Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

9.8.10

Sommerloch: Straftäter an den Internet-Pranger

Alle Jahre wieder versuchen parlamentarische Hinterbänkler mit populistischen Vorschlägen während der Sommerzeit in die Schlagzeilen zu kommen.

Einer der Mitwirkenden des diesjährigen Sommertheaters ist der CDU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Grindl, der Medienberichten zufolge verlangt hat, die Polizei sollte die Bevölkerung im Internet über den Aufenthaltsort von aus der Haft entlassener Sexualstraftäter informieren. Grindl hat damit einen Vorschlag der Deutschen Polizeigewerkschaft aufgegriffen.

Da aber auch Straftäter die ihre Haft verbüßt haben über Menschenwürde verfügen und den Schutz ihres allgemeinen Persönlichkeitesrechts beanspruchen können und derartige Maßnahmen zudem nicht geeignet sind, die Bevölkerung zu schützen, hat die Bundesregierung diesen Vorschlag zu Recht sogleich zurückgewiesen.

Die aktuelle Diskussion um die nachträgliche Sicherungsverwahrung eignet sich leider hervorragend dafür, Ängste zu schüren und populistische Parolen unter die Leute zu bringen.

Hierzu fällt mir immer wieder Juli Zehs SatzDas Mittelalter ist keine Epoche, sondern der Name der menschlichen Natur” ein.

posted by Stadler at 15:41  

9.8.10

Doch noch Bewegung bei der Novelle des JMStV?

Die Neuregelung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV)  ist von den Minsterpräsidenten der Länder beschlossen worden, die noch ausstehende Zustimmung aller Landesparlamante galt bislang eher als Formalität. Allerdings hat in NRW zwischenzeitlich bekanntlich ein Regierungswechsel stattgefunden.

Dass die Jusos aus Nordrhein-Westfalen jetzt eine Ablehnung des JMStV fordern, ist noch nicht wirklich sensationell. Denn Juso-Positionen setzen sich bekanntlich nicht immer durch. Allerdings hatten auch andere Gremien von SPD und Grünen aus NRW – vor dem Machtwechsel – eine Ablehnung des JMStV beschlossen, insbesondere der Landesparteitag der SPD.

Andererseits ist der aktuelle Entwurf federführend vom SPD-regierten Rheinland-Pfalz ausgearbeitet worden, namentlich vom dortigen Staatssekretär Martin Stadelmaier. Die SPD hinterlässt damit, wie bei fast allen netzpolitischen Themen, einen inhomogenen Eindruck, der sich wie ein roter Faden durch deren Politik zieht. Wie schon beim Zugangserschwerungsgesetz kommt die Ablehnung immer erst oder immer nur dann, wenn sich die SPD gerade in der Rolle der Opposition befindet. Dass die SPD in NRW als Oppositionspartei die Neuregelung des JMStV abgelehnt hat, bedeutet deshalb noch lange nicht, dass sie nicht als Regierungspartei demselben Entwurf zustimmen wird.

Nachdem die SPD auf dem Gebiet der Netzpolitik bereits viel an Glaubwürdigkeit verloren hat, wäre dies für die Partei freilich auch eine Chance, sich ein Stück dieser Glaubwürdigkeit zurück zu erobern. Dazu müssten die Abgeordeneten im Landtag in Düsseldorf aber gegen den JMStV stimmen.

In sachlicher Hinsicht wäre das n auch die richtige Entscheidung, was ich in diesem Blog mehrfach dargestellt habe.

posted by Stadler at 11:22  

9.8.10

Jugendschutz auf amerikanisch

Ein Dokumentarfilm über den Holocaust, der von Adam Yauch (aka MCA) von der Kultband Beastie Boys produziert wurde, darf in den USA nicht vor Jugendlichen aufgeführt werden und damit auch nicht an Schulen gezeigt werden. Die fragwürdige Begründung lautet, der Film würde „disturbing images of Holocaust atrocities and graphic nudity “ enthalten.

Adam Yauch ereifert sich darüber, dass Jugendliche zwar mit sinnloser Unterhaltung bombardiert werden dürfen, dass ihnen ein Film von historischem und pädagogischem Wert aber vorenthalten wird.

