Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

11.10.10

Anhörung zum Zugangserschwerungsgesetz

Im Unterausschuss Neue Medien des Bundestages findet am 25.10.2010 eine erste Expertenanhörung zum Zugangserschwerungsgesetz bzw. dessen Aufhebung statt, eine zweite wird im Rechtsausschuss am 10.11.2010 folgen.

Für den FoeBuD werde ich als Sachverständiger an der Anhörung „Kampf gegen Darstellung von Kindesmissbrauch im Internet: technische und organisatorische Fragen“ im UA Neue Medien teilnehmen. Die Fraktionen haben sich mittlerweile auch auf einen Fragenkatalog geeinigt.

posted by Stadler at 21:39  

28.9.10

Neue Studie belegt, dass die Argumente von Sperrbefürwortern falsch sind

Die angebliche Notwendigkeit des deutschen Zugangserschwerungsgesetzes, das die Blockade von kinderpornografischen Websites durch Access-Provider vorsieht, wurde sowohl in der politischen Disksussion als auch im Gesetzgebungsverfahren stets damit begründet, dass Kinderpornografie über kommerzielle Websites verbreitet würde und es insoweit einen Massenmarkt gäbe, der ausgetrocknet werden müsse.

In der Begründung des ersten Gesetzesentwurfs vom 05.05.2009 hieß es hierzu:

Der Großteil der Kinderpornographie im Bereich des World-Wide-Web wird mittlerweile über kommerzielle Webseiten verbreitet, die in Drittländern außerhalb der Europäischen Union betrieben werden.

Schon damals war für jeden, der sich mit den Fakten beschäftigt hat, erkennbar, dass diese Begründung nicht tragfähig ist. Genau das wird nunmehr erneut durch eine neue Studie der European Financial Coalition against commercial sexual exploitation of children online (EFC) bestätigt. Heise berichtet über die Studie der von der EU geförderten Organisation, deren Fazit es ist, dass es nur eine Handvoll einschlägiger gewerblicher Websites gibt, die zudem keinen hohen Profit abwerfen. Für die Studie wurde eine Datenbank von angeblich ca. 14.500 verdächtigen Websites ausgewertet. Hierbei wurde von der EFC festgestellt, dass nur 46 dieser Websites tatsächlich aktuelle Darstellungen von Kindesmissbrauch enthielten, wovon wiederum 24 als kommerziell einzustufen waren. Es gibt also im WWW kaum Kinderpornografie. Die Verbreitungswege sind nämlich andere.

Diese Ergebnisse werfen freilich auch die Frage auf, welche hunderte oder gar tausende von Websites auf den geplanten Sperrlisten geführt werden sollen, die Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes sind.

Die Studie bestätigt außerdem, dass Pädophile regelmäßig kleinere abgesicherte Räume im Internet zum Tausch von einschlägigem Material bevorzugen und der Austausch nicht primär über das frei zugängliche Web stattfindet.

Damit erweisen sich praktisch alle zur Begründung von Netzsperren vorgebrachten Argumente als sachlich falsch. Man darf gespannt sein, wie sich diese Studie auf das Vorhaben von EU-Kommissarin Malmström auswirkt, das Access-Blocking per EU-Richtlinie vorzuschreiben.

Zu diesem Richtlinienentwurf finden heute und morgen Ausschuss-Anhörungen im EU-Parlament statt, wobei die Liste der Redner überwiegend aus Sperrbefürworten besteht. Das ist auch angesichts des Umstands, dass die Mehrzahl der technischen und juristischen Sachverständigen solchen Access-Sperren kritisch bis ablehnend gegenüber steht, durchaus bemerkenswert. Wenn man speziell bei den Rednern der „Civil Society“ nach Vertretern von Bürgerrechtsorganisationen sucht, dürfte Joe McNamee von EDRi der einzige Name sein, der einem auffällt.

