Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

16.1.12

Vorbeugender Unterlassungsanspruch gegen zu erwartende Presseberichterstattung

Vor einigen Monaten hatte ich über einen Beschluss des Landgerichts München I berichtet, in dem ein vorbeugender Unterlassungsanspruch gegen eine Tageszeitung bejaht worden war, wegen der Befürchtung einer personenidentifizierenden Berichterstattung über ein Strafverfahren. Diese Entscheidung ist nun vom OLG München bestätigt worden.

Hintergrund war das umstrittene Fernsehformat „Tatort Internet“ des Privatsenders RTL2. Für dieses Format hat sich eine Journalistin in Chats als 13-jähriges Mädchen ausgegeben, um erwachsene Männer anzulocken. Es wurden anschließend tatsächliche Treffen zwischen dem vermeintlich 13-jährigen Mädchen – gespielt von einer volljährigen Schauspielerin – und den angelockten Männern vereinbart, die von RTL2 mit versteckter Kamera gefilmt und ausgestrahlt worden sind. Hierdurch sollten vermeintlich pädophile Männer öffentlich angeprangert werden, um die Sensationslust des Privatfernsehpublikums zu befriedigen.

Die Staatsanwaltschaft München I hat im letzten Jahr gegen zwei dieser Männer wegen versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern Anklage erhoben. Nachdem mehrere Zeitungen und Online-Medien über das erste Strafverfahren in personenidentifiziernder Art und Weise berichtet hatten, hat der zweite Angeklagte u.a. gegen eine in München erscheinende Tageszeitung eine einstweilige Verfügung erwirkt, die es der Zeitung bereits vorab untersagte, über den Hauptverhandlungstermin in der Form zu berichten,  dass der Antragsteller mit Vornamen und dem ersten Buchstaben des Nachnamens, ergänzt um seinen Wohnort, seine Berufsbezeichnung und sein Alter, benannt wird.

Nachdem die Parteien auf den Widerspruch der Zeitung hin den Rechtsstreit für erledigt erklärt haben, hatte das Landgericht München I noch über die Verfahrenskosten zu entscheiden, die es mit Beschluss vom 30.08.2011 der Zeitung auferlegte.

Hiergegen hatte die Zeitung Beschwerde zum Oberlandesgericht München eingelegt, allerdings ohne Erfolg. Mit Beschluss vom 11.01.2012 (Az.: 18 W 1752/11) hat das OLG die Kostenentscheidung des Landgerichts bestätigt und ausgeführt, dass die einstweilige Verfügung zu Recht ergangen ist und dem Antragsteller gegen die zu erwartende Berichterstattung ein vorbeugender Unterlassungsanspruch zustand. Das Oberlandesgericht setzt sich insbesondere auch mit dem Aspekt der Erstbegehungsgefahr auseinander und führte insoweit aus, dass eine solche, aufgrund der ebenfalls identifierenden vorangegangenen Berichterstattung über ein Parallelverfahren, jedenfalls nahe lag.

Die Entscheidungen sind durchaus beachtenswert, nachdem im Bereich des Presse- und Medienrechts kaum vorbeugende Unterlassungsansprüche durchgesetzt werden und andererseits eine personenbezogene Berichterstattung, in der der Betroffene mit seinem Vornamen und dem ersten Buchstaben seines Nachnamens benannt wird, sehr häufig anzutreffen ist.

posted by Stadler at 15:25  

13.1.12

Rechtsanwalt darf Kollegen nicht als Winkeladvokaten bezeichnen

Nach Ansicht des Landgerichts Köln (Urteil vom 15.11.2011, Az.: 5 O 344/10) darf ein Anwalt einen Berufskollegen auch im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens nicht als Winkeladvokaten bezeichnen. Der beklagte Rechtsanwalt hatte in einem Zivlprozess eine von ihm verfasste E-Mail, die an die Rechtsanwaltskammer gerichtet war, vorgelegt, in der er die Kanzlei des gegnerischen Kollegen als „Winkeladvokatur“ bezeichnet hatte.

Nach Ansicht des Landgerichts Köln stellt dies einen Angriff auf die Ehre und Persönlichkeitsrechte des Klägers dar und ist als sog. Schmähkritik aufzufassen.

Die Entscheidung des Landgerichts Köln halte ich bereits im Tenor für fragwürdig, weil stets nur zur Unterlassung der konkreten Verletzungshandlung verurteilt werden kann. Nachdem der Beklagte nur von „Winkeladvokatur“ gesprochen hat und der Begriff „Winkeladvokat“ nicht verwendet wurde, ist der Urteilsausspruch zu weitgehend.

