Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

22.3.12

Zulässigkeit von Ehrverletzungen im Rahmen von Gerichts- und Strafverfahren

Mit Urteil vom 28. Februar 2012 (Az.: VI ZR 79/11) hat der BGH entschieden, dass für Klagen auf Zahlung einer Geldentschädigung, die auf ehrkränkende Äußerungen in einem Gerichtsverfahren bzw. gegenüber Strafverfolgungsbehörden gestützt werden, in der Regel kein Rechtsschutzbedürfnis besteht, wenn die Äußerungen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung gedient haben oder in Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte oder Pflichten gemacht wurden.

In den Urteilsgründen führt der Senat u.a. aus:

Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats besteht für Ehrschutzklagen gegen Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen Vorbereitung dienen, in aller Regel kein Rechtsschutzbedürfnis (Senatsurteil vom 11. Dezember 2007 – VI ZR 14/07, VersR 2008, 357 Rn. 12 mwN; vgl. auch BVerfG, NJW-RR 2007, 840 f. mwN; BGH, Urteil vom 9. April 1987 – I ZR 44/85, WRP 1987, 627, 628 – Gegenangriff). Das sogenannte Ausgangsverfahren soll nicht durch eine Beschneidung der Äußerungsfreiheit der daran Beteiligten beeinträchtigt werden (vgl. Senatsurteile vom 17. Dezember 1991 – VI ZR 169/91, VersR 1992, 443 mwN; vom 16. November 2004 – VI ZR 298/03, VersR 2005, 277 f.). Vielmehr müssen die Parteien in einem Gerichtsverfahren grundsätzlich alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten, auch wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt wird. Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geprüft werden. Der von der ehrkränkenden Äußerung Betroffene kann weder Unterlassungs- noch Widerrufsansprüche geltend machen (vgl. Senatsurteile vom 10. Juni 1986 – VI ZR 154/85, NJW 1986, 2502, 2503 mwN.; vom 16. November 2004 – VI ZR 298/03, aaO, S. 278; vom 11. Dezember 2007 – VI ZR 14/07, aaO Rn. 13). Dies trägt dem Recht der Parteien auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtsschutz aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip sowie dem Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG Rechnung.

Der BGH macht dann ergänzend Ausführungen, dazu, dass diese Grundsätze auch für Äußerungen im Rahmen eines Strafverfahrens bzw. für Äußerungen im Zusammenhang mit der Erstattung einer Strafanzeige gelten. Der Ehrschutz ist in diesen Fällen zugunsten der Rechtspflege eingeschränkt, weil der Staat bei der Aufklärung von Straftaten darauf angewiesen ist, dass Bürger ihm ihren Verdacht schildern. Gegen einen Bürger der eine Strafanzeige erstattet, bestehen deshalb nach Ansicht des BGH – solange noch keine falsche Verdächtigung im Sinne von § 164 StGB vorliegt – auch keine zivilrechtlichen Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche. Der BGH begründet diese Schlussfolgerung folgendermaßen:

Wer der Staatsanwaltschaft oder der Polizei seinen Verdacht mitteilt, dass ein anderer eine strafbare Handlung begangen habe, berührt zwangsläufig die Ehre des anderen. Das kann ihm nicht verwehrt werden; denn mit der Erstattung der Anzeige übt er ein jedem Staatsbürger zustehendes Recht aus. Die Strafanzeige eines Bürgers liegt darüber hinaus grundsätzlich im allgemeinen Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens und an der Aufklärung von Straftaten; der Rechtsstaat kann darauf bei der Strafverfolgung nicht verzichten (vgl. Senatsurteil vom 14. November 1961 – VI ZR 89/59, aaO; BVerfGE 74, 257, 262). Aus diesen Gründen muss der Anzeigende im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren grundsätzlich das vorbringen dürfen, was er nach seinem Ermessen zur Aufklärung der Sache für erforderlich hält. Den berechtigten Belangen des in seiner Ehre Betroffenen ist durch die Bestimmung des § 164 StGB (falsche Verdächtigung), die Kostenregelung in § 469 StPO für den Fall einer vorsätzlich oder leichtfertig erstatteten unwahren Anzeige sowie die rechtsstaatliche Ausgestaltung des Ermittlungsverfahrens hinreichend Rechnung getragen. Für zivilrechtliche Abwehransprüche ist dagegen in aller Regel kein Raum.

posted by Stadler at 10:48  

21.3.12

Die angebliche Wunschliste der Content-Industrie

Die als Wirtschaftsdialog getarnten Geheimverhandlungen zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium, Urheberrechtslobbyisten und Providern, über die ich hier kürzlich bereits berichtet hatte, haben wohl aus gutem Grund hinter verschlossenen Türen stattgefunden. Denn es gab offenbar eine ganz konkrete Agenda, deren frühzeitiges öffentliches Bekanntwerden vermutlich zu einem Aufschrei geführt hätte.

