Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

21.7.10

Das ganze Internet ist Rundfunk

Das zumindest behauptet ein ziemlich polemischer Kommentar in der FAZ von Michael Hanfeld. Der Autor, ein presigekrönter Journalist und offenbar auch Jurist, regt sich darüber auf, dass der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Papier Internetinhalte als Rundfunk betrachtet.

Hier hat aber offenbar nur jemand den Unterschied zwischen verfassungsrechtlichem und einfachgesetzlichem Rundfunkbegriff nicht verstanden. Es entspricht in der Tat der ganz überwiegenden Ansicht im juristischen Schrifttum, dass sich publizistisch relevante Inhalte im Netz auf die Rundfunkfreiheit des Art. 5 GG berufen können und mithin Rundfunk im verfassungsrechtlichen Sinne darstellen. Einfachgesetzlich sind sie allerdings Telemedien und kein Rundfunk.

Nehmen wir als Beispiel dieses Blog. Es unterliegt dem Schutz der Rundfunkfreiheit, aber es handelt sich um einen Telemediendienst und nicht um Rundfunk im Sinne des Rundfunkstaatsvertrags. Hieraus folgt für die Presse erst mal gar nichts, auch wenn man bei „ard.de“ daraus natürlich eine schöne Schlagzeile machen konnte.

Wenn man das nicht weiß und den Meinungsstand der juristischen Diskussion nicht kennt, sollte man als Journalist eben recherchieren. FAZ-Autor Michael Hanfeld liefert damit auch ein Lehrstück zum Thema Qualitätsjournalismus. Diese Art der „Presse“ ist nun wirklich entbehrlich.

posted by Stadler at 14:00  

15.7.10

Das Ende von Nipplegate?

Im US-Fernsehen werden bestimmte Ausdrücke (F-Wort) durch ein Bleep ersetzt, nackte Haut ist seit der berühmten Affaire um Janet Jacksons „wardrobe malfunction“, auch als Nipplegate bekannt, ebenfalls tabu.

Damit soll jetzt allerdings wieder Schluss sein, denn das Verbot der amerikanischen Rundfunkaufsichtsbehörde FCC verstößt nach einer Entscheidung eines New Yorker Gerichts gegen das Recht auf Meinungsfreiheit. Vielleicht muss sich sogar noch der Supreme Court mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Form der Prüderie beschäftigen.

posted by Stadler at 09:10  

17.4.10

Zensur im Internet

So lautet der Titel der Dissertation von Ansgar Koreng, die den Untertitel „Der verfassungsrechtliche Schutz der digitalen Massenkommunikation“ trägt und kürzlich erschienen ist. Koreng nimmt sich damit des vielleicht wichtigsten Internetthemas aus juristischer Sicht an. Der Autor leitet seine Arbeit mit einem Zitat ein, das Voltaire zugeschriebenen wird -„I disapprove of what you say, but I will defend to the death your right to say it“ – und deutet damit sogleich an, worauf es ihm ankommt.

Koreng erläutert in seiner Einleitung, dass das Verfassungsrecht zwar strukturell konservativ ist, aber dennoch die Aufgabe zu erfüllen hat, sich auf tatsächliche Veränderungen und daraus resultierende Gefahren einzustellen, um seine Schutzfunktion behaupten zu können. Der Autor lässt von Anfang wenig Zweifel daran, dass er gewillt ist, Art. 5 GG vor dem Hintergrund der technologischen Entwicklung, die zu massiven medialen Veränderungen geführt hat und noch führen wird, progressiv zu interpretieren. Denn der Grundrechtsschutz erwiese sich als in zunehmendem Maße unzureichend, würde man die Verfassung konservativ interpretieren.

Diese Erkenntnis macht es erforderlich, altüberkommene Dogmatik zu überdenken und in Frage zu stellen. Und mit dieser mutigen Ambition geht Koreng ans Werk.

Im ersten Teil seiner Arbeit legt der Autor dar, dass die Unterscheidung zwischen Presse- oder Rundfunkfreiheit und Meinungsfreiheit mit Blick auf die Kommunikationsvorgänge im Internet vielfach nicht mehr sinnvoll zu treffen ist, weshalb er für eine Auslegung des Art. 5 Abs. 1 GG als einheitliches Mediengrundrecht plädiert.

Einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit bildet die Darstellung der Gefährdung der Äußerungsgrundrechte durch „privatisierte“ staatliche Eingriffe sowie privat veranlasste Eingriffe in die Meinungsfreiheit, bei denen der Staat, vor allen Dingen durch seine Gerichte, eine Beschränkung von Meinungsäußerungen bewirkt.

Koreng postuliert sodann für sein einheitliches Mediengrundrecht auch eine einheitliche Schrankenregelung und vor allen Dingen auch ein neues Verständnis des Begriffs der Zensur, die er als „Schranken-Schranke“ bezeichnet. Dem geht die Erkenntnis voraus, dass die derzeit hierzu vorherrschenden Ansichten den neuen Gegebenheiten der elektronischen Massenkommuniktation nicht ausreichend Rechnung tragen.

In Widerspruch zur bislang herrschenden Meinung, vertritt Koreng die Auffassung, dass sich Access-Provider als notwendige Vermittler der Kommunikation auch unmittelbar auf das Grundrecht des Art. 5 GG berufen können. Das wurde bislang u,a. deshalb in Abrede gestellt, weil man ansonsten Logistikunternehmen wie die Bahn, die z.B. Zeitungen transportieren, auch in den Schutzbereich aufnehmen müsste. Dabei wird allerdings übersehen, dass ein Pressevertrieb auch ohne die Bahn denkbar ist, aber das Internet nicht ohne die Provider, worauf Koreng zutreffend hinweist.  Die Provider sind „sine qua non“ für die Funktionsfähigkeit des Netzes.

Diese Schlussfolgerung könnte weitreichende Konsequenzen haben, z.B. im Hinblick auf das Zugangserschwerungsgesetz und die Einbindung von Zugangsprovidern in eine technische Struktur, die geeignet ist, eine zensurähnliche Wirkung zu entfalten. Access-Sperren sieht Koreng, soweit ausländische Inhalte betroffen sind, als völkerrechtlich problematisch an. Der Autor bezweifelt aber, zu Recht, auch deren Verhältnismäßigkeit.

Ansgar Koreng beschäftigt sich auch mit dem Grundsatz der Netzneutralität, in dem Sinne eines „Must-Carry“ Ansatzes. Die derzeit primär unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten diskutierte Frage der Netzneutralität, weist nach Auffassung Korengs auch einen äußerungsrechtlichen Aspekt auf. Der Autor, der insoweit von einem „Meinungsmarkt“ spricht, vertritt hierzu die Ansicht, dass es eine Pflicht des Staates gebe, Netzneutralität zu garantieren, weil nur dadurch die vom Grundgesetz geforderte Pluralität sichergestellt werden kann.

Schließlich stellt Koreng auch die altüberkommene Unterscheidung zwischen Vor- und Nachzensur in Frage und fordert eine am Zensurbegriff orientierte Schrankendogmatik. Nichts Geringeres als eine Neudefinition des Zensurbegriffs ist dabei sein Anliegen. Ansgar Koreng hält die bislang enge Auslegung des Zensurbegriffs durch das BVerfG zwar für bedenklich, macht aber deutlich, dass es mit Blick auf die traditionellen Medien noch vertretbar war, nur die Präventivzensur als Zensur zu begreifen, weil es in der vordigitalen Zeit einen klaren Publikationszeitpunkt gegeben hat und damit auch eine klare begriffliche Trennung zwischen Vor- und Nachzensur möglich war. Dies trifft aber auf Veröffentlichungen im Netz nicht zu. Sobald sich diese, eigentlich banale Erkenntnis durchgesetzt hat, wird damit die zwingende Notwendigkeit verbunden sein, über eine Veränderung des Zensurbegriffs durch das Medium Internet nachzudenken. Insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass der von einer Zensur ausgehende Lähmungseffekt entscheidend für die Schaffung des verfassungsrechtlichen Zensurverbots gewesen ist. Dass es im Netz häufig zu derartigen „chilling effects“ durch zensurähnlich wirkende Maßnahmen kommt, stellt Koreng in seiner Dissertation ausführlich dar.