Es stellt sich bei Lektüre des Urteils ganz generell die Frage, ob das Landgericht die umfassende Gesamtwägung, die nach ständiger Rechtsprechung des BGH und des BVerfG im Spannungsverhältnis von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht, geboten ist, ausreichend vorgenommen hat. Denn bereits der Tatbestand deutet darauf hin, dass mit „Winkeladvokatur“ der Umstand unschrieben worden ist, dass der klagende Anwalt mit seiner Kanzlei abwechselnd als Kooperation und als Sozietät aufgetreten ist, was der Beklagte als berufsrechtlich problematisch angesehen hatte. Wenn man die Aussage in diesem Kontext betrachtet, dann erscheint, entgegen der Ansicht des Landgerichts, nämlich nicht die Diffamierung der Person im Vordergrund zu stehen, sondern vielmehr die Kritik an einem bestimmten beruflichen/geschäftlichen Auftreten. Zumindest kann nicht angenommen werden, dass die Äußerung überhaupt nicht mehr der Sachauseinandersetzung diente, sondern nur noch der Herabsetzung der Person. Genau das ist aber nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung Voraussetzung einer Schmähkritik. Es ist vorliegend wohl sogar so, dass die Bezeichnung „Winkeladvokatur“ primär auf die Kanzlei des Klägers und nicht so sehr auf die Person bezogen war.

Das Landgericht Köln erkennt zwar an, dass der Ausdruck anlässlich einer sachthemenbezogenen Auseinandersetzung verwendet worden ist, meint aber dennoch, der Begriff Winkeladvokatur hätte allein der Diffamierung gedient. Dies ist auch vor dem Hintergrund, dass nach der Rechtsprechung des BGH selbst Äußerungen wie „Lüge“, „Täuschung“, „Vertuschung“ oder „Korruption“ in einem geeigneten Kontext von der Meinungsfreiheit gedeckt sein können, wenig überzeugend. Der BGH geht in ständiger Rechtsprechung auch davon aus, dass an die Bewertung einer Äußerung als Schmähkritik strenge Maßstäbe anzulegen sind.

Diese höchstrichterlichen Vorgaben hat das Landgericht Köln in seiner Entscheidung nicht ausreichend beachtet und zu Unrecht zur Unterlassung verurteilt.

 

posted by Stadler at 15:43  

13.1.12

BGH zur Einsicht in Gerichts- und Verfahrensakten in Markensachen

Der BGH hat mit Beschluss vom 30.11.2011 (Az.: I ZB 56/11) entschieden, dass grundsätzlich Einsicht in die Gerichts- und Verfahrensakten zu gewähren ist, die eine eingetragene Marke betreffen ( § 62 Abs. 2 i.V.m. § 82 Abs. 3 MarkenG). Für diese Akteneinsicht braucht anders als bei der Einsicht in die Akten von Markenanmeldungen ein berechtigtes Interesse nicht glaubhaft gemacht zu werden. Das bedeutet, dass auch Dritte, die am Verfahren nicht beteiligt sind, Akteneinsicht nehmen können.

Ob ausnahmsweise einer (unbeschränkten) Akteneinsicht schutzwürdige Belange der Verfahrensbeteiligten entgegenstehen können, brauchte im konkreten Fall nach Ansicht des BGH nicht entschieden zu werden, weil die Verfahrensbeteiligten der begehrten Akteneinsicht zwar widersprochen, aber kein berechtigtes Interesse dargelegt haben, das ausnahmsweise einer (unbeschränkten) Akteneinsicht entgegenstehen könnte.

Außerdem hat der BGH in seinem Beschluss klargestellt, dass die Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes auf die Akteneinsicht Dritter in Verfahren in Markenangelegenheiten keine Anwendung findet, nachdem sich der Anspruch auf Akteneinsicht bereits aus dem MarkenG ergibt.