Die Jugendschutzdiskussion wird leider – nicht nur in den USA – häufig von fragwürdigen Moralvorstellungen beeinflusst, was dazu führen kann, dass die politische Bildung von Jugendlichen leidet. Und das stellt den Sinn des Jugendschutzes, der dazu dient, Jugendliche zu verantwortlichen Mitgliedern der Gesellschaft zu erziehen, auf den Kopf.

posted by Stadler at 10:21  

8.8.10

Die Meinungsmacht des Internet

Die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) hat unlängst ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten zur  „Bedeutung des Internets im Rahmen der Vielfaltssicherung“ veröffentlicht. Die Studie, über die CARTA vor ein paar Tagen schon berichtet hat, beschäftigt sich vor allem mit der Frage der publizistischen Relevanz und der Meinungsbildungsrelevanz des Mediums Internet.

Das erscheint mir in etwa so wie die Frage nach der publizistischen Relevanz von Papier. Insoweit ist die Ausgangsfrage bereits ungenau gestellt, denn sie impliziert, das Internet sei ein Medium wie die Presse und der Rundfunk. Das Internet ist allerdings nur eine technische Struktur, die es erlaubt, unterschiedlichste Inhalte zu veröffentlichen. Offenbar geht es den Autoren aber darum, die Relevanz von Presse und Rundfunk der Bedeutung neuer publizistischer Erscheinungsformen (Blogs, Twitter etc.) gegenüberzustellen. Die Onlineangebote von klassischen Anbietern wie ARD, ZDF, Spiegel, ZEIT oder Süddeutsche werden dabei den klassischen Medien zugeordnet und nicht dem Internet. Dass damit möglicherweise bereits die Ausgangsfragen falsch bzw. ungenau gestellt sind, sollte man allerdings weniger den Autoren anlasten, als ihren Auftraggebern.

Dies Formulierung der Ausgangsfrage führt zu dem wenig sensationellen Ergebnis, dass die traditionellen Massenmedien und besonders das Fernsehen als journalistische und politische Medien immer noch bedeutsamer sind als das Internet. Man wird auch kaum erwarten dürfen, dass von Blogs in absehbarer Zeit eine größere Meinungsmacht ausgeht, als von allen klassischen Medien zusammen. Würde man die Online-Inhalte der traditionellen Anbieter anders zuordnen, wäre das Ergebnis sicherlich weniger eindeutig.

Eine weitere Annahme der Studie besteht darin, dass die publizistische Leistung von Blogs eher gering sei und auch bislang keinen bedeutenden Faktor für die Meinungsbildung darstellen würde. Insoweit dürfte allerdings der Umstand nicht ausreichend gewürdigt worden sein, dass gerade professionelle Journalisten vermehrt (bestimmte) Blogs verfolgen und aus diesem Grund immer öfter Themen aus den Blogs in die Mainstream-Medien überschwappen. Dass der umgekehrte Effekt, nämlich dass Blogs Themen aus traditionellen Medien aufgreifen, nach wie vor überwiegt, dürfte dennoch klar sein.

Daneben ist aber auch das Phänomen zu beobachten, dass Themen, über die zuerst in traditionellen Medien nur am Rande berichtet wird, erst über den Umweg der Blogs und mit einer Verzögerung von mehreren Tagen auf die Titelseiten der Zeitungen und in die Tagesschau gelangen. Bestes Beispiel hierfür ist das Interview von Horst Köhler zu Afghanistan und zur Rolle der Bundeswehr bei Auslandseinsätzen, das letztlich zum Rücktritt des Bundespräsidenten geführt hat. Eine Passage aus einem Interview Köhlers mit dem Deutschlandradio ist zunächst in den traditionellen Medien kaum beachtet worden, wurde aber über mehrere Tage hinweg intensiv im Web 2.0 diskutiert, bis es schließlich zum Top-Thema in allen großen Medien avancierte. Diese Entwicklung wäre ohne die neuen Kommunikationsformen nicht denkbar gewesen und zeigt sehr schön den Einfluss von Blogs als Verstärker gewisser Themen, denen sich die großen Medien (zunächst) nicht annehmen.

Auch der politische Einfluss, der von neu gegründeten Bürgerrechtsbewegungen und deren Kampagnen ausgeht, wurde in der Studie nicht ausreichend berücksichtigt. Gerade bei Themen wie Vorratsdatenspeicherung und Netzsperren ist der politische Einfluss aus dem Netz heraus deutlich spürbar angestiegen.

