Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

24.5.12

Auch die Urheberrechtskampagne geht weiter

Die derzeit tobende – und das kann man praktisch wörtlich nehmen – Urheberrechtsdiskussion ist um eine Nuance reicher. Der Chefredakteur der bei Gruner & Jahr erscheinenden GEO, Peter-Matthias Gaede, hat eine eigene Erklärung verfasst, in der er die Chefredakeure der Republik offensiv auffordert, sich für das geistige Eigentum einzusetzen.

Dagegen wäre an sich nichts einzuwenden, wenn nicht erneut mit der größtmöglichen Unsachlichkeit argumentiert würde, wofür Begriffe wie „Leichtigkeitslüge“ oder der Vorwurf des Einsatzes denunziatorischer Mittel ein beredtes Beispiel bieten.

Besonders hervorzuheben ist allerdings der Umstand, dass hier gerade diejenigen am lautesten schreien, die ansonsten die Rechte von Autoren am stärksten mit Füßen treten. Und ich meine damit namentlich die Zeitschrift GEO oder auch das Handelsblatt.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die von Leuten wie Gaede ausgehende Agitation gerade auch dem Zweck dient, von dem eigenen unfairen Umgang mit Autoren abzulenken. Wer wie Gaede expressis verbis die ungenügende Bezahlung von Journalisten beklagt und dies im Zusammenhang mit Begriffen wie Raubkopien oder Tauschbörsen tut, der führt eine Ablenkungsdebatte. Denn der Grund dafür, dass Journalisten und Autoren schlecht bezahlt werden, hat in erster Linie nichts mit dem Phänomen des Filesharings oder des „Raubkopierens“ zu tun, sondern damit, dass Verlage unangemessene Honorare bezahlen und dies auch noch mit der Forderung nach Buy-Out-Klauseln verbinden.

Gerade deshalb müssenn wir wieder und vorrangig über das Urhebervertragsrecht reden. Weil die Verlagslobby aber genau diese Diskussion vermeiden will, schickt sie Leute wie Gaede vor, um ein aggressives Ablenkungsmanöver zu inszenieren. Dass die Diskussion über das Urhebervertragsrecht auch die Politik (wieder) erreicht hat, scheint in den Verlagshäusern für Nervosität zu sorgen.

posted by Stadler at 10:44  

23.5.12

Wirkungsvolle Filesharing-Abmahnungen?

Rechtsanwalt Clemens Rasch, einer der BigPlayer im Geschäft der Filesharingabmahnungen, spricht gegenüber SPON von „Wirkungswellen“ die seine Abmahntätigkeit auslöst und behauptet, die u.a. von seiner Kanzlei ausgehenden Massenabmahnungen würden eine generalpräventive Wirkung entfalten, die  in Deutschland stärker sei als in den meisten anderen europäischen Ländern. Deshalb sei die Zahl der illegalen Downloads in Großbritannien auch 40-mal so hoch wie in Deutschland. Jetzt bin ich mir zwar nicht sicher, ob für die Argumentation des Kollegen Rasch dasselbe Milchmädchen Pate stand wie bei der Musikindustrie, halte dies allerdings für naheliegend.

Denn der Pro-Kopf-Umsatz den die Musikindustrie erzielt, ist in Großbritannien deutlich höher als in Deutschland. Wenn es tatsächlich stimmt, dass das Filesharing der Musikindustrie Milliardenverluste beschert und gleichzeitig in Großbritannien 40-mal so viel Filesharing betrieben wird wie in Deutschland, stellt man sich zwangsläufig die Frage nach dem logischen Bruch in der Argumentation von Rasch und der Musikindustrie. Oder ist das Filesharing vielleicht gar nicht der Umsatzkiller als der er immer dargestellt wird, sondern sind die Ursachen doch andere und eventuell vielschichtiger?

Es wäre in der Tat äußerst hilfreich, diese Frage umfassend wissenschaftlich zu untersuchen, um zu klären, ob die Argumente, mit denen die Musikindustrie seit mehr als 10 Jahren erfolgreich Lobbyismus betreibt, am Ende gar falsch oder zumindest deutlich übertrieben sind.

posted by Stadler at 20:12  

23.5.12

„Vom Verstand her nicht in der Lage…“

Im Anwaltsalltag trifft man immer wieder mal auf berichtenswerte Kalauer und Stilblüten.

