Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

27.8.10

Das BKA und die Netzsperren

Das BKA propagiert nach kurzer Atempause erneut ganz massiv die Einführung von Access-Sperren und damit die Anwendung des Zugangserschwerungsgesetzes.

Warum die zur Begründung angeführte Behauptung des BKA, das Löschen kinderpornografischer Websites würde international nicht funktionieren, falsch ist, erklärt Alvar Freude vom AK Zensur erneut in einer ausführlichen und lesenswerten Darstellung.

posted by Stadler at 21:04  

19.8.10

Löschen, sperren oder keines von beiden?

In einem Artikel bei CARTA kritisiert Christian Heller mit etwa einjähriger Verspätung die Forderung der Gegner des Zugangserschwerungsgesetzes, die in der Diskussion um die Bekämpfung kinderpornographischer Inhalte mit dem Slogan „Löschen statt sperren“ operiert haben. Hauptargument von Heller ist, dass es sich bei beiden Varianten letztlich um Zensur handelt. Als Beleg dafür führt er lediglich eine Lexikondefinition des Begriffs der Zensur an.

Wer sich wie Heller in eine Diskussion um rechtliche Fragen begibt, sollte sich dann auch mit dem verfassungsrechtlichen Zensurbegriff des Art. 5 GG beschäftigen. Denn um den geht es, zumindest in der hier interessierenden Diskussion.

Diese notwendige rechtswissenschaftliche Diskussion hat Ansgar Koreng in seiner mutigen Dissertation „Zensur im Internet“ begonnen. Hierüber habe ich vor einigen Monaten berichtet.

Dass es außerdem Bestrebungen gibt, den Begriff der Kinderpornographie auszuweiten – z.B. auf Fälle von Jugendpornographie – und dass sich dahinter häufig nur fragwürdige Moralvorstellungen verbergen, merkt Heller in seinem Beitrag zu Recht an. Das ist aber weder neu, noch stellt es einen berechtigten Einwand gegen die Aktivitäten von Sperrgegnern wie dem AK Zensur dar.

posted by Stadler at 23:02  

15.8.10

Netzsperren: Funktioniert Inhope nicht?

In schöner Regelmäßigkeit schreibt ein gewisser Stefan Tomik für FAZ.NET tendenziöse Artikel zum Thema Access-Blocking. Die Aussage lautet diesmal, der Provider-Verband eco hätte eine interne Untersuchung verschwiegen, wonach das Löschen kinderpornographischer Inhalte über die Organisation Inhope sehr schlecht funktionieren würde.

Ob das so ist oder nicht, vermag ich nicht zu beurteilen. Dass die Kernaussagen Tomiks dennoch falsch sind, lässt sich allerdings unmittelbar aus seinem Text selbst ableiten.

Sperrgegner haben immer wieder darauf verwiesen, dass man kinderpornographische Inhalte durch einfache Absuse-Mails innerhalb kürzester Zeit aus dem Netz bekommt, was durch entsprechende Tests auch belegt worden ist. Das widerlegt auch der Beitrag der FAZ nicht. Vielmehr zeigt er, dass sich Inhope gar nicht unmittelbar an die ausländischen Provider wendet, sondern die Fälle an die Polizei abgibt. Wenn daraufhin längere Zeit nichts passiert, liegt dies daran, dass die Provider vor Ort von den Fällen überhaupt keine Kenntnis erlangen. Was also nötig ist, ist ein Mechanismus, durch den die Provider vor Ort unmittelbar und kurzfristig informiert werden. Was den Banken bei der Löschung von Phishing-Websites innerhalb von Stunden gelingt, sollte auch den Polizeibehörden und/oder Meldestellen möglich sein.