 

posted by Stadler at 12:07  

12.1.12

Auch das VG Köln spricht sich gegen Netzsperren bei Glücksspielen aus

Nach dem Verwaltungsgericht Düsseldorf hat jetzt auch das Verwaltungsgericht Köln Sperrungsanordnungen der Bezirksregierung Düsseldorf gegen die Telekom aufgehoben (Urteil vom 12.01.2012, Az.: 6 K 5404/10). In der Pressemitteilung des VG heißt es hierzu:

Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt und stellte fest, dass die Klägerin als bloßer „Access-Provider“ nach dem gestuften Haftungs- und Verantwortungssystem des Telemediengesetzes nicht für die Inhalte der Domains der beiden Sportwettenanbieter verantwortlich sei, auch wenn sie um deren Rechtswidrigkeit wisse. Die Klägerin könne auch nicht nach allgemeinem Ordnungsrecht in Anspruch genommen werden. Denn die Bezirksregierung Düsseldorf habe die Klägerin gezielt als einen der beiden großen Anbieter in Nordrhein-Westfalen in Anspruch genommen, ohne ein schlüssiges Gesamtkonzept zum gleichzeitigen Vorgehen gegen alle „Access-Provider“ in Nordrhein-Westfalen zu haben. Dadurch werde in wettbewerbsverzerrender Weise in das Marktgeschehen und die Grundrechte der Klägerin eingegriffen. Diese müsse zu recht besorgen, durch die angefochtene Anordnung als „zensierte“ Anbieterin stigmatisiert zu werden.

Die Pressemitteilung deutet allerdings darauf hin, dass das VG eine Inanspruchnahme aller Provider in NRW als sog. Nichtstörer für möglich hält und nur selektive Sperrungsanordnung gegenüber den großen Providern als Ungleichbehandlung betrachtet.

posted by Stadler at 20:26  

12.1.12

Hebelt die geplante EU-Datenschutzverordnung deutsche Grundrechte aus?

Vor einigen Tagen hatte ich über einen Zeitungsbeitrag von Johannes Masing – Richter am Bundesverfassungsgericht – berichtet, der erwartungsgemäß zu kontroversen Reaktionen geführt hat. Masing vertritt die Ansicht, dass die geplante EU-Datenschutzverordnung dazu führen würde, dass deutsche Grundrechte nicht mehr gelten und auch das Bundesverfassungsgericht nicht mehr angerufen werden kann.

Hierzu hat Ralf Bendrath einen kritischen Kommentar auf netzpolitik.org verfasst. Unter dem Titel „Verfassungsrichter Masing trollt zur EU-Datenschutzreform“ wirft Bendrath dem Verfassungsrichter vor, seine Behauptungen seien „auf deutsch gesagt Blödsinn“. Das mag zwar als Polemik durchgehen, eine sachliche Auseinandersetzung mit den Argumenten Masings lässt Bendrath allerdings vermissen.

Ich möchte deshalb versuchen, die m.E. rechtsdogmatisch zwingende Argumentation Masings zu erläutern und zu erklären, weshalb er die geplante EU-Datenschutzverordnung für derart bedenklich und gefährlich hält.

Masings materiell-rechtliche Grundthese lautet, dass mit dem Inkraftreten einer EU-Datenschutzverordnung die Grundrechte des Grundgesetzes – im Anwendungsbereich der Verordnung – nicht mehr gelten. Das ist eine Schlussfolgerung, die angesichts des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts zwingend ist und die auch kein Europarechtler ernsthaft in Abrede stellen wird. Die EU-Verordnung geht dem gesamten deutschen Recht, einschließlich des Grundgesetzes, vor. Daraus folgt auch, dass das BVerfG Grundrechtsverstöße, die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, nicht mehr überprüfen kann. Denn das würde bedeuten, dass das BVerfG die Verordnung am Maßstab der Grundrechte des GG misst und genau das ist ihm wegen des Vorrangs des Unionsrechts verwehrt.

Diese Konsequenz wäre weniger dramtisch, wenn die EU sowohl materiell-rechtlich als auch verfahrensrechtlich einen ebenbürtigen Grundrechtsschutz gewährleisten würde. Das ist aber bereits verfahrensrechtlich nicht der Fall – und hierauf weist Masing zu Recht hin – u.a. deshalb, weil das Gemeinschaftsrecht kein Pendant zur Verfassungsbeschwerde kennt. Der Bürger, der in seinen (europäischen) Grundrechten verletzt wird, hat also nicht die Möglichkeit, diese Rechtsverletzung vor dem EuGH geltend zu machen.

Masing zieht also zu Recht die Schlussfolgerung, dass die geplante Datenschutzverordnung eine tiefgreifende Änderung des Grundgesetzes mit sich bringt und gerade auch vor diesem Hintergrund diskutiert werden muss.

In diesem Zusammenhang muss man sich auch vor Augen führen, dass die europäische Rechtssetzung immer noch nicht vollständig dem demokratischen Bild einer parlamentarischen Gesetzgebung entspricht und nach wie vor erhebliche demokratische Defizite aufweist. Das Europäische Parlament ist zwar eingebunden, hat aber immer noch nicht die Rolle eines originären Gesetzgebers erhalten, wie beispielsweise der Bundestag.