Die Autoren der Studie scheinen mir insgesamt zu stark den traditionellen Medien verbunden zu sein. Sie stützen ihre Thesen zudem häufig auf andere Studien, deren Datenmaterial zwangsläufig zumeist mehrere Jahre alt ist. Das führt gerade wegen der Geschwindigkeit mit der sich Kommunikationsprozesse verändern, zu einer verzerrten Darstellung. Nach meiner Beobachtung hat sich in Deutschland gerade in den letzten zwei bis drei Jahren hier sehr viel getan. Eine Entwicklung die diese Studie noch nicht in Gänze erfasst hat.

posted by Stadler at 15:49  

6.8.10

Die strafbare Markenrechtsverletzung

Die wenigen Strafrechtsmandate die ich übernehme, haben zumeist Bezug zum IT-Recht oder zum gewerblichen Rechtsschutz. Und die Erfahrungen, die man in diesem Bereich bei Strafgerichten macht, sind oftmals verblüffend. Eine Verurteilung wegen strafbarer Markenrechtsverletzung durch ein niederbayerisches Amtsgericht, führt bei mir aktuell zu einer gewissen Ratlosigkeit. Denn diesem Urteil, wie der gesamten Ermittlungsakte, fehlen tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme einer Verletzung von Markenrechten völlig.

Bereits der Umstand, dass auf einer Stofftasche der Begriff Playboy aufgebracht ist, reicht einem Strafrichter für die Annahme einer Verletzung von Marken der Fa. Playboy Enterprises.

Aus dem Urteil und aus der Ermittlungsakte ergibt sich aber noch nicht einmal, welche konkrete Marke (mit welchem Schutzumfang) verletzt worden sein soll. Vielleicht hätte man auch mal neuere BGH-Entscheidungen wie „CCCP“ oder „Opel-Blitz II“ lesen sollen, um zu erkennen, dass es so einfach nicht geht. Bin gespannt, was die Berufungskammer dazu meint.

posted by Stadler at 11:01  

6.8.10

BGH: Markenverletzung durch Google-Suchergebnisse

Mit Urteil vom 04.02.2010 (Az.: I ZR 51/08), das jetzt veröffentlicht wurde, hat der Bundesgerichtshof über die Frage einer Markenverletzung durch die Anzeige von Suchergebnissen bei Google („Powerball“) entschieden.

Die Klägerin ist Inhaberin der Wortmarke „Powerball“. Die Marke ist für „Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten, nämlich Trainingsgeräte für Finger-, Hand-  und Armmuskulatur auf dem physikalischen Prinzip des Gyroskopes“ eingetragen. Die Beklagte unterhält im Internet unter der Adresse „www.pearl.de“ einen Online-Vertrieb. Sie bietet unter der Bezeichnung  „RotaDyn  Fitnessball“ ebenfalls ein Produkt zum Trainieren der Hand- und Armmuskulatur an.

Bei Eingabe des Begriffs „Powerball“ in Google wurde an zweiter Stelle das Angebot „pearl.de“ der Beklagten angezeigt. Der Eintrag war mit „Fitnessball, Powerball: RotaDyn Fitness Balltwister/power ball“ überschrieben.

Die Beklagte hat sich damit verteidigt, dass ihre interne Suchmaschine den eingegebenen Begriff „Powerball“ in die Bestandteile „Power“ und „Ball“ zerlegen würde und deshalb nur die Wortbestandteile verwendet werden, für die kein Schutz beansprucht werden kann.

Dem ist der BGH nicht gefolgt und hat in den Urteilsgründen u.a. ausgeführt:

„Für eine markenmäßige Verwendung reicht es, dass ein als Suchwort verwendetes Zeichen dazu benutzt wird, das Ergebnis des Auswahlverfahrens in der Trefferliste einer Internetsuchmaschine zu beeinflussen und den Nutzer zu  der  Internetseite des Verwenders zu führen (…). Diese Voraussetzungen einer markenmäßigen Benutzung hat das Berufungsgericht vorliegend festgestellt. Danach wurden nach Eingabe der Bezeichnung  „Powerball“  in die  Suchmaschine der Beklagten näher bezeichnete Produkte  einschließlich des RotaDyn Fitnessballs angeführt. Über  einen Link wurde der Verkehr zu der Intersetseite der Beklagten mit dem RotaDyn Fitnessball geführt, auf der sich die Bezeichnungen „Powerball“ und „power ball“ in der Kopfzeile fanden. Dass es sich um eine interne Suchmaschine der Beklagten handelt, hat auf die Verwendung der beanstandeten Bezeichnungen als Marke keinen Einfluss.  (…)