Eine Gerichtsvollzieherin schreibt mir heute:

„in obiger Zwangsvollstreckungssache konnte die eidesstaatliche Versicherung bisher nicht abgenommen werden, da der Schuldner vom Verstand her nicht in der Lage ist, dieses zu erfassen.“

Das ist jetzt doch mal eine neue Begründung für die Nichtabnahme der eidesstattlichen Versicherung.

posted by Stadler at 16:50  

23.5.12

LG Hamburg: Haftung eines Bloggers wegen eines Verweises auf ein YouTube-Video

Viele Blogs verweisen im Rahmen ihrer Artikel regelmäßig auf Filmdateien, die auf externen Servern liegen, zum Beispiel bei YouTube.

Genau das ist dem Blogger und Rechtsanwalt Markus Kompa nunmehr vom Landgericht Hamburg untersagt worden. Im Rahmen eines Blogbeitrags über den umstrittenen Krebsarzt Dr. Nikolaus Klehr – der bereits häufig Gegenstand der Berichterstattung insbesondere öffentlich-rechtlicher Sender war – hat Kompa auf einen Filmbeitrag des ZDF (WISO) verwiesen und zwar mittels eines Embedded-Links auf YouTube. Kurz zuvor hatte der Arzt dem ZDF die weitere Verbreitung und Ausstrahlung des Filmbeitrags, der u.a. auch heimlich in den Praxisräumen gefertigte Aufnahmen enthält, per einstweiliger Verfügung des Landgerichts Hamburg untersagen lassen, was dem Blogger aber nicht bekannt war. Kompa hatte lediglich gehört, dass der Arzt rechtlich gegen den Filmbeitrag des ZDF vorgeht.

Das Landgericht Hamburg vertritt in seinem Urteil vom 18.05.2012 (Az.: 324 O 596/11) die Ansicht, dass der Bloger „als Verbreiter des streitgegenständlichen Fernsehbeitrags“ auf Unterlassung haftet.

Für die juristische Bewertung des Falles muss man zwei Ebenen unterscheiden. Zunächst stellt sich die Frage, ob der Filmbeitrag des ZDF überhaupt rechtswidrig ist und die Persönlichkeitsrechte des Klägers verletzt. Wenn bereits das nicht der Fall ist, scheidet eine Haftung des Bloggers ebenfalls aus. Erst wenn man den Beitrag des ZDF als rechtsverletzend qualifizieren kann, stellt sich die Folgefrage, ob und in welchem Umfang der Blogger für eine Rechtsverletzung des ZDF haftet.

Das Landgericht Hamburg hat aufgrund einer – wie so oft in Hamburg – fehlerhaften Abwägung von Meinungs- und Rundfunkfreiheit einerseits und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen andererseits zu Unrecht eine Rechtsverletzung durch das ZDF bejaht.

Das Bundesverfassungsgericht hatte speziell der Pressekammer des Landgerichts Hamburg erst unlängst wieder ins Stammbuch geschrieben, dass in derartigen Fällen zunächst eine Auseinandersetzung mit der Frage geboten ist, in welcher Bedeutung und mit welchem Gewicht der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist. Diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat man in Hamburg allerdings nicht umgesetzt, wie die vorliegende Entscheidung zeigt. Das Landgericht Hamburg argumentiert ausschließlich damit, dass es sich bei einer Arztpraxis um einen besonders geschützten Raum handeln würde, wobei heimliche Filmaufnahmen einen besonders schweren Eingriff in das Vertrauen der Patienten darstellen würden, weshalb zumindest in einem solchen Fall eine Missachtung des Hausrechts zugleich eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bewirke.

