Auf CARTA erschien gestern ein Beitrag mit dem Titel „Äpfel, Birnen, Feministinnen“ der Bloggerin Kerstin Ludwig, der in Richtung von zwei feministischen Blogs polemisiert. Dieser Beitrag hat heute eine mittelgroße und wie ich finde äußerst skurrile Diskussion in den Kommentaren bei CARTA und auf Twitter ausgelöst, was die CARTA-Redaktion zu einer nicht ganz glücklichen Stellungnahme veranlasst hat.
Mehrere Autoren wie die Blogger Antje Schrupp und Enno Park („die ennomane„) haben in den Kommentaren erklärt, CARTA wegen des Beitrags von Ludwig bzw. der Reaktion der Redaktion keine Texte mehr zur Verfügung zu stellen.
Ich bin mir nicht sicher, was mich an dieser Diskussion mehr verstört. Der wirklich schlechte Rant von Kerstin Ludwig, der zwar einmal auf den Punkt kommt, insgesamt aber leider doch sehr stark von Vorurteilen und Klischees lebt oder doch die Kritik von Leuten wie Anatol Stefanowitsch und Antje Schrupp, die im Ergebnis nicht minder unsachlich ist, auch wenn sie versucht den Anschein der Sachlichkeit zu erwecken.
Antje Schrupp schreibt auf CARTA, dass „zwei feministische Blogs auf eine für mich inakzeptable Weise niedergemacht werden“ während Stefanowitsch in einem Blogbeitrag über den von Ludwig kritisierten Text des Blogs Fuckermothers schreibt:
Bei dem sehr lesenswerten Beitrag der Fuckermothers handelt es sich, etwas vereinfacht gesagt, um einen Versuch, zu erklären, welche patriarchalischen Denk- und Gesellschaftsstrukturen dazu führen, dass Edward Snowden und (nur nebenbei erwähnt) Julian Assange von vielen Medien auf eine sehr holzschnittartige Weise zu Helden stilisiert werden. Dabei schmälert der Beitrag nicht die Relevanz der Enthüllungen, er fragt nur, warum hier eine Heldenverehrung greift, und an anderen Stellen, wo Menschen relevante Dinge tun, nicht.
Nach meiner Wahrnehmung beschäftigt sich die Berichterstattung in den größeren Medien schon längst nicht mehr mit der Person Snowdens, sondern fast nur noch mit den Inhalten seiner Enthüllungen. Die Ausgangsthese der Fuckermothers von der Heldenverehrung war jedenfalls am 25.08. längst überholt. Die teilweise anzutreffende Glorifizierung der Person Snowdens hat m.E. aber vor allen Dingen damit zu tun, dass ein Whistleblower, der über Missstände informiert hat, zu Unrecht von den USA um die ganze Welt gejagt wird. Das löst Solidarisierungseffekte aus, die denjenigen ähneln, die man beispielsweise bei Pussy Riot beobachten konnte.
Der Text der Fuckermothers zielt vorwiegend darauf ab, Netzaktivisten und die digitale Bürgerrechtsbewegung zu diskreditieren und dies ohne unmittelbaren Bezug zu einem feministischen Ansatz. Und natürlich versucht der Beitrag die Relevanz der Enthüllungen Snowdens zu schmälern. Die Sprache in dem Blog lässt insoweit wenig Interpretationsspielraum zu, was nachfolgende Textbeispiele verdeutlichen:
Die Daten-Cowboys stehen für die Forderung nach einer freien Meinungsäußerung, die alles sagen wollen darf, ohne je wirklich darum gekämpft zu haben. (…)
Zum Beispiel die selbstgerechte Art, mit der Sascha Lobo und andere die Sache skandalisieren. Diese Art erinnert an den kritischen Staatsbürger, wie er uns im Sachkundeunterricht beigebracht wurde. (…)
Die Empörung spiegelt – so meine Einschätzung – die Sehnsucht nach einem „guten Vater Staat“ oder dem „guten Regieren“ (…)
Auch fällt die aktuell herbeigeschriebene Kritik am Überwachungs-Staat oft etwas gar simpel aus. „Der Staat“ erscheint als etwas, das „den Bürger_innen“ entgegengesetzt ist und in seiner idealen Form eine Art (paternalistische) Instanz zu sein hat, die den Bürger_innen Demokratie sichert. (…)
Wirklich interessant würde es doch, wenn Leute wie Sascha Lobo einmal darüber nachdenken, welche Privilegien der (Überwachungs)Staat Menschen wie ihm bisher auch gesichert hat. (…)
Die Aussage, Leute wie Sascha Lobo würden etwas in selbstgerechter Weise skandalisieren, beinhaltet die Unterstellung, dass die Überwachungsaffäre insgesamt deutlich übertrieben wird. Und das dient ihrer Relativierung. Auch die Aussage “Die Empörung spiegelt – so meine Einschätzung – die Sehnsucht nach einem guten Vater Staat oder dem guten Regieren“ ist von der Konnotation her eindeutig und deutet zudem darauf hin, dass hier jemand ganz grundsätzlich missverstanden hat, wofür Netzaktivisten eintreten. Es geht ihnen nicht vordergründig um den guten Staat, sondern um die Freiheit des Einzelnen. Im übrigen entspricht der in dem Text von Fuckermothers kritisierte Gegensatz von Bürger und Staat exakt dem Modell unserer Grundrechte. Grundrechte sind Abwehrrechte gegenüber dem Staat. Und warum das so ist und auch so sein muss, ist selten deutlicher zu Tage getreten als derzeit.
Der Text bei den Fuckermothers folgt insgesamt einem recht simplen Strickmuster. Nach einem feministischen Einsteig nutzt man das angerissene Thema, um Netzaktivisten zu diskreditieren, allerdings dann ohne wirklich erkennbaren Bezug zu feministischen Themen. Dem Text der Fuckermothers liegt letztendlich ein äußerst konservatives und staatstragendes Weltbild zugrunde.
Während dieser Beitrag also so tut als wäre er sachlich, obwohl er es nicht ist, erhebt die Polemik von Kerstin Ludwig zumindest nicht den Anspruch der Sachlichkeit. Lesenswert sind sie im Grunde aber beide nicht.
Das eigentlich Erstaunliche sind aber nicht die Texte, sondern die daraus resultierende Diskussion, bei der ich den dringenden Wunsch verspüre, mich zwischen alle Stühle zu setzen. Ich werde meine Blogbeiträge natürlich auch weiterhin gerne CARTA zur Verfügung stellen.
P.S.
Liebe Diskutanten,
sollte jemand meinen, dieser Blogbeitrag würde die Gelegenheit für eine deftige Kritik an Feministinnen bieten, dann werde ich ausnahmsweise von der Möglichkeit Gebrauch machen, die Kommentarfunktion zu deaktivieren.