Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

27.9.12

Die Tagesschau-App und das Hornberger Schießen

Aus Sicht der klagenden Verlage ist der Rechtsstreit um die Tagesschau-App ausgegangen wie das berühmte Hornberger Schießen. Denn auch wenn die Verlage eine Untersagung der Version der Tagesschau-App vom 15.06.2011 erreicht haben, hat das Landgericht Köln kein generelles und in die Zukunft gerichtetes Verbot erlassen. Die ARD kann die Inhalte von tagesschau.de also grundsätzlich auch weiterhin in Form einer Smartphone-App anbieten.

Nach meiner Einschätzung ist aber selbst das vom LG Köln jetzt ausgesprochene Verbot der Fassung vom 15.06.2011 nicht haltbar, weil dies einen Eingriff in die Programmautonomie der ARD darstellt. Für die ARD dürfte es durchaus von Interesse sein, gegen das Urteil Berufung einzulegen, auch mit dem Ziel einer höchtrichterlichen oder verfassungsgerichtlichen Klärung.

posted by Stadler at 17:06  

21.6.12

Der Streit um die Tagesschau-App

Die Tagesschau-App wurde gestern mit dem Grimme-Online-Award Publikumspreis ausgezeichnet, was man auch als Grußadresse an die Verlage verstehen kann, die derzeit vor Gericht versuchen, der ARD diese Mobilfunk-App zu verbieten.

Weshalb ich die Prozessaussichten der Verlage – sollte am Ende tatsächlich streitig entschieden werden – nicht für besonders gut halte, habe ich hier bereits erläutert.

Erstaunlich is darüber hinaus, dass sich neuerdings auch Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger beim Thema Tagesschau-App mit der Verlagslobby solidarisiert nachdem sie sich bereits für das fragwürdige Leistungsschutzrecht der Verleger einsetzt. Leider ist ihre ansonsten in vielen Bereichen lobenswerte Politik in diesen Fällen von etwas zuviel Lobbyismus und zu wenig Gemeinsinn geprägt.

 

posted by Stadler at 16:38  

23.5.12

LG Hamburg: Haftung eines Bloggers wegen eines Verweises auf ein YouTube-Video

Viele Blogs verweisen im Rahmen ihrer Artikel regelmäßig auf Filmdateien, die auf externen Servern liegen, zum Beispiel bei YouTube.

Genau das ist dem Blogger und Rechtsanwalt Markus Kompa nunmehr vom Landgericht Hamburg untersagt worden. Im Rahmen eines Blogbeitrags über den umstrittenen Krebsarzt Dr. Nikolaus Klehr – der bereits häufig Gegenstand der Berichterstattung insbesondere öffentlich-rechtlicher Sender war – hat Kompa auf einen Filmbeitrag des ZDF (WISO) verwiesen und zwar mittels eines Embedded-Links auf YouTube. Kurz zuvor hatte der Arzt dem ZDF die weitere Verbreitung und Ausstrahlung des Filmbeitrags, der u.a. auch heimlich in den Praxisräumen gefertigte Aufnahmen enthält, per einstweiliger Verfügung des Landgerichts Hamburg untersagen lassen, was dem Blogger aber nicht bekannt war. Kompa hatte lediglich gehört, dass der Arzt rechtlich gegen den Filmbeitrag des ZDF vorgeht.

Das Landgericht Hamburg vertritt in seinem Urteil vom 18.05.2012 (Az.: 324 O 596/11) die Ansicht, dass der Bloger „als Verbreiter des streitgegenständlichen Fernsehbeitrags“ auf Unterlassung haftet.

Für die juristische Bewertung des Falles muss man zwei Ebenen unterscheiden. Zunächst stellt sich die Frage, ob der Filmbeitrag des ZDF überhaupt rechtswidrig ist und die Persönlichkeitsrechte des Klägers verletzt. Wenn bereits das nicht der Fall ist, scheidet eine Haftung des Bloggers ebenfalls aus. Erst wenn man den Beitrag des ZDF als rechtsverletzend qualifizieren kann, stellt sich die Folgefrage, ob und in welchem Umfang der Blogger für eine Rechtsverletzung des ZDF haftet.

Das Landgericht Hamburg hat aufgrund einer – wie so oft in Hamburg – fehlerhaften Abwägung von Meinungs- und Rundfunkfreiheit einerseits und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen andererseits zu Unrecht eine Rechtsverletzung durch das ZDF bejaht.

Das Bundesverfassungsgericht hatte speziell der Pressekammer des Landgerichts Hamburg erst unlängst wieder ins Stammbuch geschrieben, dass in derartigen Fällen zunächst eine Auseinandersetzung mit der Frage geboten ist, in welcher Bedeutung und mit welchem Gewicht der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist. Diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat man in Hamburg allerdings nicht umgesetzt, wie die vorliegende Entscheidung zeigt. Das Landgericht Hamburg argumentiert ausschließlich damit, dass es sich bei einer Arztpraxis um einen besonders geschützten Raum handeln würde, wobei heimliche Filmaufnahmen einen besonders schweren Eingriff in das Vertrauen der Patienten darstellen würden, weshalb zumindest in einem solchen Fall eine Missachtung des Hausrechts zugleich eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bewirke.