Diese Argumentation ist aus zwei Gründen unzutreffend. Das Landgericht erwähnt in seinem Urteil nicht – obwohl dies schriftsätzlich thematisiert wurde und unstreitig ist – dass die Filmaufnahmen des ZDF keineswegs in den Behandlungszimmern stattfanden, sondern in dem für jedermann frei zugänglichen Empfangsbereich der Praxis. Das relativiert die Annahme eines besonders geschützten Raums natürlich erheblich. Darüber hinaus kann sich der Arzt aber auch nicht auf das Persönlichkeitsrecht seiner Patienten berufen, weshalb alleiniger Prüfungsmaßstab sein eigenes Persönlichkeitsrecht sein kann.

Vor diesem Hintergrund wäre vom Gericht also in einem ersten Schritt festzustellen gewesen, dass der Arzt durch diese Filmaufnahmen lediglich in seiner Berufs- und Sozialsphäre betroffene ist und wegen des Umstands, dass nur in den frei zugänglichen Teilen seiner Praxisräume gefilmt worden ist, eine eher geringfügige Beeinträchtigung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegt. Dies bedeutet dann alllerdings, dass bei der nachfolgende Abwägung gegenüber der sowohl für das ZDF als auch den Blogger streitenden Meinungs- und Rundfunkfreiheit keine übermäßig hohen Anforderungen an ein überwiegendes Berichterstattungsinteresse zu stellen sind.

Nach neuer Rechtsprechung des EGMR (Urteil vom 07.02.2012, Az.: 39954/08 – AXEL SPRINGER AG v. GERMANY) ist bei der notwendigen Abwägung außerdem maßgeblich zu berücksichtigen, ob die Berichterstattung einen Beitrag zu einer Debatte von allgemeinen Interesse (Contribution to a debate of general interest) leistet. Das ist mit Blick auf das Wirken des klagenden Arztes in jedem Fall gegeben, denn die Behandlung krebskranker Patienten mit alternativen und medizinisch unwirksamen Heilmethoden gefährdet das Leben von Menschen. Vor diesem Hintergrund besteht hier sogar ein überragendes Berichterstattungsinteresse. Es ist vielleicht sogar der öffentlich-rechtliche Auftrag des ZDF über derartige ärztliche Praktiken zu berichten. Nach der Rechtsprechung des EGMR kommt es insoweit auch nicht darauf an, ob eine die Berichterstattung begleitende Abbildung unmittelbar einen Rechtsverstoß zeigt, weshalb die Frage, ob der Filmbeitrag des ZDF unmittelbar einen Rechtsverstoß dokumentiert, entgegen der Ansicht des LG Hamburg, nicht ausschlaggegebend sein kann.

Soweit es um die Tatsachenbehauptung ging, dass die Patienten des Arztes in dessen Münchener Praxis Ampullen mit einem Eigenblutpräparat ausgehändigt bekommen haben, hat das ZDF in seinem – ebenfalls erfolglosen Widerspruch – gegen die den Sender treffende einstweilige Verfügung mehrere eidestattliche Versicherungen (von Patienten und Reportern des ZDF) vorgelegt, die dem Gericht aber nicht ausreichten, nachdem der Arzt gegenläufige Versicherungen seiner Mitarbeiter vorgelegt hat. Auch das ist nebenbei bemerkt, mit der Rechtsprechung des EGMR nicht vereinbar.

Obwohl Markus Kompa sogar drei der Personen, die eidestattliche Versicherungen abgegeben hatten, als Zeugen dafür angeboten hat, dass den Patienten des Arztes in dessen Münchener Praxis Eigenblutpräparate ausgehändigt worden sind, wollte das Landgericht Hamburg diesem Beweisangebot nicht nachkommen. Im Urteil heißt es hierzu, es sei im Beweisangebot nicht ausreichend klargestellt worden, dass sich die Frage der Aushändigung von Eigenblutpräparaten auf die Münchener Praxis des Arztes beziehe, weshalb es ja schließlich sein könne, dass der Arzt den Patienten in seiner Salzburger Praxis derartige Präparate mit nach Hause gebe, was aber gar nicht Gegenstand der angegriffenen Berichterstattung und des Antrags des Klägers sei.

