Der Missbrauch des Urheberrechts durch den Staat
Die Open Knowledge Foundation Deutschland e.V, die die das Portal „Frag den Staat“ betreibt, hat vom Innenministerim ein internes Papier zur Frage der Verfassungsgemäßheit einer 2,5-Prozent-Hürde bei der Europawahl angefordert. Das Ministerium hat das Papier übersandt, allerdings verbunden mit dem Hinweis, dass es nicht veröffentlicht werden darf. „Frag den Staat“ hat das Papier dennoch veröffentlicht und postwendend eine Abmahnung der Bundesrepublik Deutschland erhalten. Diese Abmahnung hat die Open Knowledge Foundation mittels eines lesenswerten Anwaltsschreibens des geschätzten Kollegen Ansgar Koreng zurückweisen lassen. Mal sehen, ob die Bundesregierung hier auch noch meint, mit Steuergeldern einen Prozess gegen die Informationsfreiheit führen zu müssen.
Man wird sicherlich darüber diskutieren können, ob die juristische Stellungnahme aus dem Hause des BMI überhaupt ein urheberrechtliches Werk darstellt. Die Frage der Schöpfungshöhe wird von den Gerichten leider nach wie vor sehr uneinheitlich gehandhabt. Teilweise wird längeren Anwaltsschriftsätzen eine Schutzfähigkeit abgesprochen, mit dem Argument, die Ausführungen wären nur handwerklicher Natur, während man andererseits bereits kurzen Anzeigetexten und z.T. auch Meldungen von Presseagenturen eine ausreichende Schöpfungshöhe attestiert. Die Rechtsprechung des BGH differenziert insoweit allerdings auch zwischen (rechts-) wissenschaftlichen und literarischen Werken. Anwaltsschriftsätze ordnet der BGH den rechtswissenschaftlichen Werken zu, wobei er durchaus erhebliche Anforderungen an die Schöpfungshöhe stellt. Nachdem es sich vorliegend ebenfalls um einen juristischen Text handelt, der im Hinblick auf die Hürde der persönlich geistigen Schöpfung wohl kaum höher zu bewerten ist als ein mehrseitiger Anwaltsschriftsatz, kann man die Schutzfähigkeit sicherlich bezweifeln. Andererseits weist die aktuelle Rechtsprechung des BGH deutliche Tendenzen auf, an alle Werkarten die gleichen niedrigen Anforderungen zu stellen, weshalb man die Frage der Schöpfungshöhe von juristischen Texten heute evtl. auch großzügiger beurteilen muss als vor 20 oder 30 Jahren.
Im vorliegenden Fall sollte man aber den Aspekt des behördlichen Missbrauchs des Urheberrechts zum Zwecke der Unterdrückung von Informationen, die für die Allgemeinheit von Interesse sind, in den Vordergrund stellen.
Das Urheberrecht wird von der Bundesregierung erkennbar für den urheberrechtsfremden Zweck der Informationsunterdrückung missbraucht. In Fällen dieser Art ist allein aus verfassungsrechtlichen Gründen eine einschränkende Auslegung des urheberrechtlichen Schutzumfangs geboten. Verfassungsrechtlich geht es insoweit um Art. 5 GG, den man einfachgesetzlich über die zivilrechtliche Generalklausel des § 242 BGB (Treu und Glauben) sowie über den Aspekt der Widerrechtlichkeit in § 97 Abs. 1 UrhG einbringen könnte. Eine gerichtliche Klärung solcher Fälle, insbesondere in letzter Konsequenz vor dem Bundesverfassungsgericht, wäre deshalb durchaus interessant und wünschenswert.