Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

13.10.10

Das Markenrecht und die guten Sitten

Manche Entscheidungen hinterlassen eine gewisse Ratlosigkeit. Ein solche Entscheidung ist mir gerade untergekommen. Das Bundespatentgericht hat die Zurückweisung einer Markenanmeldung wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG) bestätigt und damit ein sog. absolutes Schutzhindernis bejaht.

Gegenstand der Anmeldung war eine bildliche Darstellung einer im Stile einer Comicfigur gezeichneten Frau, die knapp bekleidet, an Armen und Beinen gefesselt und geknebelt ist. Zur Begründung führt das Gericht in dem Beschluss vom 28.09.2010 (Az.: 27 W (pat) 96/10) u.a. aus:

Innerhalb der somit zu berücksichtigenden allgemeinen Kreise gibt es nach Auffassung des Senats durchaus einen  beachtlichen Teil, der die Darstellung im angemeldeten Zeichen als anstößig empfindet. Marken mit einem Personen als Opfer zeigenden oder sonst diskriminierendem Inhalt können daher keinen staatlichen Schutz erfahren. (…) Es kommt also nicht darauf an, inwieweit die hier dargestellte Person bekleidet ist, sondern allein darauf, dass sie geknebelt und gefesselt ist. Die Darstellung lässt insoweit keinen ironischen, humorvollen oder kritischen Gehalt erkennen.

Auf mich wirkt dieses Bild harmlos. Eine Anwendung von § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG wäre mir vermutlich gar nicht in den Sinn gekommen. Ob ich damit falsch liege und man diese Darstellung tatsächlich als anstößig und gegen die guten Sitten verstoßend qualifizieren sollte, kann jeder Lesern meines Blogs selbst beurteilen. Sie gehören schließlich auch zu den angesprochenen Verkehrskreisen.

(via Markenblog)

posted by Stadler at 11:23  

11 Comments

  1. Nun ja, die Richter wirken vielleicht altmodisch. Vor 20 Jahren hätte das Urteil jeder sofort verstanden. Heute sind wir härter im Nehmen – aber ich kann das Urteil immer noch nachvollziehen. Bleibt natürlich die Frage, ob so ein Urteil reproduzierbar ist im Sinn von „gleiches Recht für alle“.

    Und völlig unjuristisch: Ich frage mich immer noch, was das für eine Marke werden sollte :-)

    Comment by svb — 13.10, 2010 @ 11:32

  2. Das ist Gwendoline, „Maskottchen“ der Band Die Ärzte.

    Comment by mr — 13.10, 2010 @ 11:40

  3. Die Richter hätten sich mal etwas mit der subkulturellen Geschichte der „Gwendoline“ auseinandersetzen sollen. Stichwort „Bizarre: Magazine“.

    In Zeiten der Massentauglichkeit amerikanisierter Moralvorstellungen einer Freifrau zu Guttenberg haben sie wohl lieber gekniffen. Oder sind wirklich noch von vorgestern.

    Comment by Maschinist — 13.10, 2010 @ 11:50

  4. Also ich kenne „Gwen“ als Abbildung von verschiedenen Merchandiseartikeln der Band „die ärzte“ . Bei einer derartigen Mainstreamband und dem erkennbar fehlenden Anstoß anderer an diesem Bild kann IMHO von einer Anstößigkeit keine Rede sein.

    Comment by RA S — 13.10, 2010 @ 13:47

  5. Nachtrag http://en.academic.ru/pictures/enwiki/68/Dieaerztejapan.jpg

    Comment by RA S — 13.10, 2010 @ 13:52

  6. Im Markenblog ist heute noch ein Eintrag mit dem Titel „Diese Marke verstößt NICHT gegen die guten Sitten“ zu finden.

    Es geht ebenfalls um das Bild von „Gwendoline“, allerdings wurde die „Sittlichkeit“ für andere Markenklassen offenbar nicht beanstandet.

    Hier noch der Link zum zugehörigen Eintrag beim Deutschen Patent- und Markenamt.

    Comment by tim — 13.10, 2010 @ 13:54

  7. Ich hätte jetzt auch gedacht, das Bild aus meiner Jugend der 80er zu kennen. Und hätte ohne Hinweis keine Fesseln gesehen! Aber ich habe auch nicht die drei teuflischen Sechsen im alten Procter-Logo oder diese entblößten Brüste im alten Starbuck’s Logo ‚gesehen‘.

    Interessant, wie sich heute jeder die Freiheit nimmt, sie dem Nächsten ein wenig einzuschränken.

    Comment by ralf schwartz — 13.10, 2010 @ 15:23

  8. Sexistisch, frauenverachtend, gewaltverherrlichend! – und das soll nicht zumindest anstößig sein?

    Natürlich kann man mit den Ärzten lachen über die hilflosen Versuche der Behörden, ihre Kunst und ihre Lieder zu zensieren, aber man darf sich nicht wundern, wenn ein anderes Behörde sich weigert, einen ziemlich allgemein formulierten Patentschutz („… Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen“ zu gewähren.

    Free Gwendoline!

    Comment by Secret Agent U-69 — 13.10, 2010 @ 18:07

  9. In 2005 gab es weniger Bedenken beim Deutschen Patent- und Markenamte. Zumindest bei der Eintragung für andere Markenklassen:

    http://register.dpma.de/DPMAregister/marke/register
    /305097997

    Comment by michse — 13.10, 2010 @ 18:43

  10. Der Link funktioniert nicht, also noch mal:

    http://register.dpma.de/DPMAregister/marke/register
    /305097997/DE

    Hoffe, der geht … ;-)

    Comment by michse — 13.10, 2010 @ 18:54

  11. @michse: Lies dazu den letzten Absatz des BPatG-Beschlusses.

    Comment by ElGraf — 14.10, 2010 @ 02:05

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