Über eine derartige Begründungstechnik kann man eigentlich nur noch verwundert den Kopf schütteln. Gegenstand des ZDF-Berichts und des gesamten Verfahrens waren ausschließlich Vorgänge in der Münchener Praxis des Arztes. Um die Salzburger Praxis ging es hier gar nicht. Der Streitstoff und Streitgegenstand wird bekanntlich durch den Klageantrag und Klagevortrag bestimmt. Wenn man in diesem Kontext dann Zeugenbeweis dafür anbietet, dass „die streitgegenständlichen Ampullen vom Kläger bzw. dessen Mitarbeitern an Patienten ausgehändigt“ worden sind, dann stellt dies natürlich ein ausreichendes Beweisangebot dar.

Die Begründungstechnik der Pressekammer des Landgerichts macht deutlich, dass in Hamburg geradezu tendenziös argumentiert wird.

Die weitere Begründung der Pressekammer, warum der Blogger Kompa als „Verbreiter“ des ZDF-Beitrags haftet, obwol er sich den Beitrag selbst nach Ansicht des LG Hamburg nicht zu eigen gemacht hat, ist nicht minder interessant.

Das Landgericht Hamburg gesteht zwar zu, dass der Blogger nur als sog. mittelbarer Störer anzusehen ist, erlegt ihm dann aber Prüfpflichten auf, die nicht mit der Rechtsprechung des BGH und des BVerfG in Einklang stehen. Das Hauptargument des Landgerichts lautet nämlich, dass der Blogger nicht auf die Rechtmäßigkeit des Beitrags des ZDF vertrauen durfte, sondern die Rechtmäßigkeit hinterfragen und eigene Recherchen anstellen hätte müssen, weil er bereits wusste, dass der Arzt gegen den ZDF-Beitrag gerichtlich vorgeht. Er hätte deshalb insbesondere bei dem Betroffenen nachfragen müssen.

Wenn der Blogger bei dem klagenden Arzt nachgefragt hätte, hätte er natürlich die Einschätzung erhalten, dass der ZDF-Beitrag rechtswidrig ist. Welchen Erkenntnisgewinn hätte das gebracht? Der Umstand, dass der Krebsarzt Klehr gegen den Filmbeitrag gerichtlich vorgeht, besagt im übrigen ebenfalls noch nicht viel, zumal der Arzt als sehr prozessfreudig bekannt ist und u.a. bei der Pressekammer des Landgerichts Hamburg des öfteren zu Gast ist.

Diese Rechtsprechung des Landgerichts Hamburg ist ein gutes Beispiel dafür, wie die meinungsfreundliche Rechtsprechung des BVerfG und des BGH ausgehebelt und gegen den Strich gebürstet wird.

Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass die Fachgerichte im Rahmen der Verbreiterhaftung gehalten sind, bei der Bemessung der Sorgfaltspflichten, die der Presse bei Verbreitung einer fremden Äußerung abzuverlangen sind, die Anforderungen nicht zu überspannen, um den vom Grundgesetz geschützten freien Kommunikationsprozess nicht einzuschnüren.

Insbesondere bei der Übernahme von Fremdinhalten durch das Setzen von Hyperlinks dürfen im Interesse von Art. 5 Abs. 1 GG keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Die auf Art. 5 Abs. 1 GG zurückzuführende Begrenzung der Verantwortlichkeit führt in diesen Fällen vielmehr dazu, dass eine Störerhaftung nur im Fall der Offensichtlichkeit einer Rechtsgutsverletzung im Zusammenhang mit der verlinkten Seite in Betracht kommt (Volkmann, GRUR 2005, 205; Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 7. Teil, Rd-Nr. 75) bzw. nach der Rechtsprechung des BGH dann, wenn sich der in Anspruch Genommene bereits bei der Vornahme der Verlinkung der sich aufdrängenden Erkenntnis entzogen hat, dass er auf rechtswidrige Inhalte verlinkt.

Diese höchstrichterliche Vorgaben stellt das Landgericht Hamburg auf den Kopf wenn es meint, dass bereits der Umstand einer Kennntis eines gerichtlichen Vorgehens durch eine als prozessfreudig bekannte Person ausreichend ist, um eine uneingeschränkte Verbreiterhaftung wie für eigene Inhalte anzunehmen.