Diese Argumentation ist aus zwei Gründen unzutreffend. Das Landgericht erwähnt in seinem Urteil nicht – obwohl dies schriftsätzlich thematisiert wurde und unstreitig ist – dass die Filmaufnahmen des ZDF keineswegs in den Behandlungszimmern stattfanden, sondern in dem für jedermann frei zugänglichen Empfangsbereich der Praxis. Das relativiert die Annahme eines besonders geschützten Raums natürlich erheblich. Darüber hinaus kann sich der Arzt aber auch nicht auf das Persönlichkeitsrecht seiner Patienten berufen, weshalb alleiniger Prüfungsmaßstab sein eigenes Persönlichkeitsrecht sein kann.

Vor diesem Hintergrund wäre vom Gericht also in einem ersten Schritt festzustellen gewesen, dass der Arzt durch diese Filmaufnahmen lediglich in seiner Berufs- und Sozialsphäre betroffene ist und wegen des Umstands, dass nur in den frei zugänglichen Teilen seiner Praxisräume gefilmt worden ist, eine eher geringfügige Beeinträchtigung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegt. Dies bedeutet dann alllerdings, dass bei der nachfolgende Abwägung gegenüber der sowohl für das ZDF als auch den Blogger streitenden Meinungs- und Rundfunkfreiheit keine übermäßig hohen Anforderungen an ein überwiegendes Berichterstattungsinteresse zu stellen sind.

Nach neuer Rechtsprechung des EGMR (Urteil vom 07.02.2012, Az.: 39954/08 – AXEL SPRINGER AG v. GERMANY) ist bei der notwendigen Abwägung außerdem maßgeblich zu berücksichtigen, ob die Berichterstattung einen Beitrag zu einer Debatte von allgemeinen Interesse (Contribution to a debate of general interest) leistet. Das ist mit Blick auf das Wirken des klagenden Arztes in jedem Fall gegeben, denn die Behandlung krebskranker Patienten mit alternativen und medizinisch unwirksamen Heilmethoden gefährdet das Leben von Menschen. Vor diesem Hintergrund besteht hier sogar ein überragendes Berichterstattungsinteresse. Es ist vielleicht sogar der öffentlich-rechtliche Auftrag des ZDF über derartige ärztliche Praktiken zu berichten. Nach der Rechtsprechung des EGMR kommt es insoweit auch nicht darauf an, ob eine die Berichterstattung begleitende Abbildung unmittelbar einen Rechtsverstoß zeigt, weshalb die Frage, ob der Filmbeitrag des ZDF unmittelbar einen Rechtsverstoß dokumentiert, entgegen der Ansicht des LG Hamburg, nicht ausschlaggegebend sein kann.

Soweit es um die Tatsachenbehauptung ging, dass die Patienten des Arztes in dessen Münchener Praxis Ampullen mit einem Eigenblutpräparat ausgehändigt bekommen haben, hat das ZDF in seinem – ebenfalls erfolglosen Widerspruch – gegen die den Sender treffende einstweilige Verfügung mehrere eidestattliche Versicherungen (von Patienten und Reportern des ZDF) vorgelegt, die dem Gericht aber nicht ausreichten, nachdem der Arzt gegenläufige Versicherungen seiner Mitarbeiter vorgelegt hat. Auch das ist nebenbei bemerkt, mit der Rechtsprechung des EGMR nicht vereinbar.

Obwohl Markus Kompa sogar drei der Personen, die eidestattliche Versicherungen abgegeben hatten, als Zeugen dafür angeboten hat, dass den Patienten des Arztes in dessen Münchener Praxis Eigenblutpräparate ausgehändigt worden sind, wollte das Landgericht Hamburg diesem Beweisangebot nicht nachkommen. Im Urteil heißt es hierzu, es sei im Beweisangebot nicht ausreichend klargestellt worden, dass sich die Frage der Aushändigung von Eigenblutpräparaten auf die Münchener Praxis des Arztes beziehe, weshalb es ja schließlich sein könne, dass der Arzt den Patienten in seiner Salzburger Praxis derartige Präparate mit nach Hause gebe, was aber gar nicht Gegenstand der angegriffenen Berichterstattung und des Antrags des Klägers sei.

Über eine derartige Begründungstechnik kann man eigentlich nur noch verwundert den Kopf schütteln. Gegenstand des ZDF-Berichts und des gesamten Verfahrens waren ausschließlich Vorgänge in der Münchener Praxis des Arztes. Um die Salzburger Praxis ging es hier gar nicht. Der Streitstoff und Streitgegenstand wird bekanntlich durch den Klageantrag und Klagevortrag bestimmt. Wenn man in diesem Kontext dann Zeugenbeweis dafür anbietet, dass „die streitgegenständlichen Ampullen vom Kläger bzw. dessen Mitarbeitern an Patienten ausgehändigt“ worden sind, dann stellt dies natürlich ein ausreichendes Beweisangebot dar.