Die Schlussfolgerung Korengs lautet, dass jedes gefahrenabwehrrechtliche Eingreifen des Staates gegen Äußerungsinhalte untersagt ist. Bei der „Privatzensur“, aufgrund zivilrechtlicher Unterlassungsansprüche, sieht Koreng zwar eine Drittwirkung des Zensurverbots, allerdings nicht in einem absoluten Sinne, wie gegenüber dem Staat. Vielmehr soll das Zensurverbot hier nur ein Abwägungskriterium bei der richterlichen Entscheidung sein.

Die Arbeit von Ansgar Koreng ist nicht nur mutig, sondern auch juristisch überzeugend. Gleichwohl wird er mit Kritik und Ablehnung zu rechnen haben, weil er für eine deutliche Abkehr von althergebrachten Positionen eintritt. Es ist dennoch schwer vorstellbar, dass dieses Werk ignoriert werden kann.  Der Teil der juristischen Fachwelt, der sich mit dem Thema Meinungsfreiheit und Internet beschäftigt, wird künftig kaum daran vorbei kommen, sich mit der Arbeit Korengs auseinanderzusetzen.

posted by Stadler at 17:22  

26.1.10

Die Berechtigung des gebührenfinanzierten Rundfunks muss in Frage gestellt werden

Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (Nr. 20 vom 26.01.2010, S. 15) hat das Verwaltungsgericht München einem Patentanwalt recht gegegeben, der für seinen beruflich genutzten PC keine Rundfunkgebühren bezahlen wollte.

Der Bericht der SZ zitiert eine bemekenswerte Passage aus dem Urteil: „Es ist mit Blick auf die Informationsfreiheit außerdem nicht gerechtfertigt, den Zugang zu weltweiten Informationen im Internet von der Entrichtung einer Gebühr abhängig zu machen, die ausschließlich der Finanzierung Dritter – nämlich insbesondere der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten – dient.

Gerade weil die Rundfunkgebühren in Deutschland bislang politisch und juristisch als sakrosant galten, ist dieser Ansatz mutig und mehr als erstaunlich. Er wirft die berechtigte Frage auf, ob sich die Rundfunkgebühren, die nach ihrem ursprünglichen Sinn die Meinungs- und Informationsvielfalt sichern sollten, mittlerweile zu einer Gefahr für die grundgesetzlich garantierte Informationsfreiheit entwickelt haben. Denn die Ausdehnung der Rundfunkgebühren auf alle Geräte, mit denen man theoretisch Rundfunk und sei es auch über das Internet, empfangen kann, stellt in der Tat eine zusätzliche finanzielle Hürde für den Zugang zu weltweit abrufbaren Informationen dar.

Man wird angesichts der Informationsvielfalt die gerade das Internet bietet, die Frage der Legitimität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und damit auch des vom Bundesverfassungsgericht in seinen Rundfunkurteilen postulierten dualen Rundfunkstsystems neu stellen müssen. Denn die Verhältnisse haben sich in den letzten 10 – 15 Jahren maßgeblich verändert. Auch weil sich ARD und ZDF immer stärker dem erbärmlichen Niveau des Privatfernsehens angepasst haben, ist für viele Menschen mittlerweile das Internet zur wichtigsten Informationsquelle geworden. Die vom Bundesverfassungsgericht immer wieder betonte Grundversorgung wird nicht mehr primär durch den öffentlichen-rechtlichen Rundfunk gewährleistet. Ein weiteres Festhalten an einem gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk erscheint daher nicht länger gerechtfertigt. Es ist zumindest an der Zeit, diese Diskussion nun ernsthaft zu beginnen und die Frage der Berechtigung des gebührenfinanzierten Rundfunks neu zu stellen.

posted by Stadler at 11:00  

26.1.10

Medienfreiheit contra Persönlichkeitsrecht: BGH hebt erneut Hamburger Urteile auf

