Der Kollege Vetter ereifert sich – nicht ganz zu Unrecht – über eine Verordnung der Bundesinnenministeriums, die den schönen Namen „Verordnung über die Art der Daten, die nach den §§ 8 und 9 des Bundeskriminalamtgesetzes gespeichert werden dürfen“ trägt und die gerade die Zustimmung des Bundesrats erhalten hat.
Wer verstehen will, worum es geht, muss zunächst die §§ 8 und 9 des BKAG lesen, denn diese Vorschriften bilden nach § 7 Abs. 6 BKAG die gesetzliche Grundlage dieser Verordnung.
Ich muss gestehen, dass ich die Vorschrift des § 8 BKAG heute zum ersten Mal lese und ich muss weiter gestehen, dass ich speziell § 8 Abs. 2 BKAG auch nicht verstehe. Die Vorschrift lautet:
„Weitere personenbezogene Daten von Beschuldigten und personenbezogene Daten von Personen, die einer Straftat verdächtig sind, kann das Bundeskriminalamt nur speichern, verändern und nutzen, soweit dies erforderlich ist, weil wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Betroffenen oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, daß Strafverfahren gegen den Beschuldigten oder Tatverdächtigen zu führen sind.“
Weitere personenbezogene Daten – also über Abs. 1 hinaus – dürfen dann gespeichert werden, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass gegen Beschuldigte oder Tatverdächtige ein Strafverfahren zu führen ist. Man möchte doch meinen, dass bei Beschuldigten und Tatverdächtigen regelmäßig Grund für die Einleitung eines Strafverfahrens besteht, im Falle von Beschuldigten muss sogar schon ein Ermittlungsverfahren bestehen, weil dieses Verfahren den Beschuldigtenstatus überhaupt erst begründet.
Was unter weitere personenbezogene Daten zu verstehen ist, besagt das Gesetz nicht, sondern überlässt es vielmehr dem Verordnungsgeber. Ob das allerdings der Vorgabe der sog. Wesentlichkeitstheorie entspricht, die besagt, dass der Gesetzgeber das Wesentliche selbst zu regeln hat und nicht der Exekutive überlassen darf, wird man bezweifeln dürfen.
Ein Blick in § 2 der Verordnung offenbart allerdings ein weiteres Problem. Denn dort wird keineswegs nur die Art der Daten näher bestimmt, wie der Titel der Verordnung vorgibt. Vielmehr wird der Kreis der Betroffenen Personen erheblich erweitert. Die Verordnung spricht von „Beziehungen zu Personen“ und „Gruppenzugehörigkeit“, von „Gefährdern“ und „relevante Person“.
Bei der Lektüre dieser Begriffe muss ich spontan an Heinrich Bölls „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ denken. Wer also in irgendeiner Beziehung zu einem Tatverdächtigen steht oder nur derselben Gruppe (Sportverein, Stammtisch?) angehört, kann auf diesem Umweg in einer Datei des BKA landen. Und relevant wird im Zweifel jede Person sein, die die Ermittlungsbehörden, aufgrund welcher absurden Umstände auch immer, für relevant erachten. Wenn man sich den uferlosen Katalog des § 2 der Verordnung ansieht, muss man ohne weiteres zu der Schlussfolgerung gelangen, dass diese Vorschrift von seiner gesetzlichen Ermächtigungsnorm nicht gedeckt ist.
Und der gesetzlichen Regelung selbst, insbesondere § 8 Abs. 2 BKAG, mangelt es nicht nur an der erforderlichen Normklarheit. Die Regelung wonach bei Beschuldigten Grund zur Annahme bestehen muss, dass gegen sie ein Strafverfahren geführt wird, stellt eine Tautologie dar.