Die Begründungstechnik der Pressekammer des Landgerichts macht deutlich, dass in Hamburg geradezu tendenziös argumentiert wird.

Die weitere Begründung der Pressekammer, warum der Blogger Kompa als „Verbreiter“ des ZDF-Beitrags haftet, obwol er sich den Beitrag selbst nach Ansicht des LG Hamburg nicht zu eigen gemacht hat, ist nicht minder interessant.

Das Landgericht Hamburg gesteht zwar zu, dass der Blogger nur als sog. mittelbarer Störer anzusehen ist, erlegt ihm dann aber Prüfpflichten auf, die nicht mit der Rechtsprechung des BGH und des BVerfG in Einklang stehen. Das Hauptargument des Landgerichts lautet nämlich, dass der Blogger nicht auf die Rechtmäßigkeit des Beitrags des ZDF vertrauen durfte, sondern die Rechtmäßigkeit hinterfragen und eigene Recherchen anstellen hätte müssen, weil er bereits wusste, dass der Arzt gegen den ZDF-Beitrag gerichtlich vorgeht. Er hätte deshalb insbesondere bei dem Betroffenen nachfragen müssen.

Wenn der Blogger bei dem klagenden Arzt nachgefragt hätte, hätte er natürlich die Einschätzung erhalten, dass der ZDF-Beitrag rechtswidrig ist. Welchen Erkenntnisgewinn hätte das gebracht? Der Umstand, dass der Krebsarzt Klehr gegen den Filmbeitrag gerichtlich vorgeht, besagt im übrigen ebenfalls noch nicht viel, zumal der Arzt als sehr prozessfreudig bekannt ist und u.a. bei der Pressekammer des Landgerichts Hamburg des öfteren zu Gast ist.

Diese Rechtsprechung des Landgerichts Hamburg ist ein gutes Beispiel dafür, wie die meinungsfreundliche Rechtsprechung des BVerfG und des BGH ausgehebelt und gegen den Strich gebürstet wird.

Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass die Fachgerichte im Rahmen der Verbreiterhaftung gehalten sind, bei der Bemessung der Sorgfaltspflichten, die der Presse bei Verbreitung einer fremden Äußerung abzuverlangen sind, die Anforderungen nicht zu überspannen, um den vom Grundgesetz geschützten freien Kommunikationsprozess nicht einzuschnüren.

Insbesondere bei der Übernahme von Fremdinhalten durch das Setzen von Hyperlinks dürfen im Interesse von Art. 5 Abs. 1 GG keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Die auf Art. 5 Abs. 1 GG zurückzuführende Begrenzung der Verantwortlichkeit führt in diesen Fällen vielmehr dazu, dass eine Störerhaftung nur im Fall der Offensichtlichkeit einer Rechtsgutsverletzung im Zusammenhang mit der verlinkten Seite in Betracht kommt (Volkmann, GRUR 2005, 205; Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 7. Teil, Rd-Nr. 75) bzw. nach der Rechtsprechung des BGH dann, wenn sich der in Anspruch Genommene bereits bei der Vornahme der Verlinkung der sich aufdrängenden Erkenntnis entzogen hat, dass er auf rechtswidrige Inhalte verlinkt.

Diese höchstrichterliche Vorgaben stellt das Landgericht Hamburg auf den Kopf wenn es meint, dass bereits der Umstand einer Kennntis eines gerichtlichen Vorgehens durch eine als prozessfreudig bekannte Person ausreichend ist, um eine uneingeschränkte Verbreiterhaftung wie für eigene Inhalte anzunehmen.

Auch der Umstand, dass der Blogger zwangsläufig nicht über dieselben Erkenntnisse verfügt und verfügen kann wie das ZDF und seine Reporter, weil er die dem Beitrag zugrundeliegenden Informationen ja nicht selbst recherchiert hat, spricht dafür, ihn grundsätzlich nicht im selben Umfang haften zu lassen wie das ZDF.

Das Urteil des Landgerichts Hamburg stellt letztlich eine netz- und blogtypische Art des Verweises auf Filmbeiträge in Frage. Denn das Haftungsrisiko des Bloggers ist enorm, wenn man bereits das Wissen ausreichen lässt, dass gegen einen Filmbeitrag juristisch vorgegangen wird.

Das Landgericht Hamburg macht im Ergebnis genau das, was es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BGH zu verhindern gilt, es schnürt den von Art. 5 GG geschützten Kommunikationsprozess ein.

posted by Stadler at 12:27  

16.8.11

Rundfunkgebühren: In Zukunft noch mehr Schnüffeleien?