Auch der Umstand, dass der Blogger zwangsläufig nicht über dieselben Erkenntnisse verfügt und verfügen kann wie das ZDF und seine Reporter, weil er die dem Beitrag zugrundeliegenden Informationen ja nicht selbst recherchiert hat, spricht dafür, ihn grundsätzlich nicht im selben Umfang haften zu lassen wie das ZDF.

Das Urteil des Landgerichts Hamburg stellt letztlich eine netz- und blogtypische Art des Verweises auf Filmbeiträge in Frage. Denn das Haftungsrisiko des Bloggers ist enorm, wenn man bereits das Wissen ausreichen lässt, dass gegen einen Filmbeitrag juristisch vorgegangen wird.

Das Landgericht Hamburg macht im Ergebnis genau das, was es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BGH zu verhindern gilt, es schnürt den von Art. 5 GG geschützten Kommunikationsprozess ein.

posted by Stadler at 12:27  

22.5.12

Hinweispflichten von Mobilfunkanbietern

Mobilfunkanbieter sind, wenn sie ihr Vertragsangebot um mobile Internetzugänge erweitern, grundsätzlich verpflichtet, den Kunden darauf hinzuweisen, wenn insoweit nach Volumen abgerechnet wird. Der unterlassene Hinweis kann Schadensersatzansprüche des Kunden nach § 280 Abs. 1 BGB begründen. Das hat der BGH mit Urteil vom 15.03.2012 (Az.: III ZR 190/11) entschieden.

Im konkreten Fall war es so, dass ein Mobilfunkvertrag im Jahre 2004 geschlossen wurde, der keinerlei Datentarife enthielt. Der Kunde hat sich später ein internetfähiges Mobiltelefon gekauft und im Jahre 2008 dann ein YouTube-Video mit seinem Handy abgerufen. Für diesen Abruf, der 21 Minuten dauerte, hat der Provider Gebühren in Höhe von ca. EUR 750,- geltend gemacht.

In der Urteilsbegründung führt der BGH u.a. aus:

Demgegenüber ist nach dem bisherigen Sach- und Streitstand ein Schadensersatzanspruch des Beklagten gegen die Klägerin nach § 280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Hinweispflicht (§ 241 BGB) nicht auszuschließen, der zur Folge hat, dass der Forderung der Klägerin zumindest teilweise gemäß § 242 BGB der Einwand des „dolo agit, qui petit quod statim redditurus est“ entgegen steht. Die Klägerin war bei Erweiterung ihres Angebots um den mobilen Internetzugang zu einem Hinweis auf die mit der volumenabhängigen Entgeltberechnung verbundenen Gefahren verpflichtet. Es kommt darüber hinaus je nach den im Januar 2008 bestehenden technischen Möglichkeiten und Usancen in Betracht, dass die Klägerin verpflichtet war, den Beklagten durch eine auf sein Mobilfunkgerät zu sendende Mitteilung zu warnen, sobald eine von dem normalen Nutzungsverhalten außergewöhnlich abweichende Gebührenhöhe erreicht war, um ihm die Möglichkeit zu geben, die Datenübertragung abzubrechen und so das Entstehen einer unerwünscht hohen weiteren Entgeltforderung zu verhindern.
(…)
Auch in der vorliegenden Fallgestaltung bestand eine Hinweispflicht der Klägerin. Sie war gehalten, ihre Kunden bei Einführung des neuen Dienstes hinreichend deutlich – etwa durch ein Anschreiben, einen Hinweis auf den Rechnungen oder eine SMS – darüber zu unterrichten, dass der Zugang zum Internet per Mobilfunkgerät im Gegensatz zu den Telefonverbindungen nicht nach der Verbindungsdauer, sondern nach dem heruntergeladenen Datenvolumen berechnet wird. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts musste ein Durchschnittskunde bei der Erweiterung des Leistungsspektrums der Klägerin nicht davon ausgehen, dass sie das Entgelt für den neuen Dienst nach anderen Parametern berechnen werde als für den Telefonverkehr, zumal bei der Internetnutzung über das Festnetz außerhalb von Pauschaltarifen eine zeitabhängige Entgeltberechnung zumindest weit verbreitet war. Darüber hinaus war die Klägerin verpflichtet, ihre Kunden darauf hinzuweisen, dass auch bei Nutzung nicht außergewöhnlich erscheinender Internetangebote sehr große Datenmengen anfallen können, die bei volumenabhängigen Verbindungsentgelten für den mobilen Netzzugang zu ungewöhnlich hohen Kosten führen. Der Durchschnittskunde musste auch hiermit mangels entsprechender Kenntnisse nicht rechnen, während der Klägerin als Telekommunikationsanbieter dies bekannt war. Hiernach bestand das Informationsgefälle, das für die Begründung von Hinweispflichten einer Vertragsseite zur Wahrung der Interessen des Gegners ausschlaggebend ist.

