Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

22.1.14

Der Missbrauch des Urheberrechts durch den Staat

Die Open Knowledge Foundation Deutschland e.V, die die das Portal „Frag den Staat“ betreibt, hat vom Innenministerim ein internes Papier zur Frage der Verfassungsgemäßheit einer 2,5-Prozent-Hürde bei der Europawahl angefordert. Das Ministerium hat das Papier übersandt, allerdings verbunden mit dem Hinweis, dass es nicht veröffentlicht werden darf. „Frag den Staat“ hat das Papier dennoch veröffentlicht und postwendend eine Abmahnung der Bundesrepublik Deutschland erhalten. Diese Abmahnung hat die Open Knowledge Foundation mittels eines lesenswerten Anwaltsschreibens des geschätzten Kollegen Ansgar Koreng zurückweisen lassen. Mal sehen, ob die Bundesregierung hier auch noch meint, mit Steuergeldern einen Prozess gegen die Informationsfreiheit führen zu müssen.

Man wird sicherlich darüber diskutieren können, ob die juristische Stellungnahme aus dem Hause des BMI überhaupt ein urheberrechtliches Werk darstellt. Die Frage der Schöpfungshöhe wird von den Gerichten leider nach wie vor sehr uneinheitlich gehandhabt. Teilweise wird längeren Anwaltsschriftsätzen eine Schutzfähigkeit abgesprochen, mit dem Argument, die Ausführungen wären nur handwerklicher Natur, während man andererseits bereits kurzen Anzeigetexten und z.T. auch Meldungen von Presseagenturen eine ausreichende Schöpfungshöhe attestiert. Die Rechtsprechung des BGH differenziert insoweit allerdings auch zwischen (rechts-) wissenschaftlichen und literarischen Werken. Anwaltsschriftsätze ordnet der BGH den rechtswissenschaftlichen Werken zu, wobei er durchaus erhebliche Anforderungen an die Schöpfungshöhe stellt. Nachdem es sich vorliegend ebenfalls um einen juristischen Text handelt, der im Hinblick auf die Hürde der persönlich geistigen Schöpfung wohl kaum höher zu bewerten ist als ein mehrseitiger Anwaltsschriftsatz, kann man die Schutzfähigkeit sicherlich bezweifeln. Andererseits weist die aktuelle Rechtsprechung des BGH deutliche Tendenzen auf, an alle Werkarten die gleichen niedrigen Anforderungen zu stellen, weshalb man die Frage der Schöpfungshöhe von juristischen Texten heute evtl. auch großzügiger beurteilen muss als vor 20 oder 30 Jahren.

Im vorliegenden Fall sollte man aber den Aspekt des behördlichen Missbrauchs des Urheberrechts zum Zwecke der Unterdrückung von Informationen, die für die Allgemeinheit von Interesse sind, in den Vordergrund stellen.

Das Urheberrecht wird von der Bundesregierung erkennbar für den urheberrechtsfremden Zweck der Informationsunterdrückung missbraucht. In Fällen dieser Art ist allein aus verfassungsrechtlichen Gründen eine einschränkende Auslegung des urheberrechtlichen Schutzumfangs geboten. Verfassungsrechtlich geht es insoweit um Art. 5 GG, den man einfachgesetzlich über die zivilrechtliche Generalklausel des § 242 BGB (Treu und Glauben) sowie über den Aspekt der Widerrechtlichkeit in § 97 Abs. 1 UrhG einbringen könnte. Eine gerichtliche Klärung solcher Fälle, insbesondere in letzter Konsequenz vor dem Bundesverfassungsgericht, wäre deshalb durchaus interessant und wünschenswert.

posted by Stadler at 17:04  

16.7.13

EGMR: Kein unbedingter Anspruch auf Löschung unrichtiger Zeitungsartikel aus Onlinearchiv

Auch bei einem sachlich falschen Zeitungsartikel besteht nach einer neuen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht zwingend ein Anspruch auf Löschung aus dem Onlinearchive der Zeitung.