Diese grundrechtsintensive europäische Verordnung wirft erhebliche verfassungsrechtliche Fragen auf. Denn eine  Verfassungsänderung erfordert in Deutschland der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und von zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates (§ 79 Abs. 2 GG). Die Einhaltung dieser 2/3-Mehrheit verlangt das Grundgesetz nach Art. 23 Abs. 1 GG auch für Rechtssetzungsakte der EU durch die das Grundgesetz seinem Inhalt nach geändert oder ergänzt wird oder solche Änderungen oder Ergänzungen ermöglicht werden. Wenn man das für die geplante Datenschutzverordnung der EU bejaht, wofür vieles spricht, würde dies bedeuten, dass der Bundestag und der Bundesrat mit verfassungändernder Mehrheit zustimmen müssten.

Es ist deshalb auch Sache der nationalen Parlamente sich der Tragweite der EU-Datenschutzverordnung und der verfassungsrechtlichen Konsequenzen bewusst zu werden. Genau dieses Bewusstsein versucht Masing mit seinem inhaltlich sehr deutlichen Beitrag zu wecken.

Die Aussage Bendraths, er könne sich nicht erinnern, dass das BVerfG je wegen des BDSG bzw. des Datenschutzes tätig gewesen wäre, weshalb sich die von Masing aufgeworfenen Fragen eh nicht stellen würden, ist aus zweierlei Gründen falsch. Das Bundesverfassungsgericht hat sich nicht nur regelmäßig mit Verfassungsbeschwerden zu befassen, die sich auf das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung stützen, es hat dieses Grundrecht durch das Volkszählungsurteil sogar geprägt. Die Datenschutzverordnung ist allerdings in grundrechtlicher Hinsicht nicht auf die sog. informationelle Selbstbestimmung beschränkt, sondern berührt eine Reihe weiterer Grundrechte wie die Meinungsfreiheit und das Persönlichkeitsrecht. Im Anwendungsbereich der Verordnung ist auch insoweit dann eine Prüfung durch das BVerfG nicht mehr möglich.

Das möchte ich anhand eines praktischen Beispiels verdeutlichen. Wenn sich z.B. ein Bürger darauf beruft, dass eine Vorschrift der Verordnung oder auch nur die Anwendung einer Vorschrift durch eine (Datenschutz-)Behörde sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit verletzt, dann hätte er nicht mehr die Möglichkeit, hiergegen Verfassungsbeschwerde zu erheben. Ein Rechtsschutz vor dem EuGH ist ohnehin nicht vorgesehen. Gerade zwischen dem Datenschutzrecht und der Meinungsfreiheit besteht allerdings ein regelrechtes Spannungsverhältnis, das gerade im Netz immer wieder zu Tage tritt, zumal der Datenschutz gerne gegen die Meinungsfreiheit in Stellung gebracht wird, wie z.B. die Spick-Mich-Entscheidung des BGH zeigt.

Es geht hier auch nicht um eine nationale Sichtweise, sondern darum, ein hohes Niveau der Grund- und Bürgerrechte aufrecht zu erhalten. Wie im Falle der Vorratsdatenspeicherung, erfordert eine bürgerrechtsfreundliche Haltung auch hier die Einnahme einer puntktuell EU-kritischen Position. Ich teile die Bedenken Masings, weshalb ich eine breite öffentliche Diskussion für dringend notwendig halte.

Update:
Ulf Buermeyer widerspricht Ralf Bendrath in einem Blogkommentar bei netzpolitik.org ebenfalls und erläutert das Kernanliegen Masings.

 

posted by Stadler at 14:40  

11.1.12

LG Berlin zur Geltung der GPL

Das Landgericht Berlin hat mit Urteil vom 8. November 2011 (Az.: 16 O 255/10) entschieden, dass ein Werk, das Open Source-Bestandteile enthält, die unter der GNU General Public Licence (GPL) stehen, als Ganzes den Bedingungen der GPL unterliegen, wenn das IT-Produkt insgesamt maßgeblich von den Open-Source-Elementen abhängt.