posted by Stadler at 11:13  

21.5.12

Die politische Diskussion über eine Reform des Urheberrechts

Der Arbeitskreis Urheberrecht der SPD-Bundestagsfraktion hat ein Papier mit „Zwölf Thesen für ein faires und zeitgemäßes Urheberrecht“ vorgestellt, das eine nähere Befassung lohnt. Deutlich weiter gehen die zehn Vorschläge und Forderungen der Piratenpartei, wobei sich durchaus auch einige Parallelen zeigen.

Reformvorschläge die mittelfristig eine gewisse Chance auf Umsetzung haben sollen, müssen dasjenige in den Vordergrund stellen, was durch nationale Gesetzgebung möglich ist. Auch wenn ich beispielsweise die Verkürzung von Schutzfristen für eine durchaus legitime und auch sinnvolle Forderung halte, müssten dazu EU-Richtlinien geändert und völkerrechtliche Verträge aufgekündigt werden. Weil dies aktuell kein realistisches politisches Szenario darstellt, würde es sich anbieten, mit anderen Reformvorhaben zu beginnen.

Vor diesem Hintergrund halte ich in einem ersten Schritt zwei Maßnahmen für vorrangig verfolgenswert.

Zum einen muss die Position der Urheber durch eine stringerente Regelung des Urhebervertragsrechts gestärkt werden. Das habe ich unlängst bereits ausführlich erläutert. Sowohl das Thesenpapier der SPD als auch das der Piraten enthalten diesen Ansatz.

Zum anderen ist bei den Schrankenbestimmungen des Urheberrechts anzusetzen. Speziell im Bereich Bildung, Unterricht und Wissenschaft wirkt das geltende Urheberrecht hemmend. Die in der Praxis ohnehin uneffektive Schrankenregelung des § 52a UrhG soll zum Jahresende auslaufen. An dieser Stelle wäre es wünschenswert, eine tatsächlich bildungsfreundliche Regelung zu schaffen, die deutlich über das hinausgeht, was § 52a UrhG derzeit ermöglicht. Sowohl digitale als auch herkömmliche Kopien urheberrechtlich geschützter Werke müssen in deutlich größerem Umfang für Unterrichtszwecke zulässig sein. Auch hier gab es in der Vergangenheit bereits deutlich progressivere Vorschläge, an die man wieder anknüpfen könnte.

Vielleicht sollte man sich also zunächst dieser beiden wichtigen Aspekte annehmen und ausloten, ob nicht SPD, Grüne und Piraten an dieser Stelle bereits ganz ähnliche Positionen vertreten und deshalb ein erster Konsens gefunden werden kann. Eine politische Mehrheit zu schmieden, wird ohnehin schwer genug werden, weil mit massivem Lobbyismus speziell der Verlage zu rechnen ist, durch den bereits im Jahre 2002 sinnvolle und notwendige Reformen des Urhebervertragsrechts verhindert worden sind.

posted by Stadler at 22:22  

21.5.12

OLG Köln: Keine generelle Haftung des Internetanschlussinhabers für Urheberrechtsverletzungen des Ehepartners

Das OLG Köln hat in einer ganz aktuellen Entscheidung (Urteil vom 16.05.2012, Az: 6 U 239/11) eine generelle Haftung des Inhabers eines Internetanschlusses für Rechtsverletzungen seines Ehegatten abgelehnt und die Revision zum BGH zugelassen.

