Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

8.4.16

Haftung des Betreibers eines Onlineshops für urheberrechtsverletzende DVDs

Der Betreiber eines Verkaufsportals bzw. Onlineshops, der Waren in eigenem Namen und auf eigene Rechnung verkauft, ist auch dann als Täter einer Urheberrechtsverletzung anzusehen, wenn die urheberrechtsverletzenden Produkte – hier: eine DVD des Musikers Al Di Meola – von zuliefernden Drittfirmen selbständig eingestellt werden. Das hat der BGH in einem gerade im Volltext veröffentlichten Urteil entschieden (Urteil vom 05.11.2016, Az.: I ZR 88/13).  Der BGH führt zur Begründung u.a. aus:

Anders als bei einer Internetplattform, auf der Dritten die Möglichkeit zur Abgabe eigener Angebote eröffnet wird und der Betreiber des Internetmarktplatzes nicht als Verkäufer auftritt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 I ZR 139/08, GRUR 2011, 152 Rn. 31 = WRP 2011, 223 Kinderhochstühle im Internet I), gibt die Beklagte eigene Angebote ab. Für diese Angebote ist sie auch dann verantwortlich, wenn sie sich bei der Angebotserstellung Dritter bedient und den Inhalt der Angebote nicht zur Kenntnis nimmt und keiner Kontrolle unterzieht (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 I ZR 51/08, GRUR 2010, 835 Rn. 46 = WRP 2010, 1165 POWER BALL).

Der BGH differenziert also zwischen Internetmarktplätzen wie eBay, die den Händlern nur die Plattform zur Verfügung stellen und solchen Angeboten, bei denen der Plattformbetreiber selbst der Händler ist.

Die Qualifizierung als Täter der Urheberrechtsverletzung führt im konkreten Fall dazu, dass der Plattformbetreiber unabhängig von der Frage des Verschuldens verpflichtet ist, die Abmahnkosten zu erstatten und sich auch nicht auf die Privilegierung des § 10 TMG berufen kann, weil es sich bei den angebotenen Produkten um eigene Inhalte im Sinne von § 7 Abs. 1 TMG handelt.

posted by Stadler at 09:19  

7.12.15

Ist die Anonymität im Netz eine heilige Kuh, die man schlachten sollte?

Der Rechtswissenschaftler Gerald Spindler hat sich auf einer Veranstaltung zur Zukunft des Urheberrechts laut Medienberichten dafür ausgesprochen, die Anonymität im Netz, die für viele Nerds eine heilige Kuh sei, auch mal zu schlachten. Wenn man dem Bericht auf Heise-Online glauben darf, wurden auf der besagten Konferenz in dieser Frage äußerungsrechtliche Aspekte mit urheberrechtlichen vermengt und speziell von Spindler Auswirkungen auf den Umfang der Haftungsprivilegien der E-Commerce-Richtlinie bzw. des TMG diskutiert.

Ulf Buermeyer hat die Diskussion auf Heise-Online kritisiert und vor Kollateralschäden für unser Gemeinwesen und die  Demokratie gewarnt.

Wer die Debatte um bzw. gegen Anonymität im Internet gerade im urheberrechtlichen Kontext führt, sollte allerdings auch deutlich machen, dass wir einerseits bereits eine gesetzliche Regelung haben, die differenziert und andererseits das Urheberrechtsgesetz den Rechteinhabern weitreichende Instrumentarien zur Rechtsverfolgung an die Hand gibt, die in anderen Bereichen fehlen.

Für Diensteanbieter besteht nach dem TMG und dem RStV eine Pflicht zur Anbieterkennzeichung, lediglich bloße Nutzer haben die Möglichkeit, sich anonym im Netz zu bewegen.

Im Urheberrecht besteht bereits jetzt nach § 101 Abs. 2 und Abs. 9 UrhG die Möglichkeit, von Access- und Hostprovidern anhand ermittelter IP-Adressen, Auskunft über die Person des Inhabers eines Internetanschlusses zu verlangen. Diese gesetzliche Regelung hat im Bereich des Filesharing zur Entstehung einer fragwürdigen Abmahnindustrie geführt, eine Entwicklung die rechtspolitisch wohl eher zu hinterfragen wäre, als die anonyme Internetnutzung.

Zur Diskussion pro und contra Anonymität möchte ich, auch in Ergänzung zu dem was Ulf Buermeyer geschrieben hat, einfach mal fünf Thesen in den Raum stellen:

1. Es besteht die Gefahr, dass Nutzer, die nicht mehr die Möglichkeit haben, sich anonym oder unter Pseudonym zu äußern, sich künftig überhaupt nicht mehr trauen werden, ihre Meinung online zu artikulieren bzw. über ihre Erfahrungen zu berichten oder Informationen und Erlebnisse preiszugeben. Die Abschaffung der Anonymität im Netz, würde sich daher negativ auf die Meinungs- und Informationsfreiheit auswirken.

