Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

20.11.10

ELENA wurde keineswegs gestoppt

Gestern konnte man an verschiedenen Stellen lesen, dass der sog. Elektronische Entgeltnachweis (ELENA) vorerst gestoppt, abgeschaltet oder gar faktisch begraben worden sei.

Wer genau gelesen hat, dürfte allerdings bemerkt haben, dass lediglich die Tesphase um zwei Jahre verlängert wird. Die Pflicht zur Übermittlung der Daten an die zentrale Speicherstelle, die seit 01.01.2010 besteht, wird, soweit ersichtlich, nicht ausgesetzt. Das bedeutet allerdings auch, dass die Vorratsspeicherung von Arbeitnehmerdaten unverändert weitergeht.

Von einem Stopp kann also (noch) keine Rede sein.

posted by Stadler at 22:10  

19.11.10

Brennpunktfragen des IT-Rechts

Die Folien meines heutigen Fachseminars auf dem Niedersächsischen Landesanwaltstags zu aktuellen Fragen des IT-Rechts, das ich zusammen mit dem Kollegen Boecker halte, sind ab sofort online. Mein Vortrag beschäftigt sich mit den Themen Keywordadvertising und ausgewählten aktuellen Fragen des Fernabsatzrechts. Rechtsanwalt Boecker, dessen Folien im PDF-Format hier ebenfalls bereitgestellt werden, spricht über Filesharing und die Aktivitäten von Anwälten im Netz aus rechtlicher Sicht.

posted by Stadler at 13:32  

18.11.10

BGH: Kein Wertersatz nach Befüllung eines Wasserbetts

Der BGH beschäftigt sich in einer ganz aktuellen Entscheidung (Urt. v. 03.11.2010, Az.: VIII ZR 337/09), deren Volltext heute im Shop-Betreiber-Blog veröffentlicht wurde, mit der Frage, wann nach einem Widerruf eines Fernabsatzgeschäfts Wertersatz für die Benutzung der Kaufsache zu leisten ist.

Der Kläger hatte ein Wasserbett über das Internet gekauft, es aufgebaut, die Matratze mit Wasser befüllt und das Bett dann drei Tage lang benutzt. Anschließend hat er den Kaufvertrag fristgerecht widerrufen.

Der Beklagte war der Ansicht, dass durch die Befüllung der Matratze mit Wasser bereits eine Verschlechterung des Wasserbetts eingetreten ist und das Wasserbett als solches nicht mehr verkauft werden kann und deshalb ein Wertverlust in voller Höhe des Kaufpreises eingetreten ist.

Nach § 357 Abs. 3 BGB hat der Verbraucher für eine bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache Werersatz zu leisten, es sei denn, es liegt ein Fall der Erprobung vor. Der BGH legt den Begriff der Erprobung unter Berücksichtigung der Fernabsatzrichtline sehr weit aus und hält den Wasserbettenfall auch noch für eine Erprobung und verneint deshalb den Anspruch auf Wertersatz.

posted by Stadler at 23:59  

18.11.10

Vorratsdaten gegen Terroristen mit Bomben unterm Arm?

Dass die Terrorwarnung des Innenministers die üblichen Panikmacher auf den Plan rufen würde, die mit der ewig gleichen und dümmlichen Rhetorik die Ängste der Menschen schüren, stand zu erwarten.

Ein Highlight bietet Unionshardliner Hans-Peter Uhl, der eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung mit dem Argument fordert:

„Wenn diese Chance vertan wird und sich der Terrorist mit der Bombe unterm Arm auf den Weg gemacht hat, hat der Staat verloren“

Manche Innenpolitiker verfügen zwar augenscheinlich über eine blühende Phantasie aber leider auch über Defizite in Sachen Denklogik. Herr Uhl meint offenbar, mittels der Erkenntnis, welche Website ein Terrorist vor fünf Monaten aufgerufen hat, lasse sich ein Bombenanschlag vereiteln. So stellt sich das nicht einmal klein Fritzchen vor. Was die Terrorismusbekämpfung angeht, bieten die bestehenden Gesetze bessere und ausreichende Instrumente. Die Vorratsdatenspeicherung ist kein relevantes Instrumentarium zur Terrorbekämpfung.