Die bisherigen Rundfunkgebühren sollen bekanntlich ab dem Jahr 2013 durch eine Haushaltsabgabe ersetzt werden.

In letzter Zeit regt sich verstärkt Kritik an den umfassenden Auskunftsansprüchen, die die GEZ bzw. die Landesrundfunkanstalten im Zuge der Neuregelung erhalten sollen und auch daran, dass selbst Grundstückseigentümer und Verwalter zur Auskunft über Mieter bzw. Bewohner verpflichtet sein sollen. Hiergegen wenden sich nicht nur Datenschützer sondern z.B. auch die Eigentümervereinigung Haus und Grund.

Die maßgeblichen Vorschriften finden sich in den §§ 8 und 9 des geplanten 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags. Auf besondere Kritik ist u.a. die Vorschrift des § 8 Abs. 5 Nr. 3 gestoßen, die lautet:

Bei der Abmeldung sind zusätzlich folgende Daten mitzuteilen und auf Verlangen nachzuweisen: (…) der die Abmeldung begründende Lebenssachverhalt und die Beitragsnummer des für die neue Wohnung in Anspruch genommenen Beitragsschuldners

Damit weiß die GEZ im Grunde immer, aus welchen Gründen jemand eine bestimmte Wohnung bzw. einen bestimmten Haushält verlässt und in eine neue Wohnung umzieht.

Nachdem die Beitragsschuld den Inhaber einer Wohnung trifft- nach der geplanten Regelung ist das jede volljährige Person, die die Wohnung selbst bewohnt – läuft dies auf eine weitgehende Pflicht zur Offenbarung privater Lebensumstände hinaus, die alle volljährigen Bürger trifft. Wer sich von seiner Frau trennt und aus der Ehewohnung auszieht, muss dies der GEZ nach dem Willen des Gesetzgebers als Grund der Abmeldung ebenso mitteilen und ggf. sogar nachweisen, wie die Beitragsnummer seiner neuen Lebensgefährtin, bei der er anschließend einzieht.

Hier stellt sich in der Tat die Frage, ob dies zur Erhebung von Rundfunkgebühren notwendig ist und ob eine solche Auskunftserteilung noch als angemessen betrachtet werden kann.

posted by Stadler at 16:14  

24.6.11

Klage gegen Tagesschau-App: Meine Antwort auf Christoph Keese

Christoph Keese, Konzerngeschäftsführers „Public Affairs“ des Axel Springer Verlags, verteidigt in einem langen Blogbeitrag die Klage der Presseverlage gegen die Tagesschau-App und greift hierbei zahlreiche Kritikpunkte auf, die in Blogs und über Twitter in den letzten Tagen vorgebracht worden sind. Die Tatsache, dass jemand wie Keese bloggend zu der Thematik Stellung nimmt, muss man unbedingt begrüßen, wenngleich mich seine inhaltlichen Ausführungen nicht überzeugen.

Keese bezieht sich in seinem Blogtext auch auf Tweets von mir, während er meinen Blogbeitrag zum Thema vermutlich nicht gelesen hat.

Seine Antwort auf meine via Twitter gestellte Frage „Warum klagen Sie nicht auch gegen Tagesschau.de, sondern nur gegen die App? Das ist doch inkonsequent“

Diese Frage hat gestern übrigens Rechtsanwalt Thomas Stadler (@rastadler) getwittert, zusammen mit der Ferndiagnose, dass die Verlage vor Gericht unterliegen würden. Woher Stadler das wissen kann, ohne den Schriftsatz zu kennen, bleibt sein Geheimnis. Geklagt wird nur gegen die App, weil ihr Erscheinungsdatum innerhalb der sechsmonatigen Klagefrist lag, die das Wettbewerbsrecht vorsieht. Stadler hätte sich das denken können. Allen Nichtjuristen sei gesagt, dass Tagesschau.de genauso gegen den Staatsvertrag verstößt wie die Tagesschau-App, aber älter und aus rechtlichen Gründen damit schwerer zu verklagen ist.

hat mich doch irgendwie verblüfft. Keese bringt damit zum Ausdruck, dass die Verlage tagesschau.de eigentlich in gleicher Weise für wettbewerbswidrig halten, man es aber versäumt hat, die kurze, sechsmonatige Verjährungsfrist des UWG zu wahren, weshalb man nunmehr nur noch gegen die App klagen könne und nicht mehr gegen das Angebot von tagesschau.de.

Die Argumentation ist insofern erstaunlich, als die Tagesschau-App letztlich nichts anderes ist, als eine Umsetzung von tageschau.de für Mobiltelefone. Die vermeintliche Verletzungshandlungen kann sich aber nur aus den Inhalten von tagesschau.de ergeben und nicht aus der Darstellung auf einem bestimmten Endgerät. Oder um es anders zu formulieren: Das maßgebliche Inhaltsangebot ist tagesschau.de und nicht die App.