Der Entscheidung des EGMR vom 16.07.2013 (Az.: 33846/07) ist anzumerken, dass man anders als in früheren Jahren zurückhaltender damit ist, Urteile nationaler Gerichte zu beanstanden. Der EGMR hat im konkreten Fall darauf hingewiesen, dass auch solche Zeitungsartikel, bei denen sich später, zum Beispiel aufgrund einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung, herausstellt, dass falsche Tatsachenbehauptungen über eine Person enthalten sind, dem Schutz von Art. 10 MRK unterliegen, weshalb auch in diesen Fällen grundsätzlich eine Abwägung mit den Persönlichkeitsrechten des Betroffenen vorzunehmen ist. Der Betroffene kann insoweit darauf beschränkt sein, dass lediglich eine klarstellende Ergänzung angefügt wird, aber er kann nicht unter allen Umständen die Löschung derartiger Zeitungsartikel aus Internetarchiven verlangen. Das Gericht betont, dass es nicht Aufgabe der Gerichte sein kann, die Geschichte nachträglich umzuschreiben, indem man die Löschung sämtlicher Zeitungsartikel verfügt, um alle Spuren solcher Veröffentlichungen zu beseitigen, bei denen sich nachträglich eine Rufschädigung herausstellt.

Die Entscheidung ist nicht endgültig, die Anrufung der Großen Kammer des EGMR ist möglich.

posted by Stadler at 22:10  

16.4.13

Was hat die Bundestags-App gekostet?

ifun.de wollte von der Bundestagsverwaltung im Rahmen des Informationsfreiheitsgesetzes wissen, wieviel die Entwicklung der iPhone-App des Deutschen Bundestages gekostet hat.

Übersandt wurde dem Portal aber nur eine geschwärzte Abrechnung des beauftragten Unternehmens, verbunden mit dem Vermerk:

Im Ergebnis der rechtlichen Prüfung können Ihnen die ersichtlichen Unterlagen jedoch hinsichtlich der darin enthaltenen Preis- oder kalkulatorischen Angaben nur in geschwärzter Form zur Verfügung gestellt werden. Es bestehen insoweit seitens der Verwaltung des Deutschen Bundestages eigene schützenswerte Belange gemäß § 3 Nr. 6 IFG.

Die Begründung der Bundestagsverwaltung – Beeinträchtigung  fiskalische Interessen des Bundes im Wirtschaftsverkehr – erscheint mir nicht wirklich stichhaltig. Welche fiskalischen Interessen sollten beeinträchtigt sein, wenn man den Bürger und Steuerzahler darüber informiert, welchen Preis der Bundestag für die Entwicklung einer iPhone-App bezahlt hat?

Sollte der Preis der Entwicklung den Schwellenwert der Vergabeverordnung überschreiten, stünde sogar ein Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften im Raum.

Mit der Informationsfreiheit ist es in diesem Land trotz aller gesetzlicher Regelungen immer noch nicht weit her.

posted by Stadler at 18:27  

7.4.13

Wann ist Internet eigentlich Rundfunk?

Die Diskussion darüber, ob ein Google Hangout von Angela Merkel (zulassungspflichtiger) Rundfunk ist oder ein zulassungsfreier sog. Telemediendienst, hat eine nicht ganz neue juristische Diskussion ins Blickfeld einer breiteren Öffentlichkeit gerückt.

Zunächst muss man wissen, dass es Rundfunk im verfassungsrechtlichen und im einfachgesetzlichen Sinne gibt und beides nicht zwingend deckungsgleich ist. Der Rundfunk im Sinne von Art. 5 GG ist also nicht unbedingt identisch mit dem was der Rundfunkstaatsvertrag unter Rundfunk versteht.

In der juristischen Diskussion gibt es eine weit verbreitete Ansicht, die Internetangebote mit einer gewissen publizistischen Relevanz immer als Rundfunk im Sinne von Art. 5 GG betrachten. Da das Grundgesetz das Internet bzw. neue Medien nicht kennt, lassen sich entsprechende Angebote verfassungsrechtlich nur als Rundfunk oder als Presse qualifizieren. Beides passt im Grunde nicht wirklich. Dieser Streit ist aber mehr oder minder vorwiegend akademischer Natur.