De Maiziere musste die Panik also gar nicht selbst schüren, weil dies Demagogen wie Uhl für ihn erledigen.

posted by Stadler at 12:07  

17.11.10

Quick-Freeze-Plus oder VDS-Light?

Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat letzte Woche als Alternative zur Vorratsdatenspeicherung ein „Quick-Freeze-Plus“ vorgeschlagen und dafür u.a. auf dem Netzpolitischen Kongress der Grünen am vergangen Wochenende, auf dem er als Redner aufgetreten ist, heftige Kritik geerntet. Was sicherlich auch daran lag, dass Peter Schaar Mitglied der Grünen ist und sich in Berlin für eine eher offensive Rhetorik entschieden hatte. Er hat aber auch Zuspruch erfahren.

Der Vorschlag von Schaar, den er auch auf dem Kongress erläutert hatte, läuft darauf hinaus, TK-Verbindungsdaten für einen Zeitraum von zwei Wochen anlassunabhängig zu speichern und diese Daten dann auf Zuruf der Straafverfolgungsbehörden einzufrieren, also weiterzuspeichern (Quick-Freeze), wenn sich ein konkreter Tatverdacht ergeben hat. Ob man das nun als Quick-Freeze-Plus bezeichnet oder Vorratsdatenspeicherung light, ist eher eine Geschmacksfrage. Quick-Freeze – ohne Plus – gab es schon nach der alten Regelung zur Vorratsdatenspeicherung, ich empfehle insoweit die Lektüre des § 100g StPO, der allerdings vom BVerfG in Abs. 1 S. 1 für nichtig erklärt worden ist, soweit Verkehrsdaten nach § 113a TKG erhoben werden dürfen.

Sollte eine solche Regelung am Ende die bisherige Vorratsdatenspeicherung ersetzen, wäre dies verglichen mit der alten Regelung zumindest aus Sicht der Bürgerrechte ein deutlicher Fortschritt. Die Chancen dass es dazu kommt, dürften aber eher schlecht stehen, weil die Ermittler – ich hatte Gelegenheit dies auf dem Kongress der Grünen mit einem Beamten des BKA kurz zu diskutieren – entschieden der Ansicht sind, dass eine Speicherdauer von zwei Wochen überhaupt nichts bringt. Und in diesem Punkt kann man ihnen auch schwer widersprechen.

Wenn Peter Schaar damit argumentiert, ihm würde nicht einleuchten, weshalb ein Verfahren, das sich bei der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen bewährt hat, nicht auch bei der Strafverfolgung funktionieren sollte, so zeigt dies nur, dass Schaar mit dem tatsächlichen Ablauf in Fällen des Filesharing nicht vertraut ist. Dort loggen sog. Anti-Piracy-Unternehmen softwaregestützt quasi live IP-Adressen von Tauschbörsennutzern und haben dann, wenn der Provider Telekom heißt, sieben Tage Zeit, beim Landgericht Köln einen Beschluss nach § 101 Abs. 9 UrhG – also eine Art Quick-Freeze – zu erwirken. Dieser Mechanismus könnte in Fällen der Strafverfolgung nur dann in ähnlicher Weise zur Anwendung kommen, wenn Beamte ebenfalls in Echtzeit IP-Adressen erfassen würden. Das ist allerdings praktisch selten der Fall und würde im übrigen auch eine Maßnahme nach § 100g StPO darstellen. Diese Vorschrift wurde vom BVerfG für nichtig erklärt.

Wenn die Ermittler allerdings von einer IP-Adresse erst durch nachträgliche Ermittlungen mit Zeitverzögerung Kenntnis erlangen, läuft diese Konstruktion leer. Der Vorschlag von Peter Schaar ist in dieser Form deshalb nicht praxistauglich und sollte allein aus diesem Grund nicht weiter diskutiert werden.