2. Menschen, die Anonymisierungsdienste benutzen, versuchen damit zu verhindern, dass ihr gesamtes Nutzungsverhalten von Dritten, seien es Unternehmen wie Google oder Facebook oder auch Behörden, erfasst und getrackt wird. Diese Nutzer machen damit letztlich nur von ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung Gebrauch, das durch eine weitreichende Klarnamenspflicht erheblich beeinträchtigt würde. Die Einführung einer Klarnamens- oder Registrierungspflicht aller Internetnutzer würde die Schreckensvision vom gläsernen Bürger Wirklichkeit werden lassen. Das wirft nicht nur Fragen auf, die sich um die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung und Datenschutz sowie das Fernmeldegeheimnis drehen. Es geht hier letzten Endes um die Frage der Menschenwürde, denn der Einzelne droht zum Objekt des Staates degradiert zu werden bzw. mithilfe des Staates zum Objekt einzelner Interessengruppen. Es ist vor diesem Hintergrund nicht zielführend, die Frage der Anonymität isoliert in einem urheberrechtlichen oder persönlichkeitsrechtlichen Kontext zu diskutieren. Vielmehr muss die gesamte Tragweite einer solchen Forderung beleuchtet werden.

3. Bei äußerungsrechtlichen Sachverhalten ist zudem zu berücksichtigen, dass Art. 5 GG gerade auch anonyme Meinungsäußerungen schützt.

4. Es besteht keine Notwendigkeit für eine Klarnamenspflicht aller Nutzer. Für Diensteanbieter und Anbieter publizistischer Inhalte gibt es bereits ein „Vermummungsverbot“, weil sowohl das TMG als auch der RStV eine Anbieterkennzeichnung (Impressum) verlangen. Damit steht dann aber auch ein Portalbetreiber zur Verfügung, der, wenn auch eingeschränkt, auf Beseitigung oder Unterlassung haftet. Zudem kann nach neuerer Rechtsprechung auch von Suchmaschinenbetreibern verlangt werden, dass sie ihren Suchindex um rechtsverletzende Inhalte bereinigen. Das geltende Recht bietet also bereits verschiedenste Möglichkeiten, Rechtsverletzungen zu bekämpfen.

5. Eine Klarnamenspflicht im Internet funktioniert nicht. Selbst wenn jedes Portal und jeder Anbieter eine namentliche Registrierung aller Nutzer verlangen würde, wäre dennoch nicht kontrollierbar, ob sich die Nutzer nicht doch unter falschen Namen anmelden. Der Anbieter kann die Nutzerangaben nicht verifizieren.

posted by Stadler at 11:16  

21.9.15

BGH zur Haftung eines Hotelbewertungsportals für Nutzerbewertungen

Ein Hotelier hat den Betreiber eines Hotelbewerungsportals wegen einer negativen Hotelbewertung eines Nutzers auf Unterlassung in Anspruch genommen. Der Hotelbetreiber verlangte die Unterlassung konkreter Tatsachenbehauptungen wie die Matratze bestehe nur aus ca. 4 cm Schaumstoff, die Zimmer beziehungsweise Betten seien mit Bettwanzen befallen gewesen und das Fernsehgerät sei absichtlich schlecht befestigt gewesen, da bei Beschädigung 50 € gezahlt werden müssten.  Auf die Abmahnung des Hoteliers hin, hatte der Portalbetreiber die Negativbewertung vom Netz genommen, allerdings keine Unterlassungserklärung abgegeben. Die Klage des Hoteliers auf Unterlassung wurde abgewiesen, der BGH hat die Klageabweisung nunmehr in der Revisionsinstanz bestätigt (Urteil vom 19.03.2015, Az.: I ZR 94/13).

Der BGH geht davon aus, dass zwischen den Parteien ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht und prüft die Frage der Unterlassung auf Grundlage des UWG. Hierbei geht der BGH davon aus, dass keine Behauptung nach § 4 Nr. 8 UWG vorliegt, weil sich der Betreiber des Hotelbewerungsportals die Aussagen des Nutzers nicht zu eigen macht. Auch liegt nach Ansicht des BGH kein Verbreiten im Sinne von § 4 Nr. 8 UWG vor. Hierbei geht der BGH davon aus, dass Tatsachenbehauptungen mithin erst dann im Sinne des § 4 Nr. 8 UWG über ein Internetportal verbreitet werden, wenn der Betreiber vom Vorliegen einer klaren Rechtsverletzung Kenntnis erlangt und sie gleichwohl nicht beseitigt hat. Hierzu führt der BGH folgendes aus:

Im Falle der Weitergabe von Tatsachenbehauptungen über ein Bewertungsportal im Internet muss der weite Begriff des Verbreitens eingeschränkt werden. Der Betreiber eines Internet-Bewertungsportals könnte einer Verbreitungshaftung ansonsten nur durch eine umfassende inhaltliche Überprüfung der von Nutzern in das Portal eingestellten Beiträge vor deren Veröffentlichung entgehen. Der Annahme einer allgemeinen Prüfungspflicht von Diensteanbietern im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG für die von Nutzern auf ihre Server eingestellten fremden Daten steht jedoch § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG entgegen. Danach sind Diensteanbieter nicht verpflichtet, die von ihnen übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hindeuten. Nach dieser Vorschrift, die auf Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr beruht, sind Überwachungspflichten allgemeiner Art ausgeschlossen. Danach ist es dem Betreiber eines Bewertungsportals grundsätzlich nicht zuzumuten, jeden Beitrag vor der Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen. (…)