Mit dieser Begründung hat das Landgericht Berlin eine Klage des Fritz-Box-Hersteller AVM (im Hauptantrag) abgewiesen. AVM wollte Modifikationen seiner auf dem Linux-Kernel basierenden Firmware untersagen. Diesen Anspruch hat das Landgericht mit Verweis auf die GPL verneint und zur Begründung u.a. ausgeführt:

Hiernach ist jedem aufgrund einer eingeräumten Lizenz die Benutzung und Bearbeitung gestattet und jedem Nutzer auferlegt, Dritten dieselben Rechte an seiner Bearbeitung einzuräumen (Wandte/Bullinger, a.a.O., § 69c UrhG Rn. 74 und 81 m.w.N.). Nach dem so genannten Copyleft- Prinzip des § 3 GPL besteht bei der Inanspruchnahme von Open Source Software-Bestandteilen und einfacher Nutzungsrechte die Verpflichtung, Umgestaltungen bzw. Bearbeitungen ebenfalls der GPL zu unterstellen. Hierdurch soll eine Weiterentwicklung des Betriebssystems Linux und der darauf basierenden Programme der Software sichergestellt werden, wobei die Ergebnisse der Bearbeitungen bzw. Umgestaltungen wiederum der Allgemeinheit frei zugänglich sein sollen. Nach § 4 GPL fallen danach die Nutzungsrechte an die Urheber der Open Source Software zurück.

Für Sammelwerke bestimmt § 2 GPL, dass Werke, die Open Source Software enthalten, als Ganzes den Bedingung der GPL unterliegen (Determann, GRUR Int 2006, 645, 648 f. m.w.N.). Hintergrund dieser Regelung ist, dass derjenigen Nutzer, der von den Vorteilen der freien Software in einem maßgeblichen Umfang profitiert, sich auch an den Bedingungen der GPL festhalten lassen muss. Die Infizierung eines Sammelwerks insgesamt bei Verwendung von Open-Source- Software in einzelnen Teilen eines Sammelwerks begegnet keinen Bedenken, da das Sammelwerk eine einheitliche Funktionalität aufweist und maßgeblich von den Open-Souce-Bestandteilen abhängt.

posted by Stadler at 21:19  

11.1.12

Eintragungsfähigkeit zusammengesetzter Begriffe als Marke

Der BGH hat mit Beschluss vom 21.12.2011 (Az.: I ZB 56/09) entschieden, dass der zusammengesetze Begriff „Link economy“ als Marke für die Waren- und Dienstleistungen u.a. der Druckereierzeugnisse, Werbung und Online-Publikationen eintragungsfähig ist und eine anderslautende Entscheidung des Bundespatentgerichts aufgehoben.

Das Patentgericht hatte argumentiert, dass der Wortkombination „Link economy“ ein verständlicher Sinngehalt zu entnehmen sei. „Link“ sei das englische Wort für Verbindung oder verbinden. Unter Link werde eine Verknüpfung auf einer Webseite mit einem anderen Dokument verstanden. Das englische Wort „economy“ bedeute „Wirtschaft“, „Ökonomie“ oder „Wirtschaftlichkeit“. Der Gesamtbegriff „Link economy“ könne als Wirtschaftlichkeit einer Verlinkung im Internet gedeutet und als Wert einer Internetseite verstanden werden.

Dieser Begründung vermochte sich der Erste Senat des BGH nicht anzuschließen. Der BGH führt zunächst allgemein aus, dass bei einem Wortzeichen, dem für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugerechnet werden kann und bei dem es sich auch nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, kein tatsächlicher Anhalt dafür besteht, dass die notwendige Unterscheidungseignung fehlt.

Wörtlich führt der BGH dann weiter aus:

Die Wortfolge „Link economy“ weist entgegen der Annahme des Bundespatentgerichts für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen der Klassen 16, 35 und 41 keine für den inländischen Verkehr auf der Hand liegende Beschreibung des Inhalts dieser Produkte und Dienstleistungen auf. Das Bundespatentgericht ist zu dem gegenteiligen Schluss nur dadurch gelangt, dass es einen denkbaren beschreibenden Gehalt in mehreren gedanklichen Schritten ermittelt hat. Eine derartige analysierende Betrachtungsweise im Rahmen der Beurteilung der Unterscheidungskraft eines Zeichens ist unzulässig, weil sich daraus keine in den Vordergrund drängende, für den Durchschnittsverbraucher ohne weiteres ersichtliche Beschreibung des Inhalts von Waren oder Dienstleistungen ergibt.

