Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

4.6.10

Access-Sperren in Brüssel weiterhin Thema

EU-Kommissarin Cesilia Malmström setzt sich weiter für Access-Sperren ein. Wie der AK Zensur in einer Pressemeldung mitteilt, hat die Kommissarin auf einem Treffen der Justizminister der Mitgliedsstaaten den Gegnern von Netzsperren vorgeworfen, ihnen ginge es um „Meinungsfreiheit“ für Kinderpornografie. Dieses schändliche „Argument“ ist bereits aus der letztjährigen deutschen Diskussion bekannt, aber es wird auch durch regelmäßige Wiederholung nicht richtig.  Ähnlich wie Ursula von der Leyen in der deutschen Diskussion, will sich Frau Malmström offenbar nicht von Fakten ablenken lasen.

Die berechtigte Sorge der Netzgemeinde besteht u.a. darin, dass zur Durchführung dieser „Sperren“ eine Infrastruktur geschaffen werden müsste, die es dem Staat bzw. einer Behörde wie dem BKA ermöglicht, ohne ausreichende Kontrolle, beliebig “unerwünschte Inhalte” auszufiltern und auf geheim zu haltende Sperrlisten zu setzen. Diese Infrastruktur würde anschließend Schritt für Schritt auch auf andere Bereiche erstreckt werden. Entsprechende Forderungen gibt es von Lobbyisten unterschiedlichster Couleur bereits zu Genüge.

In einer Vielzahl von Blogeinträgen habe ich immer wieder dargestellt, welche sachlichen Gründe gegen „Access-Blockaden“ sprechen. Aus gegebenem Anlass hier nochmals der Hinweis auf einige dieser Texte:

Netzsperren: Wo stehen die zu sperrenden Server eigentlich?
Kinderpornografie im Web kann effektiv bekämpft werden
Sperrung von Kinderpornografie im Netz: Die falschen Tatsachenbehauptungen der Bundesregierung
Bundestagsgutachten zu Netzsperren
Internes “Rechtsgutachten” des BMI zu Access-Sperren
Sperrungsverfügung gegen Access-Provider (Ein älterer Beitrag von mir für die Zeitschrift Multimedia und Recht, der sich mit den Düsseldorfer Sperrungsverfügungen juristisch auseinandersetzt)

posted by Stadler at 21:54  

2.6.10

Zensursula for President?

Ursula von der Leyen – von der Netzgemeinde nur liebevoll Zensursula genannt – gilt nach Pressemeldungen als Unionsfavoritin für die Nachfolge von Bundespräsident Horst Köhler.

Wer die Debatte um das Zugangserschwerungsgesetz verfolgt hat, schluckt bei dieser Nachricht erst einmal. Denn die derzeitige Arbeitsministerin ist eine Populistin der eher übleren Sorte. Es gibt zu ihrer Person und ihrem politischen Werdegang aber auch noch andere Geschichten.

Es könnte deshalb gut sein, dass sich nicht nur in der Netzgemeinde Widerstand formiert. Innerhalb der Union ist es freilich schwer, eine Integrationsfigur mit einwandfreiem Ruf zu finden. Mir würde da auf Anhieb auch niemand einfallen.

posted by Stadler at 08:00  

27.5.10

Schleswig-Holstein will ausländische Webseiten sperren

Nach einem Bericht von Telemedicus will das Land Schleswig-Holstein Sperrungsverfügungen gegen Access-Provider erlassen, um ausländische Glückspielseiten zu blockieren.

Da dies auf Grundlage des geltenden Rechts schwierig werden würde, plant Schleswig-Holstein den Glückspielsstaatsvertrag aller Länder 2011 auslaufen zu lassen, um sodann eine eigene Regelung auf Landesebene zu etablieren. Am 09.06.2010 soll ein Gesetzesentwurf vorgestellt werden, der auch die Möglichkeit der Anordnung von Access-Sperren vorsieht.

Ausgerechnet der „Liberale“ Wolfgang Kubicki ist offenbar die treibende Kraft hinter diesem Vorhaben.

Update:

Die geplante Regelung muss allerdings über die bereits existierende Norm in § 59 Abs. 3 RStV hinausgehen, da eine einzelfallbezogene Blockade aufgrund einzelner Sperrungsverfügungen kaum zielführend sein dürfte. Der Gesetzesentwurf wird daher, ähnlich wie das Zugangserschwerungsgesetz, vermutlich mit einer behördlichen Sperrliste arbeiten, die laufend aktualisiert und von den Internet Service Providern automatisiert umgesetzt werden soll. Die Anordnung kann sich allerdings nur an solche Provider richten, die ihren Sitz in Schleswig-Holstein haben. Mit diesem Problem hatten die ersten deutschen Sperrungsverfügungen der Bezirksregierung Düsseldorf ebenfalls zu kämpfen. Die großen Provider, die in anderen Bundesländern sitzen, wird man so von Kiel aus nicht zur Sperrung verpflichten können. Das Ganze sieht also sehr nach einem Sturm im Wasserglas aus, was ja irgendwie auch zu Kubicki passen würde.

posted by Stadler at 12:20  

19.5.10

Censilia im Bundestag

Der von EU-Kommissarin Malmström propagierte Entwurf einer Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie, der das Instrument der Access-Blockaden europaweit etablieren möchte, beschäftigt jetzt auch den Bundestag.