Zu Recht hat das Berufungsgericht nicht auf die Funktionsweise der internen Suchmaschine der Beklagten abgestellt, weil diese dem Verkehr nicht bekannt ist und sie deshalb das Verkehrsverständnis nicht beeinflussen kann. Gegenteiliges macht auch die Revision nicht geltend. Soweit die Revision eine markenmäßige Benutzung unter Hinweis auf das Verkehrsverständnis bei Eingabe des Suchbegriffs verneint, berücksichtigt sie nicht hinreichend, dass auf  der  Produktseite der Beklagten zum RotaDyn Fitnessball die angegriffenen, mit der Klagemarke verwechselbaren Bezeichnungen „Powerball“ und „power ball“ in der Kopfzeile angeführt sind. Dadurch kann die Hauptfunktion der Marke, die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber dem Verbraucher zu gewährleisten, beeinträchtigt werden. Aus diesem Grund ist von einer markenmäßigen Benutzung der in Rede stehenden Bezeichnungen auszugehen.“

posted by Stadler at 10:03  

5.8.10

Das W-LAN-Urteil des BGH in der juristischen Fachpresse

Das vieldiskutierte Urteil des BGH zur Haftung des Betreibers eines privaten W-LANs ist mittlerweile in einer ganzen Reihe von juristischen Fachzeitschriften besprochen worden. Eine Übersicht der veröffentlichten Urteilsanmerkungen findet sich bei Offene Netze und Recht.

Das Urteil wird unterschiedlich bewertet und  stößt sowohl auf Zustimmung als auch auf Ablehnung. Nachfolgend möchte ich die drei zentralen Punkte, die Anlass zu deutlicher Kritik an der Entscheidung geben, etwas ausführlicher darstellen.

1.
Der BGH weist nur in einem Satz und apodiktisch darauf hin, dass die Haftungsprivilegien nach § 10 TMG und Art. 14f. der E-Commerce-Richtlinie nicht gelten würden. An diesem Punkt scheint der BGH erkannt zu haben, dass er seine bisherige Rechtsprechung, wonach die Privilegierungstatbestände des Telemediengesetzes nicht auf Unterlassungsansprüche anwendbar sein sollen, im Lichte der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), möglicherweise nicht mehr aufrecht erhalten kann. Ungeachtet der Anwendbarkeit auf Unterlassungsansprüche, wäre aber eine Befassung mit den Vorschriften des TMG dennoch geboten gewesen, weil vorliegend auch Schadensersatz- und Kostenerstattungsansprüche geltend gemacht worden sind. Der Hinweis des BGH auf § 10 TMG, der eine Haftungsprivilegierung für Host-Provider normiert, ist gänzlich verfehlt, weil der Betrieb eines W-LAN-Routers keine Ähnlichkeit zum Hosting aufweist (sieh hierzu auch: Möller bei Telemedicus). An dieser Stelle wäre vielmehr eine Auseinandersetzung mit § 8 TMG angebracht gewesen (Nenninger, NJW 2010, 2064). Diese Vorschrift stellt diejenigen Anbieter von einer Haftung frei, die lediglich Informationen durchleiten und übermitteln oder den Zugang zur Nutzung von Informationen vermitteln. Und das ist genau das, was der Betreiber eines (W-LAN-)Routers macht. In der juristischen Literatur sind deshalb Betreiber von Router-Rechnern (Freytag, CR 2000, 600, 606; Spindler/Schmitz/Geis, § 9 TDG, Rn. 17) und gerade auch (private) W-LAN-Betreiber (Röhrborn/Katko, CR 2002, 882, 887; Hornung, CR 2007, 89, 92; Mantz, MMR 2006, 765; Gercke, CR 2007, 56; für offene Funknetze: Gietl, MMR 2007, 631) nahezu einhellig als Anbieter i.S.v. § 8 TMG qualifiziert worden. Bei der Lektüre der Entscheidung des BGH gewinnt man fast den Eindruck, als sei diese rechtswissenschaftliche Diskussion komplett am 1. Senat vorbeigegangen. Allein die breite rechtswissenschaftliche Diskussion des Themas hätte die Notwendigkeit begründet, sich mit § 8 TMG zu befassen. Und letztlich spricht im Ergebnis vieles dafür, auch dem unfreiwilligen Acccesss-Provider, dessen W-LAN-Router missbräuchlich genutzt wird, die Privilegierung des § 8 TMG zu gewähren (Mantz, JurPC Web-Dok. 95/2010, Abs. 1 – 45; Stadler, AnwZert ITR 9/2010, Anm. 3). Es wäre nur schwer nachvollziehbar, wenn man den Betreiber eines unbewusst ungeschützten W-LANs schlechter stellen würde, als denjenigen, der an einem sog. Hotspot in Flughäfen, Hotels, o.ä. bewusst ein offenes W-LAN unterhält.