Update: Der Verein MOGIS (Missbrauchsopfer gegen Internetsperren) hat einen offenen Brief an die Mitglieder des LIBE-Ausschusses des EU-Parlaments gerichtet, in dem u.a. dargestellt wird, weshalb Access-Blockaden auch aus Opfersicht nicht zu befürworten sind.

posted by Stadler at 11:30  

20.9.10

Gegen Kinderpornografie und lästige Details

Wer sich vertiefter mit der Frage befasst hat, ob sog. Access-Blockaden zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet sinnvoll und rechtmäßig sind, muss sich über ein Fernsehinterview wie es das ZDF gestern ausgestrahlt hat, zumindest wundern. Was (juristisch) gegen „Netzsperren“ spricht, habe ich im letzten Jahr für den AK Zensur in einem Brief an den Bundespräsidenten ausführlich erläutert.

Der Fernsehjournalist Peter Hahne hat in seiner Sendung Stephanie zu Guttenberg interviewt und mit der Frau des Verteidigungsministers über ihre Rolle als Präsidentin des Kinderschutzvereins „Innocence in Danger“ gesprochen. Einen Schwerpunkt bildete auch die Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet. Leider wurde hierbei einmal mehr gezielt auf Emotionen gesetzt, unter Ausblendung der Fakten. Mit keinem Wort erwähnt Hahne, dass die Mehrzahl der Experten dem Konzept der Zugangserschwerung skeptisch bis ablehnend gegenüber steht, sondern beklagt lediglich, die Politik würde nicht entschlossen genug handeln.

Dass sich eine solche Technik für diejenigen anbietet, die Netzsperren befürworten, hat Ursula von der Leyen im letzten Wahlkampf schon demonstriert. Denn das Thema Kinderpornografie lässt sich wie kein zweites instrumentalisieren. Dass diese Technik aber auch in vermeintlich journalistischen Formaten zum Einsatz kommt, zeigt, wie tief das ZDF in dieser Hinsicht mittlerweile gesunken ist. Brillant analysiert hat das einmal mehr Stefan Niggemeier im Fernsehblog der FAZ.

posted by Stadler at 11:21  

16.9.10

Netzsperren vor dem EU-Parlament

Dass die Kommission in Person von Innenkommissarin Cecila Malmström – mit denselben unzureichenden Argumenten wie Ursula von der Leyen zuvor in Deutschland – die Einführungen von Access-Sperren zur Bekämpfung von Kinderpornografie im Internet einführen möchte, ist seit einigen Monaten bekannt. Ein entsprechender Richtlinienentwurf ist bereits seit längerer Zeit online. Man muss in diesem Zusammenhang auch nochmals darauf hinweisen, dass dieser Entwurf inhaltlich deutlich weiter geht als der deutsche Entwurf und auch sog. Jugendpornografie umfassen soll. Es geht also offenbar nicht mehr nur um die Bekämpfung des Missbrauchs von Kindern, sondern auch um die Durchsetzung fragwürdiger Moralvorstelungen im Bereich der Jugendsexualität.

Einen anderen Aspekt beleuchtet die „European Cybercriminals Society (ECS)“, also die Vereinigung der europäischen Cyberkriminellen (;-), in einem offenen Brief an Kommissarin Malmström. Die Satire bedankt sich im Namen der Straftäter dafür, dass damit ein Frühwarnsystem etabliert wird, das es Kriminellen frühzeitig ermöglicht, auf andere Server auszuweichen. In diesem Zusammenhang wird von der ECS dann beanstandet, dass es unfair sei, dasselbe Frühwarnsystem nicht auch denjenigen Cyberkriminellen anzubieten, die im Bereich der Verletzung des geistigen Eigentums oder des Betrugs aktiv sind. Denn damit würde eindeutig der Binnenmarkt für Kriminalität behindert.

Diese Satire lenkt die Diskussion auf den oft vernachlässigten Aspekt, dass Access-Sperren nicht geeignet sind, die Verbreitung von Kinderpornografie einzudämmen, sondern vielmehr die Gefahr beinhalten, dass deren Verbreitung eher noch gefördert wird.