Die entscheidende und grundsätzliche Frage ist vielmehr eine Andere. Darf und will dieser Staat 80 Millionen Bürger unter Generalverdacht stellen und ihre Verbindungsdaten anlassunabhängig für einen längeren Zeitraum auf Vorrat speichern, damit er im Bedarfsfalle nachträglich noch Straftaten ermitteln kann? Wir reden insoweit in ca. 80 % der Fälle von Betrugsdelikten und nicht von Terrorismus und Schwerstkriminalität. Für die Ermittlungsarbeit im Bereich der organisierten Kriminalität ist die vorhandene TK-Überwachung nach §§ 100a ff. StPO ohnehin wesentlich besser geeignet als eine Vorratsdatenspeicherung.

Auch im realen Leben kann die Polizei übrigens sehr oft die Täter nicht ermitteln. Die Aufklärungsquote im Onlinebereich ist auch ohne Vorratsdatenspeicherung nicht schlechter als offline. Aber im Internet besteht nun vermeintlich die technische Möglichkeit, Spuren zu sichern, indem man alles Mögliche auf Halde speichert und bei Bedarf darauf zurückgreift. Das weckt Begehrlichkeiten. Aber nicht alles was technisch möglich ist, muss den Ermittlungsbehörden auch gestattet werden. Denn gerade dadurch, dass wir nicht alles machen, was technisch möglich ist, unterscheidet sich der Rechtsstaat vom Unrechtsstaat. Es ist rechtsstaatlich nicht geboten, TK-Verbindungsdaten auf Vorrat zu speichern, damit vielleicht noch ein paar Betrugsfälle mehr aufgeklärt werden, deren Tathandlungen bereits vier Monate zurückliegen. Die Strafverfolgung schützt die Menschen auch nicht vor Phänomenen wie Phishing. Hier hilft nur ein Mindestmaß an Internetkompetenz des Einzelnen.

Dass das Bundesverfassungsgericht eine Vorratsdatenspeicherung nicht per se für unzulässig hält, ist lediglich ein Beleg dafür, wie weit die Erosion der Grundrechte bereits fortgeschritten ist. Es besteht aber auch keine Notwendigkeit, immer nur solche Regelungen zu treffen, die das BVerfG gerade noch mitmacht.

posted by Stadler at 14:50  

16.11.10

Aufklärungsdrohne und Versammlungsfreiheit

Die Polizei hat zur Überwachung der Demonstrationen gegen den Castor Transport eine sog. Überwachungsdrohne eingesetzt. Das ist nicht nur mit Blick auf das Persönlichkeitsrecht der Demonstranten problematisch, wie andernorts geschrieben wird, sondern insbesondere ein Verstoß gegen den Grundsatz der Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts, der seinen einfachgesetzlichen Niederschlag in § 12a VersammlG findet. Das gilt zumindest dann, wenn es sich um eine planmäßige Überwachung des Demonstrationsgeschehens handelt und keine konkrete Gefahrenlage gegeben ist. Die Vorschriften des Bundesversammlungsgesetzes gelten derzeit in Niedersachsen noch, nachdem das neue Landesversammlungsgesetz noch nicht in Kraft getreten ist.

posted by Stadler at 21:28  

16.11.10

OLG Hamburg: Keine Haftung von Sevenload

Das Urteil des OLG Hamburg vom 29.09.2010 (Az.: 5 U 9/09) zur Frage der Haftung des Videoportals Sevenload ist nunmehr im Volltext online.

Ein Musikverlag hatte Sevenload auf Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung von Musikvideos in Anspruch genommen.

Das OLG Hamburg vertritt die Ansicht, dass sich Sevenload fremde Musikvideos die von Nutzern eingestellt werden, nicht zueigen macht, weil Sevenload diese Inhalte nicht auf Vollständigkeit und Richtigkeit prüft und auch anders als in der Entscheidung „Chefkoch“ nicht mit einem eigenen Kennzeichen versieht. Deshalb haftet Sevenload jedenfalls nicht als Täter oder Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung.

Das OLG Hamburg verneint außerdem eine generelle Störerhaftung des Portalbetreibers Sevenload und weist darauf hin, dass eine Handlungspflicht des Portalbetreibers erst dann entsteht, wenn es auf konkrete, rechtswidrige Inhalte hingewiesen wird. Dies entspricht im Grundsatz der Rechtsprechung des BGH zur Haftung eines Host-Providers und der von Marktplätzen wie eBay.