Diese Grundsätze gelten auch im Rahmen des wettbewerbsrechtlichen Tatbestands des § 4 Nr. 8 UWG, so dass ein Verbreiten von Tatsachenbehauptungen im Sinne dieser Vorschrift im Falle des Betreibers eines Internet-Bewertungsportals nur angenommen werden kann, wenn spezifische Überwachungspflichten verletzt werden.

Bei Anwendung der vorstehenden Maßstäbe hat die Beklagte die beanstandeten Tatsachenbehauptungen nicht im Sinne des § 4 Nr. 8 UWG verbreitet.

Die Beklagte ist Diensteanbieterin im Sinne der § 2 Nr. 1, § 10 Satz 1 Nr. 1 TMG. Die von ihr gespeicherten Daten sind keine eigenen Informationen der Beklagten, die sie zur Nutzung durch Dritte bereithält und für die sie gemäß § 7 Abs. 1 TMG nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich ist, sondern vielmehr fremde Informationen im Sinne des § 10 Satz 1 TMG (s.o. Rn. 23).

Die im Hinblick auf § 7 Abs. 2 Satz 1 TMG einschränkende Auslegung des § 4 Nr. 8 UWG kommt im Falle eines Internet-Bewertungsportals allerdings nur in Betracht, wenn dessen Betreiber sich darauf beschränkt, seinen Dienst mittels rein technischer und automatischer Verarbeitung der von seinen Kunden eingegebenen Daten neutral zu erbringen (vgl. EuGH, Urteil vom 23. März 2010 C236/08 bis C-238/08, Slg. 2010, I-2417 = GRUR 2010, 445 Rn. 114, 120 Google und Google France; EuGH, GRUR 2011, 1025 Rn. 109 ff. L’Oréal/eBay). Verlässt der Anbieter dagegen seine neutrale Vermittlerposition und spielt er eine aktive Rolle, die ihm eine Kenntnis von bestimmten Daten oder eine Kontrolle über sie verschaffen konnte, kann eine Haftung nach § 4 Nr. 8 UWG gerechtfertigt sein (vgl. zu § 7 Abs. 2 TMG BGHZ 191, 19 Rn. 23 Stiftparfüm).

Die Beklagte hat keine aktive Rolle hinsichtlich der Veröffentlichung der beanstandeten unwahren Tatsachenbehauptungen auf ihrem Portal eingenommen. Dass die Beklagte zur Förderung bestimmter Hotelbetriebe selbst eine Auswahl der veröffentlichten Bewertungen vorgenommen hätte, hat auch die Klägerin nicht geltend gemacht. Die statistische Auswertung von Bewertungen sowie der Einsatz eines Wortfilters zum Auffinden von rechtsverletzenden Inhalten und die nach Ansprechen des Wortfilters vorgenommene Überprüfung der Beiträge durch Mitarbeiter der Beklagten begründet ebenfalls keine aktive Rolle der Beklagten, weil eine über die Aussonderung gegen die Nutzungsbedingungen verstoßender Beiträge hinausgehende inhaltliche Einflussnahme nicht erfolgt (vgl. auch Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rn. 8.9, § 8 Rn. 2.28; Ohly in Ohly/Sosnitza aaO § 8 Rn. 135a). Durch die bei Ansprechen des automatischen Wortfilters von der Beklagten vorgenommene manuelle Durchsicht von Äußerungen der Nutzer verlässt die Beklagte ihre neutrale Position nicht, weil sie hierdurch keine Kenntnis von der etwaigen Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung erlangt.

Die Beklagte geht wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat als Diensteanbieter einer mit der Rechtsordnung grundsätzlich in Einklang stehenden Geschäftstätigkeit nach. Das Berufungsgericht hat weiter ausgeführt, dass die Beklagte im Hinblick auf die Rechte der betroffenen Tourismusunternehmen eine besondere Gefahrenlage schafft, wenn sie Internetnutzern die Möglichkeit bietet, sich unter einem Pseudonym wertend über diese Unternehmen und ihre Leistungen zu äußern. Zu Recht hat jedoch das Berufungsgericht angenommen, dass auch unter Berücksichtigung dieser Umstände der Beklagten keine Kontrollmaßnahmen auferlegt werden dürfen, die ihr Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährdeten oder ihre Tätigkeit unverhältnismäßig erschwerten (vgl. BGHZ 172, 119 Rn. 147 Internetversteigerung II; BGH, Urteil vom 12. Juli 2007 – I ZR 18/04, BGHZ 173, 188 Rn. 39 Jugendgefährdende Medien bei eBay; BGH, GRUR 2011, 617 Rn. 45 Sedo; BGHZ 194, 339 Rn. 28 – Alone in the Dark). Das Interesse der Klägerin am Schutz vor unwahren geschäftsschädigenden Tatsachenbehauptungen könnte nur durch eine vollständige inhaltliche Kontrolle durch Mitarbeiter der Beklagten gewahrt werden, die der Beklagten unzumutbar wäre. Erst, wenn der Betreiber einer Internethandels- oder Bewertungsplattform auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen wird, muss er nicht nur das konkrete Angebot oder die konkrete Bewertung unverzüglich sperren, sondern auch Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derar-tigen Rechtsverletzungen kommt (vgl. BGHZ 191, 19 Rn. 21, 39 Stiftparfüm).