Vor ca. 6 Wochen habe ich über ein neues Urteil des Bundesgerichtshofs berichtet, das zum wiederholten Male meinungsfeindliche Entscheidungen der Hanseatischen Gerichte aufgehoben hat. Es geht darum, ob ältere Rundfunkberichte, die einen veurteilten Straftäter in zulässiger Weise namentlich genannt haben, in einem Online-Archiv weiterhin zum Abruf bereit gehalten werden dürfen. Bemerkenswert ist u.a. auch, dass der BGH insoweit von Medienfreiheit und nicht (mehr) nur von Rundfunkfreiheit spricht. Der BGH hat die folgenden amtlichen Leitsäte formuliert:

Die Frage, ob eine Rundfunkanstalt nicht mehr aktuelle Rundfunkbeiträge, in denen ein verurteilter Straftäter namentlich genannt wird, in dem für Altmeldungen vorgesehenen Teil ihres Internetportals („Online-Archiv“) weiterhin zum Abruf bereit halten darf, ist aufgrund einer umfassenden Abwägung des Persönlichkeitsrechts des Straftäters mit dem Recht der Rundfunkanstalt auf Meinungs- und Medienfreiheit zu entscheiden.

Dabei fließt zugunsten der Rundfunkanstalt mit erheblichem Gewicht in die Abwägung ein, dass die Veröffentlichung der Meldung ursprünglich zulässig war, die Meldung nur durch gezielte Suche auffindbar ist und erkennen lässt, dass es sich um eine frühere Berichterstattung handelt.

BGH, Urteil vom 15. Dezember 2009 (Az.: VI ZR 227/08)

posted by Stadler at 09:42  

2.1.10

NDR geht gegen GEZ-kritischen Blogger vor

Der Blogger und Buchautor Bernd Höcker publiziert GEZ-kritische Inhalte und versucht auf seiner Website „gez-abschaffen.de“ darzustellen, wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beim Einzug von Rundfunkgebühren agieren. Der NDR stört sich an einigen dieser Inhalte, die Höcker mittlerweile vom Netz genommen hat, die aber über archive.org weiterhin nachvollzogen werden können. Weil diese Inhalte zweifelsohne vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt sind, hat man sich beim NDR offenbar eine andere Taktik ausgedacht und sich entschlossen, den hauseigenen Juristen Klaus Siekmann vorzuschicken und damit zu argumentieren, dass die namentliche Nennung Siekmanns durch Höcker im Rahmen der Berichterstattung gegen Persönlichkeitsrechte verstoßen würde.

Es gibt vermutlich nur ein Landgericht in Deutschland, das diese Einschätzung teilt und das residiert in Hamburg. Und just dort hat Siekmann Höcker auf Unterlassung verklagt (Az.: 325 O 200/09) und beantragt, der Beklagte müsse es unterlassen:

a) den Namen des Klägers Siekmann im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Schriftstücken aus Verfahren zu nennen, die der Beklagte mit dem NDR in Rundfunkgebührensachen führt/geführt hat; und/oder
b) über die vom Beklagten gegen den Kläger im Juni 2008 erstattete Anzeige wegen des Verdachts der Urkundenunterdrückung bzw. Beihilfe und Anstiftung hierzu sowie das anschließende Ermittlungsverfahren zu berichten und/oder Schriftstücke aus diesem Verfahren zu veröffentlich en und/oder in der Strafanzeige erhobenen Vorwürfe erneut zu verbreiten.

In der mündlichen Verhandlung vom 08.12.09, über die Rolf Schälike berichtet, hat Bernd Höcker dann im Hinblick auf den Teil des Klageantrags, der die Berichterstattung über die Strafanzeige gegen Siekmann betrifft, eine Unterlassungserklärung abgegeben. Das bedeutet freilich, dass Höcker über die Strafanzeige, die er gegen Siekmann erstattet hat, nun auch nicht mehr berichten darf und insoweit sein Inhaltsangebot ändern muss.

Nachdem sich der Strafvorwurf gegen das dienstliche Verhalten von Herrn Siekmann richtet und in unmittelbarem Zusammenhang mit einer rechtlichen Auseinandersetzung zwischen Höcker und dem NDR steht, erscheint es rechtlich kaum vertretbar anzunehmen, dass die Persönlichkeitsrechte des NDR-Juristen höher zu bewerten sind, als die Meinungsfreiheit und das Berichterstattungsinteresse. Dass die Pressekammer des Landgerichts Hamburg vermutlich zu einem anderen Abwägungsergebnis gelangt wäre, ist aber ebenfalls naheliegend. Diese Kammer ist freilich aber auch für ihre meinungsfeindliche und grundgesetzferne Rechtsprechung bekannt und wurde vom BGH und vom BVerfG deshalb in letzter Zeit auch mehrfach eingebremst.

