Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

2.9.13

Merkel, NSA und der Datenschutz – Eine Nachbetrachtung zum TV-Duell

Derjenige Teil des gestrigen Fernsehduells zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück der sich mit der Spionagetätigkeit amerikanischer Geheimdienste wie NSA beschäftigt, ist eine kleine juristische Nachbetrachtung wert, auch wenn inhaltlich wenig Neues gesagt wurde.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat mehrfach versucht zu betonen, dass ausländische Geheimdienste wie die NSA auf deutschem Boden keine flächendeckende Überwachungstätigkeiten entfalten. Auf Nachfrage hin wollte sie aber nicht ausschließen, dass die Kommunikation deutscher Staatsbürger außerhalb des deutschen Staatsgebiets überwacht wird, sofern diese über internationale Kommunikationswege läuft, was, wie wir wissen, sehr häufig der Fall ist. Das Internet ist eben gerade keine nationale Angelegenheit.

Interessanter war aber der rhetorische Schwenk den Angela Merkel dann vollzogen hat (ab Minute 2: 52). Sie behauptet nämlich, dass es „außerhalb des deutschen Staatsgebietes“ Länder geben würde, die ein völlig anderes Datenschutzrecht hätten und nennt anschließend ausdrücklich Großbritannien, USA und Irland.

Das ist datenschutzrechtlich in Bezug auf Großbritannien und Irland natürlich falsch. Denn beide Länder sind Mitglied der EU, d.h. dort wurden ebenfalls die Datenschutzrichtlinie und andere datenschutzrechtlichen Regelungen umgesetzt. Die Mitgliedsstaaten der EU haben ein in weiten Teilen harmonisiertes Datenschutzrecht. Dass es in einigen Staaten wie Irland Defizite bei der Umsetzung gegeben hat, mag sein. Das rechtfertigt es aber nicht, so zu tun, als würde es innerhalb der EU ein vollkommen unterschiedliches und uneinheitliches Datenschutzniveau geben.

Das Problem ist ein ganz anderes. Das europäische Datenschutzrecht regelt den öffentlichen Bereich nicht. Der Entwurf einer Datenschutzgrundverordnung – der von Angela Merkel im Fernsehduell auch explizit angesprochen wurde – klammert die Datenerhebung und Datenverarbeitung durch Behörden und öffentliche Stellen gezielt aus.

In Art. 2 Nr. 2 des Verorndungsentwurfs heißt es hierzu u.a.:

Diese Verordnung findet keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten, die vorgenommen wird

a) im Rahmen einer Tätigkeit, die nicht in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt, etwa im Bereich der nationalen Sicherheit,
(…)
e) zur Verhütung, Aufdeckung, Untersuchung oder Verfolgung von Straftaten oder zur Vollstreckung strafrechtlicher Sanktionen durch die zuständigen Behörden.

Das bedeutet, europäisches Datenschutzrecht soll auch künftig nicht für den Bereich der nationalen/inneren Sicherheit der Mitgliedsstaaten und den Bereich der Strafverfolgung gelten. Das heißt natürlich auch, dass die Tätigkeit von Geheimdiensten und Polizeibehörden nicht den datenschutzrechtlichen Vorschriften des EU-Rechts unterliegt. Wenn also beispielsweise der britische Dienst GCHQ oder der BND Daten erhebt, dann wird dafür auch in Zukunft nicht das europäische Datenschutzrecht der Maßstab sein. Die USA unterliegen als Nicht-EU-Mitglied erst recht nicht den Bindungen des europäischen Datenschutzrechts. Man könnte allenfalls europäische Stellen (Unternehmen und öffentliche Stellen) dazu zwingen, keine Daten mehr an einen sog. unsicheren Drittstaat, für den man die USA dann halten müsste, zu übermitteln. Das würde allerdings den Internetverkehr zum Erliegen bringen und stellt vermutlich nicht mal ein halbwegs ernsthaftes Drohszenario dar, auf das man Verhandlungen aufbauen könnte. Das gilt umso mehr, als auch europäische Geheimdienste ganz ähnliche Überwachungsmaßnahmen praktizieren wie die US-Dienste.