Wenn man bei den Verlagen also der Meinung ist, dass wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche gegen die Inhalte von tagesschau.de bereits verjährt sind, dann müsste das auch auf die Darstellung mittels einer Mobilfunk-App zutreffen. Die Klage – die ich im Detail in der Tat nicht kenne – dürfte sich auch nicht gegen die App an sich richten, sondern gegen diejenigen Inhalte, die die Verlage als „elektronische Presse“ betrachten. Wäre die Argumentation von Christoph Keese also zutreffend, dann müsste konsequenterweise auch die jetzige Klage an einer Verjährung scheitern.

In sachlicher Hinsicht kann ich Herrn Keese gerne erläutern, weshalb ich der Klage der Verlage nur geringe Erfolgsaussichten beimesse, auch wenn nicht auszuschließen ist, dass man beim Landgericht Köln zunächst Erfolg hat.

Als entscheidend betrachtet Keese, dass der Runfunkstaatsvertrag presseähnliche, nichtsendungsbezogene Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender verbietet.

Diese Begriffe können allerdings nicht eng im Sinne der Presseverlage ausgelegt werden, sondern müssen vielmehr verfassungskonform im Lichte der Bedeutung der Rundfunkfreiheit interpretiert werden. Insoweit ist entscheidend, dass das BVerfG von einer Bestandsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ausgeht, der die Sender dazu berechtigt, sich der neuen technischen Mittel zur Erfüllung seines Funktionsauftrags zu bedienen. Dabei ist es grundsätzlich Sache der Sender im Rahmen ihrer Programmautonomie zu entscheiden, welche Inhalte und Formen hierzu notwendig sind.

Das hat der Gesetzgeber insoweit umgesetzt, als er es nach § 11f RStV den Sendern im Wege einer eigenen Satzungskompetenz – die der Rechtsaufsicht unterliegt – selbst zu regeln, wie die Vorgaben von § 11d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 RStV konkret umzusetzen sind. An dieser Stelle drängt sich auch die Frage auf, ob der Staat – und damit auch die ordentlichen Gerichte – hier überhaupt mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts in dieses System eingreifen kann, oder ob dies bereits einen Eingriff in die Programmautonomie der ARD darstellt.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Programmautonomie folgerndermaßen definiert:

Es ist Sache der Rundfunkanstalten, aufgrund ihrer professionellen Maßstäbe zu bestimmen, was der Rundfunkauftrag in publizistischer Hinsicht verlangt.

Das gilt m.E. auch für tagesschau.de und die Entscheidung diese Onlineinhalte im Wege einer App auch für Mobiltelefone aufzubereiten.

Mir erscheint die Haltung der Verlage auch in einem größeren Kontext betrachtet, höchst inkonsequent zu sein. Denn derzeit fordert man seitens der Verlage ganz vehement die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseerzeugnisse, das, wenn es nach den Vorstellungen der Verlage geht, nichts anderes sein soll, als eine Form der gebührenfinanzierten Presse. Und das ist genau das, was man der ARD vorwirft.

Die Diskussion müsste meines Erachtens anders und zwar auf breiter gesellschaftlicher Ebene geführt werden. Die Frage, die es zu diskutieren gilt, lautet, ob wir angesichts des vielfältigen Angebots, das über das Netz erreichbar ist, weiterhin einen gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk benötigen. Eine Abkehr von dem bisherigen Modell würde aber nicht nur eine vorhergehende breite gesellschaftliche Diskussion erfordern, sondern auch einen Paradigmenwechsel in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

posted by Stadler at 10:00  

21.6.11

Presseverlage klagen gegen Tagesschau-App

Acht Zeitungsverlage – darunter der Süddeutsche Verlag, Springer und FAZ – haben laut einer Pressemitteilung des BDVZ heute beim Landgerichts Köln Klage gegen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ARD und NDR erhoben. Die Klage ist offenbar auf Unterlassung der textdominanten Berichterstattung in der Tagesschau-App gerichtet. Diesen Anspruch wollen die Verleger auf das Wettbewerbsrecht stützen und argumentieren damit, dass der Rundfunkstaatsvertrag presseähnliche digitale Inhalte der öffentlich-rechtlichen Sender ohne konkreten Bezug zu einer Sendung verbietet.

Den rechtsdogmatischen Anknüpfungspunkt dürften also die §§ 3, 4 Nr. 1 UWG i.V.m. § 11d RStV darstellen. Ob § 11d RStV tatsächlich eine sog. Marktverhaltensegel darstellt, die es den öffentlich-rechtlichen Anstalten verbietet, Telemedien anzubieten, die keinen Bezug zu einer konkreten Sendung haben, kann man bezweifeln.

Unverständlich ist auch, warum sich die Klage gegen die Tagesschau-App richtet. Konsequenterweise müsste die Klage auf das Angebot von“tagesschau.de“ insgesamt abzielen, denn die App bereitet ja nur die Inhalte der Website für Smartphones auf.