Was der NDR und der von ihm vorgeschickte Justitiar vor dem Landgericht Hamburg veranstalten, ist nicht nur meinungsfeindlich, sondern steht auch in Widerspruch zum Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Rundfunkfreiheit dient der freien, individuellen und öffentlichen Meinungsbildung, sagt das Bundesverfassungsgericht. Wenn der gebührenfinanzierte Rundfunk allerdings dazu übergeht, unliebsame Meinungen zu bekämpfen und zu unterdrücken, dann tritt er seinen Programmauftrag mit Füßen und stellt sich damit selbst in Frage.

Außerdem kennen auch der NDR und Herr Siekmann den Streisand-Effekt offensichtlich noch nicht. Zumindest das, könnte sich in nächster Zeit allerdings ändern.

Update vom 04.01.10
Rechtsanwalt Kompa bewertet den Sachverhalt rechtlich offenbar anders und hält die Berichterstattung über eine Strafanzeige und ein anschließendes Ermittlungsverfahren gegen den NDR-Juristen für unzulässig.

Die Betrachtung des Kollegen Kompa ist natürlich von Vornherein etwas eingeengt, weil der NDR-Jurist beim Landgericht Hamburg einen sehr weitreichenden Antrag gestellt hat, der sich keineswegs auf eine Namensnennung im Zusammenhang mit einem Strafverfahren beschränkt. Der NDR-Justitiar hat daneben nämlich beantragt, seine Namensnennung im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen in Rundfunkgebührensachen zu unterlassen sowie auch die in der Strafanzeige (inhaltlich) erhobenen Vorwürfe nicht mehr zu verbreiten. Insoweit dürfte ein Unterlassungsanspruch des NDR-Juristen schwer vertretbar und auch bei nur wenigen Gerichten durchsetzbar sein.

Was die Namensnennung im Zusammenhang mit einem Strafverfahren als solche angeht, kann man bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht einerseits und Meinungsfreiheit und Berichterstattungsinteresse andererseits, durchaus der Ansicht sein, dass der Name nicht genannt werden darf. Aber auch hier ist zu berücksichtigen, dass sich der Vorwurf unmittelbar auf das dienstliche Verhalten des NDR-Juristen bezieht und in unmittelbarem Zusammenhang zu der Auseinandersetzung Höckers und dem NDR um Rundfunkgebühren steht. Vor diesem Hintergrund kann man das Interesse der Öffentlichkeit zu erfahren, dass beim NDR in Auseinandersetzungen um Rundfunkgebühren möglicherweise Akteninhalte verschwinden, durchaus als überwiegend bewerten.

posted by Stadler at 15:53  

15.12.09

BGH erteilt dem "Hamburger Landrecht" erneut eine Absage

Der BGH hat mit zwei Urteilen vom 15.12.2009 (VI ZR 227/08 und VI ZR 228/08) erneut meinungs- und rundfunkfeindliche Entscheidungen des Landgerichts Hamburg, die das Hanseatische Oberlandesgericht bestätigt hatte, aufgehoben.

Der Kläger ist wegen Mordes an dem Schauspieler Walter Sedlmayr verurteilt worden. Mit seiner Klage hat er vom Deutschlandradio verlangt, Mitschriften alter Rundfunkbeiträge von der Website „dradio.de“ zu entfernen, in denen im Zusammenhang mit dem Mord an Walter Sedlmayr sein Name genannt wird.

