § 206 StGB erst dann eingreift, wenn Informationen, die dem Fernmeldegeheimnis unterliegen an einen anderen weitergegeben werden, stellt der Verstoß gegen § 88 TKG derzeit wohl (nur) eine zivilrechtliche Verletzung der Rechte des Providerkunden dar, gegen die Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche in Betracht kommen.

posted by Stadler at 12:30  

8.11.12

Der Staat subventioniert den Urheberrechtslobbyismus auch unmittelbar

Dass die Musik- und Filmindustrie und die Verlage massiven Lobbyismus betreiben, der im Bereich des Urheberrechts in den letzten zehn Jahren zu einer deutlichen Verschiebung zu Gunsten der Rechteinhaber und zu Lasten der Allgemeinheit geführt hat, ist nicht neu, auch wenn dies von der Politik gerne bestritten wird. Diese Verschiebung beeinträchtigt beispielsweise den Bereich der Bildung und des E-Learnings spürbar, während der Gesetzgeber – ebenfalls lobbyismusbedingt – den eigentlichen Urhebern nach wie vor kein ausreichend effektives Urhebervertragsrecht zur Seite stellt. Der Gesetzgeber hat durch mehrere Neuregelung eine wahre Abmahnindustrie förmlich erschaffen, die ihm mittlerweile aber selbst unheimlich ist und an deren Eindämmung deshalb gearbeitet wird.

Die Politik wird aber nicht nur in einer Art und Weise von der Urheberrechtslobby beeinflusst, die dem Allgemeinwohl abträglich ist, sondern sie suventioniert den Urheberrechtslobbyismus zudem durch finanzielle Zuwendungen auch direkt. Der Gesprächs- und Arbeitskreis Geistiges Eigentum (enGAGE) erhält nach einem Bericht von iRightsInfo 42.625 Euro als einmalige staatliche Zuwendung. Ziel von enGAGE ist es, das Bewusstseins für den Wert des geistigen Eigentums zu stärken. Anstatt sich also an einer ergebnisoffenen Debatte, die gerade auch den ideologisch geprägten Begriff des geistigen Eigentums ins Visier nimmt, zu beteiligen, positioniert sich der Staat weiterhin einseitig und unausgewogen auf Seiten der Rechteinhaber.

Vorsitzender von enGAGE ist übrigens Prof. Dr. Rolf Schwartmann, der auch dasjenige Gutachten verfasst hat, das dem BMWi die Einführung eines Three-Strikes-Warnmodells vorschlägt und der auch ansonsten mit z.T. eigenwilligen aber stets rechteinhaberfreundlichen Rechtsansichten aufwartet.

Dass es bei enGAGE dann noch heißt, man wolle die Debatte wissenschaftlich aufbereiten und damit gleichzeitig versachlichen, klingt fast nach Hohn. Denn eine ergebnisorientierte und ideologisch vorbelastete wissenschaftliche Forschung ist genau das, wovon man in diesem Bereich wegkommen muss.

posted by Stadler at 11:33  

7.11.12

Neue Abmahngefahr für Onlinehändler

Das OLG Bremen hat mit Urteil vom 05.10.2012 (Az. 2 U 49/12) entschieden, dass die Angabe „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ wegen Verstoß gegen § 308 Nr. 1 BGB AGB-rechtlich unzulässig und damit auch wettbewerbswidrig ist. Demgegenüber soll eine Circa-Angabe allerdings zulässig sein.

Das Argument des Gerichts lautet, dass sich die Beklagte mit der Angabe „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ eine nicht hinreichend bestimmte Frist für die Erbringung der Leistung vorbehält, wodurch die dem Kunden im Falle einer Fristüberschreitung zustehenden Rechte, vor allem die aus §§ 281, 323 und 280 Abs. 2 iVm. § 286 BGB ausgehöhlt würden. Demgegenüber hält das Gericht die Angabe „Lieferfrist ca. 3 Tage“ für zulässig.

Nun besteht das Problem des Versandhändlers natürlich darin, dass er ein exaktes Lieferdatum schon deshalb nicht angeben kann, weil er auf die Postlaufzeiten keinen Einfluss nehmen kann, jedenfalls in Fällen des Standardversands. Dies hat der beklagte Händler versucht durch den Begriff „voraussichtlich“ zum Ausdruck zu bringen.

Das Urteil des OLG Bremen stellt m.E. semantische Haarspalterei dar. Denn circa deutet ebenso wie voraussichtlich die Möglichkeit einer Abweichung an. Wenn man als Synonym von voraussichtlich beispielsweise vermutlich oder wahrscheinlich ansieht, dann wird man der Circa-Angabe auch keinen entscheidend anderen Wortsinn beimessen können.

