Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

17.10.10

Präsident des BVerfG äußerst sich zu Stuttgart 21

In einem Interview mit der SZ hat sich der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle zum Streit um Stuttgart 21 geäußert. Das ist zunächst deshalb erstaunlich, weil sich Verfassungsrichter regelmäßig aus dem aktuellen politischen Geschehen raushalten, was auch aus Gründen der Gewaltenteilung geboten erscheint.

Im konkreten Fall sind die Aussagen des höchsten deutschen Richters auch in der Sache zu missbilligen, denn er ergreift Partei zugunsten der Befürworter von Stuttgart 21. Voßkuhle hält einen (nachträglichen) Volksentscheid deshalb für problematisch, weil dies ein ernsthaftes Problem für die Verwirklichung von Infrastrukturprojekten darstelle. Irgendwann müsse hier ein Schlusspunkt gesetzt werden, so Voßkuhle.

Diese Sichtweise entspringt  einer ängstlichen juristischen Tradition, die die Gefahren über die Möglichkeiten stellt. Dass auch vermeintlich endgültige politische Entscheidungen wieder in Frage gestellt und revidiert werden, geschieht ohnehin häufiger. Mit einem Novum hätten wir es insoweit deshalb auch in Stuttgart nicht zu tun. Neu wäre daran allenfalls, dass dies nicht auf Druck von Lobbyisten passieren würde, wie zum Beispiel bei der (erneuten) Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke.

Was die Würdenträger dieses Staates offenbar irritiert, ist der Umstand, dass plötzlich auch mit dem Bürger gerechnet werden muss und sich möglicherweise gerade die politischen Spielregeln ändern. Das stellt für unsere Demokratie keine Gefahr dar, sondern eröffnet ihr neue Chancen. „Mehr Demokratie wagen“, wollte Willy Brandt schon 1969. Für seine aktuellen Nachfolger ist es möglicherweise an der Zeit sich daran zu erinnern, bevor sie von der Entwicklung überrollt werden.

posted by Stadler at 19:31  

16.10.10

Offenkundig unzutreffend

Der Bundesverband deutscher Zeitungsverleger (BDZV) hat sich in der Diskussion um das umstrittene Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse veranlasst gesehen, die Aussagen von Google zum Thema im Rahmen einer Pressemitteilung vom 15.10.10 als offenkundig unzutreffend darzustellen. In Wirklichkeit setzt der BDZV damit aber nur seine Desinformationskampagne fort, die auch bei politischen Entscheidern schon Wirkung gezeigt hat.

Wenn der BDZV behauptet, Google erwecke den falschen Eindruck, dass eine staatliche Zwangsabgabe geschaffen werden solle, dann sollte der Verband vielleicht einmal seinen eigenen Gesetzesentwurf lesen, insbesondere den Entwurf eines § 87g Abs. 3 UrhG. Dort wird nämlich ganz explizit geregelt, dass für gewerblich genutzte Vervielfältigungsgeräte (Computer, Kopierer o.ä.) die Vermutung gelten soll, dass sie zur Herstellung von Vervielfältigungsstücken von Presseerzeugnissen verwendet werden und deshalb eine Geräteabgabe an eine Verwertungsgesellschaft zu bezahlen ist. Die Aussagen von Google sind also zutreffend.

Auch die weiteren Bedenken von Google, das Leistungsschutzrecht würde das Zitatrecht gefährden, sind nicht nur berechtigt, sondern greifen eher noch zu kurz. Die Deutsche Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR), die kaum im Verdacht stehen dürfte, sich gegen die Interessen von Urhebern zu engagieren, lehnt das Leistungsschutzrecht ebenfalls ab und befürchtet sogar, dass damit zugunsten der Verlage ein Schutz der Sprache und der Information selbst begründet wird.

Offenkundig unzutreffend sind also allenfalls die öffentlichen Äußerungen des BDZV.

posted by Stadler at 12:58  

15.10.10

Kein Scher(t)z

Dass sich der Kollege Dr. Schertz, der Vielen als Medien- und Promianwalt ein Begriff ist, bei dem Versuch vergaloppiert hat, unliebsame Berichterstattung über seine Prozesse mit Hilfe des Gewaltschutzgesetzes zu unterbinden, hatte ich schon berichtet.