Anders ist es bei der einfachgesetzlichen Frage, ob ein Angebot Rundfunk oder Telemediendienst ist. Denn das eine bedarf einer Zulassung, das andere ist zulassungsfrei. § 2 des Rundfunkstaatsvertrags trifft die Abgrenzung folgendermaßen:

Rundfunk ist ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst; er ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen. Der Begriff schließt Angebote ein, die verschlüsselt verbreitet werden oder gegen besonderes Entgelt empfangbar sind. Telemedien sind alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 des Telekommunikationsgesetzes sind, die ganz in der Übertragung von Signalen über Telekommunikationsnetze bestehen oder telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 des Telekommunikationsgesetzes oder Rundfunk nach Satz 1 und 2 sind.

Der Rundfunk ist legal also unmittelbar definiert, während Telemedien nur negativ als diejenigen Dienste definiert werden, die nicht Telekommunikation oder Rundfunk sind.

Man kann danach einen Google Hangout durchaus als Rundfunk qualifizieren, wenn er sich an die Allgemeinheit richtet, also eine gewisse Reichweite hat und für jedermann zugänglich ist. Es ist folglich verständlich, dass sich diejenigen, deren Livestreams von Landesmedienanstalten als Rundfunk qualifiziert wurden, nunmehr darüber wundern, dass der Hangout mit der Bundeskanzlerin relativ schnell als zulassungsfreies Telemedium eingestuft wurde. Die Frage ist an dieser Stelle die, ob das Gesetz mit dem Begriff des „Sendeplans“ auf eine regelmäßige bzw. wiederkehrende Ausstrahlung von Inhaltsangeboten abstellt, oder auch eine einmalige „Sendung“ ausreichend sein kann.

Die Frage der Staatsferne des Rundfunks, die in der Diskussion um den Google Hangout Merkels ebenfalls ins Feld geführt wird, hat mit dieser Diskussion nicht unmittelbar etwas zu tun, sondern knüpft eigentlich nur an die verfassungsrechtliche Frage an, ob der Staat selbst Rundfunk anbieten darf. Hier kommen wir zu dem zurück, was ich eingangs gesagt habe. Wenn man auch Telemedien als Rundfunk im verfassungsrechtlichen Sinne betrachten würde, dann dürften der Bundestag und die Bundesregierung streng genommen noch nicht einmal Websites betreiben.

An dieser Stelle zeigt sich sehr deutlich, dass das Netz hier auch die Rechtsdogmatik an ihre Grenzen führt.

Wer einen Google Hangout mit Angela Merkel für verfassungsrechtlich bedenklich hält, muss erklären können, warum das nicht auch für die Website der Bundesregierung gelten sollte.

posted by Stadler at 10:00  

3.4.13

Bundesregierung erwägt Publikationsverbot für „Mein Kampf“

Die Veröffentlichung von Hitlers Hetzschrift „Mein Kampf“ wird bekanntlich von der Bayerischen Staatsregierung unter Berufung darauf, der Freistaat Bayern sei Inhaber des Urheberrechts, blockiert. Diese Ansicht ist unlängst vom Landgericht München I gestützt worden, auch wenn man diesen urheberrechtlichen Ansatz durchaus in Frage stellen kann.

Aber selbst wenn das Urheberrecht ein geeignetes Mittel darstellen würde, die Wiederveröffentlichung von „Mein Kampf“ zu unterbinden, wird damit Ende 2015 Schluss sein, denn das Urheberrecht erlischt 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers.

Wie eine Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der SPD ergibt, prüft der Bund derzeit, ob ein Publikationsverbot für „Mein Kampf“ ab dem Jahre 2016 in Betracht kommt. Die Ausführungen der Regierung zeigen, dass ihr die verfassungsrechtlichen Probleme durchaus bewusst sind. Ein Publikationsverbot ist entgegen der Ansicht der Bundesregierung aber nicht nur an der Pressefreiheit, sondern auch an der Informationsfreiheit zu messen.