Tatsachenbehauptungen werden mithin erst im Sinne des § 4 Nr. 8 UWG über ein Internetportal verbreitet, wenn der Betreiber vom Vorliegen einer klaren Rechtsverletzung Kenntnis erlangt und sie gleichwohl nicht beseitigt hat. Weil die Beklagte die beanstandete Bewertung, von deren Rechtswidrigkeit sie zuvor keine Kenntnis hatte, nach Eingang der Abmahnung endgültig entfernt hat, liegen die Voraussetzungen des § 4 Nr. 8 UWG nicht vor.

posted by Stadler at 15:04  

29.7.15

Erneut Streit um Klarnamenpflicht bei Facebook

Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar hat Facebook (Irland) aufgegeben, auf eine Klarnamenpflicht zu verzichten und den (deutschen) Nutzern entsprechend der Vorgabe des § 13 Abs. 6 TMG eine Nutzung des sozialen Netzes auch unter einem Pseudonym zu ermöglichen. Das berichten u.a. der NDR und SPON.

Mit einem ähnlichen Vorstoß war das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz (ULD) in Schleswig-Holstein vor gut zwei Jahren beim OVG Schleswig gescheitert. Das Oberverwaltungsgericht hatte damals die Auffassung vertreten, dass Facebook nicht an deutsches sondern an irisches Datenschutzrecht gebunden sei. Diese Rechtsauffassung ist allerdings durch das Google-Urteil des EuGH ins Wanken geraten. Der EuGH hatte eine Anwendung von nationalem (spanischen) Datenschutzrecht auf Google Spain bejaht. Auch wenn die Sachverhalte nicht unmittelbar vergleichbar sind, spricht die Entscheidung dafür, auch Facebook dem deutschen Datenschutzrecht zu unterstellen. Ich habe seit jeher – allerdings mit anderer Begründung – die Auffassung vertreten, dass Facebook an deutsches Datenschutzrecht gebunden ist.

In einem aktuellen Beitrag für CR-Online vertritt Rechtsanwalt Niko Härting die Ansicht, die Vorschrift des § 13 Abs. 6 TMG sei europarechtswidrig. Hierzu kann man natürlich in formeller Hinsicht sagen, dass deutsche Behörden und Gerichte zunächst auch eurparechtswidrige Vorschriften anzuwenden haben. Gerichte können dann an den EuGH vorlegen, um diese Frage verbindlich klären zu lassen.

Aber ist der Einwand von Härting in materielle Hinsicht stichhaltig? Härting begründet seine Ansicht damit, dass Art. 7 der Datenschutzrichtlinie nach der Rechtsprechung des EuGH abschließend regeln würde, unter welchen Bedingungen eine Datenverarbeitung zulässig ist und es dem nationalen Gesetzgeber verboten sei, darüber hinausgehende Bedingungen aufzustellen. Aber enthält § 13 Abs. 6 TMG tatsächlich eine zusätzliche Bedingung für die Zulässigkeit einer Datenverarbeitung? Der EuGH hat entschieden, dass Art. 7 der Richtlinie 95/46 eine erschöpfende und abschließende Liste der Fälle vorsieht, in denen eine Verarbeitung personenbezogener Daten als rechtmäßig angesehen werden kann (EuGH, Urteil vom 24. 11. 2011 – C-468/10). Hieraus folgert der EuGH, dass die Mitgliedstaaten weder neue Grundsätze in Bezug auf die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten einführen dürfen, noch zusätzliche Bedingungen stellen können, die die Tragweite eines der sechs in diesem Artikel vorgesehenen Grundsätze verändern würden.

Wenn man § 13 Abs. 6 TMG an dieser Vorgabe misst, wird man allerdings Schwierigkeiten haben zu begründen, an welchem der sechs in Art. 7 der Datenschutzrichtlinie aufgestellten Grundsätze die Vorschrift konkret rütteln sollte.