Alvar Freude bloggt beim AK Zensur über einen 10-Punkte-Plan der Content-Industrie, über den auf dem Treffen beim BMWi nicht nur diskutiert, sondern zumindest in Einzelpunkten auch eine Einigung erzielt worden sein soll.

Die Forderungen der Urheberrechtslobbyisten beinhalten u.a. eine längere Speicherung von IP-Adressen durch die Provider, eine Ausweitung des Auskunftsanspruchs gegen Access-Provider auch auf Rechtsverstöße von nichtgewerblichem Ausmaß sowie eine inhaltliche Ausweitung des Auskunftsanspruchs.

Außerdem fordern die Rechteinhaber offenbar eine Impressumspflicht bei selbst eingestellten Inhalten bzw. alternativ eine (volle) Haftung des Portalbetreibers sowie weiterhin ein Two- bzw. Three-Strikes-Modell.

 

posted by Stadler at 15:35  

21.3.12

BGH zum Namensrecht: Landgut Borsig

Der BGH hat mit einem heute im Volltext veröffentlichten Urteil vom 28. September 2011 (Az.: I ZR 188/09) eine äußerst interessante Fragestellung des Namens- und Domainrechts entschieden.

Die Beklagten hatten im Jahr 2000 von der Treuhand das ehemalige Landgut der Familie v. Borsig in Groß Behnitz erworben und benutzen für ihren dort ansässigen Geschäftsbetrieb die Bezeichnung „Landgut Borsig Groß Behnitz“ und haben außerdem die Domain „landgut-borsig.de“ für sich registriert.

Der Kläger ist Namensträger und Nachfahre der Berliner Industriellenfamilie Borsig. Er verlangt von den Beklagten es zu unterlassen, den Namen „Borsig“, insbesondere den Begriff „Landgut Borsig“ zu verwenden und den Domainnamen „landgut-borsig.de“ zu löschen.

Das Landgericht hatte antragsgemäß verurteilt, das Kammergericht einschränkend dahingehend, dass nur die Verwedung der Bezeichnung „Landgut Borsig“ untersagt bleibt.

Diese Entscheidungen hat der BGH aufgehoben und zurückverwiesen.

Die entscheidende Passagen aus dem Urteil des BGH lauten:

Eine dem Namen einer Person entsprechende Unterscheidungs- und Identitätsfunktion kann auch der Bezeichnung eines Gebäudes zukommen, wenn sie im Sprachgebrauch des relevanten Verkehrs zu seiner Benennung anerkannt ist. Da ein berechtigtes Interesse an der Benennung eines Gebäudes mit einer vom Verkehr anerkannten Bezeichnung bestehen kann, entstünde eine nicht hinnehmbare Rechtsschutzlücke, wenn dieser Benennung ein Schutz entsprechend § 12 BGB versagt wäre. Der erforderliche personale Bezug des Namensrechts an einem Gebäude oder Grundstück besteht abhängig von den Umständen des Einzelfalls zum Erbauer, jeweiligen Eigentümer oder einem sonst Berechtigten (vgl. BGH, MDR 1976, 998 – Sternhaus; Krüger-Nieland in Festschrift R. Fischer, 1979, S. 339, 349; H. Lehmann, MuW 1931, 353, 357). Allein dieser jeweils Berechtigte ist befugt, sich auf den mit dem Gebäude oder Grundstück verbundenen Namen zu berufen, um von Dritten gegen die Namensführung erhobene Ansprüche abzuwehren. Diese Befugnis ist von der Berechtigung an dem Gebäude oder Grundstück abhängig, sie ist akzessorisch mit diesem verbunden. Ein Erwerber der Immobilie erlangt deshalb auch die mit ihr im Zeitpunkt des Erwerbs etwa verbundene Befugnis zur entsprechenden Namensführung.