Die eBay- und Onlinehändler sollten ihre Angaben jedenfalls entsprechend anpassen, denn es werden sich bestimmt Abmahner finden, die sich auf die Entscheidung des OLG Bremen stürzen.

posted by Stadler at 18:29  

7.11.12

Eine neue Version ist verfügbar: Ein Interview mit Dirk von Gehlen

Der Journalist und Autor Dirk von Gehlen hat im letzten Jahr das vielbeachtete Buch „Mash Up – Lob der Kopie“ veröffentlicht, eine Lektüre die ich im Kontext der Diskussion um den Begriff des geistigen Eigentums gerade auch Juristen empfehlen kann, die bereit sind, sich mit den Grundannahmen auf denen unsere Idee vom Urheberrecht fußt, kritisch auseinanderzusetzen.

Als Nachfolgeprojekt stellt von Gehlen derzeit „Eine neue Version ist verfügbar“ vor. Es handelt sich um ein Buchprojekt, das die Leser und Unterstützer im Wege des Crowdfunding mitfinanzieren und vor allen Dingen auch mitgestalten sollen. In thematischer Hinsicht wird von Gehlen der Frage nachgehen, wie die Digitalisierung unsere Vorstellung von Büchern, von Kunst und Kultur verändert.

Was man sich unter dem Projekt „Eine neue Version ist verfügbar“ genau vorzustellen hat, erläutert Dirk von Gehlen in dem ersten Interview, das dieses Blog überhaupt geführt hat.

Herr von Gehlen, Sie haben unter dem Titel „Eine neue Version ist verfügbar“ ein neuartiges Buchprojekt angekündigt, für das Sie im Netz um Unterstützung bitten. Was muss ein Unterstützer tun, was erwarten Sie von Ihm und auf was lässt er sich ein, wenn er Ihr Projekt unterstützt?

Die Unterstützer kaufen ein Buch, das noch nicht geschrieben ist. Gemeinsam stellen wir damit die gelernte Art, Bücher zu schreiben (und auch jede andere Form, Kultur zu produzieren) auf den Kopf: Bisher ist es üblich, dass der kreative Schöpfer in seiner Denkerstube sitzt und den Entstehungsprozess seines Werks geheim hält. Durch die Digitalisierung und die Vernetzung ist es möglich, diesen Prozess zu öffnen und transparent zu machen. So entsteht nicht bloß ein singuläres, unveränderliches Kunstwerk wie bisher, es entstehen Versionen. Ich vergleiche das mit der Art wie wir Software denken, eben auch nicht in einem festen unveränderlichen Gegenstand, sondern in flüssigen Varianten. Ich glaube, dass die Digitalisierung es möglich und vielleicht auch nötig macht, auch Kultur als Software zu denken. Deshalb heißt das Buch „Eine neue Version ist verfügbar“ und deshalb handelt dieses Buchexperiment nicht nur von der Verflüssigung von Inhalten, es probiert diese auch selber aus – übrigens mit einem erstaunlichen Erfolg, der mich sehr freut. Das Projekt läuft seit rund zwei Wochen und hat schon fast 7000 Euro eingesammelt.

Was wird den Leser voraussichtlich erwarten, wenn er irgendwann im nächsten Jahr das Buch in Händen hält? Das Thema haben Sie mit der Frage „Wie verändert die Digitalisierung Kunst und Kultur?“ schon umschrieben. Können Sie den Lesern meines Blogs bereits eine grobe inhaltliche Vorschau bieten?

Bis es dazu kommt, wird der Leser – so er oder sie das will – Bestandteil des Entstehungsprozesses des Buchs. Ich werde ab Ende Dezember wenn die so genannte Fundingphase auf Startnext endet, Versionen des Buches  veröffentlichen, also transparent machen wie das Buch entsteht. Ziel dessen ist, die Leser, die das wollen, miteinzubinden, ihnen Versionen des Buches zu zeigen und so – wenn das gewünscht ist – auch in Diskussionen einzusteigen. Ich weiß nicht, ob das funktionieren kann, ich will es aber ausprobieren, weil ich glaube, dass wir das Netz eher wie einen Raum denken müssen als wie eine reine Transportrampe. Dieser Raum ist für mich ein wenig wie ein Künstlersalon, in dem der Rezipient auch zum aktiveren Teilnehmer werden kann, in dem er Links, Hinweise oder Anmerkungen beisteuert. Vielleicht will er aber auch einfach nur beobachten, wie wirr ich anfange zu schreiben, wie ich Tippfehler mache und wie aus all dem dann ein fertiges Buch lektoriert wird, das dann – so ist es geplant – im Mai 2013 verschickt wird.