Am 28. und 29. September findet im Rechtsausschuss des Europaparlaments eine Anhörung zu dem Richtlinienentwurf statt. Die geladenen Fachleute sollen allerdings weitgehend aus Sperrbefürwortern bestehen, obwohl die deutsche Diskussion eigentlich gezeigt hat, dass die Mehrheit der technischen und juristischen Experten dem Vorhaben kritisch bis ablehnend gegenüber steht. Es droht also eine tendenziöse Einflussnahme auf die Meinungsbildung der Abgeordneten durch eine selektive Auswahl von Fachleuten, die das Access-Blocking befürworten.

posted by Stadler at 09:33  

8.9.10

„Kampf gegen Kinderpornografie im Internet“

The European Circle veröffentlicht ein Interview mit der EU-Abgeordneten Birgit Sippel (SPD) zu dem Richtlinienvorschlag von Kommissarin Malmström.

Wer eingangs eines Interviews die Platitüde „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum“ wiederholt, gibt eigentlich Anlass dazu, nicht weiter zu lesen. Wer es dennoch macht, stellt fest, dass Sippel zwar der „Sperrung“, also der Blockade durch Access-Provider, kritisch gegenüber steht, sich aber offenbar nicht endgültig festlegen will.

Auf EU-Ebene wird jetzt also eine Diskussion begonnen, die man in Deutschland schon vor über einem Jahr kontrovers geführt hat.

Deshalb hier nochmals der Hinweis auf einige meiner Blogpostings zum Thema Access-Sperren:

Netzsperren: Wo stehen die zu sperrenden Server eigentlich?

Kinderpornografie im Web kann effektiv bekämpft werden

Sperrung von Kinderpornografie im Netz: Die falschen Tatsachenbehauptungen der Bundesregierung

Bundestagsgutachten zu Netzsperren

Internes “Rechtsgutachten” des BMI zu Access-Sperren

Sperrungsverfügung gegen Access-Provider (Ein älterer Beitrag von mir für die Zeitschrift Multimedia und Recht, der sich mit den Düsseldorfer Sperrungsverfügungen juristisch auseinandersetzt)

posted by Stadler at 16:57  

15.8.10

Netzsperren: Funktioniert Inhope nicht?

In schöner Regelmäßigkeit schreibt ein gewisser Stefan Tomik für FAZ.NET tendenziöse Artikel zum Thema Access-Blocking. Die Aussage lautet diesmal, der Provider-Verband eco hätte eine interne Untersuchung verschwiegen, wonach das Löschen kinderpornographischer Inhalte über die Organisation Inhope sehr schlecht funktionieren würde.

Ob das so ist oder nicht, vermag ich nicht zu beurteilen. Dass die Kernaussagen Tomiks dennoch falsch sind, lässt sich allerdings unmittelbar aus seinem Text selbst ableiten.

Sperrgegner haben immer wieder darauf verwiesen, dass man kinderpornographische Inhalte durch einfache Absuse-Mails innerhalb kürzester Zeit aus dem Netz bekommt, was durch entsprechende Tests auch belegt worden ist. Das widerlegt auch der Beitrag der FAZ nicht. Vielmehr zeigt er, dass sich Inhope gar nicht unmittelbar an die ausländischen Provider wendet, sondern die Fälle an die Polizei abgibt. Wenn daraufhin längere Zeit nichts passiert, liegt dies daran, dass die Provider vor Ort von den Fällen überhaupt keine Kenntnis erlangen. Was also nötig ist, ist ein Mechanismus, durch den die Provider vor Ort unmittelbar und kurzfristig informiert werden. Was den Banken bei der Löschung von Phishing-Websites innerhalb von Stunden gelingt, sollte auch den Polizeibehörden und/oder Meldestellen möglich sein.

Der Artikel von Tomik besagt also lediglich, dass Inhope nicht effizient arbeitet und die Zusammenarbeit der Behörden selbst innerhalb der EU nicht ausreichend funktioniert. Dass die mangelhafte Organisation und Zusammenarbeit der Polizeibehörden die Hauptursache dafür ist, dass kinderpornographische Inhalte nicht effektiv bekämpft werden, ist auch keine neue Erkenntnis. Sie sollte aber nicht zu der Schlussfolgerung verleiten, dass das Löschen nicht funktioniert und deshalb das Zugangserschwerungsgesetz in Kraft gesetzt werden müsste. Vielmehr ist das exakte Gegenteil zutreffend.

posted by Stadler at 20:27  

19.5.10

Censilia im Bundestag

Der von EU-Kommissarin Malmström propagierte Entwurf einer Richtlinie zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern sowie der Kinderpornografie, der das Instrument der Access-Blockaden europaweit etablieren möchte, beschäftigt jetzt auch den Bundestag.