Die Fragestellung weist einen starken verfassungsrechtlichen Einschlag auf. Maßgeblich ist letztlich weniger, was im Rundfunkstaatsvertrag steht – wobei das Verbot, das die Verleger dort herauslesen wollen, so deutlich sicherlich nicht normiert ist – sondern, was die öffentlich-rechtlichen Sender im Rahmen der Rundfunkfreiheit dürfen. Insbesondere geht es um die Reichweite der vom Bundesverfassungsgericht in den Rundfunkurteilen postulierten sog. Grundversorgung. Aber selbst nach dem RStV dürften die Ansprüche der Verleger schwierig begründbar sein, nachdem der sog. Drei-Stufen-Test – den man bereits mit guten Gründen für zu weitgehend halten kann – diesen Konflikt ja grundsätzlich auflösen soll.

Dass eine Wettbewerbskammer des Landgerichts Köln diese Fragen zufriedenstellend beantworten kann, darf man bezweifeln. Das Verfahren wird möglicherweise früher oder später vor dem Bundesverfassungsgericht landen.

Update:
Zum Thema „Depublizieren“, hat der AK Zensur kürzlich eine wie ich finde äußerst fundierte Stellungnahme abgegeben. Durch den 12. Rundfunkänderungs-Staatsvertrag sind nämlich die Online-Aktivitäten von ARD und ZDF ohnehin bereits deutlich und in rechtlich durchaus fragwürdiger Weise eingeschränkt worden.  Aber selbst das scheint den Verlegern nicht zu genügen.

posted by Stadler at 12:16  

11.6.11

AK Zensur nimmt zum „Depublizieren“ Stellung

Der Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur hat für den Innen- und Rechtsausschuss des Landtages von Schleswig-Holstein eine Stellungnahme zum Entwurf des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags verfasst.

Den Schwerpunkt legt der AK dabei auf den Aspekt des Depublizierens. Die öffentlich-rechtlichen Sender mussten in letzter Zeit hundertausende Beiträge aus ihren Online-Archiven entfernen. Hintergrund ist der, dass ARD, ZDF und Deutschlandfunk nach dem 12. Rundfunkänderungs-Staatsvertrag gehalten sind, ihre Online-Aktivitäten erheblich einzuschränken. Damit werden dem Bürger Inhalte vorenthalten, die er mit seinen Rundfunkgebühren finanziert hat und die die Sender eigentlich auch gerne im Netz belassen würden. Der Gesetzgeber sieht hierin aber eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten privater Sender und Verleger.

Der AK Zensur legt in seiner Stellungnahme dar, dass diese Regelungen verfassungsrechtlich zweifelhaft sind und zudem für die Erfüllung der Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung kontraproduktiv.

posted by Stadler at 11:41  

15.3.11

Der BGH erläutert das Medienprivileg

Der BGH musste kürzlich erneut über einen Fall entscheiden, in dem der wegen Mordes an dem Schauspieler Walter Sedlmayr verurteilte Kläger verlangt hat, nicht mehr über ihn unter voller Namensnennung zu berichten bzw. entsprechende Meldungen im Internet vorzuhalten (Urteil vom 01.02.2011, Az.: VI ZR 345/09). Der BGH hat auch in diesem Fall die Urteile der Vorinstanzen (Landgericht und OLG Hamburg) aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Spannend an der Entscheidung ist meines Erachtens vor allen Dingen, dass sich der BGH ausführlich mit dem sog. Medienprivileg beschäftigt. Wenn Medien über eine bestimmte Person namentlich berichten, kann dies regelmäßig auch als Verarbeitung personenbezogener Daten betrachtet werden, für die es nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) entweder einer Einwilligung des Betroffenen bedarf oder eines gesetzlichen Gestattungstatbestandes.

Hierfür hat der Gesetzgeber in § 57 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) und den Pressegesetzen der Länder – auf Grundlage von  § 41 BDSG – ein Medienprivileg vorgesehen. Zum Hintergrund dieses Medienprivilegs führt der BGH in seiner Entscheidung aus, dass ohne die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten auch ohne Einwilligung der jeweils Betroffenen journalistische Arbeit nicht möglich wäre. Die Medien könnten ihre in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK, Art. 11 Abs. 1 Satz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zuerkannten und garantierten Aufgaben ohne ein solches Medienprivileg nicht wahrnehmen.

Den Anwendungsbereich von § 57 Abs. 1 S. 1 RStV erläutert der BGH dann folgendermaßen:

Die Voraussetzungen einer datenschutzrechtlichen Privilegierung gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 RStV sind vorliegend erfüllt. Die Beklagte als Anbieterin von Telemedien hat die den Namen des Klägers enthaltende Meldung ausschließlich zu  eigenen journalistisch-redaktionellen Zwecken in ihren Internetauftritt eingestellt und zum Abruf im Internet bereitgehalten.