Abgeordnete der Grünen haben im Rechtsausschuss des Bundestags den Antrag gestellt zu beschließen, dass der Richtlinienentwurf den Grundsatz der Subsidiarität verletzt und die durch den Vertrag von Lissabon neu eingeführten Subsidiaritätsrüge zu erheben.

Wie man hört, ist der Antrag schlicht von der Tagesordnung des Rechtsausschusses genommen worden. Die Subsidiaritätsrüge muss innerhalb von acht Wochen, nachdem der Richtlinienentwurf in den Amtssprachen der Union übermittelt worden ist, erhoben werden. Die Ausschussmehrheit spielt also offenbar auf Zeit und möchte diese Frist gezielt verstreichen lassen. Und wieder einmal hätte man sich, speziell von der FDP, ein anderes Vorgehen gewünscht.

Auch im Plenum wird der Richtlinienentwurf morgen Thema sein. Hierzu liegen u.a. Anträge der Grünen und der Linken vor.

Im Kontext des Richtlinienentwurfs möchte ich außerdem einmal mehr den entlarvenden Kurzfilm von Alexander Lehmann „Cleanternet“ empfehlen.

posted by Stadler at 22:14  

19.5.10

Access-Blocking und die deutsche Kriminalstatistik

Die Forderung nach einer „Sperrung“ kinderpornografischer Webseiten durch Access-Provider, die in Deutschland schließlich in das Zugangserschwerungsgesetz mündete, wurde stets mit einem starken Anstieg der Kriminalitätsraten in diesem Bereich begründet. Dieser Begründungsansatz fand sogar Eingang in die Gesetzesbegründung.

Wenn man allerdings die aktuell vorgelegte polizeiliche Kriminalstatistik 2009 betrachtet, deren Aussagekraft man allerdings als äußerst beschränkt betrachten muss, dann ist zu konstatieren, dass dieses Argument ausgedient hat. Denn die Statistik weist einen Rückgang der Straftaten des Besitzes und der Verschaffung von Kinderpornografie um deutliche 43 % aus.

Man kann nur hoffen, dass die Populisten auch in Brüssel nicht die Oberhand gewinnen und sich die Erkenntnis durchsetzt, dass man Kinderpornografie auch im Internet effektiv bekämpfen kann, Zugangsblockaden insoweit aber kein geeignetes Mittel darstellen. Heute wird in Brüssel die European Digital Agenda vorgestellt. Man darf gespannt sein, ob das Access-Blocking darin auftaucht.

posted by Stadler at 09:49  

1.5.10

Bundesratsausschüsse kritisieren Censilia

Eine Ausschussempfehlung vom 26.04.2010 zum Richtlinienvorschlag der EU zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern und der Kinderpornografie, der auch das Instrumentarium der Access-Blockaden vorsieht, schlägt dem Bundesrat vor, kritisch bis ablehnend zum Richtlinienentwurf Stellung zu nehmen.

Kritisiert wird u.a., dass die Richtlinie alle Personen unter 18 Jahren als Kinder betrachtet. Zu Recht weist der Bundesrat darauf hin, dass die Schutzwürdigkeit von Jugendlichen (zwischen 14 und 18 Jahren) anders zu beurteilen ist, als die von Kindern.

Deutliche Kritik wird auch an den beabsichtigten Access-Sperren geübt, die im verfassungsrechtlichen Sinne sogar als unverhältnismäßig bewertet werden. Der Wortlaut der Ausschussempfehlung macht deutlich, dass einige politische Akteure nunmehr endlich verstanden haben, worin das eigentlich Problem der Zugangsblockaden besteht. Das ist der aufklärenden Arbeit von Sperrgegnern wie dem AK Zensur geschuldet. Einige Auszüge aus der Ausschussempfehlung:

Da Sperren leicht zu umgehen sind, spiegeln sie einen Schutz vor, der in Wahrheit nicht gegeben ist. Sperren laufen zudem Gefahr, als Zensurversuch des Internets empfunden zu werden. Der Grundsatz „Löschen statt Sperren“ ist deshalb intensiv zu verfolgen. (…)

Internetsperren widersprechen auch den rechtsstaatlichen Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes:

– Internetsperren sind sachlich nicht geeignet, die Verbreitung kinderpornografischer Inhalte wirksam zu bekämpfen. Ihre Umgehung ist technisch mit einfachsten Methoden möglich. Die Sperren bieten darüber hinaus keinen Schutz gegen alternative Verbreitungswege.