So richtig einsichtig scheint er aber nicht gewesen zu sein, denn anschließend hat der antragsfreudige Kollege den Gerichtsort gewechselt und beim Landgericht Köln – erneut erfolglos – versucht, u.a. eine Veröffentlichung eines Urteils des AG Charlottenburg, zusammen mit einer Karikatur, zu unterbinden. Das Landgericht Köln hat die Klage mit Urteil vom 13.10.2010 (28 O 332/10) abgewiesen, wie auch eine weitere Klage in einem parallelen Fall. Und wenn es selbst in Köln nicht klappt, dann will das in solchen Fällen was heißen.

(via RA Kompa)

posted by Stadler at 17:37  

15.10.10

BGH stärkt das Recht Links zu setzen

In einem jahrelang andauernden Streit zwischen dem Heise-Verlag und der Musikindustrie um die Frage, ob im Rahmen einer redaktionellen Berichterstattung auf den Hersteller einer Software, die Kopierschutz umgeht, verlinkt werden darf, hat der BGH nunmehr zu Gunsten des Verlags entschieden. Heise war sowohl im Eilverfahren als auch im Hauptsacheverfahren vor dem Oberlandesgericht München unterlegen. Das Urteil des OLG München aus dem Hauptsacheverfahren hat der BGH heute laut einem Bericht von Heise aufgehoben.

In einem schon älteren Aufsatz für JurPC habe ich mich mit dem Urteil des OLG München aus dem Verfügungsverfahren beschäftigt und erläutert, warum die Rechtsansicht des Oberlandesgerichts unzutreffend ist. Die Entscheidung ist m.E. für die Onlineberichterstattung insgesamt von großer Bedeutung. Die Urteilsgründe liegen allerdings noch nicht vor.

posted by Stadler at 11:32  

15.10.10

Widerstand gegen ACTA

Obwohl die letzte Verhandlungsrunde eine Einigung der Unterzeichnerstaaten herbeiführen sollte, sind offenbar nach wie vor einige Punkte des sog. Anti Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) ungeklärt.

Das internationale Handelsabkommen ACTA trifft Regelungen auf dem Gebiet des “geistigen Eigentums”. Die Entwürfe sahen ursprünglich u.a. auch eine weitreichende Inpflichtnahme von Internet Service Providern vor. Diese Vorschriften sind allerdings weitgehend wieder gestrichen worden.

Widerstand kommt nunmehr fast erwartungsgemäß von Ländern wie Brasilien oder Indien, die bei den ACTA-Verhandlungen (bewusst) außen vor gelassen worden sind.

Inhaltlich sieht der Urheberrechtsexperte Axel Metzger in einem Beitrag für die c’t ACTA auf der Linie des TRIPS-Abkommens und der Enforcement-Richtlinie. Gleichwohl kritisiert Metzger, dass ACTA nicht für einen Ausgleich der widerstreitenden legitimen Interessen von Urhebern und Rechteinhabern einerseits und Nutzer andererseits, steht.

Die Erkenntnis, dass man in Zukunft an einer derart fairen Ausgestaltung des Urheberrechts nicht vorbeikommen wird, hat sich in der Politik, weder national noch international, bislang nicht ansatzweise durchgesetzt. Gerade die deutsche Gesetzgebung mit ihren verschiedenen Körben, die allesamt das Urheberrecht zu Gunsten der Rechteinhaber umgestaltet haben, ohne die Interessen der Allgemeinheit angemessen zu berücksichtigen, muss als geradezu anachronistisch betrachtet werden. Und auch die aktuellen Äußerungen aus dem Bundesjustizministerium lassen keinerlei Bewusstseinswandel erkennen.

Die Politik wird allerdings auch bei diesem Thema erkennen müssen, dass es zunehmend schwerer werden wird, Lobbyinteressen den Vorrang vor den Interessen der Bürger einzuräumen. Hinzu kommt im digitalen Kontext, dass sich die Politik und die Urheberrechtslobby auch gegen die technologische Entwicklung stemmen.

Und genau aus diesem Grund bin ich optimistisch, dass sich die Dinge früher oder später verändern werden und eine Modernisierung eines veralteten Urheberrechts in Angriff genommen werden wird, das die Anforderungen der Informationsgesellschaft in den Mittelpunkt stellt. Denn auch die Politik und die Lobbyisten werden den Lauf der Zeit nicht aufhalten.

posted by Stadler at 11:03  

14.10.10

Darf die Polizei in sozialen Netzwerken ermitteln?

Habe gerade dem On3-Radio des Bayerischen Rundfunks ein Interview – das wohl erst nächste Woche gesendet wird – zu der Frage gegeben, ob die Strafverfolgungsbehörden in sozialen Netzwerken ermitteln dürfen.