Der Schwenk Angela Merkels auf die Datenschutzgrundverordnung hat also vom eigentlichen Thema abgelenkt und war eine typische Nebelkerze.

Was mich bei dem TV-Duell aber noch viel stärker erstaunt hat, als die erwartbaren Ausflüchte zur Geheimdienstaffäre, war beispielsweise die Aussage Merkels, Renten würden in Deutschland nicht besteuert werden. Und vier hochbezahlte Journalisten lassen ihr diese Falschbehauptung ohne jede Nachfrage durchgehen. Auch in der heutigen Berichterstattung habe ich dazu nichts gelesen. Von Fakten muss man sich in diesem Wahlkampf als Kanzlerin bzw. Kandidat offenbar nicht beirren lassen.

posted by Stadler at 16:45  

11 Comments

  1. Wieso würde es den Internetverkehr zum Erliegen bringen wenn Behörden und Unternehmen keine Daten mehr in Schnüffelstaaten übermitteln?

    Unter Daten verstehe ich hier natürlich Daten, die nicht unter der Kontrolle der Nutzer liegen. BND-Daten etwa.

    Siehe im Kontext dieses Blogs auch: http://www.golem.de/news/datenueberwachung-die-bnd-auslandsaufklaerung-im-rechtsfreien-raum-1309-101324.html

    Comment by Joachim — 2.09, 2013 @ 17:10

  2. Natürlich werden Rentner nur „beschränkt“ oder gar nicht besteuert und viele langjährig „Nur-Rentenbezieher“ genießen das bisher auch. Allerdings werden Rentenerhöhungen (lache) zu 100% auf den steuerpflichtigen „Ertragsanteil“ der Rente zugerechnet und führen auf lange Sicht zur Besteuerung. Und, das haben beide Duellanten (Steinbrück bei Beamtenpensionen und Merkel bei der Rentenbesteuerung) übersehen, dass das alles bereits für die Zukunft geregelt ist: Ab 2030 werden dann Rentner wie Beamte zu 100% besteuert.

    Und nun frage ich mich, wie dann die Ungerechtigkeit geregelt werden soll, dass Rentner während des Arbeitslebens ihre Vorsorge nicht zu 100% steuerlich absetzen konnten, während Beamte garnicht selbst für ihre Altersicherung sorgen mußten.

    Unschwer zu erkennen, dass diese Thematik in einem TV-Duell nicht abgehandelt werden konnte. (wie vieles andere)

    Comment by Hajo — 2.09, 2013 @ 17:13

  3. Was mich aufregt ist das beim Thema Überwachung immer vom „deutsche Boden“ geredet wird, das macht der NSA ja nicht denn deren Stützpunkte in Deutschland sind nicht mehr deutsches Hoheitsgebiet.

    Comment by DasNordlicht — 2.09, 2013 @ 17:52

  4. Es geht nicht an, dass Militärstützpunkte fremder Mächte im Inland exterritorial sind und als fremdes Hoheitsgebiet deklariert werden. Es handelt sich keineswegs bei diesen um Botschaften oder Konsulate in denen deutsches Recht nicht gilt.

    Comment by Brazzer — 2.09, 2013 @ 18:26

  5. @DasNordlicht

    Weder Gelände von Botschaften noch von Konsulaten sind exterritorial (und erst recht nicht Gelände oder Gebäude anderer Einrichtungen fremder Staaten). Diese Auffassung hat sich im Völkerrecht nicht durchsetzen können. Daher ist beispielsweise das Gelände der US-Botschaft in Berlin sehr wohl deutsches Hoheitsgebiet bzw. deutscher Boden.