Der Artikel von Tomik besagt also lediglich, dass Inhope nicht effizient arbeitet und die Zusammenarbeit der Behörden selbst innerhalb der EU nicht ausreichend funktioniert. Dass die mangelhafte Organisation und Zusammenarbeit der Polizeibehörden die Hauptursache dafür ist, dass kinderpornographische Inhalte nicht effektiv bekämpft werden, ist auch keine neue Erkenntnis. Sie sollte aber nicht zu der Schlussfolgerung verleiten, dass das Löschen nicht funktioniert und deshalb das Zugangserschwerungsgesetz in Kraft gesetzt werden müsste. Vielmehr ist das exakte Gegenteil zutreffend.

posted by Stadler at 20:27  

22.7.10

Merkbefreit: Beate Merk zu Netzsperren und Kindesmissbrauch

Manchmal ist man als Jurist geneigt, sich für bestimmte Justizminister(innen) fremd zu schämen. Ein solcher Fall ist heute wieder vorgekommen. Die bayerische Ressortchefin Beate Merk hat „die Laissez-faire-Politik der FDP bei Kinderpornos im Netz“ und die Fälle sexuellen Missbrauchs in einem Ferienlager in Zusammenhang gebracht. Hier schließt sich aber dann auch der Kreis zu Bischof Mixa, den Merk früher schon mal ausdrücklich gelobt hat, der glaubt, die 68’er seien für die Fälle von Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche verantwortlich.

Nicht ganz zufällig bläst Frau Merk zudem in daselbe Horn wie das BKA letzte Woche, wenn sie fordert:

„Wenn ich feststellen muss, dass ich eine bestimmte Seite nicht löschen kann, darf ich nicht einfach mit den Schultern zucken und zur Tagesordnung übergehen. Dann muss ich diese Seite wenigstens sperren.“

Diese Aussage ist schon so oft widerlegt worden, dass es eigentlich weh tut. Gerade bei diesem Thema tun sich vor allem Politiker der Union mit schändlichem Populismus hervor.

P.S. Deutsche Antwort auf Sarah Palin finde ich da auch sehr passend (via RA Kompa)

posted by Stadler at 16:00  

15.7.10

BKA fordert erneut Access-Sperren

Wenn Volksverdummung in Deutschland strafbäre wäre, dann müsste BKA-Präsident Ziercke erster Anwärter auf ein entsprechendes Ermittlungsverfahren sein, dicht gefolgt von Wolfgang Bosbach (CDU).

Nach einem Bericht der Berliner Morgenpost gibt es eine neue BKA-Studie, wonach das Löschen kinderpornografischer Seiten problematisch sei, weshalb, so die Forderung des Bundeskriminalamts, bis zur Löschung gesperrt werden müsse. In dem Artikel der Berliner Morgenpost vom 15.07.2010 heißt es wörtlich:

„Präsident Jörg Ziercke hatte mehrfach für Sperren im Internet plädiert, stößt mit dieser Ansicht aber auf den Widerstand bei der mitregierenden FDP, die Liberalität im Netz fordert. Das alleinige Löschen im Netz führt laut Ziercke nicht zum Verschwinden der schrecklichen Bilder aus dem Internet, weil die Produzenten stets über Kopien des Materials verfügen.“

Das was Ziercke als Sperren bezeichnet, ist mit dem Begriff der Access-Blockaden sicherlich zutreffender umschrieben, denn gesperrt wird bei dieser Vorgehensweise, mangels tatsächlicher Zugriffsmöglichkeit auf die Server, gar nichts. Die Inhalte bleiben bei dem Vorgehen das Ziercke fordert unverändert online. Wenn also im Hinblick auf die physikalische Löschung von Content beklagt wird, dass diese oft tagelang dauert, weil die Provider zu langsam reagieren oder Inhalte sich noch in Caches befinden, obwohl sie an der Quelle gelöscht wurden, dann sollte man betonen, dass die von Ziercke propagierten Access-Blockaden noch viel weniger leisten. Denn die Inhalte bleiben bei diesen „Sperren“ an ihrer Quelle unverändert und ununterbrochen online. Weil also die beste Lösung noch nicht zufriedenstellend funktioniert, kann das kein Grund sein, die deutlich schlechtere Lösung zu fordern. Vielmehr sollte man die Prioritäten richtig setzen und die erfolgversprechenden Konzepte optimieren. Ziercke geht es letztlich aber um etwas anderes, nämlich um eine Kompetenzerweiterung des BKA und die würde eine Anwendung des Zugangserschwerungsgesetzes gewährleisten.