Zumindest eine (wissenschaftlich) kommentierte Ausgabe von „Mein Kampf“ wird sich schwerlich verhindern lassen. Ein gesetzliches, generelles Publikationsverbot dürfte kaum mit Art. 5 GG zu vereinbaren sein.

posted by Stadler at 16:10  

20.2.13

BVerwG: Auskunftsanspruch der Presse unmittelbar aus dem Grundgesetz

Was das Bundesverwaltungsgericht heute entschieden hat, ist durchaus progressiv, aber im Lichte der Presse- und Informationsfreiheit dringend geboten (Urteil vom 20. Februar 2013, Az.: 6 A 2.12).

Auch wenn das Bundesrecht keinen ausdrücklichen Aukunftsanspruch der Presse gegenüber Bundesbehörden vorsieht, kann eine Auskunft dennoch verlangt werden und zwar unmittelbar aus dem Grundgesetz.

Mit der Gewährleistung der Pressefreiheit trägt das Grundgesetz der besonderen Bedeutung der Presse in einem freiheitlichen demokratischen Staatswesen Rechnung. Hieraus folgt die Pflicht des Staates zur Erteilung von Auskünften. Fehlt es an einer Regelung des zuständigen Gesetzgebers, ist ein Minimalstandard an Auskunftspflichten in der Weise verfassungsunmittelbar garantiert, dass das Grundgesetz einen klagbaren Rechtsanspruch auf Erteilung einer bestimmten Information zuerkennt, soweit ihm nicht berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen entgegenstehen, wie sie beispielhaft in den Landespressegesetzen aufgeführt sind.

Im konkreten Fall hat das Gericht die Klage dennoch abgewiesen. Es hat betont, dass sich der Auskunftsanspruch nur auf aktuell vorhandene Informationen beziehen kann und jedenfalls nicht zu einer Informationsbeschaffungspflicht der Behörde führt.

Quelle: Pressemitteilung des BVerwG

posted by Stadler at 17:53  

30.11.12

Wie geht es mit dem Leistungsschutzrecht weiter?

Der Gesetzesentwurf zum Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse wurde gestern im Bundestag in erster Lesung beraten.

Kernstück des Gesetzesvorhabens ist die geplante Vorschrift eines § 87g Abs. 4 UrhG der die öffentliche Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen oder Teilen davon, für unzulässig erklärt, sofern sie durch gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten erfolgt, die Inhalte entsprechend aufbereiten. Nachdem auch kleine Teile, also sog. Snippets betroffen sind, erfasst das Gesetz sowohl klassische Suchmaschinenergebnisse als auch News-Aggregatoren wie Google News, nachrichten.de, Virato oder Rivva.

Die Anbieter müssten also dann entweder Verträge mit den Verlagen über die Einräumung entsprechender Nutzungsrechte schließen oder Presseerzeugnisse systematisch aussperren.

In diesem Zusammenhang hört man jetzt öfter die These, man werde Google und Co. dann schon noch zwingen, an die Verlage zu zahlen. Gerade das sieht das Gesetz jedoch nicht vor.

Unter normalen Umständen könnte es sich ein marktbeherrschendes Unternehmen wie Google schon aus kartellrechtlichen Gründen nicht erlauben, die Websites von Verlagen bzw. Zeitungen zu blockieren. Das würde sich mit der Einführung eines Leistungsschutzrechts allerdings grundlegend ändern. Denn die Neuregelung erklärt die Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen durch Suchmaschinen und News-Aggregatoren für unzulässig. Das bedeutet nichts anderes, als dass Google nach der Logik des Gesetzes aussperren muss, um keinen Rechtsverstoß zu begehen. Und ein Zwang zum Erwerb urheberrechtlicher Nutzungsrechte lässt sich auch gegenüber einem marktbeherrschenden Unternehmen wie Google nicht begründen. Es ist folglich nicht zu erwarten, dass Google zahlen wird, zumal die Verleger in anderen (europäischen) Ländern anschließend auf vergleichbare Regelungen drängen würden.