Abgeordnete der Grünen haben im Rechtsausschuss des Bundestags den Antrag gestellt zu beschließen, dass der Richtlinienentwurf den Grundsatz der Subsidiarität verletzt und die durch den Vertrag von Lissabon neu eingeführten Subsidiaritätsrüge zu erheben.

Wie man hört, ist der Antrag schlicht von der Tagesordnung des Rechtsausschusses genommen worden. Die Subsidiaritätsrüge muss innerhalb von acht Wochen, nachdem der Richtlinienentwurf in den Amtssprachen der Union übermittelt worden ist, erhoben werden. Die Ausschussmehrheit spielt also offenbar auf Zeit und möchte diese Frist gezielt verstreichen lassen. Und wieder einmal hätte man sich, speziell von der FDP, ein anderes Vorgehen gewünscht.

Auch im Plenum wird der Richtlinienentwurf morgen Thema sein. Hierzu liegen u.a. Anträge der Grünen und der Linken vor.

Im Kontext des Richtlinienentwurfs möchte ich außerdem einmal mehr den entlarvenden Kurzfilm von Alexander Lehmann „Cleanternet“ empfehlen.

posted by Stadler at 22:14  

19.5.10

Access-Blocking und die deutsche Kriminalstatistik

Die Forderung nach einer „Sperrung“ kinderpornografischer Webseiten durch Access-Provider, die in Deutschland schließlich in das Zugangserschwerungsgesetz mündete, wurde stets mit einem starken Anstieg der Kriminalitätsraten in diesem Bereich begründet. Dieser Begründungsansatz fand sogar Eingang in die Gesetzesbegründung.

Wenn man allerdings die aktuell vorgelegte polizeiliche Kriminalstatistik 2009 betrachtet, deren Aussagekraft man allerdings als äußerst beschränkt betrachten muss, dann ist zu konstatieren, dass dieses Argument ausgedient hat. Denn die Statistik weist einen Rückgang der Straftaten des Besitzes und der Verschaffung von Kinderpornografie um deutliche 43 % aus.

Man kann nur hoffen, dass die Populisten auch in Brüssel nicht die Oberhand gewinnen und sich die Erkenntnis durchsetzt, dass man Kinderpornografie auch im Internet effektiv bekämpfen kann, Zugangsblockaden insoweit aber kein geeignetes Mittel darstellen. Heute wird in Brüssel die European Digital Agenda vorgestellt. Man darf gespannt sein, ob das Access-Blocking darin auftaucht.

posted by Stadler at 09:49  

26.4.10

Innenminister will jetzt doch Websites sperren

Bundesinnenminister  De Maiziere propagiert nunmehr doch Access-Blockaden und damit letztlich die Anwendung des Zugangserschwerungsgesetzes. Der enge zeitliche Zusammenhang zur Ankündigung des Justizministeriums, wonach ein Gesetzesentwurf für ein Löschgesetz fertiggestellt worden ist, der auf das Instrumentarium von Access-Sperren verzichtet, dürfte kein Zufall sein. Vielmehr deutet sich hier ein Machtkampf zwischen De Maiziere und Leutheusser-Schnarrenberger an, der wie man munkelt, bereits seit längerer Zeit schwelt.

Thomas De Maiziere lässt es sich außerdem nicht nehmen, einmal mehr die Plattitüde vom rechtsfreien Raum Internet zu bemühen.

Diejenigen Vertreter der Community, die sich derzeit in einem „netzpolitischen Dialog“ mit dem Innenminister befinden, sollten ihre weitere Teilnahme an dieser Showveranstaltung nunmehr überdenken.

posted by Stadler at 21:46  
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