Die Befugnis, den durch Verselbständigung entstandenen Namen eines Gebäudes oder eines Grundstücks zu führen, ist nicht auf eine Verwendung für die Bezeichnung der Liegenschaft beschränkt. Sie kann sich auch auf einen mit der Liegenschaft verbundenen Geschäftsbetrieb und dessen Betreiber erstrecken. (…)

Die Schutzwürdigkeit des Interesses der Beklagten an der Benennung der Liegenschaft als „Landgut Borsig“ setzt jedoch weiter voraus, dass diese Bezeichnung im Zeitpunkt der Benutzungsaufnahme durch die Beklagten entsprechend ihrer Behauptung im allgemeinen Sprachgebrauch des maßgeblichen Verkehrs üblich war. Denn solange das nicht der Fall ist, fehlt der Bezeichnung eines Gebäudes oder einer Liegenschaft eine dem Namen einer Person entsprechende Unterscheidungs- und Identitätsfunktion, die eine entsprechende Anwendung des § 12 BGB rechtfertigen kann.

Für ein Landgut kommt es dabei in erster Linie auf den Sprachgebrauch in der Gegend an, in der es belegen ist. In Anlehnung an die für die Verkehrsgeltung im Markenrecht geltenden Grundsätze (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2008 I ZR 190/05, GRUR 2008, 917 Rn. 38 = WRP 2008, 1319 EROS; Fezer aaO § 4 MarkenG Rn. 122 f.) reicht es insoweit aus, wenn ein jedenfalls nicht unerheblicher Teil der relevanten Verkehrskreise ein Gebäude in entsprechender Weise benennt. Zum Nachweis der Üblichkeit der Benennung bei einem Gebäude genügt es aber auch, wenn die entsprechende Bezeichnung in wissenschaftlichen oder amtlichen Veröffentlichungen oder öffentlichen Registern mit einer gewissen Häufigkeit verwendet wird.

Das Berufungsgericht hat unter Verletzung von § 286 ZPO keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, ob die Bezeichnung „Landgut Borsig“ für die Liegenschaft im maßgeblichen Zeitpunkt der Benutzungsaufnahme in den relevanten Verkehrskreisen üblich war.

 

posted by Stadler at 13:23  

20.3.12

Irreführende Werbung für Internet-Flatrates

Viele sog. Datenflatrates der Mobilfunkanbieter werden nach dem Erreichen eines bestimmten Datenvolumens – oft 500 MB – erheblich gedrosselt. Dennoch bewerben die Anbieter diese eingeschränkten Flatrates vollmundig mit Werbeaussagen wie „unbegrenzt surfen“, „ohne Limit surfen“ oder „grenzenlos surfen“, während man den Hinweis auf die Beschränkung zumeist mit der Lupe suchen muss.

Gegen diese unlautere Werbepraxis von Mobilfunkprovidern hat die Wettbewerbszentrale nunmehr mehrere einstweilige Verfügungen bei verschiedenen Landgerichten erwirkt, wie es in einer Presssemitteilung des Verbands heißt, weil diese Art der Werbung den unzutreffenden Eindruck einer unbegrenzten Flatrate erweckt.

Die Entscheidungen stammen von folgenden Gerichten:
LG Wiesbaden, Beschluss vom 11.01.2012, Az. 11 O 1/12; LG Hannover, Beschluss vom 25.01.2012, Az. 24 O 4/12; LG Hamburg, Beschluss vom 10.02.2012, Az. 312 O 83/12, n. rkr.; LG Kiel, Urteil vom 29.02.2012, Az. 14 O 18/12, n. rkr.

posted by Stadler at 21:10  

20.3.12

Abmahnkosten in die Slowakei überweisen?

Mandanten haben mir gestern eine Abmahnung einer Anwaltskanzlei „Dr. Kroner & Kollegen“ aus München vorgelegt, die die Vertretung große Musik- (EMI, Sony BMG, Universal, Warner) und Filmkonzerne (Paramount, Dream Works) vorgibt. Als Gegenstand  der Abmahnung wird genannt: „Nutzung Filesharing-Dienste: hier Megaupload“.

In dem Abmahnschreiben wird nicht ausdrücklich die Abgabe einer Unterlassungserklärung gefordert, sondern lediglich – natürlich im Zuge einer großzügigen vergleichsweisen Einigung – die Überweisung von EUR 146,95 auf ein Konto in der Slowakei.

Das klingt nicht nur komisch, sondern ist es auch. Es gibt nämlich im Anwaltsverzeichnis der Rechtsanwaltskammer München keinen Rechtsanwalt Dr. Klaus Kroner. Die Domain „kroner-kollegen.de“, die auf dem durchaus professionell wirkenden Briefkopf genannt ist, ist bei DENIC übrigens sogar registriert. Domaininhaber ist ein „Istvan Nagy“ aus Wien. Bei Eingabe der URL landet man aber zumindest mittlerweile auf einer Umleitungsseite von United Domains.