Nachdem die datenschutzrechtliche Diskussion sowohl in Deutschland als auch auf Ebene der EU fast immer von einem gewissen Tunnelblick geprägt wird, ist es hilfreich, gelegentlich auf den verfassungsrechtlichen Hintergrund des Datenschutzes zurückzugreifen, speziell wenn man eine Vorschrift wie § 13 Abs. 6 TMG betrachtet. Der Sinn und Zweck der Vorschrift ist nämlich die Datenvermeidung und die Verhinderung der Entstehung personenbezogener Daten, die öffentlich verfügbar sind. In verfassungsrechtlicher Hinsicht erscheint es wichtig zu erkennen, dass die Vorschrift gerade ein Ausfluss des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung ist, die zudem für den Nutzer ein Mittel zum Selbstdatenschutz darstellt (Spindler/Nink, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, § 13 TMG, Rn. 10 TMG). Die Grundrechtecharta der EU normiert in Art. 8 ein Recht auf Datenschutz und in Art. 7 ein Recht auf Achtung des Privatlebens. § 13 Abs. 6 TMG ist letztlich also nichts anderes als eine einfachgesetzliche Konkretisierung des Rechts auf Datenschutz bzw. auf informationelle Selbstbestimmung.

Es stellt sich letztlich also eher die Frage, ob der (europäische) Gesetzgeber vor diesem Hintergrund nicht gehalten bzw. verpflichtet ist, beispielsweise für soziale Netzwerke, die Möglichkeit einer anonymen oder pseudonymen Nutzung zu gewährleisten. Dass die bisherigen Vorschläge einer Datenschutzgrundverordnung dies nicht vorsehen, besagt nichts darüber ob nicht doch eine entsprechende Notwendigkeit besteht.

posted by Stadler at 10:00  

16.6.15

Forenbetreiber haftet für Beleidigungen der Nutzer. Oder doch nicht?

Eine aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom heutigen Tag sorgt gerade in den sozialen Medien für eine gewisse Aufregung, nachdem SPON/dpa mit der Schlagzeile „Forenbetreiber haftet für Beleidigungen der Nutzer“ aufwarten und die These aufgestellt haben, dass das Urteil vermutlich weitreichende Folgen für europäische Internetnutzer und Unternehmen haben wird (CASE OF DELFI AS v. ESTONIA, Az.: 64569/09).

Um es kurz zu machen: Davon ist nicht auszugehen. Die heutige Entscheidung der „Grand Chamber“ des EGMR bestätigt lediglich eine frühere Kammer-Entscheidung des Gerichtshofs vom 10.10.2013, über die ich bereits ausführlich gebloggt habe. Meine dortigen Überlegungen treffen auch auf die heutige Entscheidung der großen Kammer zu.

Nachdem die Entscheidung aus dem Herbst 2013 bislang keine nennenswerten Folgen nach sich gezogen hat, wird dies die heutige Entscheidung vermutlich auch nicht tun.

Das grundlegende Missverständnis besteht bereits in der Annahme, der EGMR habe entschieden, dass Forenbetreiber für Beleidigungen durch Nutzer haften würden. Nein, das hat er nicht. Vielmehr hat der Gerichtshof, unter ausdrücklicher Betonung der Umstände des Einzelfalls, entschieden, dass eine Verurteilung eines großen, kommerziellen Portalbetreibers zu einem Schadensersatz von lediglich EUR 320,- wegen Nutzerkommentaren, die schwerwiegende Rechtsverletzungen („Hate Speech“) beinhalten, noch keinen Verstoß gegen Art. 10 der Menschenrechtskonvention darstellt:

Based on the concrete assessment of the above aspects, taking into account the reasoning of the Supreme Court in the present case, in particular the extreme nature of the comments in question, the fact that the comments were posted in reaction to an article published by the applicant company on its professionally managed news portal run on a commercial basis, the insufficiency of the measures taken by the applicant company to remove without delay after publication comments amounting to hate speech and speech inciting violence and to ensure a realistic prospect of the authors of such comments being held liable, and the moderate sanction imposed on the applicant company, the Court finds that the domestic courts’ imposition of liability on the applicant company was based on relevant and sufficient grounds, having regard to the margin of appreciation afforded to the respondent State.

Der EGMR entscheidet also nicht über die Frage der Haftung, sondern nur darüber ob die Annahme einer Haftung durch ein nationales Gericht gegen die EMRK verstößt. Somit können nationale Gerichte künftig auch weiterhin eine solche Haftung auch verneinen.

Man kann das Urteil des EGMR gleichwohl für bedenklich halten, weil der EGMR eine Haftung u.U. auch dann toleriert, wenn der Portalbetreiber noch nicht einmal auf den Verstoß hingewiesen worden ist:

However, in cases such as the present one, where third-party user comments are in the form of hate speech and direct threats to the physical integrity of individuals, as understood in the Court’s case-law (see paragraph 136 above), the Court considers, as stated above (see paragraph 153), that the rights and interests of others and of society as a whole may entitle Contracting States to impose liability on Internet news portals, without contravening Article 10 of the Convention, if they fail to take measures to remove clearly unlawful comments without delay, even without notice from the alleged victim or from third parties.

