Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

18.6.10

Informationsfreiheit vs. Datenschutz

Beim Europäischen Gerichtshof ist derzeit ein Verfahren anhängig, in dem es um das Spannungsverhältnis von Informationsfreiheit bzw. Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und dem Schutz personenbezogener Daten geht.

Art. 44a der Verordnung Nr. 1290/2005 (in der Fassung der Verordnung Nr. 1437/2007) über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik bestimmt, dass die Mitgliedsstaaten jedes Jahr nachträglich Informationen über die Empfänger von Agrarsubventionen zu veröffentlichen haben. Die Durchführungsbestimmungen (Verordnung Nr. 259/2008) sehen u.a. die namentliche Nennung des Zuwendungsempfängers und Angaben zum erhaltenen Betrag vor.

Hiergegen hat ein Betroffener vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden geklagt und eine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung geltend gemacht. Das VG hat die Rechtsfrage wiederum an den EuGH (Rechtssachen C?92/09 und C?93/09) vorgelegt.

Hierzu liegt nunmehr der Schlussantrag der Generalanwältin vom 17.06.2010 vor, die dem EuGH empfiehlt, Art. 44a der Verordnung Nr. 1290/2005 für ungültig zu erklären, soweit er ohne Weiteres die Veröffentlichung der Namen, Gemeinden und gegebenenfalls Postleitzahlen aller Empfänger zusammen mit den erhaltenen Beträgen, vorschreibt.

Patrick Breyer vom AK Vorrat begrüßt die Einschätzung der Generalanwältin in seinem Blog ausdrücklich.

Dem vermag ich mich nicht anzuschließen. Es geht letztlich um eine Abwägung zwischen dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit bzw. der Informationsfreiheit aller Bürger und dem Interesse von Subventionsempfängern, anonym  bleiben zu können. Nur die namentliche Veröffentlichung aller Einzelempfänger, einschließlich der Höhe der jeweiligen Zuwendung, schafft die notwendige Transparenz, die es der Allgemeinheit ermöglicht, sich kritisch und im Detail mit dem System der Subventionierung auseinanderzusetzen. Wer Subventionen aus öffentlichen Mitteln in Anspruch nimmt, kann nicht erwarten, dass dieser Umstand vor der Allgemeinheit verborgen wird.

Der Datenschutz würde ansonsten, wie so häufig, dazu benutzt werden, um Informationen zu unterdrücken, an deren Veröffentlichung die Allgemeinheit ein berechtigtes Interesse hat.

posted by Stadler at 10:35  

16.6.10

Rechtliche Probleme der Benutzung von Flattr in Blogs

In den letzten Wochen ist verstärkt zu beobachten, dass Blogger das Micropayment-System „Flattr“ für sich entdecken und in ihr Blog einbinden, um ihre Leser dazu zu animieren, einen freiwilligen Obolus für die Inhalte zu entrichten. Obwohl dagegen im Prinzip gar nichts zu sagen ist, wirft die Verwedung von Flattr natürlich rechtliche Fragen auf, auf die Reto Mantz in seinem Blog hinweist.

Diesen Ausführungen kann ich mich im Grunde nur anschließen. Jeder Blogger, der Micropaymentsysteme wie Flattr benutzt, sollte sich bewusst sein, dass er damit Einnahmen erzielt, die im Grundsatz der Steuerpflicht unterliegen.

Außerdem  nimmt man damit am geschäftlichen Verkehr teil, mit der Konsequenz der Anwendbarkeit des Wettbewerbs- und des Markenrechts. Und auch die Impressumspflichten nach § 5 TMG werden dadurch ausgelöst, wobei für die meisten Blogs ohnehin bereits eine Pflicht zur Anbieterkennzeichnung nach dem RStV besteht.

Mantz weist außerdem daraufhin, dass Konflikte entstehen können, wenn man Inhalte benutzt, die unter Creative Commons Lizenzen stehen, weshalb er empfiehlt, auf die Verwendung solcher Inhalte zu verzichten oder die ausdrückliche Gestattung des Urhebers einzuholen.

posted by Stadler at 11:10  

15.6.10

Synopse zum JMStV

Nachdem die Ministerpräsidenten die Novelle des Jugendmedienschutzstaatsvertrags (JMStV) beschlossen haben, scheint die Zustimmung der Landesparlamente nur noch Formsache zu sein.  Das ist auch die Einschätzung von Medienpolitikern, die ich gestern beim Mainzer Medieninstitut am Rande der Veranstaltung „Die Medienordnung der Zukunft“, mehrfach gehört habe.