Daten werden dann zu journalistisch-redaktionellen Zwecken verarbeitet, wenn die Zielrichtung  in einer Veröffentlichung für einen unbestimmten Personenkreis besteht (…). Es muss die Absicht einer Berichterstattung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG – worunter auch die Meinungsäußerung fällt (vgl. BVerfGE 60, 53, 63 f.; Herzog in Maunz/Dürig, GG, Art. 5  Abs. 1 Rn. 201 f. (Stand:  Dezember  1989)) – gegeben sein (vgl. Bergmann/Möhrle/Herb, aaO  Rn. 26;  Schmittmann in Schwartmann, aaO, 1. Teil, 6.Abschnitt Rn. 26 ff.). Denn nur die Tätigkeiten, die der Erfüllung der Aufgaben einer funktional verstandenen Presse bzw. des Rundfunks dienen, werden vom Medienprivileg  erfasst (Waldenberger in Spindler/Schuster,  aaO Rn. 137). Dementsprechend  gilt die datenschutzrechtliche Privilegierung beispielsweise nicht für im Rahmen der Personaldatenverarbeitung anfallende oder im  Zusammenhang mit dem Gebühreneinzug, zur Akquisition von Abonnenten oder zur (kommerziellen) Weitergabe an Dritte gespeicherte Daten (vgl. BT-Drucks. 11/4306, S. 55 zu Art. 1 § 37 Abs. 1 des Entwurfs eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes;  Bergmann/Möhrle/Herb,  aaO  Rn. 29; Waldenberger  in Spindler/Schuster, aaO Rn. 137;  Schaffland/Wiltfang,  BDSG,  § 41  Rn. 4  (Stand: August  2007)). Demgegenüber sind die Recherche, Redaktion, Veröffentlichung, Dokumentation und Archivierung personenbezogener Daten zu publizistischen Zwecken umfassend geschützt (vgl. Waldenberger in Spindler/Schuster, aaO Rn. 138). Das durch die Presse- und Rundfunkfreiheit verfassungsrechtlich vorgegebene Medienprivileg schützt insbesondere auch die publizistische Verwertung personenbezogener Daten im Rahmen einer in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 Satz 2 EMRK fallenden Veröffentlichung (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember  2009  – VI ZR  227/08, aaO Rn. 25  – „Onlinearchiv“ I; vom 9. Februar 2010  – VI ZR  243/08, aaO Rn. 28 – „Onlinearchiv“  II; vom 20. April 2010 – VI ZR 245/08, aaO Rn. 26; EuGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 – Rs. C-73/07 – Tietosuojavaltuutettu gegen Satakunnan Markkinapörssi Oy – EuGRZ  2009, 23 Rn. 61 f.; Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 8. Mai 2008 in der Rechtssache C-73/07  – zitiert nach Juris, Rn. 65 ff., 81 f. zur Richtlinie 95/46/EG).  Von einer Verarbeitung ausschließlich zu eigenen Zwecken ist dann auszugehen, wenn die Daten eigenen Veröffentlichungen des betroffenen Presseunternehmens dienen (vgl. Bergmann/Möhrle/Herb, aaO Rn. 30).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Die Beklagte hat die den Namen des Klägers enthaltende Meldung ausschließlich zu dem Zweck in ihren Internetauftritt eingestellt und zum Abruf bereitgehalten, damit sie von der interessierten Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen wird. Sie hat damit unmittelbar ihre verfassungsrechtliche Aufgabe wahrgenommen, in Ausübung der Meinungsfreiheit die Öffentlichkeit zu informieren und an der demokratischen Willensbildung mitzuwirken. Sowohl das Einstellen der beanstandeten Inhalte ins Internet als auch ihr (dauerhaftes) Bereithalten zum Abruf ist Teil des in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK fallenden Publikationsvorgangs.

Die Entscheidung des BGH dürfte auch für Blogs und Internetpublikationen außerhalb des klassischen Medienbetriebs von Bedeutung sein. Denn der BGH orientiert sich an einem funktionalen Pressebegriff und stellt ergänzend klar, dass das Medienprivileg die Recherche, Redaktion, Veröffentlichung, Dokumentation und Archivierung personenbezogener Daten zu publizistischen Zwecken umfassend schützt. Maßgeblich für den Schutz ist also die publizistische Relevanz und nicht die formale Zugehörigkeit zu Presse- oder Rundfunk. Damit sind grundsätzlich Publikationen aller Art geschützt, auch wenn sie nicht von klassischen Medienanbietern stammen, sondern bespielsweise von Bloggern.

Das sog. Medienprivileg ist übrigens in Deutschland nicht umfassend und ausreichend gesetzlich verankert und gehört damit zu den Themen, die im Zuge einer Novellierung der Datenschutzgesetze vom Gesetzgeber in Angriff zu nehmen sind. Denn die Garantie eines Medienprivilegs ist von Verfassungs wegen zwingend geboten.

posted by Stadler at 12:04  

12.11.10

Redaktionsgeheimnis und Quellenschutz auch für Blogger?