In der Pressemitteilung heißt es zur Verneinung der Störerhaftung des Anschlussinhabers:

Hierzu vertrat das Gericht die Auffassung, dass die bloße Überlassung der Mitnutzungsmöglichkeit an den Ehegatten noch keine Haftung auslöst. Eine solche könne allenfalls dann in Betracht kommen, wenn entweder der Anschlussinhaber Kenntnis davon hat, dass der Ehepartner den Anschluss für illegale Aktivitäten nutzt (was hier nicht der Fall war), oder wenn eine Aufsichtspflicht bestünde. Eine Prüf- und Kontrollpflicht wird angenommen, wenn Eltern ihren Anschluss durch ihre (minderjährigen) Kinder mitnutzen lassen und diese im Internet Urheberrechtsverletzungen begehen. Eine solche Überwachungspflicht bestehe aber nicht im Verhältnis zwischen Ehepartnern.

Das Landgericht hatte die Anschlussinhaberin verurteilt, obwohl die Sache wegen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits zuvor beim OLG war.

Der 6. Senat des OLG Köln scheint seine Rechtsprechung in diesem Punkt zwischenzeitlich geändert haben, denn das BVerfG hatte erst kürzlich eine noch anderslautende Entscheidung des OLG Köln aufgehoben.

 

 

posted by Stadler at 18:23  

21.5.12

OLG Köln: Keine einstweilige Verfügung gegen negative eBay-Bewertung

Das OLG Köln hat mit Urteil vom 08.03.2012 (Az.: 15 U 193/11) entschieden, dass ein eBay-Verkäufer nicht im Wege einer einstweiligen Verfügung gegen eine negative Bewertung eines Käufers vorgehen kann. Das OLG Köln ist vielmehr der Meinung, dass dem Verkäufer insoweit zugemutet werden kann, die Streitfrage in einem Hauptsacheverfahren zu klären. Das Oberlandesgericht hat damit den sog. Verfügungsgrund nach §§ 935, 940 ZPO verneint.

Die Begründung des OLG erscheint mir durchaus diskussionswürdig:

Wie aus dem im erstinstanzlichen Urteil in Bezug genommenen Screenshot ih­res Bewertungsprofiles vom 05.05.2011 zu entnehmen und zwischen den Par­teien auch unstreitig ist, hat sie auf die Bewertungen der Verfügungsbeklagten reagiert, indem sie jeweils Gegenkommentare verfasst und hierin ihre Sicht­weise dargestellt hat. Diese Möglichkeit der Stellungnahme sieht das Bewer­tungssystem bei ebay, dem beide Parteien sich durch die Anerkennung der All­gemeinen Geschäftsbedingungen unterworfen haben, ausdrücklich vor. Die bewertete Partei erhält auf diese Weise Gelegenheit, ihre Rechte gegenüber einer für unzutreffend erachteten Bewertung vorläufig zu wahren, indem sie ihr für jeden Nutzer einsehbar durch einen Gegenkommentar entgegentritt. Vor diesem Hintergrund ist es der bewerteten Partei grundsätzlich möglich und zu­mutbar, den Ausgang eines etwaigen Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Einer einstweiligen Verfügung, die das Ziel hat, einen möglichen Anspruch vorläufig „in der Waage zu halten“ und der Gefahr vorzubeugen, dass durch die tatsäch­lichen Umstände die Durchsetzung eines solchen Anspruchs im Wege einer Hauptsacheklage vereitelt oder wesentlich erschwert würde, bedarf es in dieser Fallkonstellation grundsätzlich nicht.

Weil also eBay die Möglichkeit eröffnet, einen Gegenkommentar zur negativen Bewertung des Käufers zu verfassen, kann der Verkäufer seine Rechte vorläufig selbst wahren und ist nicht auf eine Eilentscheidung des Gerichts angewiesen.

Müsste man diese Schlussfolgerung dann aber nicht auf alle Onlineäußerungen erstrecken, bei denen man als Betroffener die Möglichkeit hat, an derselben Stelle zu erwidern? Wenn also in einem Meinungsforum oder im Kommentarbereich eines Blogs eine äußerungsrechtliche Verletzung stattfindet, wäre ein Verfügungsgrund immer dann ausgeschlossen, solange man als Betroffener dort unmittelbar erwidern kann.