Wer wird das Buch letztlich schreiben? Wird es vollständig von Ihnen verfasst werden oder wollen Sie (nur) die Fragmente zusammensetzen, die Ihnen andere liefern? 

Nach meiner derzeitigen Annahme bin ich der Verfasser, allerdings weniger im Sinne eines göttliche Schöpfers als mehr wie ein Gastgeber in einem Künstlersalon. Ich weiß nicht, wie sich das entwickelt und ob das klappen kann, aber das primäre Ziel ist es, meinen Gedanken von Kultur als Software (hier mal für den BR notiert: http://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/zuendfunk/netz-kultur/netz/von_gehlen102.html) auszuformulieren. Ich bleibe also der Autor, will diese Rolle aber digitaler interpretieren. Denn nach meinen ersten Buch „Mashup – Lob der Kopie“ habe ich gemerkt, dass wir als Gesellschaft noch recht ratlos vor den Möglichkeiten der digitalen Kopie stehen und eher darüber nachdenken, wie man sie einschränken kann als in ihre eine Chance zu sehen, die man nutzen kann für eine veränderte Form der Kunstproduktion.

posted by Stadler at 17:31  

7.11.12

Auch ein Synchronsprecher kann Anspruch auf weitere, angemessene Beteiligung haben

Der Synchronsprecher der deutschen Stimme von Johnny Depp aus den Fluch der Karibik Filmen kann grundsätzlich eine weitere angemessene Beteiligung an den Erträgen nach § 32a Abs. 2 UrhG verlangen, wenn das ihm bezahlte Entgelt in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werkes steht. Das hat der BGH mit Urteil vom 10.05.2012 (Az.: I ZR 145/11) entschieden.

Die wichtigste Aussage des BGH besteht in der Klarstellung, dass die Leistung eines Synchronsprechers eines Hauptdarstellers eines Kinofilms nicht derart untergeordnet ist, dass der Anwendungsbereich des § 32a UrhG generell ausgeschlossen ist. Genau das hatte nämlich das Berufungsgericht noch angenommen. Der Synchronsprecher einer Hauptrolle gilt danach grundsätzlich als anspruchsberechtigter Miturheber.

posted by Stadler at 10:40  

6.11.12

Bettina Wulff fordert großflächige Löschung von Suchergebnissen durch Google

Bettina Wulff fordert von Google nach Presseberichten die Löschung von ca. 3000 Suchmaschinentreffern im Zusammenhang mit ihrer Person. Das stellt offenbar den Versuch dar, missliebige Inhalte vollständig aus der Googlesuche zu bekommen und damit die Auffindbarkeit zu erschweren. Interessanterweise geht Wulff parallel nicht unbedingt auch gegen die Anbieter der Inhalte vor, selbst wenn diese bekannt sind und ohne weiteres greifbar wären.

Ein prominentes Beispiel ist Netzaktivist Alvar Freude, der davon erfahren hat, dass ein älterer Blogbeitrag von ihm weit oben auf der Löschliste steht, die Wulffs Anwälte an Google geschickt haben.

Alvar Freude setzt sich in seinem ausführlichen Blogbeitrag damit auseinander, dass die traditionelle Presse Bloggern vorwirft, die Gerüchte über eine Rotlichtvergangenheit von Bettina Wulff verbreitet zu haben, obwohl es gerade klassische Medien waren, die durch ihre Andeutungen und Anspielungen ein breites Publikum überhaupt erst auf die Gerüchte aufmerksam gemacht haben. Was Freude artikuliert, ist also Medienkritik, die natürlich auch ihren Anknüpfungspunkt kurz ansprechen muss, um nicht im luftleeren Raum zu bleiben. Von Wulffs Anwälten hat Freude bislang keine Post bekommen, vermutlich weil sie wissen, dass sich der Blogbeitrag Freudes schwerlich wird verbieten lassen, wenngleich man speziell beim Landgericht Hamburg in solchen Fällen stets mit allem rechnen muss.

Ob ein Suchmaschinenbetreiber überhaupt Trefferergebnisse löschen muss, die auf rechtswidrige Inhalte verweisen, ist juristisch umstritten und höchstrichterlich nicht geklärt. Im vorliegenden Fall ist es aber ganz augenscheinlich auch so, dass Bettina Wulff in großem Umfang eine Löschung auch solcher Inhalte fordert, die bei der gebotenen Abwägung mit der Meinungs- und Pressefreiheit nicht als ehrverletzend anzusehen sind. Es dürfte sich in der juristischen Diskussion auch irgendwann die Frage stellen, ob es nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, Google als Störer in Anspruch zu nehmen, wenn man gleichzeitig ohne größeren Aufwand den greifbaren Urheber des beanstandeten Contents belangen könnte und damit die weite effizientere Möglichkeit hat, die für rechtswidrig gehaltenen Inhalte an ihrer Quelle zu löschen. Mit der Annahme eines derartigen Rechtsmissbrauchs war die Rechtsprechung bislang freilich sehr zurückhaltend. Das muss aber nicht so bleiben.