2.
Der BGH bemängelt außerdem, dass es der Beklagte nach dem Anschluss des W-LAN-Routers bei den werkseitigen Standardeinstellungen belassen und kein persönliches, ausreichend langes und sicheres Passwort vergeben hätte. Diese Ausführungen des Senats sind mehr als erstaunlich. Bei dem betreffenden W-LAN-Router handelte es sich um eine Fritz-Box des Herstellers AVM, die werkseitig mit einem individuellen 16-stelligen Passwort versehen ist, das aus einer Kombination von Buchstaben und Zahlen besteht. Ein höheres Maß an Sicherheit ist an dieser Stelle kaum zu erreichen. Die meisten individuell vergebenen Passwörter sind aus Gründen der Merkfähigkeit kürzer und bestehen häufig aus Klartext, weshalb sie regelmäßig wesentlich unsicherer sind, als die werkseitigen Standardschlüssel. Die Entscheidung des Senats verkennt die technischen Gegebenheiten an dieser Stelle leider gänzlich. Man kann hier nur mit Nenninger (NJW 2010, 2064) vermuten, dass der BGH möglicherweise gemeint hat, bei dem werkseitigen Schlüssel würde es sich um ein mehrfach benutztes und deshalb unsicheres Standardpasswort handeln.

3.
Bemerkenswert und zugleich befremdlich ist schließlich auch die Begründung, die der BGH für die Zumutbarkeit von Prüfpflichten gibt, aus denen letztlich die Störerhaftung abgeleitet wird. Denn Prüfpflichten folgen nach Ansicht des Senats schon daraus, dass es im wohlverstandenen Eigeninteresse des Anschlussinhabers läge, seine Daten vor unberechtigtem Zugriff von außen zu schützen.

Diese Ausführungen des Gerichts sind in mehrfacher Hinsicht zu beanstanden. Die Frage der Verschlüsselung eines Routers hat nicht zwangsläufig etwas mit dem Schutz der eigenen Daten vor unberechtigtem Zugriff Dritter zu tun. Es handelt sich vielmehr um unterschiedliche Aspekte. Die Offenheit des W-LANs ist nicht gleichbedeutend mit einer Preisgabe von Daten. Nenninger (NJW 2010, 2064) merkt deshalb zu Recht an, dass zwischen der Zugangsbeschränkung einerseits und dem Schutz persönlicher Daten des Anschlussinhabers andererseits kein unmittelbarer Zusammenhang besteht.

Es ist zudem auch fraglich, ob man nicht auch ein nachvollziehbares Eigeninteresse daran haben kann, einen W-LAN-Router gerade offen zu betreiben. Constanze Kurz hat in der FAZ anschaulich dargestellt, weshalb es gute Gründe für einen offenen Betrieb eines privates W-LANs gibt. Die gegenteilige Ansicht scheint eher auf einer Wagenburgmentalität zu beruhen.

In rechtsdogmatischer Hinsicht setzt der BGH – ohne weitere Zwischenschritte – eine Obliegenheit im Sinne eines Verschuldens gegen sich selbst mit einem echten Verschulden (gegenüber Dritten) gleich.  Dies stellt letztlich einen Bruch mit anerkannten Grundsätzen der Zivilrechtsdogmatik dar. Obliegenheiten sind nämlich von Verbindlichkeiten und Verpflichtungen zu unterscheiden. Ihre Verletzung begründet grundsätzlich keine Ansprüche Dritter, sondern nur die Gefahr des Verlusts einer eigenen günstigen Rechtsposition (vgl. Münchener Kommentar, Einl. zu §§ 241 – 432, Rn. 50; Palandt, Einl. v. § 241, Rn. 13). Aus der Nichtbeachtung eines wohlverstanden Eigeninteresse am Schutz eigener Daten kann somit nicht ohne weiteres auf Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche eines Dritten geschlossen werden. Dies gilt umso mehr, als in diesen Fällen noch ein (ebenfalls) eigenverantwortliches Handeln einer weiteren Person, nämlich des Verletzers, hinzutritt.