Das erscheint mir, in der Allgemeinheit wie vom OLG Köln formuliert, dann doch eine eher gewagte These zu sein. Denn die Möglichkeit einer Stellungnahme ändert noch nichts daran, dass falsche oder gar ehrverletzende Äußerungen damit über Monate oder gar Jahre hinweg online bleiben würden. Abgesehen davon, dass es in vielen Fällen vermutlich sogar besser ist, sich als Betroffener nicht zu verteidigen, weil man damit vielfach eine ohnehin bereits hitzige Kommunikation noch zusätzlich befeuert. Die Entscheidung des OLG Köln mag in Einzelfällen durchaus zutreffend sein, die vom Gericht postulierte Regel, nach der es in solchen Fällen grundsätzlich keiner einstweiligen Verfügung bedarf, muss aber kritisch hinterfragt werden.

posted by Stadler at 11:07  

21.5.12

Umsatzsteuerpflicht von eBay-Verkäufen

Bei eBay tummeln sich eine ganze Menge Anbieter, die sich als Privatverkäufer ausgeben, in Wahrheit aber gewerblich handeln. Dadurch wird nicht nur versucht, Vorschriften zum Schutz des Verbrauchers zu umgehen, sondern auch gegen steuerliche Pflichten verstoßen.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 26.4.2012 (Az.: V R 2/11) in einem Einzelfall entschieden, wann eine Verkaufstätigkeit bei eBay als eine nachhaltige, unternehmerische und damit umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit zu betrachten ist.

Im konkreten Fall wurden in dem vom BFH für maßgeblich gehaltenen Zeitraum von drei Jahren, jährliche Umsätze zwischen 21.000 und 35.000 EUR erzielt und zwar durch den Verkauf von jeweils mehreren hundert Einzelartikeln pro Jahr, wobei diese Artikel insgesamt mindestens 36 verschiedenen Produktgruppen entstammten.

Der BFH betont u.a., dass sich die Kläger nicht auf Entscheidungen berufen können, nach denen Briefmarken- und Münzsammler, die ihre Sammlungen insgesamt veräußern, auch bei höheren Umsätzen nicht unbedingt umsatzsteuerpflichtig sind. Der entscheidende Unterschied besteht insoweit nach Ansicht des Bundesfinanzhofs darin, dass die Kläger Waren aus 36 Produktgruppen veräußert haben und nicht eine oder mehrere Sammlungen. Die Kläger haben damit laufend Einzelstücke aus einem weit gefächerten, vielfältigen Angebot verkauft und keine einzelnen Sammlungen.

 

posted by Stadler at 09:55  

18.5.12

Unzulässige Datenerhebung durch FC Bayern vor dem Champions-League-Finale

Detektor.fm berichtet darüber, dass der FC Bayern München von den Besuchern des morgigen CL-Finales die Angabe von Personen- und Anreisedaten gefordert hat, mit Verweis darauf, dass dies von der UEFA und den örtlichen Polizeibehörden verlangt würde. Das entsprechende Schreiben des Clubs ist bei detektor.fm online. Wie und wofür diese Daten verwendet werden und wie lange sie gespeichert bleiben, besagt das Schreibens des FC Bayern nicht.

Die Münchener Polizeibehörden haben offenbar sogleich dementiert. Das ist wenig überraschend, denn aus polizeirechtlicher Sicht gibt es keine Rechtsgrundlage dafür, die Anreisedaten aller Besucher vorab zu ermitteln.

Ob es seitens der UEFA eine entsprechende Vorgabe gibt, ist offenbar unklar. Sie wäre jedenfalls nicht mit deutschem und europäischem Datenschutzrecht vereinbar, zumal nicht darüber aufgeklärt wurde, was der genaue Zweck der Datenerhebung ist. Vielmehr wird der Eindruck erweckt, der Stadionbesucher müsse diese Daten preisgeben, weil dies eine behördliche Vorgabe sei. Allein damit entfällt aber die Freiwilligkeit der Einwilligung in die Datenverarbeitung.

Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht sollte sich mit diesem Vorgang befassen und diesen datenschutzrechtlichen Verstoß entsprechend ahnden.

 

posted by Stadler at 17:15  
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