Die in einem anderen Kontext getroffene Aussage von Michael Naumann, dass das grenzenlose Vertrauen ins BKA dem Menschenverstand widerspricht, beansprucht auch hier Gültigkeit.

posted by Stadler at 12:32  

11.6.10

Time For Kids sperrt „netzpolitik.org“

„Time For Kids“ ist ein Jugendschutzfilter, der u.a. an Schulen eingesetzt wird bzw. werden soll. Speziell der Freistaat Bayern hat sich hier als sog. „Musterland“ vor den Karren eines Softwareherstellers spannen lassen und propagiert die „Initiative für ein sauberes Internet an bayerischen Schulen„.

Wie dieses saubere Internet konkret aussieht, kann man z.B. hier sehen. „Time For Kids“ sperrt bzw. filtert offenbar „netzpolitik.org“ eines der besten und renommiertesten Blogs für Netzpolitik in Deutschland. Ist die kritische Befassung mit netzpolitischen Themen an (bayerischen) Schulen etwa unerwünscht? Vielleicht sollte man sich einfach mal genauer ansehen, was Time For Kids noch so alles filtert.

posted by Stadler at 12:37  

4.6.10

Access-Sperren in Brüssel weiterhin Thema

EU-Kommissarin Cesilia Malmström setzt sich weiter für Access-Sperren ein. Wie der AK Zensur in einer Pressemeldung mitteilt, hat die Kommissarin auf einem Treffen der Justizminister der Mitgliedsstaaten den Gegnern von Netzsperren vorgeworfen, ihnen ginge es um „Meinungsfreiheit“ für Kinderpornografie. Dieses schändliche „Argument“ ist bereits aus der letztjährigen deutschen Diskussion bekannt, aber es wird auch durch regelmäßige Wiederholung nicht richtig.  Ähnlich wie Ursula von der Leyen in der deutschen Diskussion, will sich Frau Malmström offenbar nicht von Fakten ablenken lasen.

Die berechtigte Sorge der Netzgemeinde besteht u.a. darin, dass zur Durchführung dieser „Sperren“ eine Infrastruktur geschaffen werden müsste, die es dem Staat bzw. einer Behörde wie dem BKA ermöglicht, ohne ausreichende Kontrolle, beliebig “unerwünschte Inhalte” auszufiltern und auf geheim zu haltende Sperrlisten zu setzen. Diese Infrastruktur würde anschließend Schritt für Schritt auch auf andere Bereiche erstreckt werden. Entsprechende Forderungen gibt es von Lobbyisten unterschiedlichster Couleur bereits zu Genüge.

In einer Vielzahl von Blogeinträgen habe ich immer wieder dargestellt, welche sachlichen Gründe gegen „Access-Blockaden“ sprechen. Aus gegebenem Anlass hier nochmals der Hinweis auf einige dieser Texte:

Netzsperren: Wo stehen die zu sperrenden Server eigentlich?
Kinderpornografie im Web kann effektiv bekämpft werden
Sperrung von Kinderpornografie im Netz: Die falschen Tatsachenbehauptungen der Bundesregierung
Bundestagsgutachten zu Netzsperren
Internes “Rechtsgutachten” des BMI zu Access-Sperren
Sperrungsverfügung gegen Access-Provider (Ein älterer Beitrag von mir für die Zeitschrift Multimedia und Recht, der sich mit den Düsseldorfer Sperrungsverfügungen juristisch auseinandersetzt)

posted by Stadler at 21:54  

27.5.10

Schleswig-Holstein will ausländische Webseiten sperren

Nach einem Bericht von Telemedicus will das Land Schleswig-Holstein Sperrungsverfügungen gegen Access-Provider erlassen, um ausländische Glückspielseiten zu blockieren.

Da dies auf Grundlage des geltenden Rechts schwierig werden würde, plant Schleswig-Holstein den Glückspielsstaatsvertrag aller Länder 2011 auslaufen zu lassen, um sodann eine eigene Regelung auf Landesebene zu etablieren. Am 09.06.2010 soll ein Gesetzesentwurf vorgestellt werden, der auch die Möglichkeit der Anordnung von Access-Sperren vorsieht.