(…)

Die Wortfolge „Link economy“ weist auch keine ohne weiteres und ohne Unklarheiten erfassbare beschreibende Bedeutung für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen auf. Die englischen Begriffe „Link“ für „Verbindung“ oder „verbinden“ oder als Kurzform für Hyperlink zur Bezeichnung der Verknüpfung auf einer Webseite mit einem anderen Dokument im Internet auf der einen und „economy“ für „Wirtschaft“, „Ökonomie“ oder „Wirtschaftlichkeit“ auf der anderen Seite haben zwar eine je für sich, nicht aber in ihrer Kombination sich aufdrängende ohne weiteres ersichtliche beschreibende Bedeutung. Der vom Berufungsgericht als Grundbedeutung angesehene Sinngehalt von „Link economy“ als „Wirtschaftlichkeit einer Verlinkung im Internet“ ist nur eine der möglichen Interpretationen. Zu Recht weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass das Deutsche Patent- und Markenamt der Wortfolge andere, ebenfalls mögliche Bedeutungen beigelegt hat. Danach dient die Wortfolge zur Bezeichnung von Tätigkeiten im Internet und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung (Beanstandungsbescheid des Deutschen Patent- und Markenamts vom 8. Februar 2006) oder zur Bezeichnung der Ökonomie von Links (Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. April 2006).

Das Bundespatentgericht hat zudem angenommen, der Verkehr werde die Bezeichnung „Link economy“ als Wert einer Internetseite verstehen. Es hat dies ausgehend von der von ihm angenommenen Grundbedeutung „Wirtschaft-lichkeit einer Verlinkung im Internet“ daraus gefolgert, dass unter Berücksichtigung der Entwicklungen in der Werbewirtschaft „Link economy“ die von dem Grad ihrer Verlinkung abhängende Wirtschaftlichkeit bezeichne, woraus sich dann die Bedeutung „Wert einer Internetseite“ ergebe. Die Ableitung der Bedeutung von „Link economy“ als Wert einer Internetseite in diesen gedanklichen Schritten ist keine auf der Hand liegende ohne weiteres und ohne Unklarheiten erfassbare beschreibende Bedeutung.

Wer häufiger Marken anmeldet, wird gerade in letzter Zeit beobachtet haben, dass gerade zusammengesetzte Zeichen im Eintragungsverfahren vom DPMA immer wieder beanstandet werden und zwar z.T. mit Interpretationen, die noch deutlich fernliegender sind als im Falle von „Link economy“.

posted by Stadler at 11:36  

10.1.12

Zulässigkeit der heimlichen Installation von Überwachungssoftware

Unter dem Titel „Zulässigkeit der heimlichen Installation von Überwachungssoftware“ ist gerade ein Aufsatz von mir in der Zeitschrift MultiMedia und Recht (MMR 2012, 18) erschienen, der nicht online verfügbar ist. Es wird dort der Frage nachgegangen, ob die sog. Quellen-TKÜ oder noch weitergehende Maßnahmen der Onlinedurchsuchung nach geltendem Recht zulässig sind.

Meine Thesen lauten zusammengefasst:

1. Die sog. Quellen-TKÜ ist zwar in rechtlicher Hinsicht eine Telefonüberwachung, stellt aber in technischer Hinsicht eine Onlinedurchsuchung dar, weil sie zwingend die heimliche Infiltration eines Computers mit einer Spähsoftware voraussetzt.

2. Dieses Spannungsverhältnis hat das BVerfG  in seiner Entscheidung zur Onlinedurschsuchung erkannt und versucht, eine verfahrensrechtliche Lösung zu finden. Diese setzt allerdings voraus, dass der Gesetzgeber tatsächlich in der Lage ist, die Gefahr, die die Installation eines Trojaners mit sich bringt dahingehend zu beherrschen, dass die Maßnahme trennscharf auf die Quellen-TKÜ begrenzt werden kann. Es stellt sich insoweit die Frage, ob die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene juristisch nachvollziehbare Differenzierung zwischen Onlinedurchsuchung und Quellen-TKÜ in technischer Hinsicht überhaupt praktikabel und zuverlässig möglich ist. Ist das nicht der Fall, dann wäre das Gericht von unzutreffenden tatsächlichen Annahmen ausgegangen. Das würde wiederum bedeuten, dass eine gesetzliche Regelung der Quellen-TKÜ nicht an den Vorschriften der TK-Überwachung, sondern vielmehr an den deutlich engeren Vorgaben einer Onlinedurchsuchung zu messen wäre.

3. Um die Anforderungen des BVerfG auch für die sog. Quellen-TKÜ zu erfüllen, muss der Gesetzgeber konkrete Vorgaben bzgl. der Funktionalität der einzusetzenden Software machen. Der Einsatz multifunktionaler Programme ist grundsätzlich problematisch, da bei solchen Programmen nie ausgeschlossen werden kann, dass im Einzelfall mehr gemacht wird als zulässig ist. Genau dies muss der Gesetzgeber aber verhindern. Erforderlich ist in jedem Fall eine ausreichende Qualitätssicherung und Überprüfung. Die derzeitige Praxis des Ankaufs von Computerprogrammen, bei denen die Behörden noch nicht einmal in Besitz des Quellcodes sind und die nach den Feststellungen des CCC auch erhebliche programmiertechnische Mängel aufweisen, entspricht nicht ansatzweise den Vorgaben des Verfassungsgerichts und ist zu unterbinden.