Die FSM hat eine Synopse veröffentlicht, die die bislang geltende Fassung der nunmehr beschlossenen Neufassung gegenüberstellt. Die Änderungen sind hervorgehoben.

posted by Stadler at 18:45  

15.6.10

Die taz erinnert an einen großen Anwaltskollegen

Die taz berichtet heute über eine Ausstellung in der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt am Main, die an den Journalisten und Rechtsanwalt Rudolf Olden erinnert, einen engagierten und mutigen NS-Gegner. Rudolf Olden hat als Anwalt u.a. den Chefredakteur der Weltbühne, Carl von Ossietzky, gegen den Vorwurf der „Beleidigung der Reichswehr“ verteidigt. Der streitbare Olden galt in der Weimarer Zeit als Persönlichkeit des öffentlichen Lebens.

Leider gab es viel zu wenige Kollegen wie Olden oder Hans Litten die inmitten „schrecklicher Juristen“ Anwälte des Rechts geblieben sind.

posted by Stadler at 15:01  

15.6.10

Ernüchternd: Die Berliner Rede zum Urheberrecht

Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hat gestern die angekündigte Berliner Rede zum Urheberrecht gehalten, die beim BMJ im Wortlaut hinterlegt ist.

Die Rede kann inhaltlich nicht überzeugen, ist in Teilen bedenklich und macht deutlich, dass einige Dinge im Ministerium nicht verstanden worden sind.

Wieder einmal wird der Schutz des Urhebers beschworen, um den es in der ganzen Debatte freilich allenfalls noch am Rande geht. Das Urheberrecht ist de facto längst ein gewerbliches Schutzrecht. Anstatt dies anzuerkennen, wie es das insoweit zumindest ehrlichere anglo-amerikanische Recht tut, wird von der Justizministerin weiterhin der Eindruck erweckt, es ginge in erster Linie um den Schutz der Kreativen.

Es finden sich in der Rede eine ganze Reihe von Aussagen, die aus grundsätzlichen Erwägungen Kritik verdienen.

Weshalb die Schwarmintelligenz ein in der Wissensgesellschaft verfehltes, gar gefährliches Konzept darstellen sollte, wird nur behauptet aber nicht begründet. Der Erfolg vieler Open Source Projekte belegt das Gegenteil allerdings ohnehin eindrucksvoll. Wieso anschließend Open Source und Creative Commons gleichgestellt werden, bleibt unklar. Selbst im Softwarebereich ist diese Gleichsetzung nicht gerechtfertigt. Denn unter dem Sammelbegriff Creative Commons werden eine Vielzahl von mehr oder weniger großzügigen Rechtseinräumungen zusammengefasst, die mit einer Offenlegung des Quellcodes und dem Recht, Software weiterzuentwickeln, grundsätzlich nichts zu tun haben.

Richtiggehend übel wird es aber dann, wenn die Ministerin “Open Culture” als Irrtum bezeichnet. Damit stellt sie letztlich – und das ist ihr, die sie diese Rede vermutlich nicht selbst geschrieben hat, vielleicht auch gar nicht bewusst – liberale Grundwerte in Frage.

Was bedeutet Open Culture und wofür steht der Begriff? Laut Wikipedia u.a. für freies Publizieren in Blogs, für die Forderung nach Open Access im Wissenschaftsbereich und für die Open-Source-Bewegung im Softwarebereich. Wer das als Irrtum betrachtet, stellt damit auch die freie Entscheidung der Urheber und Kreativen in Frage, die Nutzung ihres Werks durch die Allgemeinheit zu gestatten. Gerade an dieser Stelle wird deutlich, dass es dem BMJ keinesfalls um die Interessen und Anliegen der Urheber geht. Andernfalls könnte man deren selbstbestimmte Entscheidung für ein alternatives Urheberrechtsmodell kaum als Irrtum betrachten.

An dieser Stelle stoßen offenbar unterschiedliche Freiheitsbegriffe aufeinander. Der marktliberale Ansatz der FDP erweist sich als Gegenpol zu der freien Entscheidung von Urhebern, gezielt auf Teilhabe zu setzen. Es geht dabei um nicht weniger als den Konflikt zwischen dem Allgemeinwohl und den wirtschaftlichen Interessen der Rechteinhaber.

Zum Abschluss redet die Ministerin noch dem Leistungsschutzrecht für Verlage das Wort, einem durch und durch illiberalen Ansatz, der im Kern eine Umverteilung zugunsten der Verleger vorsieht, die nicht der Marktentwicklung entspricht.

Weshalb gerade mit protektionistischen Mitteln, die nur die Interessen starker, altüberkommener Lobbys stützen, ein Fortschritt des Urheberrechts erreicht werden soll, wird das Geheimnis von Frau Leutheusser-Schnarrenberger bleiben.

Update: Bei IUWIS gibt es einen Überblick über die Reaktionen zu der Rede

posted by Stadler at 11:26  

15.6.10

Die Abmahnrepublik

Die mehrteilige Serie von Wolfgang Michal auf CARTA stellt im 5. Teil vier Anwälten, u.a. mit mir, verschiedene Fragen. Es geht um das sehr deutsche Abmahnphänomen und was dagegen getan werden könnte.

posted by Stadler at 08:00  

14.6.10

Netzneutralität

Die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Bundestages diskutiert in ihrer heutigen Sitzung über Netzneutralität.

