Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

12.11.10

Redaktionsgeheimnis und Quellenschutz auch für Blogger?

Das Blog e-comm befasst sich – zunächst aus Sicht des österreichischen Rechts, mit der Frage, ob es ein Redaktionsgeheimnis auch für Blogger und NGOs gibt. Der Kollege Lehofer weist schließlich auf ein Urteil des EGMR vom 14.04.2009 hin, in dem u.a. folgendes ausgeführt ist:

The function of the press includes the creation of forums for public debate. However, the realisation of this function is not limited to the media or professional journalists. In the present case, the preparation of the forum of public debate was conducted by a non-governmental organisation.

Die Passage macht sehr deutlich, dass die Erfüllung der Aufgaben der Presse nicht auf professionelle Medien beschränkt ist, sondern diese Aufgabe auch durch Formen des „Bürgerjournalismus“ erfüllt werden können.

In Deutschland steht das Redaktionsgeheimnis sowie der Quellen- und Informantenschutz als Ausfluss von Art. 5 Abs. 1 GG unter dem Schutz der Verfassung. Das hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt betont, zuletzt in der sog. CICERO-Entscheidung, in der es u.a. ausführt:

Die Freiheit der Medien ist konstituierend für die freiheitliche demokratische Grundordnung (…). Eine freie Presse und ein freier Rundfunk sind daher von besonderer Bedeutung für den freiheitlichen Staat (…). Dementsprechend gewährleistet Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG den im Bereich von Presse und Rundfunk tätigen Personen und Organisationen Freiheitsrechte und schützt darüber hinaus in seiner objektiv-rechtlichen Bedeutung auch die institutionelle Eigenständigkeit der Presse und des Rundfunks (…). Die Gewährleistungsbereiche der Presse- und Rundfunkfreiheit schließen diejenigen Voraussetzungen und Hilfstätigkeiten mit ein, ohne welche die Medien ihre Funktion nicht in angemessener Weise erfüllen können. Geschützt sind namentlich die Geheimhaltung der Informationsquellen und das Vertrauensverhältnis zwischen Presse beziehungsweise Rundfunk und den Informanten (…). Dieser Schutz ist unentbehrlich, weil die Presse auf private Mitteilungen nicht verzichten kann, diese Informationsquelle aber nur dann ergiebig fließt, wenn sich der Informant grundsätzlich auf die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses verlassen kann (…).

Das Bundesverfassungsgericht hat sich in dieser Entscheidung nur mit Medien im traditionellen Sinne befasst. Nachdem es aber andererseits jedermann freisteht, auch journalistisch-redaktionell zu arbeiten und zu publizieren, muss es unerheblich sein, ob man hierzu eine Zeitung oder Zeitschrift gründet oder ein Weblog eröffnet. Auch das Qualitätsargument taugt hier wenig, weil inhaltliche Krierien nach einhelliger verfassungsrechtlicher Ansicht für die Eröffnung des Schutzbereichs nicht maßgeblich sind. Andernfalls müsste man Teile der Boulevardpresse vom Schutz ausnehmen.

Der spezifische Schutz der Presse- und Rundfunkfreiheit erstreckt sich deshalb auch auf Blogger. Das schließt den Quellenschutz mit ein.  Das beste Argument hierfür liefert die Verfassung selbst, denn sie gewährleistet die Freiheit der Berichterstattung. Die Diskussion, ob Erscheinungsformen wie Weblogs dem offenen und dynamischen verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff zuzuordnen sind, oder als „elektronische Presse“ eher der Pressefreiheit oder gar einer neuen „Internet-Kommunikationsfreiheit“ unterfallen, ist noch nicht beendet. Außer Frage dürfte aber stehen, dass die Online-Berichterstattung denselben Schutz genießen muss wie Presse und Rundfunk.

posted by Stadler at 16:51  

2 Comments

  1. … das schweizerische Bundesgericht hat gerade erst entschieden, dass der Betreiber eines Blogs sogar für Kommentare, die ein Dritter einem Blogbeitrag hinzufügt, Quellenschutz (nach Art. 28a des schweizerischen StGB) in Anspruch nehmen kann, sofern der Kommentar ein Mindestmass an Information enthält: http://www.swissblawg.ch/2010/11/1b442010-quellenschutz-fur-blog.html

    Beste Grüße aus der Schweiz
    David Vasella

    Comment by David Vasella — 12.11, 2010 @ 19:53

  2. …gibt es dann auch einen Presseausweis?

    Comment by Christian — 13.11, 2010 @ 06:39

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