Anders ist die Sachlage natürlich dann, wenn der Anschlussinhaber selbst der Verletzer ist. Diese Problematik ist aber nicht über das Institut der Störerhaftung aufzulösen, sondern über die Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast.

Das W-LAN-Urteil des BGH blickt zudem nicht über den Tellerrand hinaus. Denn die bereits zu beobachtende praktische Auswirkung besteht darin, dass man die vom BGH bejahte Haftung auf alle halbwegs ähnlich gelagerten Sachverhalte ausdehnen wird, wodurch die Rechtsunsicherheit sogar noch zunimmt. Auf meinen Einwand, dass das Urteil des BGH nichts über die Frage der Haftung des Anschlussinhabers für Rechtsverletzungen durch Familienangehörige besage, die den Anschluss mitbenutzen, hat mir eine Amtsrichterin unlängst entgegnet, das Urteil würde auch für diese Fallkonstelation kaum Spielraum für eine Verneinung der Störerhaftung  belassen. Die abmahnenden Rechteinhaber lassen z.B. auch den Einwand nicht gelten, der Anschlussinhaber sei Hotelier und der Rechtsverstoß von einem Hotelgast begangen worden.

Zumindest insoweit hat der BGH die Tür für eine abweichende Betrachtung allerdings offen gelassen. Denn er lässt erkennen, dass er im Falle der Gefährdung eines legitimen Geschäftsmodells eventuell anders entschieden hätte. Leider hat er das ebenfalls legitime Interesse an offenen Netzen nicht erkannt.

posted by Stadler at 13:17  

4.8.10

Der Krieg in Afghanistan erreicht das Landgericht Hamburg

Der Kollege Kompa berichtet in seinem Blog über einen interessanten Fall, der auf buskeismus.de dokumentiert ist.

SpiegelOnline hat über einen Soldaten berichtet, der in Afghanistan zwei Menschen erschossen haben soll. Dem Bundeswehrsoldaten hatte SPON den fiktiven Namen Ronny Fischer gegeben. Dummerweise gibt es aber einen Soldaten mit diesem Namen, der in Afghanistan im Einsatz ist bzw. war. Dieser Ronny Fischer befürchtet, dass die Berichterstattung auf in bezogen wird und beantragt bei der Pressekammer des Landgerichts Hamburg (324 O 289/10) den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Entgegen ihrer sonstigen Gepflogenheit entscheidet die Kammer aber nicht, sondern terminiert, weil man Zweifel hat. In der mündlichen Verhandlung kommt es zu keiner Einigung, weshalb Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 06.08.2010 bestimmt wird.

posted by Stadler at 21:15  

4.8.10

Arabische Staaten wollen Blackberry verbieten

Saudiarabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben nach Agenturmeldungen angekündigt, die
verschlüsselten Dienste der Blackberry-Smartphones des Herstellers RIM zu verbieten.

Da die Kommunikation über den Blackberry abhörsicher sei, gefährde dies die nationale Sicherheit der Staaten, so die Begründung. Das bedeutet dann allerdings auch, dass diese Abhörstaaten gegen andere Smartphones wie dem iPhone – das ohnehin nicht als abhörsicher gilt – in diesem Punkt keine Bedenken haben.

posted by Stadler at 12:52  

4.8.10

Neues bayerisches Nichtrauchergesetz nicht verfassungswidrig

Das ging nun wirklich schnell. Das Bundesverfassungsgericht hat eine am 23.07.2010 eingelegte Verfassungsbeschwerde gegen das durch einen Volksentscheid am 01.08.2010 in Kraft gesetzte bayerische Gesetz zum Schutz der Gesundheit, das ein striktes Rauchverbot in Gaststätten normiert, mit Beschluss vom 02.08.2010 (Az.: 1 BvR 1746/10) nicht zur Entscheidung angenommen.

In der Begründung führt das Gericht aus, dass das Gesetz die Beschwerdeführer – eine Raucherin und zwei Gastwirte – nicht in Ihren Grundrechten verletzt.

Die Begründung des Gerichts lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Der Gesetzgeber ist wegen der Bedeutung der zu schützenden Rechtsgüter befugt, ein striktes Rauchverbot in allen Gaststätten einzuführen. Auch eine stärkere Belastung von Inhabern kleiner Einraumgaststätten – bis hin zur Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz – ist durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt, so dass der Gesetzgeber sich nicht auf Ausnahmeregelungen einlassen muss, wenn er das Konzept eines strikten Rauchverbots wählt.

posted by Stadler at 12:30  
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