Das dürfen Sie in einem gewissen Umfang in der Tat und praktizieren das meines Wissens auch. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung zur Onlineüberwachung u.a. auch zur Ermittlungstätigkeit im Netz Stellung genommen und dazu folgendes ausgeführt:

Eine Kenntnisnahme öffentlich zugänglicher Informationen ist dem Staat grundsätzlich nicht verwehrt. Dies gilt auch dann, wenn auf diese Weise im Einzelfall personenbezogene Informationen erhoben werden können (…). Daher liegt kein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vor, wenn eine staatliche Stelle im Internet verfügbare Kommunikationsinhalte erhebt, die sich an jedermann oder zumindest an einen nicht weiter abgegrenzten Personenkreis richten. So liegt es etwa, wenn die Behörde eine allgemein zugängliche Webseite im World Wide Web aufruft, eine jedem Interessierten offen stehende Mailingliste abonniert oder einen offenen Chat beobachtet.

Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung kann allerdings gegeben sein, wenn Informationen, die durch die Sichtung allgemein zugänglicher Inhalte gewonnen wurden, gezielt zusammengetragen, gespeichert und gegebenenfalls unter Hinzuziehung weiterer Daten ausgewertet werden und sich daraus eine besondere Gefahrenlage für die Persönlichkeit des Betroffenen ergibt. Hierfür bedarf es einer Ermächtigungsgrundlage.

Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung liegt nicht schon dann vor, wenn eine staatliche Stelle sich unter einer Legende in eine Kommunikationsbeziehung zu einem Grundrechtsträger begibt, wohl aber, wenn sie dabei ein schutzwürdiges Vertrauen des Betroffenen in die Identität und die Motivation seines Kommunikationspartners ausnutzt, um persönliche Daten zu erheben, die sie ansonsten nicht erhalten würde (…). Danach wird die reine Internetaufklärung in aller Regel keinen Grundrechtseingriff bewirken. Die Kommunikationsdienste des Internet ermöglichen in weitem Umfang den Aufbau von Kommunikationsbeziehungen, in deren Rahmen das Vertrauen eines Kommunikationsteilnehmers in die Identität und Wahrhaftigkeit seiner Kommunikationspartner nicht schutzwürdig ist, da hierfür keinerlei Überprüfungsmechanismen bereitstehen. Dies gilt selbst dann, wenn bestimmte Personen – etwa im Rahmen eines Diskussionsforums – über einen längeren Zeitraum an der Kommunikation teilnehmen und sich auf diese Weise eine Art „elektronische Gemeinschaft“ gebildet hat. Auch im Rahmen einer solchen Kommunikationsbeziehung ist jedem Teilnehmer bewusst, dass er die Identität seiner Partner nicht kennt oder deren Angaben über sich jedenfalls nicht überprüfen kann. Sein Vertrauen darauf, dass er nicht mit einer staatlichen Stelle kommuniziert, ist in der Folge nicht schutzwürdig.

Polizeiliche Ermittlungen in sozialen Netzen wie Facebook sind somit erst dann problematisch, wenn ein Polizeibeamter unter einer Legende ermittelt, einen Kommunikationsprozess aufnimmt und sich eine gewisse Vertrauensstellung erschleicht um so an Informationen zu gelangen, die der Betroffene ansonsten nicht preisgegeben hätte.

Passend hierzu berichtet netzpolitik.org heute darüber, dass die US-Regierung eine eigene Abteilung „Social Networking Monitoring Center“ gegründet hat, die der Überwachung sozialer Netze dient.

posted by Stadler at 15:01  

13.10.10

OLG Koblenz: AGB von 1&1 in Teilen unzulässig

Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Koblenz (Urteil vom 30.09.2010, Az.: 2 U 1388/09) sind einige der Klauseln aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Hostingproviders 1&1 unzulässig.

Betroffen sind u.a. die Vertragsanpassungsklausel, eine Klausel wonach die AGB auch für künfige Vertragsverhältnisse gelten sollen, eine Kostenübernahmereglung bei Rücklastschriften, eine (asymetrische) Kündigungsklausel, eine Höherstufung in einen anderen Tarif bei einmaliger Trafficüberschreitung sowie die Einräumung eines außerordentlichen Kündigungsrechts bei Zahlungsverzug von nur 20 Tagen.