Bei dieser Abmahnung handelt es sich also ganz offensichtlich um den Versuch eines Betrugs. Der Kollege Dosch hatte bereits gestern über den Fall berichtet.

posted by Stadler at 13:19  

20.3.12

Netzneutralität und Providerpraxis in der EU

Die durch EU-Verordnung geschaffene Behörde BEREC (Body of European Regulators for Electronic Communications) hat der Kommission einen ersten Bericht über Providerpraktiken zum „Traffic Management“ vorgelegt. Der Bericht gelangt zu dem Ergebnis, dass die Blockade von VoIP- und P2P-Traffic üblich ist, wobei die Internettelefonie (VoIP) primär im Mobilfunkbereich blockiert wird, zumeist entsprechend vertraglich vorgesehener Einschränkungen, während der Zugriff auf Peer-To-Peer-Netzwerke vorwiegend im Festnetzbereich beschränkt wird. Sofern ein solcher Blockademechanismus implementiert ist, wird er nach den Erkenntnissen von BEREC zumeist im Wege der Deep-Packet-Inspection (DPI) umgesetzt.

Darüber hinaus hat BEREC eine große Bandbreite weiterer Maßnahmen festgestellt, die unterschiedlich weit verbreitet sind. Hierzu gehört die Drosselung des Streamings ebenso wie die bevorzugte Behandlung bestimmter Services.  Die hierzulande vieldiskutierte Idee der Einführung von Diensteklassen scheint also bereits der Praxis einer ganzen Reihe von Providern zu entsprechen.

Der Bericht der BEREC – bislang ist nur eine Pressemitteilung veröffentlicht – wird die Netzneutralitätsdiskussion vermutlich wieder befeuern. Axel Spieß berichtet im Beck-Blog ergänzend von einem Konsultationsverfahren von BEREC zur Nicht-Diskriminierung.

posted by Stadler at 11:09  

19.3.12

Über das Urheberrecht und Ampeln im Internet

Am vergangenen Freitag habe ich als Zuhörer den Netzkongress der CSU besucht, zumal das Positionspapier des CSU-Netzrates durchaus vielsprechend ist. Und der Hauptredner des Nachmittags Edmund Stoiber war besser als befürchtet, wenngleich er irgendwann den Faden verloren und über Ampeln für das Anklicken von Websites schwadroniert hat. Stoiber zog ganz konkret einen Vergleich zu den Lebensmittelampeln, über deren Einführung man vor einiger Zeit diskutiert hatte. Das weckt entfernte Erinnerungen an den ebenfalls wenig geistreichen Vorschlag einer Kennzeichnung B für Blogs. Dahinter steckt in beiden Fällen ein diffuser regulatorischer Ansatz, dessen Ausgestaltung allerdings im Dunkeln verbleibt. Aber vielleicht ist Edmund Stoiber auch nur der Karl Valentin der Politik und wollte mit einem dadaistischen Einwurf etwas Verwirrung stiften.

Zum Ende seiner Rede (ca. ab Minute 26) hat der Altministerpräsident dann seinen konservativen Faden aber wieder aufgenommen. Denn die vom CSU-Netzrat geforderte, aber noch nicht detailliert skizzierte Reform des Urheberrechts schien Stoiber zu beunruhigen. Er stellte klar, dass es natürlich auch darum gehen müsse, die Urheber zu schützen, nicht zuletzt vor der sektiererischen Piratenpartei. Edmund Stoiber möchte den „Rohstoff Geist“ schützen. Das ist ein Aspekt, der mir ebenfalls sehr am Herzen liegt. Anders als Stoiber glaube ich allerdings, dass man den „Rohstoff Geist“ am effektivsten schützt, indem man für einen möglichst freien Fluss der Informationen und des Wissens sorgt. Der freie Zugang zum Wissen ist nämlich das was eine Informationsgesellschaft nach vorne bringt.  Deshalb wäre gerade im Bildungs- und Wissenschaftsbereich eine stärkere Verbreitung der Idee des Open-Access für den von Stoiber beschworenen Schutz des Rohstoffs Geist in höchstem Maße sinnvoll. Wenn man allerdings immer nur die wirtschaftlichen Interessen der Verlage im Blick hat, tritt dasjenige, was im Sinne der Allgemeinheit ist, schnell in den Hintergrund.