(Nur) das ist grundsätzlich nach deutschem und EU-Recht anders, was das Ausgangsgericht in Estland aber verkannt hat. Andererseits sind EU-Richtlinien nicht Prüfungsmaßstab des EGMR. Das habe ich hier ausführlich erläutert.

Was die Entscheidung angeht, sollte man die Kirche also im Dorf lassen. Die Entscheidung deutscher Gerichte, die sich an der gefestigten Rechtsprechung des BGH und den Vorgaben von TMG und E-Commerce-Richtlinie orientieren, wird dieses Urteil des EGMR kaum beeinflussen.

posted by Stadler at 18:30  

12.6.15

OLG München: Google haftet für rechtsverletzende Suchergebnisse auf Unterlassung

Das OLG München hat Google per einstweiliger Verfügung verpflichtet, bei Eingabe der Suchkombination Name und Betrugsverdacht einen bestimmten Suchtreffer mit einem Vorschautext, der die Begriffe „Betrugsverdacht“ und „Staatsanwaltschaft ermittelt“ enthält, nicht mehr anzuzeigen und insoweit auch nicht mehr auf die entsprechende Website per Link zu verweisen. (Beschluss vom 27.04.2015, Az.: 18 W 591/15).

Das OLG geht hierbei davon aus, dass Google für unwahre Tatsachenbehauptungen als Störer haftet und zwar sowohl wegen der Snippets, die bei Google direkt anzugezeigt werden, als auch für die über das Suchergebnis vorgenommene Verlinkung.

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts hätte Google, nachdem es auf die Rechtsverletzung hingewiesen worden ist, tätig werden müssen und haftet aufgrund der Untätigkeit dann auch auf Unterlassung.

posted by Stadler at 12:30  

23.4.15

Gesetz zur W-LAN-Haftung: Abmahnkanzlei und Rechteinhaber fordern Registrierungspflicht

Das BMWi hat insgesamt 29 schriftliche Stellungnahmen zum Entwurf für ein 2. Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes veröffentlicht. Einige Aspekte der geplanten Neuregelung habe ich hier und hier schon einer kritischen Würdigung unterzogen.

Die Abmahnwanwälte Waldorf Frommer haben eine eigene Stellungnahme eingereicht, in der sie u.a. fordern, dass die Haftungsprivilegierung nur dann eintreten soll, wenn der Anbieter „sämtliche zumutbaren Maßnahmen“ ergriffen hat, um eine Rechtsverletzung zu verhindern. Außerdem fordern Waldorf Frommer eine Registrierungspflicht für Nutzer und eine korrespondierende Auskunftspflicht des Anbieters über die Person des registrierten Nutzers. Die Haltung der Rechtsanwälte Waldorf Frommer ist insoweit verständlich, als das Geschäftsmodell der Kanzlei maßgeblich auf Filesharing-Abmahnungen beruht und  man dieses Geschäftsmodell durch die geplante Neuregelung offenbar gefährdet sieht.

In dasselbe Horm bläst das Forum der Rechteinhaber, das u.a. den Bundesverband Musikindustrie, den Börsenverein des deutschen Buchhandels, die Fußballbundesliga und die SPIO repräsentiert. Auch hier wird die Schaffung einer Registrierungspflicht gefordert. Nach den Vorstellungen der Rechteinhaber soll die Haftungsprivilegierung außerdem entfallen, wenn festgestellt wird, dass über das Netzwerk wiederholt Rechtsverletzungen begangen worden sind. Damit würde es für zahlreiche Netzwerke bereits nach kurzer Zeit keine Haftungserleichterung mehr geben, denn Rechtsverletzungen werden immer wieder passieren.

Die Forderungen der Rechteinhaber zielen ersichtlich darauf ab, jedwede Haftungsprivilegierung auszuhebeln und die geltende Rechtslage zu verschärfen, indem man eine bislang nicht bestehende Registrierungspflicht schafft.

posted by Stadler at 11:00  

15.4.15

Schleichwerbung im Netz

Verdeckte Werbung bzw. Schleichwerbung ist auch in Blogs, sozialen Medien, auf Onlineportalen und Websites rechtlich unzulässig. In den letzten Wochen wurde über ein Urteil des Landgerichts München I berichtet, das es dem Ärztebewertungsportal Jameda verbietet, eine „Top-Platzierung“ eines Arztes oberhalb der eigentlichen Suchergebnisse anzuzeigen, wenn der Werbecharakter dieser Anzeige nicht klar erkennbar wird.

Es gibt eine ganze Reihe gesetzlicher Vorschriften, die sog. verdeckte Werbung auch und gerade im Internet verbieten. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 UWG ist es unzulässig, den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen zu verschleiern. Nach der Ziff. 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG (sog. schwarze Liste) sind von einem Unternehmen finanzierte redaktionelle Inhalte (als Information getarnte Werbung) unzulässig, wenn sich der Umstand der Bezahlung nicht eindeutig aus der optischen oder akustischen Darstellung ergibt.