Die wirtschaftliche Frage ist also letztlich, wer wen dringender braucht. Google wird es sich ohne weiteres erlauben können, Google-News in Deutschland zu schließen und die Verlage für eine Weile von der Suchmaschine auszusperren. Man wird dann eben die Inhalte von FAZ, SZ, ZEIT, Spiegel, Welt, BILD, Stern u.a. nicht mehr über Google finden können. Einige kleinere Verlage werden schlau genug sein und Google unentgeltliche Nutzungsrechte einräumen.

Die Leidtragenden werden die Nutzer sein, denn das geplante Gesetz erschwert die Auffindbarkeit von Inhalten im Netz erheblich.

Man darf in dieser Diskussion außerdem nicht nur über Google sprechen, sondern muss vor allem auch kleinere Anbieter im Blick haben. Betroffen von einem solchen Leistungsschutzrecht sind nämlich gerade auch Special-Interest-Suchmaschinen und Dienste, die RSS-Feeds einbinden oder automatisiert Linksammlungen erzeugen. Einige dieser Dienste werden dann komplett schließen.

Im Bundestag haben die Vertreter der Regierungsfraktionen den Gesetzesentwurf  erwartungsgemäß verteidigt, während er von den Oppositionsparteien abgelehnt wurde. Es wird sich nun zeigen, ob und wie dieser Gesetzesentwurf aus den Ausschüssen wieder herauskommt und welche Fassung in die abschließende 2. und 3. Lesung im Bundestag gelangt.

Vielleicht wäre es aber auch für die Politik und die Verlage ganz heilsam, wenn das Gesetz tatsächlich in Kraft tritt, denn dann wird die Politik sehr schnell erkennen, was sie angerichtet hat und die Verlage werden einsehen müssen, dass sie ein Eigentor geschossen haben. Möglicherweise ist dieser pädagogische Effekt ja genau das, was jetzt nötig ist.

posted by Stadler at 10:10  

28.11.12

Google, das Leistungsschutzrecht und die Heuchelei der Presse

Google hat gestern die Kampagne „Verteidige Dein Netz“ gestartet, was zu einem heftigen und höchst einseitigen Rauschen im Blätterwald geführt hat. Selten waren sich FAZ, SZ, SPON und andere so einig wie mit ihrer Kritik an dieser Kampagne Googles.

Die Reaktion der traditionellen Presse offenbart ein hohes Maß an Heuchelei und stell ein deutliches Indiz dafür dar, dass es mit der redaktionellen Unabhängigkeit nicht mehr weit her ist.

Google verfolgt mit seinem öffentlichen Aufruf zweifellos eigene wirtschaftliche Interessen und nutzt dafür die Popularität seiner Suchmaschine. Zu einer ausgewogenen Berichterstattung hätte es allerdings dann gehört, deutlich darauf hinzuweisen, dass die Verlage seit mehr als drei Jahren ganz massives Lobbying betreiben und unter Ausnutzung ihrer Macht und ihres Einflusses, die Regierungsparteien dazu gebracht haben, dass das Leistungsschutzrecht im Bundeskabinett beschlossen und anschließend als Gesetzesentwurf in den Bundestag eingebracht wird. In einem älteren, ebenso einseitigen Kommentar in der FAZ wird zumindest dieser zentrale Aspekt nicht verschwiegen:

Natürlich haben die Verlage in eigener Sache gekämpft – das sollte jeder tun, dessen Grundrechte gefährdet sind.

Aber trifft das auf Google etwa nicht zu? Ist der Hinterzimmer-Lobbyismus der alten Schule, den die Verlage natürlich bestens beherrschen, etwa besser und korrekter als eine offene Kampagne von Google? Liebe Qualitätspresse, mehr Heuchelei war selten.

Was die Verlage hier praktizieren, ist die Durchsetzung ihrer eigenen wirtschaftlicher Zwecke mit Hilfe der Gesetzgebung. Darauf hatte ich schon ganz zu Beginn der Debatte hingewiesen. Google hält – natürlich ebenfalls aus Eigennutz – erwartungsgemäß dagegen.