Denn das Vorgehen Wulffs gegen Google stellt auch eine Gefahr für die grundrechtlich verbürgte Informationsfreiheit dar. Es geht Bettina Wulff nämlich ersichtlich auch um die Löschung von Inhalten, die sie zwar als störend empfinden mag, die aber nicht als rechtsverletzend zu qualifizieren sind.

Google wird hier schon im eigenen Interesse standhaft bleiben müssen.

posted by Stadler at 12:26  

5.11.12

Das Spannungsverhältnis von Freiheit und Konzernmacht

Es ist mit Sicherheit nur Zufall, dass Sibylle Berg (SPON) und Miriam Meckel (SZ) zeitgleich zwei Meinungsbeiträge mit den ähnlichen Titeln „Die Lüge von der großen Freiheit“ und „Wo im Internet die Freiheit endet“ und ähnlich pessimistischem Grundtenor veröffentlicht haben. Beiden geht es um die Macht großer IT-Unternehmen wie Apple und Google.

Die Dominanz einiger US-Konzerne im Netz ist ein ernsthaftes Problem, aber der mediale Umgang damit ist es nicht minder, wie die Texte von Berg und Meckel belegen.

Wenn Sibylle Berg anführt, dass niemand mehr wisse, wie ein PC funktioniert und, dass dies zur Abhängigkeit von Konzernen wie Apple und damit zur Unfreiheit führe, reibt man sich angesichts dieser Argumentationslinie doch einigermaßen erstaunt die Augen. Letztlich kritisiert Berg die arbeitsteilige Gesellschaft, die dazu geführt hat, dass wir von den Produkten die wir kaufen nicht mehr wissen wie sie funktionieren oder wie sie hergestellt werden. Wer von uns weiß schon genau wie ein Auto oder ein Fernseher funktioniert, oder wie die Nahrungsmittel aus dem Supermarkt hergestellt werden? Sibylle Berg präsentiert uns einen Kulturpessimismus, der sich als Freiheitsproblem tarnt. Mit dem Internet hat das aber wenig zu tun.

Der Text Meckels ist deutlich besser, enthält aber eine Reihe durchaus fragwürdiger Beispiele und Begründungsansätze. Wenn sich Meckel über iTunes beschwert und über ihre Probleme, sich beim US-Store zu registrieren, so zielt diese Kritik auf Apple. Sie verkennt dabei aber, dass es sich hier um originär urheberrechtliche Probleme handelt und nicht um das Marketingkonzept von Apple. Apple hat kein Interesse daran, die Anmeldung von Ausländern besipielsweise zum US-Store zu erschweren, es sind vielmehr das nationale Urheberrecht und die Vorgaben der Rechteinhaber, die Apple dazu zwingen.

Miriam Meckel spricht aber anschließend einen sehr wichtigen Aspekt an, von dem auch die deutsche und europäische Datenschutzdebatte geprägt ist. Es geht um die Frage der selbstbestimmten Entscheidung des Nutzers, die ihm nur dann möglich ist, wenn er über ausreichend Informationen verfügt. Datenschützer sprechen hier gerne von einer informierten Einwilligung. Danach ist eine Einwilligung in die Verarbeitung von Daten nur dann wirksam, wenn der Bürger über Umfang und Folgen der Speicherung seiner Daten ausreichend informiert wird. Und genau hier liegt der Knackpunkt der gesamten Debatte um die Macht von Konzernen wie Facebook, Google oder Apple. Das Anliegen von Google und Co. besteht darin, möglichst viele Daten seiner Nutzer speichern, verarbeiten und weitergeben zu können und gleichzeitig den Nutzer soweit wie möglich darüber im Unklaren zu lassen, was mit den Daten genau geschieht. Der Ausgleich dieses Spannungsverhältnisses gehört zu den wesentlichen Aufgaben und Herauforderungen einer globalen Netzpolitik. Das von Meckel an dieser Stelle bemühte Transparenzargument halte ich allerdings für zweischneidig. Wenn Transparenz hier zu einem Mittel der Unfreiheit wird, dann nur deshalb weil es Google und Facebook möglich ist, selbst gänzlich intransparent zu agieren. Intransparenz dient also als Mittel dazu, andere, nämlich die Nutzer, immer durchsichtiger zu machen. Auch hier ist es also mit der einfachen Aussage, dass zu viel Transparenz schädlich sei, nicht getan. An dieser Stelle brauchen wir nämlich gerade mehr Transparenz, allerdings im Bezug auf die Mechanismen von Unternehmen wie Facebook, Apple oder Google und nicht beim Nutzer.