    Comment by Chris — 3.09, 2013 @ 00:57

  6. @@DasNordlicht, Brazzer:

    Wie mein Vorredner ja bereits erwähnte gibt es im Völkerrecht – anders als im Volksmund – keine „Exterritorialität“ in dem von Ihnen gemeinten Sinne. Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass souveräne Staaten zwar den Regeln des Völkerrechts (zumindest soweit sie ihm durch Vertrag beitreten, das ungeschriebene Völkerrecht lassen wir hier einmal außen vor) unterworfen sein mögen, aber gerade nicht einem einfachen, fremden, nationalstaatlichen Recht.

    Vermutlich beziehen Sie sich auf Dinge wie das Recht zur Beflaggung und Kennzeichnung mit Hoheitszeichen des Entsenderstaates (Art. 20), oder die Unverletzlichkeit der Mission und der dort geführten Dokumente (Art. 22, 24) nach dem Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WÜD).
    Das WÜD regelt aber gerade nicht die Rechtsstellung des Militärs, dass (ganz überwiegend) nicht zum diplomatischen Personal gehört, bzw. was die Entsendung angeht sogar durch den Empfangsstaat abgelehnt werden kann (Regelungen zu den Militärattachés in Art. 8 WÜD).

    Etwas weniger Panikmache alá „Böse, böse Amerikaner, aber wir können ja eh nichts machen“ und im Gegenzug mehr Beschäftigung mit der rechtlichen und politischen Situation scheinen angeraten. Nicht nur zu Wahlkampfzeiten und in Blogkommentaren.

    Comment by kmk — 3.09, 2013 @ 09:35

  7. @kmk (6), das dürfte so stimmen.

    Nur zur Panikmache gegen die USA:

    Dummerweise machen „wir“ – also die Bundesregierung als unsere gewählten Vertreter – *nichts*. Gar nichts.

    Das ist wirklich „böse“. Oder?

    Und was die USA angeht: Mexiko und Brasilien bestellen die US-Botschafter ein. Die halten also das Verhalten der USA für inakzeptabel.

    Offensichtlich gibt es Länder, die in der Überwachung ein Problem sehen und dann handeln.

    Natürlich, sie weinen nur, weil der Präsident überwacht wurde. So wie Journalisten weinen dass die Presse überwacht wird. Merkt niemand auch nur irgend etwas, was nur einen Millimeter über die eigenen Interessen hinaus geht?

    Genau so die Bundesregierung. Offensichtlich möchte die Bundesregierung die Überwachung. Und deshalb wird einfach das Problem geleugnet.

    Offensichtlich spielt diese Bundesregierung die drei Affen. Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.

    Sie merken also – in Bester „Leistungs-“ Gesellschaft – gar nichts. Das ist keine Volksvertretung. Das ist Volksverarschung.

    Comment by Joachim — 3.09, 2013 @ 14:14

  8. @Joachim

    Sag es doch wie es ist: Das ist Verrat am eigenen Land und dessen Volk.

    Comment by Politikverdrossener — 3.09, 2013 @ 22:03

  9. Wenn wir zur Wahl gehen, gewinnt Merkel.
    Wenn wir nicht zur Wahl gehen, gewinnt Merkel auch.

    Also ist es doch sch…egal, was sie sagt.
    Es geht weiter so und nichts ändert sich ausser dem Wetter.

    Comment by Frank — 4.09, 2013 @ 12:22

  10. Na,es gibt aber zugleich und parallel den Entwurf einer Datenschutzverordnung für den Behördenbereich. Diese ist nur in der medialen wie netzbezogenen Öffentlichkeit völlig untergegangen, oder?

    Comment by bob — 4.09, 2013 @ 19:43

  11. Ein Land, welches es nötig hat, die USA zu kopieren, ist im Eimer.

    Wenn es nur noch danach geht, wer die meisten Schweißperlen auf der Stirn hatte, zappelte oder nervös wurde in einem Format, was ins Klo gehört, der hat sie nicht mehr alle.

    Deutschland scheint tatsächlich in der vollständigen Verblödung zu enden.

    Falsch, es ist bereits dort verendet.

    Comment by Marlies — 6.09, 2013 @ 18:32

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