Netzneutralität bedeutet, dass Datenpakete im Internet unverändert und gleichberechtigt transportiert werden sollen. Das setzt voraus, dass sowohl der Staat als auch die technischen Akteure keinerlei Manipulationen technischer Abläufe und Standards veranlassen bzw. vornehmen.

Wenn man Netzneutralität gewährleisten will, darf man bei der Regulierung ausschließlich an den Endpunkten ansetzen. Der technische Prozess dazwischen, also die Ebene der Leitungsnetzbetreiber und der Access-Provider, muss tabu bleiben. Wer die Funktionsfähigkeit des Netzes dauerhaft ohne Beeinträchtigungen sicherstellen will, muss die Finger von der technischen Infrastruktur lassen. Das ist leider bei vielen Politikern noch nicht angekommen, wie man am Beispiel des Zugangserschwerungsgesetzes oder der parallelen Diskussion auf EU-Ebene sieht.

Es wäre ein großer Erfolg, wenn sich endlich die Erkenntnis durchsetzen würde, dass eine Regulierung, die bei technischen Mittlern wie Access-Providern ansetzt, einerseits nicht effektiv ist und andererseits immer die Notwendigkeit der Manipulation technischer Abläufe und Standards mit sich bringt, weshalb sie auch immer die Gefahr beinhaltet, die Funktionsfähigkeit des Netzes zu beeinträchtigen.

posted by Stadler at 10:06  

11.6.10

Time For Kids sperrt „netzpolitik.org“

„Time For Kids“ ist ein Jugendschutzfilter, der u.a. an Schulen eingesetzt wird bzw. werden soll. Speziell der Freistaat Bayern hat sich hier als sog. „Musterland“ vor den Karren eines Softwareherstellers spannen lassen und propagiert die „Initiative für ein sauberes Internet an bayerischen Schulen„.

Wie dieses saubere Internet konkret aussieht, kann man z.B. hier sehen. „Time For Kids“ sperrt bzw. filtert offenbar „netzpolitik.org“ eines der besten und renommiertesten Blogs für Netzpolitik in Deutschland. Ist die kritische Befassung mit netzpolitischen Themen an (bayerischen) Schulen etwa unerwünscht? Vielleicht sollte man sich einfach mal genauer ansehen, was Time For Kids noch so alles filtert.

posted by Stadler at 12:37  

11.6.10

BGH: Preisnachlass nur für Vorratsware

Der BGH hat mit einem heute im Volltext veröffentlichten Urteil (Urt. v. 10. Dezember 2009, Az.: I ZR 195/07) entschieden, dass bei einer  Werbung  mit einem  erheblichen  Preisnachlass darauf hingewiesen werden muss, dass dieser Preisnachlass nur für die im Ladengeschäft vorrätige Ware gilt. Andernfalls wird gegen das Transparenzgebot des  § 4 Nr. 4 UWG verstoßen.

In der Sache ging es um eine Werbung des Media-Markts, der in Prospekten für einen eintägigen Preisnachlass von 19 % („ohne 19 % Mehrwertsteuer“) geworben hatte.

posted by Stadler at 11:53  

10.6.10

Enquete-Kommission diskutiert über Netzneutralität

Die Enquete-Kommission des Bundestages „Netzpolitik und digitale Gesellschaft“ diskutiert am kommenden Montag über das Thema Netzneutralität, wie netzpolitik.org berichtet. Dort versucht sich Markus an einer Definition von Netzneutralität aus Sicht des Nutzers.

Das ist sicher kein schlechter Ansatz, denn die bisherige Diskussion um Netzneutralität war oft genug sehr einseitig auf wirtschaftliche Aspekte ausgerichtet. Aber wenn man schon vom Markt spricht, dann vielleicht auch mal vom Markt der Meinungen und Informationen. Denn den gilt es dauerhaft zu gewährleisten. Netzneutralität bedeutet deshalb, einen möglichst freien, ungehinderten Fluss der Information zu gewährleisten. Die technischen Dienstleister müssen sich neutral verhalten und haben Daten unverändert und unverfälscht weiter zu leiten. Jeder Versuch, Inhalte zu verändern, zu unterdrücken, umzuleiten oder zu blockieren, widerspricht dem Gebot der Netzneutralität.

Es ist leider oft genug der Staat selbst, der durch manipulative Eingriffe in technische Abläufe gegen das Gebot der Netzneutralität verstößt. Das Zugangserschwerungsgesetz oder die von der EU-Kommission geplanten Access-Blockaden sind ein gutes Beispiel dafür.

Es wäre ein großer Erfolg, wenn es der Enquete-Kommission gelingen würde, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass das Internet ohne eine so verstandene Netzneutralität in Zukunft nicht hinreichend funktionieren kann.

posted by Stadler at 17:48  
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