(via Beck-Blog)

posted by Stadler at 21:19  

13.10.10

KEK stellt vierten Medienkonzentrationsbericht vor

Die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) hat den vierten Bericht über die Entwicklung der Konzentration und über Maßnahmen zur Sicherung der Meinungsvielfalt im privaten Rundfunk vorgestellt. In der diesbzeüglichen Pressemitteilung vom 12.10.2010 liest sich das u.a. so:

Zurzeit ist festzustellen, dass das Fernsehen auf absehbare Zeit das Leitmedium bleiben wird. Dies rechtfertigt auch weiterhin den grundsätzlich fernsehspezifischen Ansatz im Rundfunkstaatsvertrag. Gleichzeitig muss der Blick jedoch auch über den Fernsehmarkt hinaus auf weitere Medien, insbesondere das Internet, und ihre Meinungsrelevanz gerichtet werden. Die Vielfaltssicherung braucht ein ganzheitliches Konzept, das flexibel anwendbar ist und eine crossmediale Betrachtungsweise einschließt.

Diese Ausführungen offenbaren gewisse Fehlvorstellungen. Denn das Internet ist kein Medium, jedenfalls nicht in dem Sinne, wie das Fernsehen eines ist. Ein ganzheitliches Konzept ist daher, mit Blick auf diejenigen Inhalte, die über das Netz angeboten werden, weder sinnvoll noch denkbar.

Dass die KEK nun den Blick auf die Meinungsrelevanz des Internets richten will, um ein ganzheitliches Konzept einer Vielfaltssicherung zu gewährleisten, wird man jedenfalls aufmerksam beobachten müssen. Denn eines ist klar, diejenigen, deren primäre Aufgabe es bisher war (Rundfunk) zu regulieren, wollen ihre (alten)  Regulierungsansätze auch auf die neuen Medien übertragen.

posted by Stadler at 14:00  

13.10.10

Das Markenrecht und die guten Sitten

Manche Entscheidungen hinterlassen eine gewisse Ratlosigkeit. Ein solche Entscheidung ist mir gerade untergekommen. Das Bundespatentgericht hat die Zurückweisung einer Markenanmeldung wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG) bestätigt und damit ein sog. absolutes Schutzhindernis bejaht.

Gegenstand der Anmeldung war eine bildliche Darstellung einer im Stile einer Comicfigur gezeichneten Frau, die knapp bekleidet, an Armen und Beinen gefesselt und geknebelt ist. Zur Begründung führt das Gericht in dem Beschluss vom 28.09.2010 (Az.: 27 W (pat) 96/10) u.a. aus:

Innerhalb der somit zu berücksichtigenden allgemeinen Kreise gibt es nach Auffassung des Senats durchaus einen  beachtlichen Teil, der die Darstellung im angemeldeten Zeichen als anstößig empfindet. Marken mit einem Personen als Opfer zeigenden oder sonst diskriminierendem Inhalt können daher keinen staatlichen Schutz erfahren. (…) Es kommt also nicht darauf an, inwieweit die hier dargestellte Person bekleidet ist, sondern allein darauf, dass sie geknebelt und gefesselt ist. Die Darstellung lässt insoweit keinen ironischen, humorvollen oder kritischen Gehalt erkennen.

Auf mich wirkt dieses Bild harmlos. Eine Anwendung von § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG wäre mir vermutlich gar nicht in den Sinn gekommen. Ob ich damit falsch liege und man diese Darstellung tatsächlich als anstößig und gegen die guten Sitten verstoßend qualifizieren sollte, kann jeder Lesern meines Blogs selbst beurteilen. Sie gehören schließlich auch zu den angesprochenen Verkehrskreisen.

(via Markenblog)

posted by Stadler at 11:23  

13.10.10

Filesharing: Informationen von Verbraucherzentralen nicht immer hilfreich

Die Verbaucherzentrale Brandenburg hat eine Pressemitteilung zu Filesharing-Abmahnungen herausgegeben, die wenig hilfreich ist und bei Betroffenen zu falschen Schlussfolgerungen führen kann.

Denn es wird der Eindruck erweckt, man könne sich erfolgreich auf § 97a Abs.2 UrhG berufen, der die Abmahnkosten auf EUR 100,- beschränkt. Auch wenn man diese Rechtsansicht durchaus vertreten kann – ich neige ihr in den Fällen sog.One-Song-Abmahnungen auch zu – sollte man gleichzeitig wissen, dass die überwiegende Mehrzahl der Gerichte eine Anwendung von § 97a Abs. 2 UrhG auf Filesharing-Fälle gerade ablehnt. Und genau das muss man den Betroffenen als Verbraucherzentrale auch deutlich sagen.

posted by Stadler at 08:00  
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