In der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs heißt es zur Begründung u.a.:

Der Eingriff ist aber nicht rechtswidrig, da im Streitfall das Schutzinteresse der Kläger hinter dem von der Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zurückzutreten hat. Die beanstandete Meldung beeinträchtigt das Persönlichkeitsrecht der Kläger einschließlich ihres Resozialisierungsinteresses unter den besonderen Umständen des Streitfalls nicht in erheblicher Weise. Sie ist insbesondere nicht geeignet, die Kläger „ewig an den Pranger“ zu stellen oder in einer Weise „an das Licht der Öffentlichkeit zu zerren“, die sie als Straftäter (wieder) neu stigmatisieren könnte. Sie enthält sachlich abgefasste, wahrheitsgemäße Aussagen über ein Kapitalverbrechen an einem bekannten Schauspieler, das erhebliches öffentliches Aufsehen erregt hatte. Angesichts der Schwere des Verbrechens, der Bekanntheit des Opfers, des erheblichen Aufsehens, das die Tat in der Öffentlichkeit erregt hatte und des Umstands, dass sich die Verurteilten bis weit über das Jahr 2000 hinaus um die Aufhebung ihrer Verurteilung bemüht hatten, war die Mitteilung zum Zeitpunkt ihrer Einstellung in den Internetauftritt der Beklagten zulässig. Hieran hat sich trotz der zwischenzeitlich erfolgten Entlassung der Kläger aus der Haft nichts geändert. Der Meldung kam nur eine geringe Breitenwirkung zu. Sie war nur auf den für Altmeldungen vorgesehenen Seiten des Internetauftritts der Beklagten zugänglich, ausdrücklich als Altmeldung gekennzeichnet und nur durch gezielte Suche auffindbar. Zu berücksichtigen war darüber hinaus, dass ein anerkennenswertes Interesse der Öffentlichkeit nicht nur an der Information über das aktuelle Zeitgeschehen, sondern auch an der Möglichkeit besteht, vergangene zeitgeschichtliche Ereignisse zu recherchieren. Das von den Klägern begehrte Verbot hätte einen abschreckenden Effekt auf den Gebrauch der Meinungs- und Medienfreiheit, der den freien Informations- und Kommunikationsprozess einschnüren würde.

posted by Stadler at 16:53  

27.11.09

Kein Recht auf Privatkopie?

Man sollte sich aber vor Augen halten, dass es kein „Recht auf Privatkopie“ gibt„, sagt Kulturstaatsminister Bernd Neumann und fügt an: „Die Informationsfreiheit gebietet auch nicht etwa einen kostenlosen Zugang zu Kulturgütern.

Was bedeutet das? Zunächst nur, dass der Unions-Politiker eine fragwürdige These in einen falschen Kontext stellt. Wer wie diese Bundesregierung gerne vom Schutz des „geistigen Eigentums“ spricht, der sollte einen Blick in das Grundgesetz werfen. Denn Art. 14 Abs. 2 GG besagt:

Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Das nennt man Sozialbindung des Eigentums. Wenn diese Sozialbindung auch für geistiges Eigentum gelten soll, dann ist das Recht auf Privatkopie ein Ausfluss dieser Sozialbindung. Oder für Herrn Neumann anders formuliert, wer A sagt, muss auch B sagen.

Mit Informationsfreiheit hat das alles aber gar nichts zu tun. Ach ja, wer hat heute gegen den ZDF-Chefredakteur gestimmt? Genau. Zwischen Rundfunkfreiheit und Informationsfreiheit besteht allerdings eine gewisse Nähe, aber das hat Herr Neumann bestimmt nicht verstanden.

Wir fassen zusammen: Verfassungsferne Gesinnung + unrichtige Argumentation = Mitglied dieser Bundesregierung. Das passt dann wieder, Herr Neumann.

posted by Stadler at 22:55  

25.11.09

Offener Brief an den ZDF-Verwaltungsrat

Telemedicus, netzpolitik.org und carta.info, haben einen offenen Brief an den ZDF-Verwaltungsrat gerichtet, den ich als Mitunterzeichner unterstütze.

Es geht hierbei um die Bestrebungen von Roland Koch, den Chefredakteur des ZDF Nikolaus Brender im Verwaltungsrat des Senders abzulösen. Diese politische Einflussnahme stellt einen Verstoß gegen die verfassungsrechtlich garantierte Staatsferne des Rundfunks dar und rüttelt an den Grundfesten der Rundfunkfreiheit. Unterstützen Sie den Aufruf durch Ihre Unterschrift bei Telemedicus.

posted by Stadler at 08:27  
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