– Internetsperren sind auch nicht erforderlich im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, da mit dem Löschen ein milderes, mindestens gleich wirksames Mittel zur Verfügung steht. Schon jetzt werden kinderpornografische Inhalte auf der ganzen Welt gelöscht.

– Internetsperren sind kein angemessenes Mittel. Zum Ersten setzen sie nicht unmittelbar beim Verantwortlichen an. Wenn die Richtlinie die bedingungslose Sperrung von kinderpornografischen Inhalten vorsieht, widerspricht sie dem Prinzip der gestuften Verantwortlichkeit, wonach ein Nicht-Verantwortlicher allenfalls nachrangig haftet. Zum Zweiten erfassen Sperrungen in der Regel auch eine ganze Bandbreite legaler Inhalte, deren Urheber in ihrem Recht auf Meinungsfreiheit empfindlich verletzt würden. Und zum Dritten ist der Aufbau einer „Sperrinfrastruktur“ aus rechtsstaatlichen Gründen auch deshalb bedenklich, weil diese die Gefahr ganz anderer Verwendungen in sich birgt.

posted by Stadler at 20:13  

28.4.10

Instrumentalisiert die Musikindustrie Kinderpornografie?

Die Rechteindustrie unterstützt die europaweiten Vorhaben, Kinderpornografie im Internet durch providerseitige Access-Blockaden zu bekämpfen gerade deshalb, weil sie sich davon die Etablierung einer Sperrinfrakstruktur erhofft, die anschließend auch für die Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen genutzt werden kann. Dieser Zusammenhang ist nicht neu und wird von Sperrgegnern immer wieder ins Feld geführt.

Neu ist allenfalls die Information, dass ein Vertreter der IFPI (International Federation of the Phonographic Industry) diese Zusammenhänge und die Intension der Musikindustrie vor einigen Jahren ganz freimütig auf einem Kongress dargestellt hat, wovon der schwedische EU-Abgeordnete Engström in seinem Blog berichtet. Eine interessante Lektüre, der die Absurdität des politischen Lobbyismus verdeutlicht.

posted by Stadler at 10:40  

26.4.10

Innenminister will jetzt doch Websites sperren

Bundesinnenminister  De Maiziere propagiert nunmehr doch Access-Blockaden und damit letztlich die Anwendung des Zugangserschwerungsgesetzes. Der enge zeitliche Zusammenhang zur Ankündigung des Justizministeriums, wonach ein Gesetzesentwurf für ein Löschgesetz fertiggestellt worden ist, der auf das Instrumentarium von Access-Sperren verzichtet, dürfte kein Zufall sein. Vielmehr deutet sich hier ein Machtkampf zwischen De Maiziere und Leutheusser-Schnarrenberger an, der wie man munkelt, bereits seit längerer Zeit schwelt.

Thomas De Maiziere lässt es sich außerdem nicht nehmen, einmal mehr die Plattitüde vom rechtsfreien Raum Internet zu bemühen.

Diejenigen Vertreter der Community, die sich derzeit in einem „netzpolitischen Dialog“ mit dem Innenminister befinden, sollten ihre weitere Teilnahme an dieser Showveranstaltung nunmehr überdenken.

posted by Stadler at 21:46  

26.4.10

Für ein sauberes und sicheres Internet

Filmemacher Alexander Lehmann hat sich entschlossen, in einem Kurzfilm die wesentlichen Argumente zusammenfassen, die dafür sprechen, EU-Kommissarin Cecila Malmström bei ihrem Vorhaben, europaweit ein System zur Blockade von Websites durch Access-Provider einzuführen, zu unterstützen. Lassen auch Sie sich von zwingenden Argumenten überzeugen und verlinken Sie diesen englischsprachigen Film weiter und zwar europaweit.

posted by Stadler at 08:00  

24.4.10

Löschgesetz soll Zugangserschwerungsgesetz ablösen

Nach Presseberichten hat das Bundesministerium der Justiz mittlerweile den Entwurf eines Löschgesetzes ausgearbeitet, der das umstrittene Zugangserschwerungsgesetz ablösen soll. Der Gesetzesvorschlag sieht offenbar keinerlei Access-Sperren vor, sondern stattdessen verschiedene Handlungspflichten des Bundeskriminalamts, die darauf abzielen, ausländische Behörden, Meldestellen und Provider zügig auf kinderpornografische Inhalte im Netz hinzuweisen. Möglicherweise wird dieser Gesetzesvorschlag auch zügig in den Bundestag eingebracht, nachdem dort bereits Gesetzesinitiativen der Opposition zur Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes in erster Lesung behandelt worden sind.

posted by Stadler at 15:28  
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