Der Senat stellt ferner klar, dass Sevenload auch kein Geschäftsmodell verfolgt, das die Rechtsordnung missbilligen würde. Eine im Ergebnis begrüßenswerte Entscheidung.

posted by Stadler at 18:02  

16.11.10

Axel E. Fischer selbst vermummt

Wer glaubt, der CDU Politker Axel E. Fischer habe mit seiner Forderung nach einem „Vermummungsverbot im Internet” bereits etwas vollbracht, was nicht steigerungsfähig ist, der irrt. Denn es kommt noch besser. Axel E. Fischer, Vorsitzender der Internet-Enquete-Kommission, agiert online selbst vermummt. Das Blog „ja-zu-fischer.de“ verfügt, entgegen der Vorschrift des § 55 RStV, über kein Impressum. Erst die Recherche bei DENIC ergibt als Inhaber der Domain: Axel Fischer, Platz der Republik 1, Berlin.

Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen. Axel E. Fischer, der sagt, es könne nicht sein, dass sich Nutzer im Netz  hinter selbstgewählten Pseudonymen verstecken, bloggt anonym.

Wasser predigen und Wein saufen nennt man das wohl. Was bin ich froh, dass neben der Kompetenz auch noch die Konsequenz zu den großen Stärken von Axel E. Fischer zählt.

Update:
Axel E. Fischer hat reagiert und das Blog mittlerweile vom Netz genommen, die Domain wird derzeit auf „axel-e-fischer.de“ umgeleitet.  Die ursprüngliche Version ist aber noch im Google-Cache vorhanden. Eine neue Version, die schnell um ein Impressum ergänzt wurde, ist mittlerweile online.

posted by Stadler at 08:28  

15.11.10

Fachseminar zum IT-Recht für Anwälte

Noch ein Hinweis in eigener Sache an die mitlesenden Anwaltskollegen. Im Rahmen des Niedersächsischen Landesanwaltstags am 19.11.2010 in Hannover halten der Kollege Dominik Boecker und ich ein Fachseminar zu aktuellen Themen des IT-Rechts ab.

Konkret wird es um Filesharing, Keyword-Advertising, Neuerungen des Fernabsatzrechts und um Anwälte und ihre Aktivitäten im Netz gehen. Die Teilnehmer erhalten eine Bescheinigungen nach § 15 FAO.

posted by Stadler at 18:25  

15.11.10

Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte

Die interessantesten Gespräche führt man häufig nicht auf der Hauptveranstaltung, sondern abends in der Kneipe. Das war auch beim Netzpolitischen Kongress der Grünen am vergangenen Wochenende nicht anders.

Timothy Herkt, der an der Kampagne von Amnesty International „Mehr Verantwortung bei der Polizei“ mitarbeitet, hat mich darauf hingewiesen, dass es beispielsweise in England bereits eine Kennzeichnungspflicht für Polizisten gibt und dort außerdem bei der Aufarbeitung von Polizeigewalt unabhängige Ermittler zum Einsatz kommen, in Gestalt der Independant Police Complaint Commission (IPCC). Die IPCC zieht übrigens ein äußerst positives Fazit aus der Einführung der Kennzeichnungspflicht in Großbritannien und betont außerdem, dass es keinen einzigen bekannten Fall gebe, in dem einem Beamten hieraus Nachteile entstanden wären.

Und das ist ein Aspekt, den auch die Gegner der Kennzeichnungspflicht in der Politik und bei den Polizeibehörden zur Kenntnis nehmen sollten.

Der Ruf der Polizei leidet mittlerweile darunter, dass für viele Bürger in letzter Zeit deutlich geworden ist, dass es bei Demonstrationen immer wieder auch zu Übergriffen durch die Polizei kommt, denen keine Provokation vorausgegangen ist. In diesen Fällen kann man es dem Polizeibeamten, der selbst zum Täter wird, nicht gestatten, anschließend wieder in der anonymen Masse einer Hundertschaft unterzutauchen. Auch der Polizei sollte man kein Vermummungsrecht zubilligen. Das ist ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit. Der Deutsche Anwaltverein befürwortet eine Kennzeichnungspflicht übrigens ebenfalls.

posted by Stadler at 11:34  
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