§ 6 TMG verlangt, dass sog. kommerzielle Kommunikation – der Begriff geht über den Begriff der Werbung hinaus, erfasst aber auch Werbemaßnahmen – klar als solche erkennbar sein muss. Unter den Begriff der kommerziellen Kommunikation fallen beispielsweise auch Maßnahmen der Verkaufsförderung, Preisausschreiben, Gewinnspiele und Verkaufsabsprachen. Vor diesem Hintergrund dürften beispielsweise auch sog. Affiliate-Links als kommerzielle Kommunikation zu betrachten sein, mit der Folge einer Pflicht zur deutlichen Kennzeichnung.

Schließlich normiert § 58 Abs. 1 RStV auch für Internetangebote das sog. Trennungsgebot:

Werbung muss als solche klar erkennbar und vom übrigen Inhalt der Angebote eindeutig getrennt sein. In der Werbung dürfen keine unterschwelligen Techniken eingesetzt werden.

Insgesamt muss Werbung also für den Nutzer deutlich erkennbar sein und von den übrigen Inhalten getrennt werden. Unzulässig sind damit nicht nur Werbeanzeigen, die nicht ausreichend deutlich gekennzeichnet sind. Unzulässig sind vor allen Dingen auch von Werbepartnern bezahlte Texte oder Links, die nicht deutlich als Werbung erkennbar sind. Auch positive Produkt- oder Leistungsbewertungen durch Nutzer, die von Unternehmen beauftragt worden sind, stellen unzulässige Werbepraktiken dar. Insoweit sind insbesondere alle Erscheinungsformen des sog. viralen Marketings problemtisch, sofern der Eindruck entsteht, ein Nutzer würde ein bestimmtes Produkt oder eine Leistung von sich aus empfehlen, obwohl er in Wirklichkeit hierfür bezahlt wird oder vom werbenden Unternehmen einen geldwerten Vorteil in Form von Sachzuwendungen erhält.

posted by Stadler at 10:16  

9.4.15

Die FAQ des Wirtschaftsministeriums zum geplanten Gesetz zur Haftung des W-LAN-Anbieters

Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung, der die Störerhaftung für Anbieter öffentlicher WLANs regeln und vermeintlich Rechtssicherheit schaffen will, ist gerade in der juristischen Fachwelt auf erhebliche Kritik gestoßen. Das BMWi hat jetzt 20 FAQ veröffentlicht, die für etwas mehr Klarheit sorgen sollen. Das gelingt den Fragen und Antworten des Ministeriums allerdings nicht.

In der Antwort 1 wird ausgeführt, dass die Anbieter den Namen des Nutzers nicht protokollieren, registrieren oder anderweitig erfassen müssen. Private WLAN-Anbieter müssen allerdings im Zeitpunkt der WLAN-Überlassung den Namen des Nutzers kennen. In der Antwort 3 heißt es dann, dass der Anbieter seinen Router verschlüsseln muss, wie dies vom Hersteller vorgesehen ist und sich vom Nutzer zusichern lassen muss, dass dieser keine Rechtsverletzungen über den WLAN-Anschluss begehen wird.

Wie diese drei Anforderungen unter einen Hut zu bringen sind, erklärt das Ministerium allerdings nicht. Wenn der Anbieter von dem Nutzer keine Registrierung verlangen muss, kann er demzufolge (weiterhin) eine anonyme Nutzung zulassen. Der anonyme Nutzer muss allerdings versichern, dass er keine Rechtsverletzung begehen wird. An dieser Stelle muss die Frage gestattet sein, wie um alles in der Welt eine vorformulierte Erklärung eines anonymen Nutzers die Gefahr von Rechtsverletzungen eindämmen soll. Das ist in etwa so, wie wenn der anonyme Besucher einer Pornoseite bestätigt, dass er volljährig ist. Dieser Klick schafft keinen Jugendschutz. Ebensowenig wie der Klick eines anonymen Nutzers geeignet ist, Rechtsverletzungen zu verhindern.

Hinzu kommt dann noch das Erfordernis einer Verschlüsselung, das vom BMWi wie folgt begründet wird:

Die Verschlüsselung dient vor allem dem Interesse des WLAN-Betreibers selbst. Sie verhindert, dass Unbefugte über seinen Internet-Zugang surfen und auf seine Dateien zugreifen können.

Das ist nun allerdings komplett unzutreffend, gerade vor dem Hintergrund, dass ja kein Registrierungszwang bestehen soll. Die Verschlüsselung ist vielfach schlicht nicht im Interesse des W-LAN-Betreibers. Wer ein öffentliches (kostenloses) W-LAN anbietet, hat nämlich ein Interesse daran, dass die Nutzer möglichst einfach und unkompliziert ins Internet kommen. Und gerade das wird durch eine Verschlüsselung erschwert.

Wer sein Netz für jedermann öffnet, der muss kein unbefugtes Surfen verhindern, denn ein solches gibt es dann ja gar nicht. Mir ist auch nicht klar, wie eine Verschlüsselung Rechtsverletzungen verhindern soll, wenn es gleichzeitg keine Registrierungspflicht gibt. Die Gefahr von Rechtsverletzungen kann man prinzipiell eindämmen, indem man vom Nutzer verlangt, sich zu authentifizieren und zu registrieren und ein anonymes Login gerade nicht gestattet. Dann hat man es aber mit einem geschlossenen Netz zu tun, das nicht mit der Idee offener und freier W-LANs vereinbar ist.