Fazit:
Die Quellen-TKÜ ist nach geltendem Recht nicht von der Vorschrift des § 100a StPO gedeckt. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers eine spezifische gesetzliche Regelung zu schaffen, die die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus der Entscheidung zur Onlinedurchsuchung umsetzt und die insbesondere sicherstellt, dass Maßnahmen, die über eine Überwachung der Internettelefonie hinausreichen, ausgeschlossen sind. Die derzeitige Praxis des Einsatzes von multifunktionaler Software ist durch entsprechende gesetzliche Vorgaben zu verhindern.

Mit dem Themenkreis Staatstrojaner und Quellen-TKÜ setzen sich auch (erneut) Florian Albrecht und Sebastian Dienst in einem lesenswerten Aufsatz für JurPC auseinander. Die Autoren bezweifeln die technische Realisierbarkeit einer verfassungskonformen Quellen-TKÜ und sind darüber hinaus der Ansicht, dass auch die Regelung des § 20a BKA-G, die dem BKA eine Onlinedurchsuchung in engen Grenzen erlaubt, verfassungswidrig ist.

posted by Stadler at 17:16  

10.1.12

Weiterverkauf gebrauchter MP3-Dateien?

In Deutschland und Europa tobt bereits seit Jahren ein Streit darüber, ob und inwieweit die Weiterveräußerung „gebrauchter“ Software urheberrechtlich zulässig ist oder nicht. Der BGH hat die Streitfrage unlängst in dem vieldiskutierten UsedSoft-Verfahren an den EuGH vorgelegt.

In den USA bahnt sich ein rechtlich ähnlich gelagerter Streit an. Seit Oktober 2011 ist die Online-Plattform ReDigi am Start, die den Weiterverkauf gebrauchter digitaler Musikdateien ermöglichen soll („The world’s first online marketplace for used digital music“). Als Verkäufer muss man sich den Music Organizer von ReDigi herunterladen, mit dessen Hilfe nicht mehr gewünschte Musikdateien, die sich in der ITunes-Bibliothek befinden, in die Cloud des Portals hochgeladen werden können, während sie gleichzeitig dann nach Angaben des Betreibers von der lokalen Festplatte gelöscht werden.

Die Musikindustrie ist erwartungsgemäß nicht begeistert. Als erstes großes Label geht EMI nun in den USA gerichtlich gegen den Betreiber von ReDigi vor.

In Europa dreht sich die streitige Rechtsfrage primär um den urheberrechtlichen Erschöpfungsgrundsatz der besagt, dass ein Werk, das einmal bestimmungsgemäß in den europäischen Binnenmarkt gelangt ist, beliebig weiterveräußert werden kann, ohne, dass der Urheber/Rechteinhaber dies unterbinden kann. Streitig ist nunmehr u.a., ob das auch für digitale Inhalte gilt, die nicht mehr auf einem Datenträger verbreitet werden. Die urheberrechtliche Diskussion in den USA dürfte sich demgegenüber wohl stärker auf die Frage des sog. Fair Use konzentrieren. ReDigi beruft sich offenbar auch darauf, dass gar keine Vervielfältigung stattfindet, weil die Datei nur von einer Person auf die andere übertragen wird. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, ob man den Vorgang eher technisch oder eher phänomenologisch betrachtet. In technischer Hinsicht wird die Datei natürlich zunächst auf den Server von ReDigi kopiert. Andererseits kann man schon die Frage stellen, ob nicht auch digitale Inhalte, die man per Download erworben hat, weiterverkauft werden dürfen, so wie dies bei Schallplatten oder CD’s der Fall ist.

posted by Stadler at 10:57  

9.1.12

Abschied von den deutschen Grundrechten?

Wenn sich ein amtierender Verfassungsrichter – noch dazu in seinem Zuständigkeitsbereich – zu einem aktuellen Gesetzgebungsvorhaben öffentlich äußert, ist das ein ungewöhnlicher Vorgang. Johannes Masing, Mitglied des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts und dort zuständig u.a. für Meinungs- und Pressefreiheit sowie für das allgemeine Perönlichkeitsrecht und den Datenschutz, hat in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung (SZ vom 09.01.2011, S. 10) einen Beitrag mit dem Titel „Ein Abschied von den Grundrechten“ veröffentlicht. Es geht um die geplante EU-Verordnung zum Datenschutz, über die ich in diesem Blog bereits berichtet habe.