Ausgerechnet der „Liberale“ Wolfgang Kubicki ist offenbar die treibende Kraft hinter diesem Vorhaben.

Update:

Die geplante Regelung muss allerdings über die bereits existierende Norm in § 59 Abs. 3 RStV hinausgehen, da eine einzelfallbezogene Blockade aufgrund einzelner Sperrungsverfügungen kaum zielführend sein dürfte. Der Gesetzesentwurf wird daher, ähnlich wie das Zugangserschwerungsgesetz, vermutlich mit einer behördlichen Sperrliste arbeiten, die laufend aktualisiert und von den Internet Service Providern automatisiert umgesetzt werden soll. Die Anordnung kann sich allerdings nur an solche Provider richten, die ihren Sitz in Schleswig-Holstein haben. Mit diesem Problem hatten die ersten deutschen Sperrungsverfügungen der Bezirksregierung Düsseldorf ebenfalls zu kämpfen. Die großen Provider, die in anderen Bundesländern sitzen, wird man so von Kiel aus nicht zur Sperrung verpflichten können. Das Ganze sieht also sehr nach einem Sturm im Wasserglas aus, was ja irgendwie auch zu Kubicki passen würde.

posted by Stadler at 12:20  

19.5.10

Censilia im Bundestag

Der von EU-Kommissarin Malmström propagierte Entwurf einer Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie, der das Instrument der Access-Blockaden europaweit etablieren möchte, beschäftigt jetzt auch den Bundestag.

Abgeordnete der Grünen haben im Rechtsausschuss des Bundestags den Antrag gestellt zu beschließen, dass der Richtlinienentwurf den Grundsatz der Subsidiarität verletzt und die durch den Vertrag von Lissabon neu eingeführten Subsidiaritätsrüge zu erheben.

Wie man hört, ist der Antrag schlicht von der Tagesordnung des Rechtsausschusses genommen worden. Die Subsidiaritätsrüge muss innerhalb von acht Wochen, nachdem der Richtlinienentwurf in den Amtssprachen der Union übermittelt worden ist, erhoben werden. Die Ausschussmehrheit spielt also offenbar auf Zeit und möchte diese Frist gezielt verstreichen lassen. Und wieder einmal hätte man sich, speziell von der FDP, ein anderes Vorgehen gewünscht.

Auch im Plenum wird der Richtlinienentwurf morgen Thema sein. Hierzu liegen u.a. Anträge der Grünen und der Linken vor.

Im Kontext des Richtlinienentwurfs möchte ich außerdem einmal mehr den entlarvenden Kurzfilm von Alexander Lehmann „Cleanternet“ empfehlen.

posted by Stadler at 22:14  

19.5.10

Access-Blocking und die deutsche Kriminalstatistik

Die Forderung nach einer „Sperrung“ kinderpornografischer Webseiten durch Access-Provider, die in Deutschland schließlich in das Zugangserschwerungsgesetz mündete, wurde stets mit einem starken Anstieg der Kriminalitätsraten in diesem Bereich begründet. Dieser Begründungsansatz fand sogar Eingang in die Gesetzesbegründung.

Wenn man allerdings die aktuell vorgelegte polizeiliche Kriminalstatistik 2009 betrachtet, deren Aussagekraft man allerdings als äußerst beschränkt betrachten muss, dann ist zu konstatieren, dass dieses Argument ausgedient hat. Denn die Statistik weist einen Rückgang der Straftaten des Besitzes und der Verschaffung von Kinderpornografie um deutliche 43 % aus.

Man kann nur hoffen, dass die Populisten auch in Brüssel nicht die Oberhand gewinnen und sich die Erkenntnis durchsetzt, dass man Kinderpornografie auch im Internet effektiv bekämpfen kann, Zugangsblockaden insoweit aber kein geeignetes Mittel darstellen. Heute wird in Brüssel die European Digital Agenda vorgestellt. Man darf gespannt sein, ob das Access-Blocking darin auftaucht.

posted by Stadler at 09:49  
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