Man muss sich als Bürger schon deshalb auf die Seite Googles stellen, weil die Grundaussage des Suchmaschinenriesen richtig ist. Das Leistungsschutzrecht gefährdet die Informationsfreiheit und ist nicht im Sinne der Allgemeinheit. Das sage nicht nur ich, sondern das ist praktisch die einhellige Ansicht der Rechtswissenschaft. Die Option sich rauszuhalten, besteht deshalb für mich nicht. Die Position von Google ist im Kern richtig und die der Verlage ist falsch.

Dass die Verlage es gerade schaffen, ihre Reihen zu schließen und auch die großen Redaktionen hinter ihrer Forderung zu versammeln, verheißt im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Presse allerdings nichts Gutes.

posted by Stadler at 18:10  

13.11.12

Die Pressearbeit der Staatsanwaltschaften im rechtsfreien Raum

In dem Strafprozess wegen der NSU-Morde hat die Bundesanwaltschaft die Medien über den Inhalt der Anklageschrift unterrichtet, bevor die Anklageschrift den Angeklagten bzw. ihren Verteidigern überhaupt zur Kenntnis gegeben wurde. Im Falle des Wettermoderators Jörg Kachelmann wurde die Öffentlichkeit umgehend über die Festnahme informiert und auch im Laufe des Verfahrens waren immer wieder Verfahrensdetails in der Presse zu lesen, die z.T. nur von den Ermittlungsbehörden lanciert worden sein konnten. In der hiesigen Regionalpresse wurde vor einigen Tagen über einen „Justizstreit“ zwischen der Staatsanwaltschaft Landshut und dem Amtsgericht Freising berichtet. Hintergrund ist die Weigerung des Amtsgerichts, den Termin einer – nichtöffentlichen – Verhandlung vor dem Jugendstrafrichter wegen versuchter Strafvereitelung der Presse mitzuteilen. Das habe, so die Pressberichterstattung, bei der Staatsanwaltschaft für Unverständnis gesorgt, weil man dort der Ansicht ist, dass die versuchte Strafvereitelung im Zusammenhang mit einem spektakulären Mordprozess steht und deshalb ein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit gegeben sei. Das Amtsgericht sieht demgegenüber ein überwiegendes Schutzbedürfnis der im Tatzeitpunkt minderjährigen Angeklagten.

Alle diese Fälle zeigen, dass die Staatsanwaltschaften und z.T. auch Polizeibehörden die Medien ganz offiziell und gelegentlich auch weniger offiziell mit Informationen versorgen, um damit das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit, oder in vielen Fällen eher die Sensationslust, zu befriedigen.

Man kann sich deshalb schon mal die Frage stellen, auf welcher rechtlichen Grundlage die Staatsanwaltschaften hier eigentlich agieren. Und die knappe Antwort lautet: Es gibt keine. Die Pressearbeit der Staatsanwaltschaften ist gesetzlich überhaupt nicht geregelt. Wenn man das Handeln der Staatsanwaltschaften danach schulmäßig prüft, ist man mit der Rechtsprüfung an sich schnell zu Ende. Denn einer der wesentlichen verfassungsrechtlichen Grundsätze lautet: Kein Eingriff ohne gesetzliche Grundlage. Soweit also in Grundrechte des Beschuldigten eingegriffen wird – und das ist bei einer personenidentifizierenden Pressearbeit regelmäßig der Fall – ist diese Öffentlichkeitsarbeit schlicht rechtswidrig.

Henning-Ernst Müller hat im Beck-Blog bereits vor längerer Zeit darauf hingewiesen, dass das Ermittlungsverfahren nach dem derzeitigen gesetzlichen Konzept nicht öffentlich ist und gleichzeitig die staatsanwaltliche Öffentlichkeitsarbeit im Ermittlungsverfahren über keine bzw. nur ganz unzureichende Rechtsgrundlagen verfügt. Auch der Umstand, dass die öffentliche Mitteilung der Anklageschrift oder anderer amtlicher Schriftstücke eines Strafverfahrens nach § 353d StGB sogar strafbar ist, solange sie nicht in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind, kann in diesem Kontext ebenfalls nicht unbeachtet bleiben. Unabhängig davon, ob im Einzelfall sogar eine Strafbarkeit nach dieser Vorschrift in Betracht kommt, bringt die Regelung nämlich den Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass die Öffentlichkeit grundsätzlich nicht über Ermittlungsverfahren und auch nicht über Anklageerhebungen zu informieren ist. In diese Richtung hat sich auch der frühere Verfassungsrichter Winfried Hassemer geäußert.