Die Berichterstattung über den Netzkongress der CSU hat außerdem wieder einmal deutlich gemacht, wie Massenmedien funktionieren. Fast alle etablierten Medien von der BILD bis hin zur Süddeutschen haben nämlich aus dem Nebenaspekt der Forderung nach einem Internet-(Staats-)Minister ihre Schlagzeile produziert. Wer vor Ort war, hat natürlich bemerkt, dass das kein inhaltlich zentraler Punkt der Veranstaltung war. Medien erschaffen leider immer noch gezielt Zerrbilder, indem sie aus Nebensächlichkeiten Schlagzeilen machen, anstatt die Menschen sachlich und neutral zu informieren.

 

posted by Stadler at 11:26  

17.3.12

Bundesregierung will Intransparenz bei ACTA beibehalten

Worüber netzpolitik.org gerade berichtet, ist nicht weniger als ein wirkliches Gustostück der Bundesregierung. Denn das Justizministerium verweigert die Einsicht in die dort geführten Akten zu ACTA und die Beantwortung der Frage, wer für die Bundesregierung an den Verhandlungen teilgenommen hat, mit dem Hinweis auf eine drohende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit (sic!).

Nun hat das Bundesverwaltungsgericht erst Ende des letzten Jahres entschieden, dass das Informationsfreiheitsgesetz für die gesamte Tätigkeit der Bundesministerien gilt. Weil also der Einwand, es sei Regierungshandeln betroffen, nicht mehr zieht, behilft man sich mit einer noch kurioseren Begründung. Die Herausgabe der Informationen würde die öffentliche Sicherheit gefährden, weil in einzelnen Internetforen eine vom sachlichen Regelungsgehalt der Bestimmungen des Abkommens losgelöste, emotionale Diskussion geführt werde, bei der auch ehrverletzende Äußerungen und Drohungen mit Gewalt gegen an ACTA beteiligte Personen ausgesprochen würden.

Eine kontroverse öffentliche Diskussion, bei der zwangsläufig – wie bei jeder Diskussion im Netz – durch ein paar Wenige auch kräftig getrollt wird, soll also die öffentliche Sicherheit gefährden? Wenn diese Begründung bei den Verwaltungsgerichten hält, dann hätte die Bundesregierung den Schlüssel dafür gefunden, wie man das Informationsfreiheitsgesetz nach Belieben aushebeln kann.

Wenn Transparenz als Gefahr für die öffentliche Sicherheit dargestellt wird, dann haben wir es mit einer Begründungstechnik zu tun, die totalitäre Züge trägt und die der Regierung eines demokratischen Staates unwürdig ist.

posted by Stadler at 20:52  

16.3.12

OLG Hamburg bejaht erneut Haftung von Rapidshare

Das OLG Hamburg hat erneut eine Haftung des Sharehosters Rapidshare für urheberrechstwidrigen Content, der von Nutzern eingestellt worden ist, bejaht. Im Gegensatz hierzu hat das OLG Düsseldorf eine Haftung von Sharehostern bislang abgelehnt. Die Frage liegt mittlerweile auch dem BGH zur Entscheidung vor, der am 12. Juli die Revision gegen das Urteil des OLG Düsseldorf mündlich verhandeln wird.

In seiner neuen Entscheidung vom 14.03.2012 (Az. 5 U 87/09) schränkt das OLG Hamburg seine bisherige Rechtsprechung allerdings ein. Der Senat geht davon aus, dass der bloße Upload von urheberrechtswidrigem Content noch nicht ausreichend ist, sondern eine Haftung erst dann eintritt, wenn tatsächlich „Downloadlinks“ im Internet kursieren. Diese Einschränkung ist mit Sicherheit zutreffend, da das bloße Speichern von Musik- oder Filmdateien durch einen Nutzer von der Vorschrift des § 53 UrhG gedeckt sein kann.