Und bei dieser Frage ist schließlich noch der Gesetzeswortlaut zu berücksichtigen, der am Ende von den Gerichten ausgelegt wird. Das Gesetz verlangt nämlich vom Anbieter, dass er zumutbare Maßnahmen ergreift, um eine Rechtsverletzung durch den Nutzer zu verhindern. Das was das BMWi in seinen FAQ beschreibt, sind aber insoweit noch nicht einmal geeignete Maßnahmen. Es steht zu befürchten, dass die Gerichte, anders als in den Antworten der Bundesregierung, den Gesetzgeber beim Wort nehmen werden und tatsächlich effektive Maßnahmen fordern, die ohne eine Registrierung und Identifizierung der Nutzer nicht denkbar sind. Diese naheliegende Auslegung lässt sich nur vermeiden, indem man dem Anbieter überhaupt keine Maßnahmen auferlegt.

Drollig ist in diesem Kontext auch die Vorstellung der Bundesregierung (Antwort 14), Einzelhändler in einer Fußgängerzone könnten sich zusammenschließen und den Nutzern ein Netz zur Verfügung zu stellen, das nach dem Vorbild von eduroam aufgebaut ist. An dieser Stelle werden leider die technischen und wirtschaftlichen Realitäten vollkommen verkannt. Einzelhändler, die ihren Kunden einen (kostenlosen) Internetzugang anbieten wollen, haben ein Interesse an einer möglichst billigen und einfachen Lösung. Und gerade das wird durch den Gesetzesentwurf erheblich erschwert.

Reto Mantz hat sich ausführlich mit den FAQ befasst und kritisiert die Haltung des BMWi erwartungsgemäß.

posted by Stadler at 11:21  

8.4.15

Haftung von sozialen Netzwerken und Microbloggingdiensten für Nutzerpostings

Das OLG Dresden hat mit Urteil vom 01.04.2015 (AZ.: 4 U 1296/14) entschieden, dass Anbieter von Mikrobloggingdiensten verpflichtet sind, rechtswidrige Äußerungen von Nutzern zu entfernen und hat gegen den Anbieter einen Unterlassungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Persönlichkeitsrechts bzw. des Unternehmenspersönlichkeitsrechts bejaht. Das Urteil ist in den Medien z.T. als überraschend bewertet worden, bei Chip.de ist beispielsweise von einem krassen Urteil die Rede.

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts haftet der Anbieter nach den Grundsätzen der Störerhaftung. Der Betreiber könne, so das OLG,  verpflichtet werden, zukünftige derartige Verletzungen zu verhindern, wenn der Betroffene ihn auf die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts hinweist. Das OLG Dresden hat die Rechtsprechung des BGH zu Informationsportalen auf diese Konstellation angewendet (vgl. BGH, Urt. v. 27.03.2012 – VI ZR 144/11 und BGH, Urt. v. 25.10.2011 – VI ZR 93/10). Ein Tätigwerden des Hostproviders ist aber nur dann veranlasst, wenn der Hinweis so konkret gefasst wird, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer, d.h. ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung, bejaht werden kann. Der Anbieter muss nicht von vorneherein eine eigene Prüfung und Abwägung der betroffenen Rechte durchführen. Er muss aber prüfen, ob – die Richtigkeit der Beanstandung unterstellt – möglicherweise fremde Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Dazu soll er dem Nutzer die Gelegenheit geben, zu den Beanstandungen innerhalb angemessener Frist Stellung zu nehmen. Das OLG hat die Revision zum BGH zugelassen.

Die Entscheidung ist auf den ersten Blick nicht sonderlich spektakulär, sondern bestätigt nur die Rechtsprechung der letzten Jahre. Grundsätzlich ist in Einklang mit der Rechtsprechung des BGH allerdings davon auszugehen, dass den Anbieter zunächst nur eine Löschpflicht trifft. Der Anbieter wird erst dann zum Störer, mit der Konsequenz einer vollen Unterlassungsverpflichtung, wenn er den beandstandeten Inhalt trotz konkreter Kenntnis nicht löscht bzw. sperrt. Das lässt sich u.a. den Entscheidungen des BGH vom 17.08.2011 (Az.: I ZR 57/09) und vom 30.06.2009 (Az.: VI ZR 210/08) entnehmen und ist auch vom OLG Stuttgart so entschieden worden. In dem Fall den das OLG Dresden zu entscheiden hatte, hatte der Anbieter aber vermutlich nicht gelöscht und wurde deshalb zur Unterlassung verurteilt. Nachdem bislang aber nur die Pressemitteilung vorliegt, muss insoweit das vollständige Urteil abgewartet werden.

posted by Stadler at 15:24  
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