Die juristische Bewertung ergibt meines Erachtens daher recht eindeutig, dass die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaften in Teilen schlicht rechtswidrig ist. Die Staatsanwaltschaften agieren bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit vielfach im rechtsfreien Raum und ohne jegliche rechtliche Grundlage. Nur der Gesetzgeber kann in diesem Bereich klare Befugnisse schaffen. Das erscheint mehr denn je auch notwendig, denn der Trend zu einer immer forscheren Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaften ist ungebrochen.

posted by Stadler at 21:26  

6.11.12

Bettina Wulff fordert großflächige Löschung von Suchergebnissen durch Google

Bettina Wulff fordert von Google nach Presseberichten die Löschung von ca. 3000 Suchmaschinentreffern im Zusammenhang mit ihrer Person. Das stellt offenbar den Versuch dar, missliebige Inhalte vollständig aus der Googlesuche zu bekommen und damit die Auffindbarkeit zu erschweren. Interessanterweise geht Wulff parallel nicht unbedingt auch gegen die Anbieter der Inhalte vor, selbst wenn diese bekannt sind und ohne weiteres greifbar wären.

Ein prominentes Beispiel ist Netzaktivist Alvar Freude, der davon erfahren hat, dass ein älterer Blogbeitrag von ihm weit oben auf der Löschliste steht, die Wulffs Anwälte an Google geschickt haben.

Alvar Freude setzt sich in seinem ausführlichen Blogbeitrag damit auseinander, dass die traditionelle Presse Bloggern vorwirft, die Gerüchte über eine Rotlichtvergangenheit von Bettina Wulff verbreitet zu haben, obwohl es gerade klassische Medien waren, die durch ihre Andeutungen und Anspielungen ein breites Publikum überhaupt erst auf die Gerüchte aufmerksam gemacht haben. Was Freude artikuliert, ist also Medienkritik, die natürlich auch ihren Anknüpfungspunkt kurz ansprechen muss, um nicht im luftleeren Raum zu bleiben. Von Wulffs Anwälten hat Freude bislang keine Post bekommen, vermutlich weil sie wissen, dass sich der Blogbeitrag Freudes schwerlich wird verbieten lassen, wenngleich man speziell beim Landgericht Hamburg in solchen Fällen stets mit allem rechnen muss.

Ob ein Suchmaschinenbetreiber überhaupt Trefferergebnisse löschen muss, die auf rechtswidrige Inhalte verweisen, ist juristisch umstritten und höchstrichterlich nicht geklärt. Im vorliegenden Fall ist es aber ganz augenscheinlich auch so, dass Bettina Wulff in großem Umfang eine Löschung auch solcher Inhalte fordert, die bei der gebotenen Abwägung mit der Meinungs- und Pressefreiheit nicht als ehrverletzend anzusehen sind. Es dürfte sich in der juristischen Diskussion auch irgendwann die Frage stellen, ob es nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist, Google als Störer in Anspruch zu nehmen, wenn man gleichzeitig ohne größeren Aufwand den greifbaren Urheber des beanstandeten Contents belangen könnte und damit die weite effizientere Möglichkeit hat, die für rechtswidrig gehaltenen Inhalte an ihrer Quelle zu löschen. Mit der Annahme eines derartigen Rechtsmissbrauchs war die Rechtsprechung bislang freilich sehr zurückhaltend. Das muss aber nicht so bleiben.

Denn das Vorgehen Wulffs gegen Google stellt auch eine Gefahr für die grundrechtlich verbürgte Informationsfreiheit dar. Es geht Bettina Wulff nämlich ersichtlich auch um die Löschung von Inhalten, die sie zwar als störend empfinden mag, die aber nicht als rechtsverletzend zu qualifizieren sind.

Google wird hier schon im eigenen Interesse standhaft bleiben müssen.

posted by Stadler at 12:26  
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