Das Blog e-comm befasst sich – zunächst aus Sicht des österreichischen Rechts, mit der Frage, ob es ein Redaktionsgeheimnis auch für Blogger und NGOs gibt. Der Kollege Lehofer weist schließlich auf ein Urteil des EGMR vom 14.04.2009 hin, in dem u.a. folgendes ausgeführt ist:

The function of the press includes the creation of forums for public debate. However, the realisation of this function is not limited to the media or professional journalists. In the present case, the preparation of the forum of public debate was conducted by a non-governmental organisation.

Die Passage macht sehr deutlich, dass die Erfüllung der Aufgaben der Presse nicht auf professionelle Medien beschränkt ist, sondern diese Aufgabe auch durch Formen des „Bürgerjournalismus“ erfüllt werden können.

In Deutschland steht das Redaktionsgeheimnis sowie der Quellen- und Informantenschutz als Ausfluss von Art. 5 Abs. 1 GG unter dem Schutz der Verfassung. Das hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt betont, zuletzt in der sog. CICERO-Entscheidung, in der es u.a. ausführt:

Die Freiheit der Medien ist konstituierend für die freiheitliche demokratische Grundordnung (…). Eine freie Presse und ein freier Rundfunk sind daher von besonderer Bedeutung für den freiheitlichen Staat (…). Dementsprechend gewährleistet Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG den im Bereich von Presse und Rundfunk tätigen Personen und Organisationen Freiheitsrechte und schützt darüber hinaus in seiner objektiv-rechtlichen Bedeutung auch die institutionelle Eigenständigkeit der Presse und des Rundfunks (…). Die Gewährleistungsbereiche der Presse- und Rundfunkfreiheit schließen diejenigen Voraussetzungen und Hilfstätigkeiten mit ein, ohne welche die Medien ihre Funktion nicht in angemessener Weise erfüllen können. Geschützt sind namentlich die Geheimhaltung der Informationsquellen und das Vertrauensverhältnis zwischen Presse beziehungsweise Rundfunk und den Informanten (…). Dieser Schutz ist unentbehrlich, weil die Presse auf private Mitteilungen nicht verzichten kann, diese Informationsquelle aber nur dann ergiebig fließt, wenn sich der Informant grundsätzlich auf die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses verlassen kann (…).

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in dieser Entscheidung nur mit Medien im traditionellen Sinne befasst. Nachdem es aber andererseits jedermann freisteht, auch journalistisch-redaktionell zu arbeiten und zu publizieren, muss es unerheblich sein, ob man hierzu eine Zeitung oder Zeitschrift gründet oder ein Weblog eröffnet. Auch das Qualitätsargument taugt hier wenig, weil inhaltliche Krierien nach einhelliger verfassungsrechtlicher Ansicht für die Eröffnung des Schutzbereichs nicht maßgeblich sind. Andernfalls müsste man Teile der Boulevardpresse vom Schutz ausnehmen.

Der spezifische Schutz der Presse- und Rundfunkfreiheit erstreckt sich deshalb auch auf Blogger. Das schließt den Quellenschutz mit ein.  Das beste Argument hierfür liefert die Verfassung selbst, denn sie gewährleistet die Freiheit der Berichterstattung. Die Diskussion, ob Erscheinungsformen wie Weblogs dem offenen und dynamischen verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff zuzuordnen sind, oder als „elektronische Presse“ eher der Pressefreiheit oder gar einer neuen „Internet-Kommunikationsfreiheit“ unterfallen, ist noch nicht beendet. Außer Frage dürfte aber stehen, dass die Online-Berichterstattung denselben Schutz genießen muss wie Presse und Rundfunk.

posted by Stadler at 16:51  

3.8.10

Rundfunkabgabe für die Presse

CARTA berichtet über ein Interview mit dem WAZ-Geschäftsführer Christian Nienhaus, der einen Anteil aus der künftigen Rundfunkabgabe für die Online-Angebote von Verlagen fordert. Das ist in der Tendenz nicht neu, denn auch die Forderung nach einem neuen Leistungsschutzrecht für Presserzeugnisse ist in Wahrheit nichts anderes, als die Forderung nach einer gebührenfinanzierten Presse.

Die Forderung von Nienhaus ist auch vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um ein Rechtsgutachten des früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Papier zu sehen, der die Ansicht vertreten hat, dass publizistische Online-Inhalte als Rundfunk im verfassungsrechtlichen Sinne zu betrachten sind. Diese erhitzte Diskussion geht leider völlig an der Sache vorbei, denn die verfassungsrechtliche Frage der Abgrenzung von Presse und Rundfunk ist im Grunde rein akademischer Natur. Worum es in Wirklichkeit geht und gehen muss,  ist die Frage der Reichweite des sog. Grundversorgungsauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Insoweit vertreten andere renommierte Verfassungsrechtler wie z.B. Christoph Degenhart durchaus eine von Papier abweichende Position.

posted by Stadler at 11:29  
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