Informationsfreiheit vs. Datenschutz
Beim Europäischen Gerichtshof ist derzeit ein Verfahren anhängig, in dem es um das Spannungsverhältnis von Informationsfreiheit bzw. Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit und dem Schutz personenbezogener Daten geht.
Art. 44a der Verordnung Nr. 1290/2005 (in der Fassung der Verordnung Nr. 1437/2007) über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik bestimmt, dass die Mitgliedsstaaten jedes Jahr nachträglich Informationen über die Empfänger von Agrarsubventionen zu veröffentlichen haben. Die Durchführungsbestimmungen (Verordnung Nr. 259/2008) sehen u.a. die namentliche Nennung des Zuwendungsempfängers und Angaben zum erhaltenen Betrag vor.
Hiergegen hat ein Betroffener vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden geklagt und eine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung geltend gemacht. Das VG hat die Rechtsfrage wiederum an den EuGH (Rechtssachen C?92/09 und C?93/09) vorgelegt.
Hierzu liegt nunmehr der Schlussantrag der Generalanwältin vom 17.06.2010 vor, die dem EuGH empfiehlt, Art. 44a der Verordnung Nr. 1290/2005 für ungültig zu erklären, soweit er ohne Weiteres die Veröffentlichung der Namen, Gemeinden und gegebenenfalls Postleitzahlen aller Empfänger zusammen mit den erhaltenen Beträgen, vorschreibt.
Patrick Breyer vom AK Vorrat begrüßt die Einschätzung der Generalanwältin in seinem Blog ausdrücklich.
Dem vermag ich mich nicht anzuschließen. Es geht letztlich um eine Abwägung zwischen dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit bzw. der Informationsfreiheit aller Bürger und dem Interesse von Subventionsempfängern, anonym bleiben zu können. Nur die namentliche Veröffentlichung aller Einzelempfänger, einschließlich der Höhe der jeweiligen Zuwendung, schafft die notwendige Transparenz, die es der Allgemeinheit ermöglicht, sich kritisch und im Detail mit dem System der Subventionierung auseinanderzusetzen. Wer Subventionen aus öffentlichen Mitteln in Anspruch nimmt, kann nicht erwarten, dass dieser Umstand vor der Allgemeinheit verborgen wird.
Der Datenschutz würde ansonsten, wie so häufig, dazu benutzt werden, um Informationen zu unterdrücken, an deren Veröffentlichung die Allgemeinheit ein berechtigtes Interesse hat.
Rein politisch gesehen, könnte man dann auch gleich einen Schritt weitergehen und die Veröffentlichung von Kontaktdaten der Inhaber von Marken- und Patentrechten untersagen …
(Vorliegendes Verfahren betrifft Patent- und Markenrecht natürlich nicht, da kein Gemeinschaftsrecht betroffen ist)
Comment by Axel H Horns — 18.06, 2010 @ 11:07
…und natürlich die Impressumspflicht kippen.
Comment by Andreas Krey — 18.06, 2010 @ 11:12
@ Axel H. Horms: Für die WhoIs-Abfrage zu Domains gibt es diese Diskussion ja bereits.
Vielleicht ist ja auch das Handelsregister ein Problem. ;-)
Comment by Stadler — 18.06, 2010 @ 11:32
Der Schlussantrag ist sicher auch in Bezug auf die umstrittene Publizitätspflicht der Abschlüsse von Unternehmen bei unternehmensregister.de interessant.
Comment by Ein Mensch — 18.06, 2010 @ 15:06