Zur Frage der Zumutbarkeit von Prüfpflichten von Rapidshare wird in der Pressemitteilung des OLG Hamburg folgendes ausgeführt:

„Das Geschäftsmodell der Beklagten berge jedoch strukturell und insbesondere im Hinblick auf die in der Vergangenheit erfolgte besondere Förderung massenhaften Zugriffs auf einzelne Dateien (z.B. durch ein Bonussystem) die Gefahr massenhafter Begehung von Urheberrechtsverletzungen in einem Umfang in sich, der die Erfüllung von Prüf- und Handlungspflichten zumutbar mache. Damit war die Beklagte nach Auffassung des Senats verpflichtet, konkrete Maßnahmen zur Vermeidung weiterer Rechtsverletzungen zu ergreifen, sobald ihr bekannt geworden war, dass Musikwerke urheberrechtswidrig öffentlich abrufbar waren.“

Man darf gespannt sein, ob sich das OLG Hamburg in seiner Urteilsbegründung auch mit der neuesten Rechtsprechung des EuGH auseinandersetzt.

Ausweislich der Pressemitteilung verlangt das OLG Hamburg u.a., dass Rapidshare rechtsverletzende Downloadlinks löscht. Das ist bereits deshalb nicht möglich, weil Rapidshare diese Links ja nicht setzt und gar keine Möglichkeit hat, derartige Links zu löschen. Der Sharehoster kann nur Dateien auf seinen Servern löschen. Das OLG Hamburg fordert laut Pressemitteilung offenbar weiterhin, dass durch Rapidshare

„in Link-Ressourcen im Internet gezielt nach weiteren Links gesucht werde, über die das betreffende Werk in urheberrechtsverletzender Weise zugänglich gemacht werde“

Rapidshare soll also im Internet systematisch nach derartigen Downloadlinks suchen, um dann in einem nächsten Schritt den Content auf den eigenen Servern zu löschen. Das erfordert freilich ein aufwendiges Kontroll- und Überwachungssystem, das schwerlich mit § 7 Abs. 2 TMG bzw. Art. 15 Abs. 1 der E-Commerce-Richtlinie vereinbar wäre. Der einzige rechtsdogmatisch saubere Ausweg besteht m.E. darin, Dienste wie Rapidshare nicht mehr als (neutrale) Hoster zu betrachten, weil deren Geschäftsmodell gezielt auf die Begünstigung von Urheberrechtsverletzungen ausgerichtet ist.

Ich bin gespannt auf die diesbezügliche Einschätzung des BGH, zumal der I. Senat in seinen Internet-Versteigerungsfällen ebenfalls eine Auffassung vertreten hat, die aus meiner Sicht weder mit der Rechtsprechung des EuGH noch mit den Vorgaben von § 7 Abs. 2 TMG und Art. 15 Abs. 1 ECRL vereinbar ist.

posted by Stadler at 12:59  

16.3.12

Als „Wirtschaftsdialog“ getarnte Geheimverhandlungen gescheitert

Wenn das Bundeswirtschaftsministerium hinter verschlossenen Türen über die Einführung eines „freiwilligen“ Two-Strike-Modells mit Providern verhandelt, nennt man das Wirtschaftsdialog.

Diese Veranstaltung hatte bereits im Vorfeld für Wirbel gesorgt, weil einige Bürgerrechtsorganisationen wie der AK Zensur und der Digitale Gesellschaft e.V auch auf Nachfrage hin nicht zu der Veranstaltung zugelassen wurden.

Die Bundesregierung versucht also, ähnlich wie einst bei den Netzsperren, Grundrechtseingriffe durch eine freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft zu erreichen, was bereits aus verfassungsrechtlicher Sicht in höchstem Maße problematisch ist. Der Staat kann sich nämlich seiner Grundrechtsbindung nicht dadurch entledigen, dass er in das Privatrecht ausweicht bzw. den Grundrechtseingriff Privaten (Providern) überlässt.  Die Nutzung zivilrechtlicher Formen befreit die staatliche Gewalt nicht von ihrer Bindung an die Grundrechte. Das hat das BVerfG erst unlängst in der Fraport-Entscheidung klargestellt.

Dass das Ministerium bei einem solchen Vorhaben zivilgesellschaftliche Gruppen, die auf die Einhaltung der Grundrechte pochen, als Störfaktor betrachtet, ist wenig überraschend. Die Bundesregierung hat offenbar weiterhin nicht verstanden, dass das Zeitalter intransparenter und gleichzeitig rechtsstaatswidriger Geheimverhandlungen zu Ende geht.

Erfreulicherweise sind die als Wirtschaftsdialog bezeichneten Verhandlungen mit den Providern aber gescheitert, wie Heise berichtet. Denn die Internet-Service-Provider haben kein Interesse derartige Wanrhinweismodelle einzuführen, zumal sie wissen, wie die zivilgesellschaftlichen Gruppen hierauf reagieren.

 

posted by Stadler at 10:09  
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