Masing erläutert zunächst, dass die geplante Verordnung in ihrer Wirkung einem europäischen Gesetz entspricht, also anders als eine Richtlinie unmittelbar in den Mitgliedsstaaten gilt und keiner Umsetzung in nationales Recht bedarf. Das hat laut Masing zur Folge, dass damit jede Form des mitgliedschaftlichen Rechts verdrängt wird und damit auch das deutsche Grundgesetz einschließlich der Grundrechte. Masing wörtlich:

Auch die Grundrechte des Grundgesetzes sind nicht mehr anwendbar.

Der Verfassungsrichter zeichnet das Bild einer weitreichenden Verordnung, die die Kontrollfunktion des Bundesverfassungsgerichts in wesentlichen Teilen ausschaltet. Masing bezieht sich insoweit nicht nur auf den Bereich des Datenschutzes, sondern ausdrücklich auch auf den Bereich der Meinungs- und Pressefreiheit.

Masing erläutert anschließend, dass er die europäische Grundrechtscharta nicht „ansatzweise“ als gleichwertigen Ersatz für die deutschen Grundrechte ansieht. Dies vor allem deshalb, weil die Gerichte der Gemeinschaft eine Gerichtsbarkeit ohne Unterbau darstellen würden. Außerdem, so Masing, sei der EuGH gerade nicht auf Grundrechte spezialisiert und der Einzelne könne die europäischen Gerichte auch überhaupt nicht anrufen. Ein Rechtsbehelf wie die Verfassungsbeschwerde existiert auf europäischer Ebene nicht. Der EuGH ist laut Masing kein Bürgergericht und verstehe sich auch zu Recht nicht als Grundrechtegericht.

Die Nichtanwendbarkeit der deutschen Grundrechte bezeichnet Masing als für den Datenschutz „grundstürzend“.

Masing kritisiert anschließend auch ganz deutlich die Rechtsprechung des EuGH zur Frage der Unabhängigkeit der Datenschutzaufsichtsbehörden als fragwürdig und weist darauf hin, dass an die Stelle einer demokratischen Kontrolle durch die Mitgliedsstaaten, Berichtspflichten gegenüber der Kommission treten. Der Verfassungsrichter spricht davon, dass die Aufsichtsbehörden „völlig aus ihren demokratischen Zusammenhängen herausgelöst“ werden.

Das Fazit Masings lautet, dass die Verordnung zum Datenschutz ihrer Wirkung nach das Potential einer tiefgreifenden Verfassungsänderung habe und auch unter diesem Aspekt diskutiert werden müsse.

Der Beitrag von Johannes Masing ist in höchstem Maße erstaunlich und wird mit Sicherheit auch in Brüssel für reichlich Diskussionsstoff sorgen. Als außenstehender Beobachter fragt man sich unweigerlich, ob diese Veröffentlichung im Ersten Senat abgestimmt ist oder nur eine Einzelmeinung Masings darstellt. Die Wortwahl ist jedenfalls so deutlich, dass man fast den Eindruck haben kann, als habe das Bundesverfassungsgericht einen Fehdehandschuh aufgenommen und würde erwägen, an seine alte Solange-I-Rechtsprechung wieder anzuknüpfen.

In der Sache stimme ich Masing zumindest insoweit zu, als, dass durch die Datenschutzverordnung jedenfalls das deutsche Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung praktisch hinfällig wäre. Die Anwendung und Auslegung dieser Verordnung könnte nicht mehr am Maßstab deutscher Grundrechte überprüft werden, weil die Verordnung systematisch vorrangig gegenüber dem Grundgesetz wäre. Ob die Auswirkungen allerdings zudem derart weit in den Bereich der Meinungsfreiheit und anderer Freiheitsrechte reichen, wie von Masing skizziert, erscheint mir zwar fraglich, aber durchaus offen. Denn dies ist letztlich von der konkreten Ausgestaltung der Verordnung abhängig.

Es ist an der Zeit, sich jetzt und rechtzeitig in die politische Diskussion einzumischen, bevor die maßgeblichen Entscheidungen in Brüssel gefallen sind. Und genau dazu will Johannes Masing mit seinem mutigen Beitrag offenbar auffordern.

posted by Stadler at 10:57  
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