posted by Stadler at 10:20  

2.11.12

Schleichwerbung bei Wikipedia

Das OLG München hat mit Urteil vom 10.05.2012 (Az.: 29 U 515/12) den Inhalt eines Wikipedia-Artikels als getarnte Werbung i.S.v. § 4 Nr. 3 UWG und damit als wettbewerbswidrig bewertet.

Der Geschäftsführer eines Unternehmens hatte einen Wikipedia-Artikel bzw. Teile davon zum Thema Weihrauchpräparate verfasst, wobei er sich im Rahmen des Artikels auch mit konkreten Produkten eines Mitbewerbers auseinandergesetzt hat. Genau das hat das OLG München als Schleichwerbung betrachtet, weil dieses Verhalten jedenfalls auch der Förderung des Produktabsatzes seines eigenen Unternehmens gedient habe, weshalb der Werbecharakter hätte deutlich gemacht werden müssen.

Wer sich also als Unternehmer oder Mitarbeiter eines Unternehmens zu Produkten oder Dienstleistungen eines Konkurrenzunternehmens im Netz äußert, muss damit rechnen, dass man solche Äußerungen als werblich einstufen wird, mit der Folge, dass darauf auch deutlich hingewiesen werden muss. Für redaktionell gestaltete Beiträge gilt außerdem das sog. Gebot der Trennung von Inhalt und Werbung (Trennungsgebot) des § 58 RStV. Zudem trifft § 6 TMG im geschäftlichen Bereich weitere Regelungen für sog. kommerzielle Kommunikation, die immer ausdrücklich als solche gekennzeichnet sein muss.

posted by Stadler at 16:14  

2.11.12

Der „Deal“ im Strafrecht vor dem BVerfG

Das Bundesverfassungsgericht verhandelt am 07.11.2012 über die Zulässigkeit von Absprachen zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten bzw. seinem Verteidiger. Das Gesetz ermöglicht in § 257c StPO einen solchen „Deal“ im Strafverfahren unter gewissen Voraussetzungen.

Das BVerfG hat im Rahmen der zu verhandelnden Verfassungsbeschwerden Prof. Altenhain von der Universität Düsseldorf beauftragt, eine empirische Studie zur Praxis der Verständigung im Strafverfahren durchzuführen. Die Ergebnisse dieser Studie sind bereits durchgesickert, worüber die Süddeutsche in ihrer heutigen Ausgabe berichtet. Nach dem Bericht der Süddeutschen treffen mehr als die Hälfte der Strafrichter informelle Absprachen unter Umgehung von § 257c StPO. Außerdem, so die SZ, hält die Hälfte der Richter den Deal zwar für unverzichtbar, gleichzeitig wird die gesetzliche Regelung von der Richterschaft mehrheitlich aber für untauglich erachtet. Man darf gespannt sein, ob die Untersuchung vollständig veröffentlicht wird und welche Auswirkungen sie auf die Entscheidung des BVerfG haben wird.

Selbst als jemand, der nur gelegentlich Strafverteidungen macht, kennt man die Situation. Vom Gericht und von der Staatsanwaltschaft wird einem bedeutet, dass die Verurteilungswahrscheinlichkeit sehr hoch sei, während man gleichzeitig für den Falle des Geständnisses des Angeklagten einen spürbaren Strafnachlass in Aussicht gestellt bekommt. In dieser Situation lassen sich eine Reihe von Angeklagten zu einem Geständnis bewegen, weil man ihnen einerseits deutlich zu verstehen gibt, dass sie ohnehin verurteilt werden und es deshalb unklug wäre, auf den Strafnachlass zu verzichten. In dieser faktischen Drucksituation werden zwangsläufig auch falsche Geständnisse abgegeben. Andererseits führt der Deal bei komplexen Sachverhalten z.B. im Wirtschaftsstrafrecht gelegentlich auch zu unangemessen niedrigen Strafen. Beides wirft rechtsstaatliche Fragen auf. Die derzeitige gesetzliche Regelung wurde beispielsweise auch von BGH-Richter Thomas Fischer, der zugleich einer der bedeutendsten Strafrechtler hierzulande ist, mehrfach deutlich kritisiert.

posted by Stadler at 10:53  
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